OGH 6Ob97/15f

OGH6Ob97/15f9.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Martin Löffler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei c***** SE, *****, vertreten durch CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung einer Zurechnung gemäß § 23 ÜbG, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Bescheid der Übernahmekommission vom 18. März 2015, GZ 2014/1/8‑74, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung

Am 4. 6. 2014 brachte die C***** GmbH gegen die c***** SE eine Beschlussanfechtungs‑ und Feststellungsklage vor dem Handelsgericht Wien ein. Die Klägerin ist Aktionärin der Beklagten und war als solche in der 13. ordentlichen Hauptversammlung am 7. 5. 2014 anwesend. Sie erklärte zu sämtlichen angefochtenen Beschlussgegenständen Widerspruch zu Protokoll. Am 6. 6. 2014 erhob Dkfm. Karl E***** eine inhaltlich gleichlautende Beschlussanfechtungs‑ und Feststellungsklage. Gegenstand dieser Klagen ist der Stimmrechtsausschluss der Aktionäre Dkfm. Karl E*****, Ingrid E*****, John F***** E***** und Karl P***** E***** in der Hauptversammlung der c***** am 7. 5. 2014 aufgrund behaupteter Verstöße gegen börsegesetzliche Meldepflichten.

I. Vorbringen der Klägerin

Dazu brachten die Klägerin und Dkfm. Karl E***** in ihren insoweit gleichlautenden Klagen vor, dass die Aktionäre Dkfm. Karl E*****, Ingrid E*****, John F***** E***** und Karl P***** E***** während der Hauptversammlung überraschend und rechtswidrig von ihrem Stimmrecht ausgeschlossen worden seien. Wären die Stimmen dieser Aktionäre gezählt worden, so wäre im Rahmen der Abstimmung für den 4. Verwaltungsratssitz der Klägerin P***** H***** und nicht Dr. A***** S*****, für den 5. Verwaltungsratssitz Dr. A***** P***** und nicht Dr. M***** P***** gewählt worden.

Der bloße Umstand der familiären Verbundenheit sei nicht ausreichend, um die Stimmrechte der Familie E***** zusammenzurechnen. Die Aktien würden getrennt verwaltet; die einzige Verbindung zwischen den Aktionären sei die gemeinsame Familienzugehörigkeit. Das Verhalten der Beklagten sei nicht nachvollziehbar, zumal sie mit keinem Wort erwähnt habe, dass die Mitglieder der Familie E***** börserechtliche Meldepflichten verletzt hätten. Darüber hinaus sei keinem Mitglied der Familie E***** eine Möglichkeit zur Stellungnahme vor der Hauptversammlung zum angeblichen Verstoß gegen börsegesetzliche Meldepflichten aufgrund der Zurechnung von Stimmrechten eingeräumt worden.

Die Stimmrechte seien nicht gemäß § 92 Z 7 BörseG iVm § 23 Abs 1 oder 2 BörseG zuzurechnen. Nach dem Rundschreiben der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 19. 6. 2013 betreffend Melde‑ und Veröffentlichungspflichten von Emittenten („Emittentenleitfaden“) führe ein zufälligerweise gleichförmiges Verhalten ohne diesbezügliche Akkordierung nicht zu einem gemeinsamen Vorgehen. Zudem müsse Ziel der Abstimmung des Stimmverhaltens nach § 1 Z 6 ÜbG die Kontrollausübung bzw ‑erlangung an der Zielgesellschaft sein. Kein gemeinsames Vorgehen liege vor, wenn die Bestellung nicht der Beherrschung, sondern lediglich der optimalen Besetzung der Position diene. Das Stimmverhalten der Familie E***** basiere insbesondere auf den Empfehlungen der Institutional Shareholder Services Inc („ISS“), der Glass Lewis & Co, LLC sowie des IVA („Interessenverband für Anleger“). Bei der Neubesetzung im Verwaltungsrat der c***** sei lediglich auf eine optimale sowie den Empfehlungen der Stimmrechtsberater entsprechende Besetzung der Positionen durch zwei unabhängige Mitglieder, nämlich P***** H***** und Dr. A***** P*****, geachtet worden. In Anbetracht der Anzahl der zu vergebenden Positionen im Verwaltungsrat der c***** könne weder eine nachhaltige Einflussnahme auf die Gesellschaft noch eine dauernde Beeinflussung der Geschäftsführung stattfinden.

Die Familie E***** habe unmöglich eine materielle Kontrolle über die c***** ausüben können. Unterhalb der Beteiligungsschwelle von 30 % sei § 92 Z 7 BörseG nicht anwendbar. Dkfm. E***** und seine Angehörigen seien daher von dieser Vorschrift nicht erfasst und hätten somit gegen keine börsengesetzlichen Meldepflichten verstoßen.

