OGH 5Ob35/24v

OGH5Ob35/24v4.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geboren *, vertreten durch Dr. Sven Rudolf Thorstensen, LL.M, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei E* Limited, *, vertreten durch DLA Piper Weiss‑Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 36.450 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. Dezember 2023, GZ 11 R 280/23m‑33, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00035.24V.0404.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte bietet von ihrem Sitz in Malta aus über die von ihr betriebene Website in Österreich Dienstleistungen im Bereich des Glücksspiels an, verfügt aber über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht. Der Kläger nahm zwischen 1. Dezember 2022 und 28. Februar 2023 an von der Beklagten veranstalteten Online‑Glücksspielen teil und erlitt in diesem Zeitraum Verluste in Höhe von 36.450 EUR.

[2] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Rückzahlung dieses Betrags an den Kläger.

[3] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und ließ die Revision mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[5] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[6] 2. Nach ständiger Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online‑Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen. Damit ist § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar (zuletzt 8 Ob 61/23p; 1 Ob 25/23t; 7 Ob 203/23p je mwN). Im Hinblick auf die Zielsetzung des GSpG wird der Rückforderungsanspruch des Spielers nach der gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs daher auch durch die Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld nicht ausgeschlossen (6 Ob 229/21a; 6 Ob 207/21s; 9 Ob 79/21i). Der Rückforderungsanspruch des Spielteilnehmers besteht selbst dann, wenn ihm die Ungültigkeit seiner Verpflichtung bekannt war (1 Ob 52/22m). Dem Kläger schadet es – wegen des erörterten Verbotszwecks – auch nicht, wenn er der Beklagten eine allenfalls schon bei Teilnahme am verbotenen Spiel bei ihm vorhandene Absicht verlorene Einsätze später einzuklagen „verschwiegen“ hätte (6 Ob 200/22p). Die Frage der Schutzwürdigkeit eines Spielers, der bei einem Anbieter mit maltesischer Lizenz spielt, obwohl ihm bekannt war, dass der einzige Konzessionär in Österreich sitzt, ist daher durch höchstgerichtliche Rechtsprechung bereits geklärt. Die behauptete „Schädigungsabsicht“ des Klägers lässt sich aus dem Sachverhalt nicht ableiten.

[7] 3. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH auch nach der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 1 Ob 74/22x mehrfach festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (2 Ob 221/22x; 3 Ob 69/23b; 1 Ob 25/23t; 2 Ob 23/23f; 6 Ob 50/22b; 8 Ob 61/23p; 7 Ob 198/23b). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung, sekundäre Feststellungsmängel zum Thema „Unionsrechtswidrigkeit“ liegen daher nicht vor. Daran ändert auch der Hinweis auf die Aufhebung von Teilen des § 25 Abs 3 GSpG durch den Verfassungsgerichtshof (G‑259/2022) nichts. Mag der Gesetzgeber durch das (primäre) Abstellen (nur) auf die Einholung einer Bonitätsauskunft den unionsrechtlich gebotenen Spielerschutz von Spielbankbesuchern auch nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise verwirklicht haben, bedeutet dies noch nicht, dass dieses Anliegen im Bereich des Online‑Glücksspiels und dem System der Konzessionen nicht in kohärenter Weise verfolgt würde. Aus der teilweisen Verfassungswidrigkeit einer Einzelregelung zum Spielerschutz im Bereich der Spielbanken ist nicht abzuleiten, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen – entgegen der bisher ständigen Rechtsprechung – unionsrechtswidrig wäre (2 Ob 23/23f).

[8] 4. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d). Der von der Beklagten behauptete Feststellungsmangel und damit eine (sekundäre) Mangelhaftigkeit der Berufungsentscheidungen, weil Feststellungen „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ fehlen, ist nicht erkennbar. Dass eine neuerliche Befassung des EuGH im Hinblick auf dessen Entscheidungen zu C‑390/12 , C‑79/17 und C‑545/18 entbehrlich ist, sprach der Oberste Gerichtshof erst jüngst (7 Ob 199/23z; 7 Ob 204/23k; 1 Ob 1/24i) für Spielverluste in vergleichbaren Zeiträumen wie hier aus. Daher bedarf es keiner weiteren Erörterung der als erheblich angesprochenen Rechtsfrage, unter welchen Umständen und in welchen zeitlichen Abständen eine (neuerliche) Kohärenzprüfung allenfalls durchzuführen wäre, um das „Gebot des EuGH nach fortlaufender und dynamischer Überprüfung“ nicht zu verletzen.

[9] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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