OGH 1Ob176/22x

OGH1Ob176/22x27.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden ParteiG*, vertreten durch Dr. Peter Ozlberger, Rechtsanwalt in Waidhofen/Thaya, gegen die beklagte Partei I* Ltd, *, Malta, vertreten durch die Stadler Völkel Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 48.259,25 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 2. September 2022, GZ 2 R 118/22y‑56, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom24. Mai 2022, GZ 22 Cg 84/21h‑47, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27. Mai 2022, GZ 22 Cg 84/21h‑49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00176.22X.0127.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.858,35 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Beklagte ist ein Glücksspielunternehmen mit Sitz auf Malta und verfügt dort über eine (maltesische) Glücksspiellizenz; eine nationale Glücksspiellizenz in Österreich hat sie nicht. Sie bietet auf ihrer Website in Österreich Live-Sportwetten an.

[2] Der Kläger hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Steiermark. Bereits mit 18 Jahren begann er regelmäßig zu spielen und Sportwetten abzuschließen. In der Folge achtete er stets darauf, dass seine Ehefrau nicht bemerkte, dass er regelmäßig Sportwetten platzierte. Nachdem seine Ehefrau dennoch im Jahr 2019 von diesen Aktivitäten erfahren hatte, kontaktierte er eine Suchtberaterin, mit deren Hilfe er bei seinem damaligen Anbieter eine Sperre veranlassen ließ. Den Kontakt mit der Suchtberaterin brach der Kläger jedoch kurz danach ab, weil er dachte, seine Verluste ohnehin wieder zurückgewinnen zu können. Dazu wandte er sich einem neuen Sportwettenanbieter zu.

[3] In der Zeit von 24. 10. 2019 bis 21. 4. 2020 schloss der Kläger über sein Smartphone online bei der Beklagten Sportwetten ab, wozu er auf deren Website ein Spielerkonto eröffnete und die AGB der Beklagten akzeptierte. Seine Wetttätigkeit übte der Kläger dabei von der Steiermark aus. Der Wetteinsatz betrug jeweils etwa zwischen 25 EUR und 250 EUR und wurde vom Kläger per Sofortüberweisungen und mit Paysafecards beglichen.

[4] Der Kläger platzierte seine Online-Sportwetten während der Arbeit sowie in der Nacht. Seinem Einkommen von netto 2.600 EUR (14 x jährlich) standen monatliche Kreditverbindlichkeiten von 1.200 EUR sowie eine Leasingrate für das Auto von 190 EUR monatlich gegenüber. Sämtliche anderen Familienkosten trug seine Ehefrau. Die aus den Sportwetten erzielten Gewinne setzte der Kläger bei weiteren Online-Sportwetten ein. Die Kreditverbindlichkeit über 30.000 EUR rührte aus der Fremdfinanzierung von Um- bzw Renovierungsarbeiten an seinem Haus her, das ihm von seinen Eltern schon mit einer Kreditbelastung übergeben worden war. Der Kläger verwendete zwar auch Teilbeträge aus der Kreditsumme für die Finanzierung von Wetteinsätzen, Zahlungsausfälle waren damit jedoch nicht verbunden. Er verfügte über die nötige Einsichtsfähigkeit, um sowohl sein Einkommen als auch das aufgenommene Kreditvolumen immer so zu regulieren, dass er einerseits seiner Familie seine Sportwettenleidenschaft verheimlichen konnte und es andererseits auch zu keinen auffälligen Außenständen oder Zahlungsausfällen kam. Er war zwar ein „pathologischer Spieler“, aber stets in der Lage, die konkrete Tragweite seines Handelns zu beurteilen, hatte eine genaue Vorstellung seiner Schulden und versuchte durch bewusste Handlungen in Form von Umschuldungen seine Geldflüsse zu regulieren.

[5] Im April 2020 wurde der Kläger bei der Beklagten gesperrt. Ab diesem Zeitpunkt konnte er bei ihr keine Wetten mehr abschließen. Nach der Sperre bei der Beklagten spielte der Kläger Online-Sportwetten bei anderen Anbietern.

[6] Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung seiner Spielverluste aus Sportwetten von insgesamt 48.259,25 EUR, die er in der Zeit von 24. 10. 2019 bis 21. 4. 2020 erlitten habe, im Wesentlichen mit der Behauptung, er sei spielsüchtig und aus diesem Grund (partiell) geschäftsunfähig gewesen, weshalb die Wettverträge rückabzuwickeln seien. Überdies habe die Beklagte die Wetten ohne gültige Lizenz angeboten und dadurch gegen die Bestimmungen des Steiermärkischen Wettengesetzes verstoßen. Damit seien die von ihm abgeschlossenen Wettverträge jedenfalls gesetzwidrig und nichtig. Der Beklagten sei auch eine Verletzung von Schutzpflichten vorzuwerfen, weil sie ihm nach § 8 Abs 3 des Steiermärkischen Wettengesetzeswegen der 50 EUR übersteigenden Einsätze eine Wettkundenkarte überreichen hätte müssen; die von ihm gespielten Live‑Sportwetten seien zudem nach § 12 leg cit verboten; auch hätte die Beklagte mit ihm aufgrund der großen Wettverluste ein Gespräch gemäß § 8 Abs 6 dieses Gesetzes suchen und ihn gegebenenfalls von den Wetten (früher) sperren müssen.