II. Vorbringen der Beklagten

Die Beklagte brachte in ihren Klagebeantwortungen vom 14. 7. 2014 und 11. 8. 2014 vor, die börserechtliche Beteiligungspublizität stelle unter anderem eine frühzeitige Ergänzung des Übernahmerechts, einen Vorfeldschutz, dar. Dieser Vorfeldschutz müsse im Zeitverlauf viel früher ansetzen, um mögliche künftige übernahmerechtliche Sachverhalte transparent zu machen. Die Zurechnungsbestimmung des § 92 Z 7 BörseG iVm § 23 Abs 1 ÜbG müsse daher als zeitlich vorgelagerte Verhaltenspflicht verstanden werden. Eine Zusammenrechnung setze daher weder voraus, dass die Stimmrechte der beteiligten Rechtsträger die übernahmerechtliche formale Kontrollschwelle überschreiten, noch dass materielle Kontrolle im übernahmerechtlichen Sinn angestrebt werde. Das BörseG solle nämlich jedes Zusammenwirken der Aktionäre bei Erreichen der Meldeschwellen transparent machen, sodass das Zusammenwirken ‑ mit oder ohne Kontrollübernahmeabsicht ‑ relevant sei. Das Tatbestandsmerkmal der Erlangung bzw Ausübung der Kontrolle sei im Interesse einer normativ bezweckten Transparenz vielmehr extensiv auszulegen. Bei Gesamtbetrachtung der einzelnen Momente vom Erwerb der Beteiligungen im Zuge der K*****‑Transaktion bis zur Ausübung der Aktionärsrechte sowohl in der 12. als auch in der 13. ordentlichen Hauptversammlung der c***** ergebe sich deutlich das Gesamtbild des gemeinsamen Vorgehens der Familie E*****. Dieses sei auch nach übernahmerechtlichen Standards relevant. In der Hauptversammlung 2014 sei das Aktienpaket der Familie E***** das beschlussentscheidende „Zünglein an der Waage“ gewesen. Darin liege keine bloße Minderheitsposition, die nicht kontrollrelevant wäre. Eine Absprache über die Wahl von Verwaltungsratsmitgliedern sei notwendigerweise auch auf eine Beeinflussung der Geschäftsführung der Gesellschaft gerichtet und damit kontrollrelevant. Dkfm. E*****, John F***** E*****, Karl P***** E***** und Ingrid E***** seien demnach als gemeinsam vorgehende Aktionäre der c***** im Sinne von § 23 Abs 1 iVm § 1 Z 6 ÜbG anzusehen. Das gemeinsame Vorgehen werde nach § 1 Z 6 ÜbG auch gesetzlich vermutet.

III. Unterbrechungsbeschluss

Das Handelsgericht Wien unterbrach zur Frage der Verletzung der börserechtlichen Meldepflicht nach § 92 Z 7 BörseG das zwischen den Streitteilen anhängige Verfahren gemäß § 29 Abs 2 ÜbG und übermittelte den Akt der Übernahmekommission zur Beurteilung der Vorfrage, ob die Aktien von John F*****, Karl P***** und Dkfm. Karl E***** gemäß § 23 Abs 1 oder 2 ÜbG zusammenzurechnen seien.

IV. Bescheid der Übernahmekommission

Mit Bescheid vom 18. 3. 2015 stellte die Übernahmekommission fest, dass die von Dkfm. Karl E*****, Karl P***** E***** und John F***** E***** gehaltenen Beteiligungspapiere an der Beklagten diesen Aktionären nicht gemäß § 23 Abs 1 ÜbG wechselseitig zuzurechnen seien. Auch seien die von den beiden Söhnen gehaltenen Beteiligungspapiere an der Beklagten dem Vater nicht gemäß § 23 Abs 2 ÜbG einseitig zuzurechnen.

Dabei ging die Übernahmekommission von folgendem Sachverhalt aus:

c***** SE („c*****“ oder „Zielgesellschaft“), eingetragen unter FN *****, ist eine monistische Societas Europeas (SE) mit Sitz in Wien. Das Grundkapital beträgt 426.796.365 EUR und ist in 85.359.273 Stück unterteilt, welche im Amtlichen Handel der Wiener Börse zugelassen sind und im Segment Prime Market notiert werden. C***** unterliegt daher gemäß § 2 ÜbG dem Vollanwendungsbereich des Übernahmegesetzes. Der derzeitige Aktienkurs liegt bei 12,395 EUR (Stand: 13. 3. 2015), woraus eine Marktkapitalisierung von rund 1.058 Mrd EUR resultiert. Am 16. 2. 2015 waren beim Börsekurs der c***** deutliche Aufwärtsbewegungen festzustellen, die auf die Bekanntgabe der Absicht der D***** AG, ein freiwilliges Angebot zur Kontrollerlangung gemäß § 25a ÜbG zu legen, zurückzuführen sind.

Den Verwaltungsrat der c***** bilden derzeit Mag. K***** G***** (Vorsitzende), DI Alexander T***** (stellvertretender Vorsitzender) und Mag. Dr. Evelin S***** (Mitglied). Darüber hinaus wurden in der Hauptversammlung vom 7. 5. 2014 Dr. A***** S***** sowie Dr. M***** P***** in den Verwaltungsrat gewählt; diese wurden aufgrund gerichtsanhängiger und hier entscheidungsgegenständlicher Anfechtungsklagen noch nicht ins Firmenbuch eingetragen.

