OGH 7Ob15/02k

OGH7Ob15/02k11.2.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Kalivoda und Dr. Neumayr in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Michael L*****, als Masseverwalter im Konkurs der P***** GmbH, gegen die beklagte Partei Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, 1050 Wien, Kliebergasse 1A, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl, Partnerschaft in Wien, wegen Anfechtung (Streitwert S 232.624 = EUR 16.905,45), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 29. Oktober 2001, GZ 3 R 98/01f-8, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 9. März 2001, GZ 30 Cg 188/00z-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 938,05 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten EUR 156,34 Ust) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 2. 3. 2000 wurde über das Vermögen der P***** GmbH der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Am 16. 12. 1999 hatte die nunmehrige Gemeinschuldnerin der Beklagten, die zuvor am 18. 10. 1999 den Konkurseröffnungsantrag gestellt hatte, eine der betreffenden Vorschreibung der Beklagten entsprechende Zahlung von S 232.624 für den Zuschlagszeitraum Oktober 1999 geleistet.

Unter Berufung insbesondere auf § 31 Abs 1 Z 2 KO begehrte der Kläger, diese Zahlung den Konkursgläubigern gegenüber für unwirksam zu erklären und die beklagte Partei zur Rückzahlung zu verpflichten. Die Zahlung der Gemeinschuldnerin sei auf Grund der durch die Konkursantragstellung bewirkten Drucksituation erfolgt. Andere Gläubiger hätten damals keine oder keine volle Deckung erhalten, weshalb die Beklagte begünstigt worden sei.

Die beklagte Partei beantragte die Klage abzuweisen. Soweit im Revisionsverfahren noch wesentlich, wendete sie ein, die Zahlung sei anfechtungsfest, weil sie auf laufende Beiträge quasi "Zug-um-Zug" geleistet worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Da die Zahlung nach Einbringung des Konkurseröffnungsantrages durch die Beklagte erfolgt sei, liege die "zeitliche Voraussetzung" für die Anfechtung nach § 31 Abs 1 Z 2, erster Fall KO vor. Durch die Zahlung sei die im Oktober 1999 fällige Forderung der Beklagten befriedigt worden. Der Umstand, dass die Zahlung der Vorschreibung für den Zuschlagszeitraum 10/1999 entsprochen habe und Bedingung für die Unterstützung von Sanierungsbemühungen der Gemeinschuldnerin gewesen sei, ändere nichts an ihrer Anfechtungstauglichkeit. Der Oberste Gerichtshof habe mehrfach ausgesprochen, dass Beitragszahlungen des Dienstgebers an den Sozialversicherungsträger nicht Zug-um-Zug gegen die öffentlich-rechtlichen Leistungen erfolgten. Dasselbe gelte für die vom Dienstgeber an die BUAK zu entrichtenden Zuschläge zum Lohn, die nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes zusammen mit den in § 46 Abs 1 Z 2 Satz 1 KO genannten Steuern, Gebühren, Zöllen und Beiträgen zur Sozialversicherung öffentliche Abgaben im Sinne des Abs 1 Z 2 letzter Satz leg cit darstellten und daher gleich zu behandeln seien.

Das Berufungsgericht teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes und bestätigte daher dessen Entscheidung, wobei es aussprach, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Dem Dienstnehmer stehe der Leistungsanspruch aus dem Bauarbeiter-, Urlaubs- und Abfertigungsgesetz BUAG (das Urlaubsentgelt) direkt gegen die beklagte Partei zu und zwar unabhängig davon, ob der Dienstgeber seiner Zahlungspflicht nachgekommen sei oder nicht. Dem BUAG liege also ein "versicherungstechnisches Prinzip" zugrunde. Damit fehle es aber - ähnlich wie bei Sozialversicherungsleistungen - an einem für ein (nach § 31 Abs 1 Z 2 ZPO nicht anfechtbares) Zug-um-Zug-Geschäft wesensnotwendigen Leistungs- austausch zwischen Gläubiger und Schuldner.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen gewesen, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Anfechtung (nach der KO) von Leistungen an die BUAK fehle.