[7] Die Beklagte wendet ein, der Kläger sei weder spielsüchtig noch geschäftsunfähig gewesen. Alle von ihr angebotenen Wetten seien unionsrechtskonform und legal. Das Steiermärkische Wettengesetz sei nicht anwendbar, weiles den Bereich Online-Wetten nicht regle. Ein Verstoß gegen österreichische Schutznormen liege nicht vor; es bestehe keine Verpflichtung zur Ausstellung einer Wettkarte oder zur Gesprächsführung im Rahmen von Online‑Wetten.

[8] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Sportwetten seien nicht als Monopol dem Bund vorbehalten, sondern in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache. Der Kläger habe in der Steiermark auf die Website der Beklagten zugegriffen und online Live‑Sportwetten gespielt. Das Steiermärkische Wettengesetz regle den Bereich der Online‑Wetten nicht, wobei deren Nichterfassung keine planwidrige Lücke bilde, sodass die Voraussetzungen für eine Analogie fehlten. Vor diesem Hintergrund lägen daher keine Rechtsgründe für eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung oder für Schadenersatz wegen Lizenzlosigkeit oder Verstößen der Beklagten gegen einzelne Bestimmungen dieses Gesetzes vor. Der Kläger sei zwar ein „pathologischer“ Spieler, allein daraus könne aber noch keine (partielle) Geschäftsunfähigkeit abgeleitet werden.

[9] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

[10] Sportwetten fielen nicht unter das Glücksspiel, sodass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen nach den jeweiligen Landesgesetzen richteten und je nach Bundesland variierten. Die landesgesetzlichen Regelungen in der Steiermark sähenkeine Regelungen des Online‑Sportwettenbereichs vor. Die Bewilligungs- und Anzeigenpflicht nach diesem Gesetz setze eine Annahmestelle voraus, die der Wettunternehmer dauernd betreibe, wobei Annahmestelle als ortsgebundene Betriebsstätte definiert werde. Damit seien Orte gemeint, die von einem Wettkunden betreten werden könnten, damit dieser dort Wett- oder Wettvermittlungsverträge abschließen könne. Ein Wettunternehmer, der, wie die Beklagte, keine physische Präsenz in der Steiermark habe, unterliege daher nicht dem Steiermärkischen Wettengesetz, sodass sich der Kläger auch nicht auf die darin einem Wettenanbieter auferlegten Schutzpflichten berufen könne. Nach den Feststellungen sei sich der Kläger bei Abschluss der Wettverträge über die Tragweite seiner Handlungen im Klaren gewesen, habe somit abschätzen können, was das Spielen bzw Weiterspielen der einzelnen Sportwetten bedeute, und habe dieser Einsicht gemäß gehandelt. Anhaltspunkte für die von ihm behauptete Geschäftsunfähigkeit lägen damit nicht vor, sodass die Wettverträge wirksam seien und keine Grundlage für deren bereicherungsrechtliche Rückabwicklung bestehe. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil das Berufungsgericht keine qualifizierte Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen gehabt habe.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zum Steiermärkischen Wettengesetz im Zusammenhang mit Online-Sportwetten bislang noch nicht Stellung genommen hat; sie ist aber nicht berechtigt.

[12] 1. Dem Klagebegehren liegen unzweifelhaft Verbraucherverträge zugrunde, sodass nach Art 6 Abs 1 Rom I‑VO das Recht jenes Mitgliedstaats anzuwenden ist, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn der Unternehmer in diesem Mitgliedstaat eine Tätigkeit ausübt oder eine Tätigkeit auf irgendeine Weise auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Dass die Beklagte ihre Tätigkeit durch die Gestaltung ihrer Website auch auf Österreich ausgerichtet hat und damit österreichisches Sachrecht anzuwenden ist, ist zwischen den Parteien zu Recht nicht strittig. Daraus ergibt sich aber noch nicht die Anwendbarkeit des Steiermärkischen Wettengesetzes 2018 (StWttG) in der während deshier relevanten Zeitraums geltenden Fassung (LGBl 2018/9 idF LGBl 2019/62). Denn es ist ja gerade strittig, ob dieses Gesetz Online‑Wetten überhaupt erfasst.