Geschäftsführende Direktoren sind derzeit Mag. Thomas D***** und Mag. Clemens S*****.

C***** hielt zum Zeitpunkt der 13. ordentlichen Hauptversammlung am 7. 5. 2014 2.576.464 eigene Aktien. Dies entspricht einem Anteil des Grundkapitals von 3,02 %.

C***** GmbH („C*****“), eingetragen unter FN *****, ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Wien. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 35.000 EUR. Alleingesellschafter‑Geschäftsführer ist Dr. A***** P*****. C***** ist Kläger im Anfechtungsprozess vor dem Handelsgericht Wien mit der AZ 34 Cg 40/14k.

P***** A***** LLP („P*****“) ist eine von der Financial Conduct Authority (FCA) regulierte Investmentgesellschaft mit Sitz in London, die Investoren im Hinblick auf nachhaltige Wertsteigerungen ihres Kapitals berät. Gründer und Managing Partner von P***** A***** ist Klaus U*****.

Dkfm. Karl E*****, geboren am *****, ist ein Hamburger Kaufmann und mit Ingrid E*****, geboren am *****, verheiratet. Seine beiden Söhne sind Karl P***** E*****, geboren am *****, und John F***** E*****, geboren am *****. Dkfm. Karl E***** ist Kläger im Anfechtungsprozess vor dem Handelsgericht Wien zu AZ 34 Cg 49/14h (davon AZ 23 Cg 35/14v).

Die Verfahren AZ 34 Cg 40/14k und AZ 34 Cg 49/14h wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Zur Frage der Verletzung der börserechtlichen Meldepflicht nach § 92 Z 7 BörseG unterbrach das Handelsgericht Wien mit Beschluss vom 26. 11. 2014 das Verfahren und übermittelte den Akt am 14. 1. 2015 der Übernahmekommission zur Beurteilung der Vorfrage, ob die Aktien von John F*****, Karl P***** und Dkfm. Karl E***** gemäß § 23 Abs 1 oder 2 ÜbG zusammenzurechnen sind.

Die hier relevante Aktionärsstruktur der Zielgesellschaft stellt sich wie folgt dar:

Aktionär

Anzahl der Aktien

Anteil am Grundkapital

Anteil der Stimmrechte

H***** Familienprivatstiftung bzw A***** Limited

21.160.921

24,79 %

25,56 %

Dkfm. Karl E*****

1.381.956

1,62 %

1,67 %

Ingrid E*****

225.000

0,26 %

0,27 %

Karl P***** E*****

2.105.642

2,47 %

2,54 %

John F***** E*****

1.802.642

2,11 %

2,18 %

C***** GmbH

1.000.000

1,17 %

1,21 %

P***** A***** LLP

5.752.822

6,74 %

6,95 %

F*****)

4.285.009

5,02 %

5,18 %

Eigene Aktien

2.576.644

3,02 %

Ein Großteil der Aktien der H***** Familienprivatstiftung (16.880.701) wird von der A***** Limited gehalten, einer der H***** Familienprivatstiftung zurechenbaren Tochtergesellschaft.

Nach ersten Gesprächen im Sommer 2012 fanden im November 2012 erstmals Verhandlungen zwischen Dkfm. Karl E***** und der Beklagten statt, die den möglichen Erwerb der von Dkfm. Karl E***** und seinen Söhnen gehaltenen Aktienmehrheit im Ausmaß von rund 50 % an der K***** AG (K*****) durch die Beklagte betrafen. Der gleichzeitige und gemeinsame Verkauf der K*****‑Aktien wurde durch Dkfm. Karl E***** initiiert. Das Vermögen von John F***** und Karl P***** E***** ist rechtlich und wirtschaftlich vom Vermögen ihres Vaters getrennt.

Während der laufenden Vertragsverhandlungen traten für die Verkäufer neben Dkfm. Karl E***** auch Dr. Roland R***** sowie der damalige Vorstandsvorsitzende der K***** auf. John F***** und Karl P***** E***** waren im Detail nicht über die einzelnen Verhandlungsschritte informiert; sie traten auch nicht in Erscheinung. Die Verhandlungen wurden von Dkfm. Karl E***** allein geführt, da er der Ideenträger der Transaktionen und auch der Gründer der K***** war. Die Söhne gaben jedoch eine Preisspanne vor, an die Dkfm. Karl E***** intern gebunden war. Während der Verhandlungen kam es zu telefonischen Rücksprachen zwischen Dkfm. Karl E***** und seinen Söhnen. John F***** und Karl P***** E***** stimmten dem letztlich ausgehandelten Preis zu. Ob es darüber hinaus Weisungen der Söhne an Dkfm. Karl E***** gab, konnte nicht festgestellt werden.

Nach mehreren vorangegangenen Entwürfen wurde letztlich am 21. 12. 2012 ein Aktienkaufvertrag zwischen Dkfm. Karl E***** als Verkäufer und der Beklagten als Käuferin über 9 Millionen K*****‑Aktien geschlossen. In der Endfassung der Vertragsurkunde scheint nicht mehr die „Familie Dkfm. Karl E*****“ als Verkäuferin auf, sondern ausschließlich Dkfm. Karl E***** selbst.

