OGH 5Ob13/24h

OGH5Ob13/24h16.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei N* Ltd., *, vertreten durch Mag. Marcus Marakovics, Rechtsanwalt in Wien, wegen 36.412 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Juli 2023, GZ 12 R 70/23m‑26, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00013.24H.0416.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Gerichtshof der Europäischen Union wird zurückgewiesen.

2. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit Sitz in Malta und bietet unter anderem in Österreich Online‑Glücksspiele an. Sie verfügt über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht.

[2] Der Kläger nahm in der Zeit vom 9. 5. 2019 bis 10. 3. 2022 an von der Beklagten angebotenen Online‑Glücksspielen teil und verlor dabei insgesamt 36.412 EUR. Er begehrt den Rückersatz seines Verlusts.

[3] Das Erstgericht gab der Klage statt.

[4] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die außerordentliche Revision der Beklagten, in der sie auch die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art 267 AEUV beantragt, zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[6] 1. Die Prozesspartei hat keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Art 267 AEUV zu beantragen; ein solcher Antrag ist zurückzuweisen (RS0058452). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Berufungsgericht der Anregung auf Einholung einer Vorabentscheidung nicht gefolgt sei (vgl RS0058452 [T22]). Es besteht in der Sache auch kein Anlass, ein solches Vorabentscheidungsersuchen zu stellen (dazu 2.3.).

[7] 2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online‑Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um daran teilzunehmen (RS0016325 [T16]). Damit ist § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand verwirklicht (hier § 52 Abs 5 GSpG), kommt es daher nicht an (5 Ob 20/24p; 5 Ob 174/23h; 6 Ob 216/23t je mwN). Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche vielmehr dem Zweck der Glücksspielverbote (RS0025607 [T1]). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch aus der Entscheidung 5 Ob 506/96 nichts Gegenteiliges abzuleiten (5 Ob 20/24p; 5 Ob 174/23h; 6 Ob 216/23t je mwN).

[8] 2.2. Im Hinblick auf die Zielsetzung des Glücksspielgesetzes wird der Rückforderungsanspruch des Spielers nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch durch die Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld nicht ausgeschlossen. Der Rück‑forderungsanspruch des Spielteilnehmers bei verbotenen Online‑Glücksspielen besteht also auch dann, wenn ihm das Verbot (RS0016325 [T17]) und damit die Ungültigkeit seiner Verpflichtung bekannt war (6 Ob 216/23t mwN). Die auf die dargestellte Rechtsprechung gestützte Rückforderung der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online‑Glücksspiel verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben (3 Ob 69/23b mwN) und ist per se nicht rechtsmissbräuchlich iSd § 1295 Abs 2 ABGB (7 Ob 102/22h).

[9] 2.3. Der Oberste Gerichtshof geht – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen Höchstgerichte – in ständiger Judikatur davon aus, dass das österreichische System der Glücksspiel‑Konzessionen bei Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht (RS0130636 [T7]). Der Oberste Gerichtshof hat einen Verstoß gegen Unionsrecht erst jüngst in mehreren Entscheidungen für Spielverluste in vergleichbaren Zeiträumen verneint (etwa 5 Ob 20/24p; 1 Ob 1/24i; 1 Ob 7/24x; 7 Ob 199/23z; 7 Ob 202/23s; 7 Ob 203/23p; 7 Ob 204/23k). Der erkennende Senat sieht keinen Grund, aufgrund der Überlegungen der Beklagten von dieser gefestigten Rechtsprechung abzugehen.

[10] 2.4. Zur unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols und der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d). Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Kontext schon wiederholt darauf hingewiesen, dass sich aus der Entscheidung des EuGH zu C‑920/19 , Fluctus ua, kein Verbot für ein nationales Gericht ergibt, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte – hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs – zu berufen. Der EuGH sprach darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen. Dass und bei welcher nationalen Norm das hier der Fall gewesen wäre und deshalb eine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen vorliegt, zeigt die Beklagte nicht auf. Daher liegen weder sekundäre Feststellungsmängel „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ vor, noch ist das Berufungsverfahren insoweit mangelhaft geblieben. Eine neuerliche Befassung des EuGH ist im Hinblick auf dessen Entscheidungen zu C‑390/12 , C‑79/17 und C‑545/18 entbehrlich (vgl 1 Ob 1/24i mwN).

[11] 3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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