2. Europarechtliche Vorgaben:

[13] 2.1. Das Unionsrecht enthält an sich keine Bestimmungen, die das Glücksspiel und auch die Sportwette näher regeln. Als Teil des Wirtschaftslebens sind Glücksspiele aber als Dienstleistung im Sinn des Art 56 AEUV anzusehen (so schon EUGH C‑275/92 , Schindler, Rn 45 [Leitsatz 2] zu Art 49 EWG‑Vertrag). Wetten über sportliche Ereignisse sind in diesem Zusammenhang dem Glücksspiel gleichzuhalten (EuGH C‑67/98 , Zanetti, Rn 19).

[14] 2.2. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union steht es den Mitgliedstaaten grundsätzlich frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet des Glücksspiels festzulegen und das angestrebte Schutzniveau zu bestimmen (EuGH C‑98/14 , Berlington Hungary, Rn 56 mwN). Nationale Beschränkungen müssen aber dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (EuGH C‑46/08 , Carmen Media Group, Rn 60; C‑316/07 , Stoß, Rn 77, jeweils mwN). Die Regelung muss geeignet sein, die Verwirklichung des zulässigen Ziels in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (EuGH C‑98/14 , Rn 64). Ein Verbot des Betriebs von Glücksspielen (und nach der Rechtsprechung des EuGH damit auch bestimmter Wetten) kann insbesondere durch das Ziel, Spieler zu schützen und Straftaten im Zusammenhang mit solchen Spielen zu bekämpfen, gerechtfertigt sein (EuGH C‑390/12 , Pfleger,Rn 42 mwN). Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben steht Art 49 EG (nunmehr Art 56 AEUV) auch einer Regelung nicht entgegen, nach der Anbieter von Internetglücksspielen und Internetsportwetten, die in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen sind, in denen sie rechtmäßig entsprechende Dienstleistungen erbringen, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats keine Glücksspiele über das Internet anbieten dürfen (EuGH C‑42/07 , Liga Portuguesa, Rn 73).

[15] 3. Im nationalen Recht führen die Kompetenzbestimmungen der Bundesverfassung zu unterschiedlichen Zuständigkeiten für Glücksspiele und Wetten:

[16] 3.1. Nach Art 10 Abs 1 Z 4 B‑VG ist das „Monopolwesen“ in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache. Damit wird eine Kompetenz‑Kompetenz des einfachen Bundesgesetzgebers begründet (Muzak, B‑VG6 [2020] Art 10 B‑VG Rz 13 mwN). Ein solches Monopol enthält § 3 GSpG, wonach das Recht zur Durchführung von Glücksspielen dem Bund vorbehalten ist (Glücksspielmonopol).

[17] 3.2. Glücksspiel ist nach § 1 Abs 1 GSpG ein „Spiel, bei dem die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt“. Auf Wetten findet das Glücksspielgesetz (das Glücksspielmonopol) – mit Ausnahme des Toto (kraft ausdrücklicher Anordnung in § 7 GSpG) – keine Anwendung (Zauner, Sportwetten im österreichischen und europäischen Recht, in Berger/Hattenberger, RECHT SPORTlich 2 [2013] 11 [18]).

[18] 3.3. Bei Sportwetten handelt es sich um Wetten, die aus Anlass sportlicher Veranstaltungen und damit im Zusammenhang mit einer körperlichen Betätigung im Wettkampf/Wettspiel vorgenommen werden („Sportwetten“, bzw „Buchmacher- und Totalisateurwetten“). Sie fallen, da nicht vom Glücksspielmonopol erfasst, gemäß Art 15 Abs 1 B‑VG in Gesetzgebung und Vollziehung in die Kompetenz der Länder (Zauner aaO 16; ausführlich Zillner in Zillner, Kommentar zum Glücksspielgesetz [2021] Wettrecht I Rz 1 ff).

[19] 3.4. Auf dieser Grundlage hat das mit 1. 1. 2018 in Kraft getretene Steiermärkische Wettengesetz 2018 das Gesetz vom 1. Juli 2003 über den Abschluss und die Vermittlung von Wetten im Land Steiermark (Stmk Wettgesetz), LGBl 2003/79, ersetzt, das seinerseits das Gesetz vom 28. Juli 1919 betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens, StGBl 1919/388, zuletzt in der Fassung LGBl 2002/18, abgelöst hatte. Weder im Gesetz selbst noch in den Materialien (schriftlicher Bericht des Ausschusses, EZ 490/18) wird auf Online‑Wetten Bezug genommen oder der räumliche Anwendungsbereich des Gesetzes konkretisiert.

[20] 3.5. Das StWttG regelt das Anbieten, den Abschluss und die Vermittlung von Wetten sowie die Vermittlung von Wettkunden durch Wettunternehmer (§ 1 StWttG) und formuliert in § 3 eine Bewilligungs- und Anzeigepflicht, nach der

1. die Tätigkeit als Wettunternehmer nur nach Erteilung einer Bewilligung der Behörde ausgeübt werden darf,

2. jeder Wettunternehmer zumindest eine Annahmestelle dauernd betreiben muss und

3. für jede Annahmestelle eine Standortbewilligung erforderlich ist, die nur einem Wettunternehmer erteilt werden darf, der über eine Bewilligung der Behörde verfügt.