Die Gegenleistung der Beklagten bestand in einer Barabfindung in Höhe von 40 Mio EUR sowie in der Lieferung von dreieinhalb Million c*****‑Aktien aus dem Bestand ihrer eigenen Aktien. Zusätzlich wurde Dkfm. Karl E***** mit Optionsvereinbarung vom 18. 1. 2013 eine Call‑Option zum Erwerb von weiteren 1 Mio Stück c*****‑Aktien zum Preis von 10 EUR je Aktie eingeräumt. Die Laufzeit dieser Option endet am 31. 12. 2015; bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 25. 2. 2015 wurde diese nicht ausgeübt.

Im Aktienkaufvertrag verpflichtete sich Dkfm. E*****, seinen Bestand an c*****‑Aktien durch Erwerbe über die Börse um zumindest 1 Mio Stück bis zu einem Höchstpreis von 10,75 EUR zu vermehren. Die Erfüllung dieser Verpflichtung lag im Interesse der Beklagten und sollte verhindern, dass Dkfm. Karl E***** seine Aktien unmittelbar nach der Transaktion veräußert. Die Verpflichtung war ein Surrogat für eine Behalteverpflichtung („lock‑in“) fürDkfm. Karl E*****. Die Erfüllung dieser Pflicht war durch Vorlage eines Depotauszugs nachzuweisen.

Obwohl Dkfm. Karl E***** im Aktienkaufvertrag vom 21. 12. 2012 als alleiniger Verkäufer der K*****‑Aktien angeführt war, sollten die kaufgegenständlichen Aktien nicht bloß von ihm, sondern auch von seinen Söhnen Karl P***** und John F***** E***** sowie weiteren Verkäufern geliefert werden. Dies war der Beklagten spätestens im Zeitpunkt des Closing bekannt. Dementsprechend wurden von der Beklagten die als Gegenleistung gedachten c*****‑Aktien („Aktien-komponente“) und Barmittel („Barkomponente“) auch auf die Depots der Söhne übertragen bzw ausgezahlt.

Die Aufteilung der Bar‑ und Aktienkomponente richtete sich nach den unterschiedlichen Interessen der veräußernden Aktionäre. John F***** E***** wollte etwa aufgrund seiner persönlichen Veranlagungsstrategie einen größeren Bargeldanteil erhalten, während Dkfm. Karl E***** aufgrund seines Vertrauens in die Beklagte ein längerfristiges Investment anstrebte und daher einen größeren Aktienanteil annahm. Das Hauptziel von Karl P***** E***** bestand bei der Transaktion darin, einen möglichst großen Baranteil zu bekommen. Dass die Aufteilung der Bar- und Aktienkomponente innerhalb der Familienmitglieder im alleinigen Ermessen von Dkfm. Karl E***** lag, konnte nicht festgestellt werden.

Die Verpflichtung zum Kauf von einer weiteren 1 Million c*****‑Aktien wurde nicht allein durch die Erwerbe von Dkfm. Karl E***** erfüllt, sondern auch durch die Familienmitglieder Ingrid, Karl P***** und John F*****. Zusammen erwarb die Familie E***** im Zeitraum Oktober 2013 bis Dezember 2013 insgesamt 1.000.042 Aktien an der Beklagten. Die anteilige Erfüllung der Zukaufsverpflichtung beruhte auf einer von allen Familienmitgliedern getragenen internen Übereinkunft und erfolgte nach ihrer Guthabenslage.

Außerhalb der Zukaufsverpflichtung kaufte Dkfm. Karl E***** aufgrund der günstigen Marktlage weitere Aktien der Beklagten, ohne hiezu aus dem Aktienkaufvertrag verpflichtet gewesen zu sein. John F***** E***** erwarb ebenfalls auf freiwilliger Basis im Jahr 2013 weitere Aktien an der Beklagten, ebenso Karl P***** E*****.

Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung am 25. 2. 2015 war bekannt, dass die Mitglieder der Familie E***** im Rahmen des freiwilligen Angebots zur Kontrollerlangung der D***** AG einen Großteil ihrer Aktien an diese verkaufen werden.

Bei der 12. ordentlichen Hauptverhandlung der Beklagten am 8. 5. 2013 waren Dkfm. Karl E*****, Karl P***** E***** und John F***** E***** nicht persönlich anwesend. Stimmrechtsbevollmächtiger für die insgesamt 2.273.600 angemeldeten Aktien der Familie (2,66 % des Grundkapitals) war N***** D*****, ein Mitarbeiter in verschiedenen Gesellschaften der Familie E*****. Für die Hauptversammlung am 8. 5. 2013 wurde N***** D***** von Karl P***** und John F***** E***** mündliche Weisungen zum gewünschten Abstimmungsverhalten erteilt. Primäre Informationsquelle für den Aktionär John F***** E***** war dabei sein Vater Dkfm. Karl E*****. Die Aktionäre Dkfm. Karl E*****, John F***** und Karl P***** E***** übten ihre Stimmrechte zu sämtlichen Beschlusspunkten einheitlich und gleichförmig aus. Im Vorfeld der ordentlichen Hauptversammlung kam es auch zu familieninternen Besprechungen über das Abstimmungsverhalten.

