Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 1.819,08 (darin enthalten EUR 303,18 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Das Berufungsgericht, das die Deckungsklage auf Versicherungsleistung von EUR 60.173,11 abgewiesen hat, weil die Klägerin den Versicherungsfall (Raub des von ihr geleasten Mercedes, Typ CLK 320 CA) grob fahrlässig herbeigeführt habe und die Beklagte daher gemäß § 61 VersVG leistungsfrei sei, hat die ordentliche Revision für zulässig erklärt, weil „keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes von einem geraubten Fahrzeug vorliegt". Entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508 Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes ist die von der Klägerin gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO aus folgenden Erwägungen nicht zulässig:
Die Kaskoversicherung ist eine Sparte der Sachversicherung, durch die das Interesse des Eigentümers des versicherten Fahrzeuges versichert ist. Der Versicherer ist daher im Gegensatz zur Sonderregelung des § 152 VersVG für die Haftpflichtversicherung (auch) dann leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall iSd § 61 VersVG grob fahrlässig herbeigeführt hat. Es handelt sich dabei um einen sekundären Risikoausschluss (7 Ob 6/91; 7 Ob 41/98z; 7 Ob 301/99m; 7 Ob 74/02m; 7 Ob 165/02v ua). Ob die Herbeiführung des Versicherungsfalles durch ein aktives Tun oder Unterlassen geschieht, ist gleichgültig. Das Verhalten des Versicherungsnehmers muss jedenfalls im Sinn der Adäquanztheorie für den Versicherungsfall ursächlich gewesen sein; ob daneben noch andere - auch schuldhafte - Handlungen dritter Personen kausal waren, ist gleichgültig (7 Ob 41/98z unter Hinweis auf Schauer, Versicherungsvertragsrecht3, 315 f mwN; 7 Ob 165/02v). Grobe Fahrlässigkeit im Sinne der zitierten Gesetzesstelle liegt vor, wenn sich das Verhalten des Schädigers aus der Menge der sich auch für den Sorgsamsten nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens als eine auffallende Sorglosigkeit heraushebt (SZ 61/280; VersE 1691; 7 Ob 41/98z; 7 Ob 289/98w; 7 Ob 90/99g; 7 Ob 59/01d; 7 Ob 74/02m uva). Dabei wird ein Verhalten vorausgesetzt, von dem der Handelnde wusste oder wissen musste, dass es geeignet ist, den Eintritt eines Schadens zu fördern (RIS-Justiz RS0080414; RS0030324). Die Schadenswahrscheinlichkeit muss offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres nahe liegt, zur Vermeidung eines Schadens ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen (ZVR 1993/153; 7 Ob 289/98w; 7 Ob 59/01d; 7 Ob 74/02m ua). Als brauchbare Anhaltspunkte, von denen die Beurteilung im Einzelnen abhängen kann, kommen die Gefährlichkeit der Situation, die zu einer Sorgfaltsanspannung führen sollte, der Wert der gefährdeten Interessen, das Interesse des Handelnden an seiner Vorgangsweise und schließlich die persönlichen Fähigkeiten des Handelnden in Betracht (7 Ob 301/99m; 7 Ob 74/02m ua). In diesem Sinne ist es für das Versicherungsvertragsrecht anerkannt, dass grobe Fahrlässigkeit dann gegeben ist, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen (7 Ob 10/93, VR 1993, 392 = VersR 1994, 379; 7 Ob 30/93, VR 1994, 126; 7 Ob 1043/93, VR 1994, 315; RIS-Justiz RS0080371, zuletzt etwa 7 Ob 121/03z, 7 Ob 170/03f und 1 Ob 87/04g). Zur Annahme grober Fahrlässigkeit ist es also erforderlich, dass bei Vorliegen eines objektiv groben Verstoßes dem Täter dieser auch subjektiv schwer vorwerfbar sein muss (RIS-Justiz RS0031127). Ob eine Fehlhandlung wegen ihres großen Gewichtes oder mehrere, für sich genommen nicht grob fahrlässige Handlungen in ihrer Gesamtheit und Häufung die Annahme grober Fahrlässigkeit rechtfertigen, bildet bei Vertretbarkeit der immer von den Umständen des Einzelfalles abhängigen Beurteilung grundsätzlich keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (VersE 1691; 4 Ob 2010/96h; 9 Ob 358/97f; 7 Ob 289/98w; 7 Ob 301/99m; 7 Ob 37/01v; 7 Ob 74/02m; 7 Ob 165/02v uva). Die Revision ist daher (nur) dann zulässig, wenn der Sachverhalt auch bei weitester Auslegung den von der Judikatur für die Annahme grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien nicht entspricht (7 Ob34/88, VR 1989, 168; 7 Ob59/01d; 7 Ob 165/02v ua). Dies ist hier nicht der Fall. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, der Klägerin sei grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, hält sich unter Berücksichtigung der festgestellten Örtlichkeit (sogenannte Plattenbausiedlung am Stadtrand von Sofia) und der „Vorgeschichte" (dass nämlich der Klägerin in den beiden Jahren zuvor dort bereits zwei Fahrzeuge der Luxusklasse - sogar derselben Marke - gestohlen wurden), im Rahmen der zu § 61 VersVG dargestellten Grundsätze. Unter diesen Umständen kann in der Auffassung des Berufungsgerichtes, von der Klägerin wäre zu verlangen gewesen, ihr Fahrzeug der Luxusklasse auf einem bewachten Parkplatz abzustellen, eine aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierende, weil außerhalb der Bandbreite dieser Judikatur liegende Fehlbeurteilung nicht erblickt werden. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, auf einem bewachten Parkplatz wäre das „Raubrisiko" wesentlich geringer gewesen als auf offener Straße in einer der Klägerin als gefahrengeneigt bekannten Gegend, begegnet keinen Bedenken. Die Rechtsansicht der Revisionswerberin, zwischen Diebstahl und Raub bestehe ein grundlegender Unterschied, weil letzterer von der Örtlichkeit ganz unabhängig sei, steht im Widerspruch zu ganz allgemeinen Erfahrungen „durchschnittlicher Versicherungsnehmer" an bestimmten „gefährlich(er)n" Orten. Die Revisionswerberin bringt insgesamt nichts vor, was das vom Berufungsgericht erzielte Ergebnis, die Beklagte sei nach § 61 VersVG leistungsfrei, in Zweifel ziehen ließe; ein tauglicher Grund für die Zulassung der Revision nach § 502 Abs 1 ZPO wird nicht aufgezeigt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin ausdrücklich hingewiesen.
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