 

[21] Nach § 2 Abs 1 Z 4 StWttG ist Annahmestelle eine ortsgebundene Betriebsstätte, in der Wetten angeboten, Wettangebote entgegengenommen, Wetten abgeschlossen oder vermittelt oder Wettkunden vermittelt werden. § 4 leg cit enthält nähere Regelungen über die Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung als Wettunternehmer; dessen § 5 regelt die Voraussetzungen für die Standortbewilligung einer Annahmestelle.

[22] 4. In den letzten Jahren wurden die wettrechtlichen Bestimmungen aller Bundesländer (auch wegen der Notwendigkeit von Geldwäschebestimmungen) novelliert oder neu gefasst (vgl dazu die Darstellung bei Rapani/Kotanko in Zillner, Glücksspielgesetz, Wettrecht V Rz 1 ff). Die Steiermark gehört mit dem Burgenland, Kärnten und Wien zu jenen Bundesländern, die keine ausdrücklichen Regelungen für Online-Wetten vorsehen. Das war der allgemeine Rechtszustand vor den genannten Neuregelungen. Hingegen enthalten die Gesetze der anderen Länder (im einzelnen voneinander abweichende) Bestimmungen zu Online-Wetten. Diese erfassen aber solche Wetten nur dann, wenn der Serverstandort im jeweiligen Bundesland liegt (vgl etwa § 1 Abs 4 Vorarlberger Wettengesetz; § 1 Abs 1 iVm § 3 Z 5 Salzburger Wettunternehmergesetz), sodass auch nur dann eine Bewilligungspflicht gegeben ist (Barczak/Hartmann, Zur Unionsrechtswidrigkeit der Glücksspiel- und Wettregulierung in Österreich, MR 2020, 330 [333]; Rapani/Kotanko in Zillner, Glücksspielgesetz, Wettrecht V Rz 58).

[23] 5. Stellungnahmen in der Literatur zu den landesgesetzlichen Regelungen der Sportwetten differenzieren danach, ob die landesgesetzlichen Vorschriften ausdrückliche Regelungen zu online angebotenen Sportwetten enthalten oder ob sich diese Gesetze dazu, wie das StWttG, nicht äußern:

[24] 5.1. NachRapani/Kotanko (in Zillner, Glücksspielgesetz, Wettrecht V Rz 58) knüpfen jene Bundesländer, die Regelungen für Online-Wetten enthalten, die Möglichkeit und Pflicht für das Erlangen einer Bewilligung für die Tätigkeit als Wettunternehmer grundsätzlich an das Bestehen einer Betriebsstätte/ Wettannahmestelle im jeweiligen Bundesland. Das sei bei Online-Wetten der Ort der Bereitstellung der Daten, wobei dies nach dem Gesetz oder nach den jeweiligen Materialien regelmäßig der Serverstandort sein soll. In den Erläuternden Bemerkungen werde dazu klargestellt, dass eine landesgesetzliche Bewilligung für das Anbieten von Internetwetten nur dann erforderlich sei und auch nur dann erlangt werden könne, wenn eine derartige Betriebsstätte (Ort der Bereitstellung der Daten) im jeweiligen Bundesland vorhanden sei. Anderenfalls unterliege die Ausübung der Tätigkeit als Wettunternehmer via Internet nicht dem Anwendungsbereich der jeweiligen Landeswettengesetze. Daher bestehe in diesen Fällen keine Bewilligungspflicht.

[25] Gleiches gilt nach diesen Autoren (aaO Rz 59 ff) aber auch in jenen Bundesländern, deren Gesetze Online‑Wetten nicht regeln. Eine Auslegung dieser Gesetze dahin, dass das Anbieten jeglicher Wetten, also auch von Online‑Wetten eine physische Präsenz und damit eine Bewilligung im jeweiligen Land erforderte, verstieße gegen die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit. Eine durch Analogie zu füllende Lücke liege nicht vor.

[26] 5.2. Andere Äußerungen der Lehre beziehen sich auf eine Rechtslage, die keine ausdrücklichen Regelungen zu Online-Sportwetten enthält.

[27] 5.2.1. Nach Zauner (Sportwetten im österreichischen und europäischen Recht, in Berger/Hattenberger, RECHT SPORTlich 2, 27) muss ein Wettanbieter grundsätzlich über eine Bewilligung für alle Bundesländer verfügen, von denen aus ein Online-Wettangebot genutzt werden kann. Zauner sieht zwar das Problem, dass die Landesgesetze die Bewilligung regelmäßig von einer physischen Präsenz abhängig machen, sodass Anbieter aus anderen Bundesländern oder Staaten keine Bewilligung für Online-Wetten erlangen könnten. Es sei aber dennoch „fraglich“, ob eine Bewilligung zur Ausübung der Tätigkeit mit Standort in einem bestimmten (anderen) Bundesland „automatisch“ zum Abschluss von Wetten über das Internet berechtige.