Im Mittelpunkt der Hauptversammlung stand Tagesordnungspunkt 7 zur Beschlussfassung über eine Satzungsänderung auf Erhöhung der Höchstzahl an Verwaltungsratsmitgliedern von fünf auf sechs. Diese Satzungsänderung sollte verhindert werden, um den nach Auffassung der Familie E***** bestehenden Einfluss der H***** Familienprivatstiftung bzw deren Begünstigten Dr. H***** H***** in der Beklagten zurückzudrängen. Die Befürchtung war, dass auch die neu geschaffene Position von einem Vertrauten der H***** Familienprivatstiftung besetzt würde und der Einfluss von Dr. H***** H***** daher steige. Deswegen erhielt N***** D***** von den Mitgliedern der Familie E***** die Weisung, gegen die geplante Satzungsänderung zu stimmen. Mangels der dafür notwendigen 75 %‑Mehrheit wurde die Satzungsänderung nicht beschlossen.

Die Klägerin, P***** A***** und die Mitglieder der Familie E***** stimmten bei dieser Hauptversammlung nicht bei allen Beschlussgegenständen gleichförmig.

Nach der 12. ordentlichen Hauptversammlung wurde Dkfm. Karl E***** von Dr. A***** P***** kontaktiert. Weder vor noch nach dieser Kontaktaufnahme unterhielten diese Personen geschäftliche Beziehungen. Im Sommer 2013 kam es zum ersten Treffen zwischen Dr. A***** P***** und Dkfm. Karl E*****. Dabei besprach man die Entwicklung im Zusammenhang mit der Beklagten. Bis zur 13. ordentlichen Hauptversammlung kam es noch zu höchstens drei weiteren Begegnungen. Bei einem dieser Treffen im Sommer 2013 war auch Dr. H***** H***** anwesend, wobei ebenfalls über die Beklagte gesprochen wurde.

Am 7. 5. 2014 fand die streitgegenständliche ordentliche Hauptversammlung 2014 der Beklagten statt. Die Familie E***** (Dkfm. Karl, Karl P*****, John F***** und Ingrid E*****) war mit insgesamt 5.514.790 Aktien angemeldet, was 6,46 % des Grundkapitals entspricht. Persönlich anwesend war nur Dkfm. Karl E*****. Er vertrat sowohl seine Söhne als auch seine Frau. Bei der Ausübung der Stimmrechte für seine Frau Ingrid E***** unterlag er keinen Weisungen, war allerdings an Weisungen seiner Söhne gebunden. Für 1.103.900 seiner Aktien hatte Dkfm. Karl E***** Dr. Roland R***** Vollmacht erteilt.

Der Tagesordnungspunkt 6 betraf die Wahl in den Verwaltungsrat der Beklagten. Zwei der fünf Mitglieder, J***** M***** und Dr. F***** P*****, waren Ende 2013 und Anfang 2014 zurückgetreten, weshalb zwei neue Verwaltungsratsmitglieder gewählt werden mussten. Der Verwaltungsrat der c***** schlug hiefür Dr. A***** S***** und Dr. M***** P***** vor.

Auf Gegenvorschlag der Klägerin standen auch P***** H***** und der Alleingesellschafter‑Geschäftsführer der Klägerin Dr. A***** P***** zur Wahl. Die Aktionäre der Beklagten wurden medial, unter anderem durch ein Inserat in der Financial Times, von Dr. A***** P***** und anderen Aktionären aufgerufen, für diese beiden Personen und gegen Dr. A***** S***** und Dr. M***** P***** zu stimmen, um vom Mehrheitsaktionär der Beklagten, der H***** Familienprivatstiftung, unabhängige Personen mit Erfahrung im Immobiliensektor in den Verwaltungsrat zu wählen. Nach Vorstellung von Dkfm. Karl E***** sollten die Kandidaten als unabhängige Fachleute ihr Wissen in die Beklagte einbringen. Auch den sonstigen Mitgliedern der Familie E***** ging es bei der Unterstützung der von der Klägerin vorgeschlagenen Kandidaten darum, die fachliche Expertise im Verwaltungsrat der Beklagten durch vom Mehrheitsaktionär unabhängige Personen zu erhöhen. Dr. A***** P***** wusste bereits vor der Hauptversammlung, dass er von Dkfm. Karl E***** bei der Wahl zum Verwaltungsrat unterstützt würde. Die Wahl von Dr. A***** P***** wurde zudem im Vorfeld der Hauptversammlung innerhalb der Familie E***** besprochen. Der Vorschlag, für Dr. A***** P***** und P***** H***** zu stimmen, stammte ursprünglich von Dkfm. Karl E*****. John F***** und Karl P***** E***** informierten sich auch noch aus weiteren Quellen über diese Kandidaten, um zur Förderung ihres Investments eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu erhalten. John F***** und Karl P***** E***** erteilten daraufhin ihrem Vater die mündliche Weisung, dass bei der Hauptverhandlung für Dr. A***** P***** und P***** H***** gestimmt werden soll; für die übrigen Beschlusspunkte hatte Dkfm. Karl E***** die Weisung, im Sinne der Vorschläge des Verwaltungsrats zu stimmen.

