OGH 8Ob16/24x

OGH8Ob16/24x25.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeindeabwasserverband *, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei * GmbH, *, vertreten durch die PHH Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, wegen 2.952.341,64 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 4. Jänner 2024, GZ 33 R 148/23m‑34.2, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00016.24X.0425.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

 

Begründung:

[1] Seit Errichtung und Betrieb des Donaukraftwerks * durch die Ö* D* AG (in der Folge kurz „D*“), einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, und dem damit verbundenen Aufstau der Donau können Regenüberfallwässer und bestimmte gereinigte Abwässer im Bereich der Stadt * nicht mehr einfach in die – seither einen höheren Wasserstand aufweisende – Donau abfließen, sondern müssen in diese hochgepumpt werden. Zu diesem Zweck wurde das Pumpwerk K* errichtet.

[2] Unter anderem zur Regelung der Eigentumsverhältnisse an diesem Pumpwerk sowie weiteren Pumpwerken, der Betriebsführung und Instandhaltung sowie der Tragung der Kosten für „Erstinvestitionen“, „Ersatz- und Ergänzungsinvestitionen“ und „Betriebsaufwendungen“ wurde zwischen D* und dem – hier klagenden – Gemeindeabwasserverband (GAV) das „Betriebsführungs-übereinkommen 1982“ (BFÜ 1982) geschlossen und dieses 1986 in Nebenpunkten adaptiert. Die Regelungen des BFÜ 1982 waren unter anderem auf ein im Jahr 1974 von Univ.‑Prof. DI Dr. Biffl erstelltes Gutachten zurückgegangen („Biffl‑Gutachten“).

[3] Die Abwicklung des BFÜ 1982 im Hinblick auf die Abgrenzung der jeweiligen Kostentragung und der von D* zu leistenden Vergütung erwies sich zusehends als aufwändig. Um insgesamt eine klare Abgrenzung und „Entflechtung“ zu erzielen, schlossen D* und der Kläger das Betriebsführungsübereinkommen 1996 (BFÜ 1996), dessen hier wesentliche Bestimmungen wie folgt lauten:

1. Beschreibung der Anlagen

[…]

1.1. Pumpwerk Z*:

[...]

1.2 Pumpwerk K*

Mit diesem Pumpwerk werden Regenüberfallwässer und gereinigte Industrieabwässer aus dem örtlichen Bereich in die Donau gepumpt. Zusätzlich sind im Pumpwerk – räumlich getrennt – gleichfalls Drainagepumpen der D* eingebaut, die die Entwässerung eines offenen Gerinnes zur Regulierung des Grundwasserstandes aus dem Bereich des * Hafens bis zum Jachthafen bewirken. Über Schmutzwasserpumpen wird das im Ufersammler zufließende Schmutzwasser gehoben und in Richtung Kläranlage weitergefördert.

Derzeitige Pumpenbestückung:

5 Regenwasserpumpen, Fabrikat HIDROSTAL, Type […].

1 Trockenwetterpumpe, Fabrikat VOGEL, Type […].

3 Drainagepumpen, Fabrikat HIDROSTAL, Type […].

3 Schmutzwasserpumpen, Fabrikat HIDROSTAL, Type […].

1 Schmutzwasserpumpe, Fabrikat VOGEL, Type […].

1.3 Pumpwerk Kläranlage

[…]

2. Eigentum

2.1 Eigentumsübertragung

Bereits bis jetzt standen die baulichen Anlagen sowie sämtliche den Abwasserteil betreffenden Pumpen und Nebenanlagen im Eigentum des GAV. Mit Rechtswirksamkeit dieses Übereinkommens werden nunmehr auch die Drainagepumpen der D* mit sämtlichen Nebeneinrichtungen (Punkt 2.1.1 bis 2.1.2) von D* dem GAV übergeben und von diesem ins Eigentum übernommen.