[28] 5.2.2. Andere Autoren nehmen einen ähnlichen Standpunkt ein, stellen aber darauf ab, wo der Wettvertrag rechtlich zustande kommt.

[29] (a) Wojnar (Internet, Wetten und Glücksspiel, in Strejcek, Glücksspiele, Wetten und Internet [2006] 34) meint, dass die Tätigkeit eines Anbieters bei Zustandekommen in einem Bundesland ohne explizite Regulierung von Online‑Wetten von vornherein nicht genehmigungsfähig sei. Die Bewilligung des Bundeslandes, in dem das Unternehmen den Standort habe, berechtige aufgrund des beschränkten räumlichen Geltungsbereichs dieser Bewilligung nur zur Tätigkeit in diesem Bundesland. In den anderen Bundesländern, in denen die Verträge über Internet abgeschlossen würden, sei die Ausübung nicht bewilligt und somit rechtswidrig. Gestalte der Anbieter allerdings den Vertragsabschluss so, dass er an seiner Niederlassung zustande komme, benötige er lediglich die Bewilligung jenes Bundeslandes, in dem sich die Niederlassung befinde.

[30] (b) Schwartz/Wohlfahrt (Glücksverträge im Internet, MR 2001, 323) vertreten ebenfalls die Auffassung, dass eine Bewilligung in jenem Bundesland erforderlich sei, in dem der entsprechende Wett- bzw Wettvermittlungsvertrag zustande komme. Sei die Wettannahme so gestaltet, dass der Wettvertrag am Standort des Wettteilnehmers zustande komme, benötige ein über Internet tätiger Wettanbieter eine wettrechtliche Bewilligung für alle Bundesländer, aus denen ihn Wettangebote erreichten. Mache der Wettanbieter hingegen von der Disponibilität des Vertragsabschlussorts Gebrauch und lasse den Wettvertrag – im Wege der Realannahme oder durch entsprechende Verbindlicherklärung auf seiner Homepage – am Standort seines Unternehmens zustande kommen, benötige er eine wettrechtliche Bewilligung nur für diesen Standort.

[31] (c) Segalla (in Holoubek/Potacs, Öffentliches Wirtschaftsrecht4 [2019] 305), geht davon aus, dass jene landesgesetzlichen Regelungen, die keine Bestimmungen zur Online-Abwicklung enthielten, die Veranstaltung elektronischer Wetten typischerweise nicht ausschließen würden. Probleme würden sich daraus ergeben, dass unter Umständen für die österreichweite Veranstaltung elektronischer Wetten landesrechtliche Bewilligungen aller Bundesländer erforderlich seien. Die „herrschende Lehre“ mache dies vom Ort abhängig, an dem der Wettvertrag zustande komme: Werde der Wettvertrag am Standort des Veranstalters abgeschlossen, benötige dieser eine landesrechtliche Bewilligung bloß für diesen Standort. Komme der Vertrag hingegen am Standort des Wettenden zustande, so benötige der Anbieter Bewilligungen sämtlicher Länder, in denen er Wetten anbiete.

[32] (d) Diesen Auffassungen ist gemein, dass der Anbieter durch Regelungen zum Abschlussort in seinen AGB die Anwendung des Rechts jenes Bundeslandes ausschließen kann, von dem aus der Kunde seine Wetten platziert. Zwar wird das meist nur für Anbieter aus anderen österreichischen Bundesländern erörtert; gleiches müsste dann aber auch für Anbieter aus anderen Staaten gelten.

[33] 5.2.3. Im Wesentlichen nur einen Bericht über die Verwaltungspraxis erstatten Hasberger/Busta (Internetwett-plattformen und Verwaltungspraxis, MR 2006, 175). Danach haben alle Bundesländer, mit Ausnahme von Wien, eine Bewilligungspflicht von Online-Wetten, die aus dem Ausland angeboten werden, nach den jeweiligen Landeswettengesetzen verneint. Nur Wien habe aufgrund der Möglichkeit der Inanspruchnahme des Wettangebots mit Hilfe von in Wien situierten Computern eine Bewilligungspflicht angenommen. Rechtspolitisch sprechen sich die Autoren für eine ausdrückliche Regelung im Sinn einer Bewilligungspflicht aus.

6. Auf dieser Grundlage hat der Senat Folgendes erwogen:

[34] 6.1. Eine ausdrückliche Regelung, die das Anbieten von Sportwetten über das Internet verbieten oder vom Vorliegen einer behördlichen Bewilligung abhängig machen würde, enthält das StWttG nicht. Auch in den Materialien findet sich dazu kein Hinweis.

[35] 6.2. Nach § 1 Abs 1 StWttG darf die Tätigkeit als Wettunternehmer nur nach Erteilung einer Bewilligung der Behörde „ausgeübt“ werden.