P***** H***** wurde von der Klägerin vorgeschlagen, nachdem sich Dr. A***** P***** von seiner fachlichen Eignung überzeugt hatte. Dr. A***** P***** hatte P***** H***** erstmals im April 2014 kennengelernt. John F***** und Karl P***** E***** kennen weder Dr. A***** P***** noch P***** H***** persönlich. Sie unterhielten oder unterhalten auch keine geschäftlichen Beziehungen zu diesen Personen.

Die internationalen Stimmrechtsberater (Proxy Advisors) Institutional Shareholder Services Inc („ISS“), Glass Levis & Co, LLC und der Interessenverband für Anleger („IVA“) sprachen sich in ihren Empfehlungen für die Kandidaten Dr. A***** P***** und P***** H***** aus. Eine Einflussnahme durch die Klägerin auf ISS konnte nicht festgestellt werden.

In der Wahl konnten sich die vom Verwaltungsrat der Beklagten vorgeschlagenen Kandidaten Dr. A***** S***** und Dr. M***** P***** knapp durchsetzen.

Im ersten Wahlgang wurde Dr. A***** S***** mit einer Mehrheit von 51,47 % gewählt.

Wahl S***** oder H***** für Sitz 4:

Gesamtzahl gültiger Stimmen

52.890.698

FÜR‑Stimmen S*****:

108 Aktionäre

27.224.936 Stimmen

51,47 %

FÜR‑Stimmen H*****:

284 Aktionäre

24.838.470 Stimmen

49,96 %

NEIN‑Stimmen

21 Aktionäre

827.292 Stimmen

1,56 %

Stimmenthaltungen:

24 Aktionäre

372.884 Stimmen

Da Dr. M***** P***** im ersten Wahlgang zwar mit 49,50 % der abgegebenen Stimmen eine relative, aber keine absolute Mehrheit erreichte, erfolgte ein zweiter Wahlgang, bei dem 62,60 % für ihre Wahl in den Aufsichtsrat stimmten:

Wahl Dr. M***** P***** oder Dr. A***** P***** für Sitz 5:

Gesamtzahl gültiger Stimmen

52.968.866

FÜR‑Stimmen *****:

119 Aktionäre

26.217.925 Stimmen

49,50 %

FÜR‑Stimmen P*****:

271 Aktionäre

24.816.887 Stimmen

46,85 %

NEIN‑Stimmen

25 Aktionäre

1.934.054 Stimmen

3,65 %

Stimmenthaltungen:

23 Aktionäre

371.881 Stimmen

Wahl Dr. M***** P***** für Sitz 5:

Gesamtzahl gültiger Stimmen

41.857.843

JA‑Stimmen

134 Aktionäre

26.201.940 Stimmen

62,60 %

NEIN‑Stimmen:

173 Aktionäre

15.665.903 Stimmen

37,40 %

Stimmenthaltungen:

119 Aktionäre

11.478.122 Stimmen

Unmittelbar vor der Abstimmung über diese Tagesordnungspunkte wurden die Stimmrechte der Mitglieder der Familie E***** wegen eines behaupteten Verstoßes gegen börsegesetzliche Meldepflichten von der Vorsitzenden der Hauptversammlung, der Verwaltungsratsvorsitzenden Mag. K***** G*****, gesperrt. Dkfm. Karl E***** wurde mit dem Vorwurf zu diesem Zeitpunkt erstmals konfrontiert. Frau Mag. G***** hielt eine Kontaktaufnahme vor der Hauptversammlung mit der Familie E***** nicht für erforderlich, weil eine Meldung zu diesem Zeitpunkt dazu geführt hätte, dass die Aktionäre ihr Stimmrecht ohnehin erst sechs Monate später hätten ausüben können. Ihre Rechtsansicht stützte Mag. G***** auf zwei ihr vorliegende Rechtsgutachten. Mag. G***** verkündete das Ruhen sämtlicher Stimmrechte der Mitglieder der Familie E*****.

Da die Mitglieder der Familie E***** für die Kandidaten Dr. A***** P***** und P***** H***** stimmten, war der Ausschluss der Stimmrechte durch die Vorsitzende für die Wahl der Verwaltungsratsmitglieder entscheidend; nur durch das Ruhen der Stimmrechte der Familie E***** war es möglich, dass die Kandidaten Dr. A***** S***** und Dr. M***** P***** mit ausreichenden Stimmen gewählt werden konnten. Wären die insgesamt 5.515.240 Stück Aktien der Familie E***** nicht ruhend gestellt worden, hätten sich die Kandidaten Dr. A***** P***** und P***** H***** im jeweiligen ersten Wahlgang mit einer absoluten Mehrheit durchgesetzt.