Die Revision der Beklagten, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und eine Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im klagsabweisenden Sinne anstrebt, ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 31 Abs 1 Z 2, erster Fall KO sind Rechtshandlungen, durch die ein "anderer Konkursgläubiger" - somit kein naher Angehöriger iSd § 31 Abs 1 Z 1, § 32 KO - Sicherstellung oder Befriedigung erlangt, anfechtbar, wenn dem anderen Teil die Zahlungsunfähigkeit oder der Eröffnungsantrag bekannt war oder bekannt sein musste. Dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall grundsätzlich gegeben sind, stellt keinen Streitpunkt dar. Nach stRsp und Lehre sind allerdings sogenannte Zug-um-Zug-Geschäfte der Anfechtung (ua) gemäß § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO entzogen (RIS-Justiz RS0064726 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen), weil der Anfechtungstatbestand eine schon bestehende Gläubigerstellung voraussetzt, die etwa bei einem Bargeschäft erst gleichzeitig mit dem Leistungsaustausch begründet wird (SZ 64/73; ZIK 1999, 24 uva); es sollen nicht solche Geschäfte des Gemeinschuldners in der Krise unterbunden werden, bei denen gleichwertige Leistungen ausgetauscht werden, dem Gemeinschuldner also ein seiner Leistung entsprechender Gegenwert zufließt (4 Ob 514/88, WBl 1988, 573; König, Die Anfechtung2 Rz 246). Die Vorinstanzen haben nun das Vorliegen eines solchen Zug-um-Zug-Geschäftes im gegenständlichen Fall verneint. Die beklagte Partei hält hingegen auch im Revisionsverfahren daran fest, dass die gegenständliche Zahlung als Entgeltzahlung an den Dienstnehmer anzusehen sei, daher in einem Zug-um-Zug-Verhältnis zur Arbeitsleistung des betreffenden Dienstnehmers stehe und deshalb anfechtungsfest sei.

Zu dieser - allein noch strittigen Frage - hat der erkennende Senat erwogen:

Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach dargelegt hat (14 ObA

78/87, RdW 1988, 170; 9 ObA 26/90, SZ 63/17 = WBl 1990, 240 = Arb

10.853 = ecolex 1990, 500; 1 Ob 362/97k, SZ 70/245), ist das BUAG aus

der Notwendigkeit entstanden, für Bauarbeiter, die in der Regel die für einen Anspruch nach dem Arbeiter-Urlaubsgesetz erforderliche ununterbrochene Beschäftigungszeit nicht erreichen, die Möglichkeit zu schaffen, "ebenfalls einen Urlaub in natura nehmen zu können" (RIS-Justiz RS0052422), dh demnach Urlaubsentgelt (das ist gemäß § 8 Abs 1 BUAG das "Urlaubsgeld", dh die Lohnfortzahlung für die Dauer des Urlaubes, zuzüglich eines Urlaubszuschusses) zu erhalten (vgl Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht9, 538). Nach dem geltenden System entrichtet der Arbeitgeber an die dafür eingerichtete öffentlich-rechtliche Institution, nämlich die (hier beklagte) BUAK einen Zuschlag zum Lohn (§ 21 BUAG). Dem Arbeitnehmer gebührt nach Beschäftigungszeiten von jeweils 47 Anwartschaftswochen (Anwartschaftsperiode) ein Urlaub von 30 Werktagen, der sich auf 36 Werktage erhöht, wenn Beschäftigungszeiten von mindestens 1150 Anwartschaftswochen erreicht wurden (§ 4 Abs 1 BUAG). Die BUAK zahlt bei Antritt des Urlaubs des Arbeitnehmers - im Regelfall über den Arbeitgeber und nur ausnahmsweise unmittelbar - ein Urlaubsentgelt (§ 8 BUAG). Sowohl die vom Arbeitgeber abzuführenden Zuschläge als auch das dem Arbeitnehmer zustehende Urlaubsentgelt orientieren sich der Höhe nach am Lohn des Bauarbeiters. Während der Verwaltungsgerichtshof dieses System der Gewährung von Urlaubsentgelt dahin beurteilt hat, dass der Zuschlag nach § 21 BUAG kein Teil des Lohnes des Bauarbeiters sei, auf den diesem ein Rechtsanspruch zustünde, sondern eine öffentlich-rechtliche Leistung, die der Arbeitgeber der Urlaubskasse schulde (Arb 10.426), sieht der Oberste Gerichtshof trotz des systembedingten Leistungsumwegs im Urlaubsentgelt einen vom Arbeitgeber entrichteten Teil des Arbeitsentgeltes, bei dem es sich nur formell - aus organisatorischen Gründen - um Leistungen der Urlaubskasse, tatsächlich aber um Entgeltzahlungen des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit handelt (SZ 63/17; 8 Ob 20/93; SZ 70/245; RIS-Justiz RS0052578). Daher wurde dieses Entgelt in die Bemessung der Ersatzansprüche nach § 1162b ABGB (Arb 10.435) und der Abfertigung (Arb 10.292) miteinbezogen. Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung SZ 63/17 betont hat, ist diese materielle Betrachtung (nach der Quelle der Geldleistungen) aber nur für die Auslegung des Entgeltbegriffes im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entscheidend. Für die isolierte Beurteilung des Charakters der Zuschlagsleistung des Arbeitgebers kommt es auf die formelle Konzeption des BUAG an. Danach stellen die Lohnzuschläge (§ 21 BUAG) eine öffentlich-rechtliche Beitragsleistung an eine Körperschaft öffentlichen Rechtes (§ 14 Abs 2 BUAG) - also öffentliche Abgaben (RIS-Justiz RS0052582) - dar. Gemäß §§ 21 und 21a BUAG hat jeder Arbeitgeber für jeden Arbeitnehmer (Bauarbeiter) Zuschläge zum Lohn an die BUAK zu entrichten. Diese Zuschlagsleistungen sind gemäß § 22 Abs 5 BUAG von der BUAG auf Grund der Meldung des Arbeitgebers zu errechnen. Die BUAK hat die Anspruchsvoraussetzungen der Bauarbeiter für Urlaub und Abfertigung selbständig zu prüfen. Eine Bindung an die Meldungen des Arbeitgebers ist den Bestimmungen des BUAG nicht zu entnehmen (RIS-Justiz RS0106133). Bei Nichteinhaltung der Meldepflicht kann die BUAK die Zuschlagsleistungen des Arbeitgebers unter Zugrundelegung der letzten erstatteten Meldung oder auf Grund eigener Ermittlungen errechnen. Kommt der Arbeitgeber der Verpflichtung zur Zahlung des vorgeschriebenen Beitrages nicht fristgerecht oder nicht in der vorgeschriebenen Höhe nach, hat die BUAK nach einem erfolglosen Aufforderungsschreiben bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde den Antrag zu stellen, einen Bescheid des Inhaltes zu erlassen, dass der Arbeitgeber den Rückstand binnen zwei Wochen an sie zu entrichten hat. Bei Bestreitung der Vorschreibung durch den Arbeitgeber hat der Landeshauptmann bzw das Bundesministerium für Arbeit und Soziales über deren Berechtigung zu entscheiden (§ 25 Abs 3, 5 bis 7 BUAG).