2.1.1 Pumpwerk Z*

[…]

2.1.2 Pumpwerk K*

3 Drainagepumpen mit Motoren und Getrieben einschließlich Vakuumeinrichtungen;

3 Drainage-Einlaufrechen;

die von den Drainagepumpen weggehenden Druckrohrleitungen NW 700, die gemeinsame Druckrohrleitung NW 1200 bis zur Donau einschließlich Schieber, Rückschlagklappen, Kompensatoren und sonstiger Armaturen im Zuge dieser Rohrleitungen;

die Meßeinrichtungen zur Wasserstandserfassung im Pumpensumpf der Drainagepumpen beziehungsweise vor und hinter den Drainage-Einlaufrechen;

die Anspeisekabel der Drainage-Pumpenmotoren einschließlich der in den Pumpenabzweigen der 400‑V‑Schaltanlage befindlichen Schalt‑, Meß‑ und Anzeigegeräte mit Verbindungsschienen und ‑kabeln sowie sonstigem Zubehör;

die gesamte elektrische Steuerung für die Drainage‑Pumpenmotoren und ‑Schieber (einschließlich Kabel);

13,2‑t‑Handlaufkran im Drainagepumpwerk.

[...]

2.4 Anlagenänderung

Der GAV ist berechtigt, an den Anlagen und Anlagenteilen jederzeit technische Änderungen oder Ergänzungen insoweit vorzunehmen, dass die Betriebsführung und Instandhaltung gemäß Punkt 3. dieses Übereinkommens nicht gefährdet ist.

Der GAV verpflichtet sich, jene Änderungen und Ergänzungen an Anlagen und Anlagenteilen vorzunehmen, die die Sicherstellung der Betriebsführung und Instandhaltung gemäß Punkt 3. dieses Übereinkommens gewährleisten und sämtliche in diesem Zusammenhang ergehenden Behördenvorschreibungen – auch solche, die an D* ergehen – zu erfüllen. [...]

3. Betrieb und Instandhaltung

Dem GAV obliegt die Betriebsführung und Instandhaltung sämtlicher vertragsgegenständlichen Anlagen. Dies umfasst im wesentlichen folgende Tätigkeiten:

[…]

weiters Reparaturen, Revisionen und Erneuerung einschließlich Korrosionsschutz.

[...]

3.6 Haftung

Der GAV haftet für eine ordnungsgemäße Betriebsführung und Instandhaltung der Anlagen und Anlagenteile gemäß den gesetzlichen Bestimmungen und hält D* auch gegenüber Forderungen Dritter in diesem Zusammenhang schad- und klaglos. Der GAV verpflichtet sich, bei Störungen den betriebsmäßigen Zustand der Anlagen so rasch wie möglich wiederherzustellen. Zu diesem Zweck hat er auch Reserveteile entsprechend den betrieblichen Erfordernissen bereitzuhalten.

[...]

4. Kosten

Für die Übernahme der Anlagen gemäß Punkt 2.1, für sämtliche künftigen Betriebs-, Reparatur-, Investitions- und sonstigen Kosten erhält der GAV von D* eine einmalige pauschale Abgeltung von S 43,300.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer binnen sechs Wochen ab Inkrafttreten dieses Übereinkommens und Rechnungslegung durch den GAV.

[...]

7. Sonstige Bestimmungen

Das gegenständliche Übereinkommen tritt mit Unterfertigung und aufsichtsbehördlicher Genehmigung (Gemeindeaufsichtsbehörde des Landes Niederösterreich) in Kraft und wird auf Konsensdauer des Donaukraftwerkes *, das ist der 31.12.2062, abgeschlossen.

Gleichzeitig werden das Betriebsführungsübereinkommen vom 11.3./5.5./29.6.1982 sowie die Vereinbarung vom 21.2./6.6./26.6.1986 einvernehmlich aufgehoben.

Die Vertragsparteien erklären, im Jahr 2062 über den Vertragsgegenstand neu zu verhandeln und hiebei jedenfalls den Zeitwert der Anlagen zugunsten D* zu berücksichtigen. [...]“

 

[4] Im Jahr 2019 begann der Kläger mit dem Umbau des Pumpwerks K* dahingehend, dass die Kapazität der Regenwasserpumpen von bisher 4.500 l/s auf bis zu 9.000 l/s erweitert werden soll. Der Umbau ist noch nicht abgeschlossen, seine endgültigen Kosten stehen noch nicht fest. Anlass des Umbaus waren für den Kläger Starkregenereignisse und Hochwässer der vorangegangenen Jahre, insbesondere das Hochwasser im Jahr 2002. Die bisherige Kapazität wurde auch in Ansehung der Restlaufzeit des BFÜ 1996 für nicht mehr ausreichend erachtet.