[36] 6.2.1. Nach den Erläuterungen soll damit das gesamte Wettangebot in der Steiermark vom Gesetz erfasst sein (EZ 490/18, Erläuterungen zu § 1). Dazu knüpft das Gesetz an die Tätigkeit des Wettunternehmers an und fordert dafür eine ortsgebundene Betriebsstätte. Ein Wettunternehmer soll demnach seine Tätigkeit in der Steiermark nur ausüben können, wenn er über zumindest eine bewilligte Annahmestelle verfügt (EZ 490/18, Erläuterungen zu § 4). Liegt keine Bewilligung zur Ausübung einer solchen Tätigkeit vor, ist sie unverzüglich zu untersagen; bei Gefahr ihrer Fortsetzung ist die Wettannahmestelle zu schließen oder die Entfernung des Wettterminals aufzutragen (§ 16 Abs 1 StWttG).

6.2.2. Diese Regelungen lassen zwei Auslegungen zu:

[37] (a) Einerseits könnte angenommen werden, dass das Gesetz nur solche Wettunternehmer erfasst, die in der Steiermark durch eigene Annahmestellen, Wettterminals oder auf eine andere Weise, die mit physischer Präsenz verbunden ist, Wetten anbieten. Denn der Begriff „Ausüben“ scheint auf eine (eigene) Tätigkeit des Wettunternehmers im Geltungsbereich des Gesetzes zu deuten.

[38] (b) Andererseits wäre aber auch denkbar, dass das Gesetz jedes Ermöglichen des Wettens durch Abgabe von Willenserklärungen des Wettenden im Bundesland Steiermark erfassen soll. Unter „Ausüben“ der Tätigkeit als Wettunternehmer wäre in diesem Fall (auch) das Entgegennehmen von Wettangeboten durch auswärtige Unternehmer zu verstehen. In diesem Fall wäre das Gesetz auch auf Online-Wetten anwendbar. Diese wären dann aber von vornherein rechtswidrig, weil dem Wettunternehmer dafür mangels Betriebsstätte in der Steiermark keine Bewilligung erteilt werden könnte.

[39] (c) Nicht nachvollziehbar wäre es demgegenüber, wenn die Anwendbarkeit des Gesetzes (im Sinn der oben zu Punkt 5.2.2. dargestellten Lehrmeinungen) davon abhinge, wo der Wettvertrag nach der vom Wettunternehmer gewählten Konstruktion (Realannahme, Zugang eines Annahme‑E‑Mails etc) zustande kommt. Denn einem vernünftigen Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er die Anwendung zwingenden Rechts – bei gleichen wirtschaftlichen Auswirkungen – von der rechtsgeschäftlichen Disposition des betroffenen Unternehmers abhängig machen wollte.

[40] 6.3. Für die enge Auslegung spricht zunächst das verfassungsrechtliche Territorialitätsprinzip, das analog auch für die Abgrenzung der Kompetenzbereiche der Bundesländer gilt (Muzak, B‑VG6 Art 3 B‑VG Anm I).

[41] Die Landesrechtsordnungen sind in Geltung und Anwendung durch ihr Landesgebiet begrenzt (Bertel in Kahl/Khakzadeh/Schmid, Kommentar zum Bundesverfassungs-recht. B‑VG und Grundrechte [Stand 1. 1. 2021, rdb.at] Art 3 B‑VG Rz 3). Gebote und Verbote dürfen sich daher nur an Personen richten, die sich im jeweiligen Landesgebiet aufhalten oder einen anderen Anknüpfungspunkt dazu aufweisen (Muzak aaO).

[42] Wenn sich ein Gesetz an Wettunternehmer richtet, die ihre Tätigkeit im Landesgebiet „ausüben“, so spricht diese Formulierung dafür, dass damit – im Sinn des Territorialitätsprinzips – nur eine Tätigkeit in physischer Präsenz gemeint ist. Denn nur eine solche Tätigkeit ist vom Kern des Begriffs „Ausüben“ erfasst. Im gegebenen Zusammenhang ergibt sich das auch aus rechtsvergleichender Auslegung: Wenn jene Bundesländer, die Online-Wetten ausdrücklich regeln, für die Anwendung ihrer Gesetze einen realen Anknüpfungspunkt (etwa den Serverstandort) – also ein physisches Tätigwerden – fordern, so ist nicht anzunehmen, dass ein Gesetz, das keine Regelungen für Online-Wetten enthält, aufgrund einer weiten Auslegung des Begriffs „Ausüben“ einen letztlich weltweiten Geltungsanspruch hätte.

[43] 6.4. Zwar kann auch das bloße Ausrichten einer Tätigkeit auf das Hoheitsgebiet eines Staats oder einer Gebietseinheit einen relevanten Anknüpfungspunkt bilden. Dem Steiermärkischen Wettengesetz kann ein solcher Inhalt aber nicht unterstellt werden.