Erst nach dieser Hauptversammlung kam es zu Kontakten zwischen Dkfm. Karl E***** und Klaus U***** von P***** A*****. Geschäftliche Beziehungen gibt und gab es zwischen den Personen nicht. Vor der Hauptversammlung kannte kein Mitglied der Familie E***** den Aktionär Klaus U*****. Dr. A***** P***** kannte Klaus U***** zwar schon lange vor der Hauptversammlung am 8. 5. 2014; es bestehen aber keine geschäftlichen Beziehungen zwischen diesen Personen. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass es zwischen den Aktionären Unterredungen oder Gespräche mit Bezug zur 13. ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten gab. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Aktionäre Dkfm. Karl E*****, die Klägerin und P***** A***** eine gemeinsame Strategie zur Zerschlagung und Liquidation der Beklagten entwickelt oder verfolgt hätten.

Nach ausführlicher Beweiswürdigung beurteilte die Übernahmekommission diesen Sachverhalt in rechtlicher Sicht dahin, dass zwischen dem Vater und seinen Söhnen zwar eine Absprache im Sinne des § 1 Z 6 ÜbG vorliege, es fehle allerdings am zweiten Tatbestandsmerkmal des gemeinsamen Vorgehens, nämlich der Kontrollrelevanz der Absprache. Diese Vermutung sei widerleglich und im konkreten Fall auch widerlegt: es ergebe sich nämlich im konkreten Fall, dass die beiden Kandidaten P***** und H***** von der Familie E***** unabhängig seien. Die Wahl eines unabhängigen Verwaltungsratsmitglieds sei eine wichtige Möglichkeit von Minderheitsaktionären, einen Gegenpol zum Kernaktionär zu schaffen. Es sei außerdem fraglich, ob eine Gruppe von Aktionären mit einer Beteiligung von insgesamt 6,46 % überhaupt in der Lage sei, die Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erlangen oder auszuüben. Bei der Beurteilung des gemeinsamen Vorgehens sei von einem materiellen Kontrollbegriff auszugehen; dieser sei vom Begriff der kontrollierenden Beteiligung im Sinne des § 22 Abs 2 und 3 ÜbG zu unterscheiden. Allerdings stünden im vorliegenden Fall der Beteiligung der Familie E***** Aktienpakete der H***** Familienprivatstiftung mit einem Anteil des Grundkapitals von 24,40 % gegenüber. Dass die Familie E***** allenfalls „das Zünglein an der Waage“ sei, sei irrelevant. Eine Kontaktaufnahme mit P***** A***** habe erst nach der streitgegenständlichen Hauptversammlung stattgefunden und sei nicht Ursache, sondern Resultat des Stimmrechtsausschlusses. Die Mitglieder der Familie E***** seien somit keine gemeinsam vorgehenden Rechtsträger im Sinne des § 1 Z 6 ÜbG. Auch eine Zurechnung der Anteile der Söhne gegenüber dem Vater komme nicht in Frage; eine Verlagerung des wirtschaftlichen Eigentums habe nicht festgestellt werden können.

V. Rekurs

Gegen diesen Bescheid richtet sich der rechtzeitige Rekurs der beklagten Partei wegen sachlicher Unzuständigkeit der Übernahmekommission, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Aktenwidrigkeit. Die beklagte Partei beantragt, den Bescheid der Übernahmekommission wegen Unzuständigkeit für nichtig zu erklären und den Vorlageantrag des Handelsgerichts Wien zurückzuweisen, hilfsweise den Bescheid der Übernahmekommission aufzuheben und festzustellen, dass Dkfm. Karl E*****, Karl P***** E***** und John F***** E***** im Hinblick auf ihre Beteiligung an der Beklagten gemeinsam vorgehende Rechtsträger gemäß § 23 Abs 1 iVm § 1 Z 6 ÜbG seien, in eventu den Bescheid der Übernahmekommission aufzuheben und festzustellen, dass die Beteiligungen von Karl P***** E***** und John F***** E***** an der Beklagten Dkfm. Karl E***** gemäß § 23 Abs 2 ÜbG einseitig zuzurechnen seien. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Die Stellungnahme der Übernahmekommission wurde den Parteien zur Äußerung übermittelt; daraufhin legten die Parteien ihren Rechtsstandpunkt ergänzend dar.

Rechtliche Beurteilung

VI. Rechtliche Beurteilung

1. Allgemeines

1.1. Gemäß § 30a ÜbG können Bescheide der Übernahmekommission mit Rekurs an den Obersten Gerichtshof angefochten werden. Auf den Rekurs und das Rechtsmittelverfahren vor dem Obersten Gerichtshof sind die Bestimmungen des AußStrG über den Revisionsrekurs mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass der Rekurs jedenfalls zulässig ist.

1.2. Der Rekurs ist daher zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1.3. Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung der Übernahmekommission sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung (§ 60 Abs 2 AußStrG, § 71 Abs 3 AußStrG).