[5] Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung der Hälfte der durch den Umbau bereits angefallenen Kosten– konkret einen Betrag von 2.952.341,64 EUR sA – sowie nach § 228 ZPO im Wesentlichen die Feststellung, dass die Beklagte auch für die Hälfte der zukünftigen Investitions-, Betriebs‑ und Wartungskosten aufzukommen habe; in eventu soll sie schuldig erkannt werden, mit dem Kläger „eine neue Vereinbarung über eine angemessene Kostenaufteilung für Investition, Betrieb und Wartung der erweiterten Regenwasserpumpen auf Grundlage des Biffl‑Gutachtens vom Juli 1974 (Beilage ./A) abzuschließen“.

[6] Der Kläger nahm im Wesentlichen den Rechtsstandpunkt ein, dass das BFÜ 1996 keine Regelung enthalte, wie mit Kosten zu verfahren sei die daraus resultierten, dass sich die Kapazität des Pumpwerks K* als unzureichend erweise und daher erhöht werden müsse. Die Parteien des BFÜ 1996 hätten den Klimawandel nicht vorausgesehen. Hätten sie dies getan und damit die allfällige Notwendigkeit eines Ausbaus der Anlage wegen vermehrter Starkregenereignisse erkannt, hätten sie sich auf eine hälftige Tragung der Erweiterungskosten geeinigt.

[7] Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Das BFÜ 1996 enthalte keine Vertragslücke. Für das Klagebegehren fehle eine tragfähige Anspruchsgrundlage.

[8] Das Berufungsgericht bestätigte ausgehend vom im Wesentlichen eingangs wiedergegebenen Sachverhalt das klageabweisende Ersturteil. Es vertrat rechtlich die Ansicht, der 2019 begonnene Umbau sei eine „Erneuerung“ der Anlage im Sinne des BFÜ 1996, sodass deren Kosten der Kläger zu tragen habe. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.

[9] Gegen das Berufungsurteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit einem auf Klagestattgebung gerichteten Abänderungs‑ und hilfsweise einem Aufhebungs‑ und Zurückverweisungsantrag.

[10] Die Beklagte beantragt in ihrer – ohne Freistellung der Beantwortung der Revision iSd § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO eingebrachten – Revisionsbeantwortung die Zurückweisung des Rechtsmittels, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die Revision ist mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zulässig.

[12] Bei der Auslegung von Verträgen iSd § 914 ABGB ist ausgehend vom Wortlaut der Vereinbarung die Absicht der Parteien zu erforschen (RS0044358). Lässt sich ein vom objektiven Erklärungswert abweichender Wille der Parteien nicht feststellen (RS0017915 [T28], RS0017834, vgl auch RS0017911), ist der Vertrag unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs (RS0017817 [T3], RS0017902) und der Übung des redlichen Verkehrs (RS0017781) so auszulegen, wie er für einen redlichen und verständigen Empfänger zu verstehen war (RS0113932). Die der rechtlichen Beurteilung zuzurechnende Auslegung einer Vereinbarung nach den Grundsätzen des § 914 ABGB, insbesondere unter Erforschung der im konkreten Fall verfolgten Parteienabsicht, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, sofern – wie hier – kein grobes Abweichen von den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung vorliegt (RS0044298; RS0042776).

[13] Das BFÜ 1996 diente nach der festgestellten Parteienabsicht einer klaren Abgrenzung und „Entflechtung“, nämlich der Eigentumslage und der Kostentragung. Das dazu 1982 Vereinbarte wurde als zu kompliziert erkannt und folglich durch das nunmehr Vereinbarte ersetzt. Auf das Wesentliche reduziert übernahm der Kläger durch das BFÜ 1996 (auch) das Pumpwerk K* zur Gänze in sein Eigentum und verpflichtete sich dazu, es bis Ende 2062 zu betreiben und hierfür die Kosten zu tragen. Für die Übernahme dieser Pflicht und die Übernahme der weiteren ihm im BFÜ 1996 auferlegten Pflichten erhielt er eine (nach dem Vertragstext explizit) einmalige pauschale Abgeltung von 43,3 Mio ATS.

[14] Nach dem BFÜ 1996 umfasst die – dem Kläger obliegende und von ihm zu finanzierende – „Betriebsführung und Instandhaltung“ (auch) „Reparaturen, Revisionen und Erneuerung einschließlich Korrosionsschutz“.