[44] 6.4.1. Das bloße „Ausrichten“ einer Tätigkeit auf ein Hoheitsgebiet wird etwa im Internationalen Verbraucherschutzrecht als ausreichendes Anknüpfungsmerkmal gesehen: Sowohl Art 6 Rom I‑VO als auch Art 17 EuGVVO 2012 setzen es dem „Ausüben“ einer Tätigkeit im Verbraucherstaat gleich. Zwar hat beides die gleichen Rechtsfolgen (Anwendbarkeit der zuständigkeitsrechtlichen Verbraucherschutzvorschriften bzw des Verbraucherstaatrechts). Die Regelungstechnik des europäischen Gesetzgebers lässt aber deutlich erkennen, dass es sich dabei um unterschiedliche Anknüpfungsmerkmale handelt, die im kollisionsrechtlichen Kontext getrennter Erwähnung bedürfen.

[45] „Ausüben“ einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit im Verbraucherstaat liegt nach diesen Bestimmungen vor, wenn sich der Unternehmer dort willentlich aktiv am Wirtschaftsverkehr beteiligt. Das ist der Fall, wenn er im Wohnsitzstaat des Verbrauchers Dienstleistungen erbringt (Staudinger in Rauscher, EuZPR/EuIPR5 Art 17 Brüssel Ia-VO Rz 12; Thorn inRauscher, EuZPR/EuIPR4 Art 6 Rom I-VO Rz 32) oder dort seine Waren anbietet (Simotta in Fasching/Konecny 3 Art 17 EuGVVO 2012 Rz 124 mwN; Martiny in Münchener Kommentar zum BGB8 Art 6 Rom I-VO Rz 38).

[46] In solchen Fällen sind sowohl die Zuständigkeit des Verbraucherstaats als auch die Anwendung von dessen Recht bei wertender Betrachtung unmittelbar einsichtig. Weit weniger liegt das hingegen bei einem bloßen „Ausrichten“ der Tätigkeit auf der Hand. Hier bedarf es einer umfassenden Abwägung, ob die Auswirkungen eines im Ausland gesetzten Verhaltens nach den Umständen des Einzelfalls ausreichen, um den Unternehmer der Zuständigkeit und dem Recht dieses Staats zu unterwerfen (vgl dazu etwa EuGH verb Rs C‑585/08 , C‑144/09 , Pammer und Alpenhof; Simotta in Fasching/Konecny 3Art 17 EuGVVO 2012 Rz 131 ff mwN).

[47] 6.4.2. Eine vergleichbare Regelung zum „Ausrichten“ einer Tätigkeit enthält das Steiermärkische Wettengesetz nicht. Vielmehr müsste man annehmen, dass eine (wie in den Vorgängerbestimmungen, die Online-Wetten noch nicht kannten) nicht differenzierende Regelung nun über ihren Wortlaut („Ausüben“) hinaus auch diese Form des Wettgeschäfts erfassen sollte. Für einen derartigen Willen des Gesetzgebers gibt es – auch im Hinblick auf die insofern praktisch nicht mögliche Vollziehung und die bundesstaatlichen Verwerfungen bei einem Online‑Wettangebot aus einem anderen Bundesland – nicht den geringsten Anhaltspunkt. Mangels ausdrücklicher Regelung kann daher einem Bundesland nicht unterstellt werden, dass seine Gesetze allein wegen möglicher Auswirkungen im Landesgebiet auch ein Verhalten außerhalb dieses Gebiets – also in anderen Bundesländern, in anderen Mitgliedstaaten der Union oder in Drittstaaten – regeln sollen.

[48] 6.5. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass das Steiermärkische Wettengesetz nur das Anbieten, den Abschluss und die Vermittlung von Wetten durch ein im Landesgebiet gesetztes Verhalten regelt. Sportwetten, die ein Wettunternehmer von einem Standort außerhalb des Landesgebiets über das Internet anbietet, sind davon nicht erfasst, weil darin kein Ausüben einer Wetttätigkeit im Sinn des Gesetzes liegt. Daraus folgt, dass das Gesetz auf diese Form der Tätigkeit als Wettunternehmer nicht anwendbar ist. Das Anbieten und die Annahme von Online-Sportwetten durch die Beklagte ohne Bewilligung nach diesen Bestimmungen begründet damit auch keine Nichtigkeit des Wettvertrags im Sinn des § 879 Abs 1 ABGB.

[49] Die Frage, ob eine Regelung, die ausdrücklich auch das Online-Angebot der Beklagten erfasste, unionsrechtlich zulässig wäre, ist auf dieser Grundlage nicht weiter zu prüfen.