Der Arbeitnehmer selbst hat auf die Zuschläge selbst keinen Rechtsanspruch (Arb 10.426; SZ 63/17; SZ 70/245; RIS-Justiz RS0052574; vgl RS0052567), sondern lediglich Anspruch auf Auszahlung des Nettolohns. Umgekehrt kann, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, die BUAK auch nicht Direktzahlung der Zuschläge vom Arbeitnehmer begehren, dessen Leistungsanspruch ihr gegenüber aber unabhängig davon besteht, ob der Dienstgeber seinen Zahlungspflichten nachgekommen ist oder nicht.

Damit fehlt aber der für ein Zug-um-Zug-Geschäft essentielle (unmittelbare) Leistungsaustausch (König, aaO Rz 225 aE; 4 Ob 1534/95, RZ 1996 = ZIK 1995, 153). Die Situation ist, wie die Vorinstanzen erkannt haben, insofern der Beitragszahlung im Sozialversicherungsbereich vergleichbar: Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Zahlung rückständiger Sozialversicherungsbeiträge im Fall des Konkurses des Arbeitgebers gemäß §§ 30, 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO mangels eines für Zug-um-Zug-Geschäfte essentiellen Leistungsaustausches anfechtbar sei (SZ 59/228; 6 Ob 532/94; 4 Ob 1534/95, ZIK 1995, 153 = RZ 1996/10; 1 Ob 337/97k, ZIK 1998, 97; 10 Ob 8/00z [aM Bartos in ZIK 1998, 79]), weil die Leistungen aus der öffentlich-rechtlichen Pflichtversicherung einem Versicherten ab dem Tag des Beginnes seiner Beschäftigung als Dienstnehmer - unabhängig von der Leistung der SV-Beiträge durch den Dienstgeber - zu erbringen sind. Die öffentlich-rechtliche Beitragspflicht dient nur zur (Mit-)Finanzierung der (an alle Versicherten zu erbringenden) Leistungen und ist daher nicht als Gegenleistung im bürgerlich-rechtlichen Sinn zu qualifzieren (4 Ob 1534/95). Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin sind die Entscheidungen der Vorinstanzen, die all dies zutreffend erkannt haben, also frei von Rechtsirrtum. Der von der Revision noch monierten bzw vermissten Prüfung, ob die angefochtene Zahlung "in unmittelbarem Zusammenhang mit nicht gänzlich unrealistischen Sanierungsbemühungen der späteren Gemeinschuldnerin" erfolgte, kommt keine Entscheidungsrelevanz zu; sie wurde von den Vorinstanzen daher zu Recht nicht vorgenommen. Da sich die gegenständliche Zahlung nicht als anfechtungsfest erweist, muss die Revision erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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