[15] Das Wort „erneuern“ hat im allgemeinen Sprachgebrauch die Bedeutung, dass etwas „durch ein neues Stück ersetzt“ wird, aber – darüber hinaus – auch jene, dass etwas „verbessert“ oder „aktualisiert“ wird (vgl Brockhaus-Wahrig – Deutsches Wörterbuch9 [2011] 470; Duden – Bedeutungswörterbuch5 [2018] 357). Es ist jedenfalls vertretbar, wenn das Berufungsgericht den der Erhöhung der Kapazität dienenden Umbau des Pumpwerks K* als „Erneuerung“ desselben qualifizierte. Ob im Rahmen des Umbaus bereits vorhandene Pumpen durch leistungsstärkere ersetzt werden oder weitere hinzukommen, ist – entgegen der außerordentlichen Revision – ohne Bedeutung, weil auch im letztgenannten Fall von einer „Erneuerung“ der Anlage gesprochen werden kann. Die Annahme einer Erneuerung entspricht im Übrigen inhaltlich dem eigenen Vorbringen des Klägers in der Klagsschrift, wonach er sich gezwungen gesehen habe, „die seit Errichtung des Pumpwerks bestehenden Regenwasserpumpen durch leistungsstärkere Regenwasserpumpen zu ersetzen und diese dem Stand der Technik entsprechend auszulegen“.

[16] Wenn das BFÜ 1996 in Punkt 3. dem Kläger „die Betriebsführung und Instandhaltung von sämtlichen vertragsgegenständlichen Anlagen“ aufträgt, so bezieht sich dies systematisch auf die im Punkt 1 BFÜ 1996 genannten „Anlagen“ in ihrer Gesamtheit, hierunter das hier streitgegenständliche Pumpwerk K*. Auch der Einleitungssatz des Punktes 2.1. BFÜ 1996 „Bereits bis jetzt standen die baulichen Anlagen sowie sämtliche den Abwasserteil betreffenden Pumpen und Nebenanlagen im Eigentum des GAV.“ verbietet, als „vertragsgegenständliche Anlagen“ nur die im Übereinkommen bei den einzelnen Pumpwerken aufgelisteten, 1996 bereits vorhandenen Pumpen und dergleichen zu verstehen. Punkt 1 BFÜ 1996 nennt ausdrücklich nur die „[d]erzeitige“ Pumpenbestückung der einzelnen Pumpwerke und lässt schon deshalb – entgegen der außerordentlichen Revision – nicht den Schluss zu, die in Punkt 3 BFÜ 1996 genannte Pflicht zur Reparatur, Revision und Erneuerung erfasse nicht eine Ergänzung von Pumpen. Auch aus der Aufzählung der Pumpen in Punkt 2.1.2. (sowie Punkt 2.1.1.) BFÜ 1996 kann für eine solche – vom Kläger vertretene – Auslegung nichts gewonnen werden, weil Punkt 2. BFÜ 1996 – wie aus seiner Überschrift ersichtlich – nur der Klärung des Eigentums dient.

[17] Dass der Kläger auch für eine Ausweitung der Pumpkapazität zu sorgen hat, ergibt sich – worauf die Beklagte zutreffend und mehrfach hingewiesen hat – aus Punkt 2.4. BFÜ 1996, hat sich doch mit dieser Vertragsklausel der Kläger verpflichtet, „jene Änderungen und Ergänzungen an Anlagen und Anlagenteilen vorzunehmen, die die Sicherstellung der Betriebsführung und Instandhaltung gemäß Punkt 3. dieses Übereinkommens gewährleisten“. Ist eine Erweiterung der Kapazität notwendig, um die verschiedenen Wässer in die Donau zu befördern, so obliegt diese demnach dem Kläger.

[18] Die vom Kläger erhaltene einmalige Abgeltung von 43,3 Mio ATS war dazu gedacht, die mit dem streitgegenständlichen Pumpwerk und den weiteren Anlagen verbundenen Kosten über einen Zeitraum von fast sieben Jahrzehnten, nämlich bis Ende 2062, einmalig und pauschal abzugelten. Sie wurde nach Punkt 4 BFÜ 1996 „für sämtliche künftigen Betriebs‑, Reparatur‑, Investitions‑ und sonstigen Kosten“ bezahlt. Dass es sich bei den nunmehr mit der Klage geltend gemachten Kosten um „Investitionskosten“ handelt, ist unzweifelhaft. Diese wurden dem Kläger damit bereits mit der Einmalzahlung von 43,3 Mio ATS (mit‑)abgegolten.