[50] 7. Soweit sich der Kläger auf eine analoge Anwendung einzelner Bestimmungen des Steiermärkischen Wettengesetzes beruft, ist ihm Folgendes zu erwidern:

[51] Die Zulässigkeit der Analogie ist zwar auch im öffentlichen Recht grundsätzlich anerkannt (vgl VwGH Ra 2020/11/0086; VwGH Ro 2020/04/0032 ua). Voraussetzung dafür ist aber das Bestehen einer echten (planwidrigen) Rechtslücke. Im konkreten Fall musste dem Landesgesetzgeber im Zeitpunkt der Erlassung des Steiermärkischen Wettengesetzes 2018 das Anbieten von Online-Wetten bekannt sein. Dass er sich entgegen anderen Landesgesetzgebern dennoch gegen die Aufnahme einer Regelung von über das Internet angebotenen Wetten entschied, schließt eine planwidrige Lücke aus (vgl auch Rapani/Kotankoin Zillner, Glücksspielgesetz, Wettrecht V Rz 52 ff). Eine analoge Anwendung von Bestimmungen des StWttG auf die von der Beklagten über das Internet angebotenen Dienstleistungen, wie sie der Kläger in seinem Rechtsmittel erkennbar anstrebt, scheidet damit aus. Auf einzelne (Schutz‑)Vorschriften dieses Gesetzes (§ 8 Abs 3: Wettenkundenkarte; § 8 Abs 6: Gespräch bei Gefahr der Existenzgefährdung) kann er sich daher nicht berufen.

[52] 8. Auch die übrigen Argumente des Klägers können nicht überzeugen.

[53] 8.1. Auf die noch im Berufungsverfahren aufrecht erhaltene Behauptung, er sei bei Abschluss der hier gegenständlichen Wettverträge (partiell) geschäftsunfähig gewesen, kommt der Kläger zu Recht nicht mehr zurück.

[54] 8.2. Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs einen Vertragspartner vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten treffen können, die darauf abzielen, die Rechtsgüter des Anderen, mit denen er in Berührung kommt, nach Tunlichkeit vor Schaden zu bewahren (6 Ob 221/18w; vgl RS0013922).

[55] Zu Schutz- und Sorgfaltspflichten von Glücksspielanbieternaußerhalb des Anwendungsbereichs von § 25 Abs 3 GSpG hat der Oberste Gerichtshof allerdings bereits ausgeführt, dass die Rechtsordnung im Allgemeinen den Vertragspartnern von Süchtigen keine Pflichten dergestalt auferlegt, diese vor ihrer Sucht und der damit verbundenen Selbstschädigung zu schützen (6 Ob 61/12g, ecolex 2013/115, 315 [krit Wilhelm]). Diese Ansicht wurde in der Entscheidung 7 Ob 225/16p bekräftigt. Auch der Kläger geht in seiner Revision unter Berufung auf PBydlinski (Zivilrechtsfragen des „kleinen“ Automatenglücksspiels, ÖJZ 2008, 697 [704]) davon aus, dass den Betreibern gegenüber dem Spieler (außerhalb des Anwendungsbereichs von § 25 Abs 3 GSpG) nur in „Extremfällen“ eine Haftung treffe. Ein solcher Extremfall liegt nach der oben angeführten Rechtsprechung etwa bei positiver Kenntnis des Betreibers von der Existenzgefährdung seines Vertragspartners durch das Glücksspiel vor.

[56] Hier kann der Kläger aber mit seiner bloßen Berufung auf den von ihm mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Spielverlust keinen solchen „Extremfall“ aufzeigen. Von einer Existenzgefährdung ist nach den Feststellungen nicht auszugehen. Eine solche macht er auch nicht geltend. Ausgehend von den Feststellungen, wonach er seine Finanzen stets soweit im Griff hatte, dass es weder zu auffälligen Außenständen noch zu Zahlungsausfällen kam, ist auch nicht zu erkennen, inwieweit für die Beklagte vor der Sperre des Klägers im April 2020 eine Handlungspflicht bestanden haben soll. Eine schadenersatzrechtliche Haftung der Beklagten wegen Verletzung einer vor- oder nebenvertraglichen Handlungspflicht kommt damit nicht in Betracht.

[57] 9. Der Revision des Beklagten ist damit ein Erfolg zu versagen. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Das Steiermärkische Wettengesetz 2018 regelt nur das Anbieten, den Abschluss und die Vermittlung von Wetten und die Vermittlung von Wettkunden durch ein im Landesgebiet gesetztes Verhalten des Wettunternehmers. Sportwetten, die ein Wettunternehmer von einem Standort außerhalb des Landesgebiets über das Internet anbietet, sind davon nicht erfasst.

[58] 10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

[59] Die auch im Revisionsverfahren obsiegende Beklagte hat danach Anspruch auf Kostenersatz. Die begehrte Umsatzsteuer war allerdings nicht zuzusprechen: Leistungen eines österreichischen Anwalts für einen ausländischen Unternehmer unterliegen nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Werden (wie hier) kommentarlos 20 % Umsatzsteuer verzeichnet, so wird im Zweifel nur die österreichische Umsatzsteuer angesprochen. Ist die Höhe des ausländischen Umsatzsteuersatzes nicht allgemein bekannt, ist ein Zuspruch daher nicht möglich (RS0114955).

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