OGH 7Ob6/91

OGH7Ob6/9123.5.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef T***** GesmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Hans Kaska, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei Wiener Städtische Wechselseitige Versicherungsanstalt, Wien 1., Ringturm, vertreten durch Dr. Christian Prem, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 297.621,21) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 5. November 1990, GZ 4 R 170/90-16, womit das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Handelsgericht vom 2. Mai 1990, GZ 3 Cg 24/90-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 12.247,20 (darin S 2.041,-- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin leaste im November 1988 bei der PSK

Leasing GesmbH & Co KG einen PKW der Marke BMW 325 i, der das polizeiliche Kennzeichen N 83.518 erhielt. Dieses Fahrzeug wurde bei der beklagten Partei mit einem Selbstbehalt von S 16.000,-- vollkaskoversichert. Am 5. Februar 1989 stellte die Angestellte der klagenden Partei Christine T***** als Lenkerin im Beisein ihres Gatten, des Geschäftsführers der klagenden Partei Josef T***** diesen PKW gegen 2 Uhr 30 unversperrt im Hofe ihres Wohnhauses ***** ab und legte die Autoschlüssel in das ebenfalls nicht versperrte Handschuhfach. Der Hof war mit einem nicht (mehr) versperrbaren eisernen Schiebetor abgeschlossen. Das Schnappschloß dieses Tores konnte infolge der geringen Höhe des Tores von 1,3 m mühelos durch Übergreifen von der Straße her und Drehen des an der Innenseite angebrachten Knopfes geöffnet werden. Der PKW wurde zwischen 4 Uhr 30 und 4 Uhr 45 von einem unbekannt gebliebenen Dieb gestohlen. Er brannte in der Folge im Gemeindegebiet von Dürnstein zur Gänze aus, so daß ein Totalschaden eintrat. Die beklagte Partei ersetzte der Leasinggeberin aufgrund einer internen Vereinbarung für diesen Schadensfall S 292.622,-- und erhielt dafür die Forderung gegen die klagende Partei abgetreten.

Die Klägerin begehrt gegenüber der beklagten Partei die Feststellung, daß ihre Forderung von S 292.621,21 sA dieser gegenüber zu Recht bestehe und infolge Aufrechnung mit deren gleich hohen Gegenforderung getilgt sei. Die beklagte Partei sei ihr gegenüber aus dem Schadensfall vom 5. Februar 1989 daher leistungspflichtig.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete unter anderem ein, daß der Diebstahl des PKWs auf eine grobe Fahrlässigkeit der klagenden Partei zurückzuführen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf die bereits wiedergegebenen Feststellungen. Die Klägerin habe für die grobe Fahrlässigkeit einer ihrer Angestellten, die zum Diebstahl des Fahrzeuges geführt habe, einzutreten. Die beklagte Partei sei daher gemäß § 61 VersVG leistungsfrei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es bewertete den Streitgegenstand als mit S 50.000,-- übersteigend und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Es folgerte aus den übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes rechtlich, daß das als grobe Fahrlässigkeit zu beurteilende Verhalten Christa T***** nicht der klagenden Partei zugerechnet werden könne, weil die sogenannte Repräsentantenhaftung von der österreichischen Judikatur abgelehnt werde. Dem Geschäftsführer der klagenden Partei Josef T***** sei aber dieses grob fahrlässige Verhalten seiner Gattin aufgefallen, oder hätte ihm auffallen müssen. Für die Unterlassung Josef T***** müsse aber die klagende Partei einstehen. Die beklagte Partei sei daher gemäß § 16 VersVG leistungsfrei.

Die gegen diese Entscheidung von der klagenden Partei erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Kaskoversicherung ist eine Sparte der Sachversicherung, durch die das Interesse des Eigentümers des versicherten Fahrzeuges versichert ist. Der Versicherer ist daher im Gegensatz zur Sonderregelung des § 152 VersVG für die Haftpflichtversicherung dann leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat (§ 61 VersVG). Das gilt auch dann, wenn die Kaskoversicherung - wie hier - auf fremde Rechnung genommen wurde (vgl. EvBl 1978/69 mwN). Die Feststellungen der Vorinstanzen reichen für eine abschließende rechtliche Beurteilung aus. Die sich dem Täter am 5. Februar 1989 bietenden Öffnungsmöglichkeiten bedürfen keiner weiteren Detaillierung, die vom Erstgericht beim Lokalaugenschein getroffene Feststellung, daß der PKW damals dem Täter mit seinem Heck von der Straße her sichtbar sein mußte, ist unbestritten geblieben. Das unversperrte Abstellen eines PKWs in einem Hof, dessen 1,3 m hohes Tor nur verschlossen, aber nicht abgesperrt war und durch ein Übergreifen leicht von außen geöffnet werden konnte, stellt im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Ablage der Zündschlüssel im nur verschlossenen, aber ebenfalls nicht abgesperrten Handschuhfach nicht nur einen Verstoß gegen die Schutznorm des § 102 Abs 6 KfG

(vgl 2 Ob 28/87), die den Diebstahl geradezu ermöglicht hat, sondern auch eine grobe Fahrlässigkeit dar

(ZVR 1980/44 = VersR 1979, 755). Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, daß die in Deutschland entwickelte Repräsentantentheorie keinen Eingang in die österreichische Judikatur gefunden hat. Aber auch dann, wenn der Versicherungsnehmer für andere Personen nicht einstehen muß, kann ihm nach dem Selbstverschuldensprinzip ein zur Leistungsfreiheit des Versicherers führender Vorwurf gemacht werden. Dies ist dann der Fall, wenn es an der erforderlichen Sorgfalt fehlt und wenn sich im Beisein des vertretungsbefugten Organes der Versicherungsnehmerin Vorfälle ereignen, die den Eintritt des Versicherungsfalles erheblich begünstigen (SZ 57/77; VersR 1987, 395). Die dagegen von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Argumente laufen aber darauf hinaus, daß mit Überlassung der Lenkung an eine andere Person der mitfahrende Halter von all seinen Verpflichtungen befreit wäre, obwohl er deren fahrlässiges Verhalten und die dadurch drohende Diebstahlsgefahr erkennen hätte müssen. Die klagende Partei hat es aber unterlassen, zu beweisen, daß die Nichteinhaltung der aufgezeigten Verpflichtung ihres mitfahrenden Geschäftsführers auf nicht zu vertretende subjektive Gründe zurückzuführen ist (vgl Reischauer in Rummel ABGB § 1298 Rz 2). Die Revisionsbehauptung, der Geschäftsführer der klagenden Partei Josef T*****, sei damals "zufolge Alkoholkonsums nicht voll einsatzfähig gewesen" und habe deshalb seiner Frau die Lenkung überlassen, ist nicht durch die Feststellungen der Vorinstanzen gedeckt. Die klagende Partei muß sich daher die von der Sachlage geradezu aufdrängende Kenntnis des Geschäftsführers der klagenden Partei vom beschädigten Sperrmechanismus des Hoftores und der Vorgangsweise Christine T***** zurechnen lassen. Josef T***** hat es unterlassen, gegen die Handlungsweise seiner Gattin einzuschreiten, dies ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ebenfalls als grobe Fahrlässigkeit zu werten (vgl ZVR 1985, 29 mwN).

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

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