[19] Aus den Feststellungen ist ersichtlich, dass die Vertragsparteien des BFÜ 1996 den Betrag von 43,3 Mio ATS als „Gesamtentschädigung“ des Klägers für die (kostspielige) Übernahme der verschiedenen Pumpwerke betrachteten. Aus der Verwendung des Wortes „pauschal“ im Text des BFÜ 1996 und daraus, dass über die Höhe der Abgeltung nach den Feststellungen verhandelt wurde (die Rechtsvorgängerin der Beklagten bot zunächst nur einen Betrag von 36 Mio ATS an, der Kläger forderte 70 Mio ATS, letztlich einigte man sich auf die Gesamtentschädigung von 43,3 Mio ATS), ergibt sich, dass die Unsicherheit, ob der ausverhandelte Betrag reichen werde, um die Pumpwerke bis Ende 2062 zu betreiben und sie wenn notwendig zu reparieren respektive zu erneuern, vom Kläger in Kauf genommen wurde. Er übernahm durch das Akzeptieren einer Pauschalabgeltung das Risiko, dass sie nicht ausreichen, aber auch die Chance, dass sie die bis Ende 2062 anfallenden Kosten mehr als decken werde. Allgemein – und mangels besonderer Umstände auch hier – trägt jeder Geschäftspartner das Risiko richtiger Kalkulation selbst, ein Irrtum über die Kalkulation ist grundsätzlich ein unbeachtlicher Motivirrtum (8 Ob 58/22w [Rz 10] mwN).

[20] Dass die Vertragsparteien des BFÜ 1996 womöglich die Reichweite der Möglichkeit, dass sich kapazitätsbedingt eine Erneuerung der Anlage in der Zukunft als nötig erweisen werde, nicht bedachten (Feststellungen dazu hat das Erstgericht entgegen der außerordentlichen Revision, die hier bloß beweiswürdigende Erwägungen des Erstgerichts ins Treffen zu führen versucht, nicht getroffen), änderte nichts daran, dass sich der Kläger (auch) zur „Erneuerung“ der vertragsgegenständlichen Anlagen und zur Vornahme jener „Änderungen und Ergänzungen an Anlagen, die die Sicherstellung der Betriebsführung und Instandhaltung gemäß Punkt 3. dieses Übereinkommens gewährleisten“,verpflichtete und dass er sich „für sämtliche künftigen […] Investitions- und sonstigen Kosten“ nur eine einmalige pauschale Abgeltung versprechen ließ.

[21] Eine ergänzende Vertragsauslegung hat nur dann Platz zu greifen, wenn eine „Vertragslücke“ vorliegt (RS0017829, zuletzt 2 Ob 181/23s [Rz 5]). Die vom Kläger angestrebte ergänzende Vertragsauslegung scheitert daran, dass der Vertrag nicht die behauptete Regelungslücke enthält, zumal auch der zur Ausweitung der Kapazität notwendige Umbau eine „Erneuerung“ der Anlage darstellt, deren Kosten nach dem Vertrag dem Kläger zur Last fallen. Der angestrebten ergänzenden Vertragsauslegung stünde im Übrigen – wie bereits vom Erstgericht erkannt – entgegen, dass nach Rechtsprechung und Lehre eine solche nicht dazu dienen darf, einen – hier dem Kläger unterlaufenen – Kalkulationsfehler zu korrigieren (3 Ob 122/14h [Pkt 3.7.c]; P. Bydlinski in KBB7 § 914 ABGB Rz 9). Die Abweisung des Leistungs‑ und Feststellungsbegehrens erweist sich damit als nicht korrekturbedürftig.

[22] Nach § 226 Abs 1 ZPO hat die Klage ein bestimmtes Begehren zu enthalten. Ein Klagebegehren ist ganz allgemein unbestimmt, wenn ein stattgebendes Urteil nicht Grundlage einer Exekution sein könnte (RS0000799 [T3]; RS0037452 [T3]). Dass das vom Kläger erhobene Eventualbegehren unbestimmt ist und folglich auch nicht exequierbar wäre, hat bereits die Beklagte in erster Instanz zutreffend eingewendet. Die vom Kläger im Lichte des § 502 Abs 1 ZPO aufgeworfenen Rechtsfragen, ob bzw unter welchen Voraussetzungen nach österreichischem Recht eine „Nachverhandlungspflicht“ einer Vertragspartei besteht, haben damit keine Entscheidungsrelevanz.

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