2. Zur Äußerung der Übernahmekommission

2.1. Die Übernahmekommission hat eine ausführliche, elf Seiten umfassende Äußerung (§ 30a Abs 3 ÜbG) erstattet. Das Gesetz sieht für die Äußerung keinerlei inhaltliche oder formelle Vorgaben vor ( Eigner , wbl 2014, 665 [674]). Auch die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 2357 BlgNR 24. GP 16) enthalten dazu keine näheren Erläuterungen, sondern beschränken sich auf den Hinweis, dass es der Übernahmekommission freistehe, eine Äußerung zu erstatten.

2.2. Nach Eigner (wbl 2014, 665 [674]) kann die Übernahmekommission in der Äußerung zum Verfahrensverlauf Stellung nehmen, auf wesentliche Akteninhalte aufmerksam machen oder auch weitere rechtliche Argumente vorbringen. Vor allem könne die Übernahmekommission darin auf ihre Spruchpraxis hinweisen und diese entsprechend erläutern oder auch Änderungen einer überholten Spruchpraxis aufzeigen. Mit der Äußerung könne auch die präjudizielle Bedeutung einer bestimmten Entscheidung eines Senats der Übernahmekommission für das konkrete Verfahren relativiert werden. Eine Replik auf die Äußerung der Übernahmekommission stehe dem Rekurswerber wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels jedenfalls nicht mehr zu. Vor der Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof komme der Übernahmekommission im Verfahren daher insoweit das „letzte Wort“ zu. Sollte der Rekurswerber dennoch eine Replik zur Äußerung einbringen, wäre diese vom Obersten Gerichtshof zurückzuweisen.

2.3. Dem kann nicht gefolgt werden. Nach § 52 AußStrG hat das Rekursgericht, auch wenn keine Rekursbeantwortung vorgesehen ist, den Parteien Gelegenheit zu geben, sich zu Anbringen anderer Parteien zu äußern, soweit dies erforderlich ist, um deren Anspruch auf rechtliches Gehör zu wahren (dazu näher Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 52 Rz 20 ff). Die Unterlassung einer erforderlichen Einholung einer Äußerung bildet einen Gehörverstoß (Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 52 Rz 22). Diese Überlegungen sind auf die vorliegende Konstellation zu übertragen. Zwar ist die Übernahmekommission naturgemäß nicht Partei des Rechtsmittelverfahrens (Eigner, wbl 2014, 665 [674]). Im vorliegenden Fall enthält die Äußerung aber nicht nur formale Angaben oder Hinweise (etwa auf Fundstellen im Akt, vgl Eigner, wbl 2014, 665 [674]), sondern eine detaillierte inhaltliche Auseinandersetzung mit den im Rekurs vorgebrachten Argumenten. Damit unterscheidet sich die abgegebene Äußerung in ihrem Inhalt ganz grundlegend von einem bloßen Vorlagebericht (aA Eigner aaO, der die Äußerung gem § 30a Abs 3 ÜbG als bloßen Bestandteil des Vorlageberichts ansieht), der wegen seines rein formalen ‑ und zudem das Rechtsmittelgericht in keiner Weise bindenden (Zechner in Fasching/Konecny² § 507b Rz 2) - Inhalts die prozessualen Rechte der Parteien nicht berührt (Fasching, Kommentar1 IV 357; Zechner in Fasching/Konecny² § 507b Rz 2).

2.4. In einem solchen Fall erfordern die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dass die Parteien des Verfahrens Gelegenheit erhalten, dazu Stellung zu nehmen (vgl EGMR 18. 2. 1997, Nideröst‑Huber/CH, Bsw 18990/91). Dass jener Behörde, deren Entscheidung im Rechtsmittelverfahren ja gerade überprüft werden soll, ‑ wie Eigner aaO anschaulich formuliert ‑ das „letzte Wort“ zukommt, wäre mit der Funktion eines Rechtsmittelverfahrens nicht zu vereinbaren, ist die Entscheidung der Übernahmekommission doch im vorliegenden Fall ganz unzweifelhaft Bestandteil eines „civil rights“ betreffenden und damit den Anforderungen des Art 6 EMRK unterliegenden Verfahrens.

2.5. Der auch im Außerstreitverfahren geltende (Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 47 Rz 2 ff; RIS‑Justiz RS0007007) Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (RIS‑Justiz RS0007007, RS0041666, RS0036673) steht dem nicht entgegen, kann doch den Parteien nicht verwehrt werden, zu von der die angefochtene Entscheidung erlassenden Behörde vorgebrachten neuen Argumenten Stellung zu nehmen. Der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels ergibt sich daraus, dass die Verfahrensordnungen nur einen einzigen Rechtsmittelschriftsatz vorsehen. Dies bezweckt die Konzentration der gegen eine Entscheidung vorgebrachten Argumente in einem einzigen Schriftsatz. Diese Überlegung kommt aber dann nicht zum Tragen, wenn die Vorinstanz nachträglich weitere Argumente heranzieht, die den Parteien bei Abfassung ihrer Schriftsätze noch gar nicht bekannt sein konnten. Hier ist auch darauf zu verweisen, dass im Verfahren vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts gegen eine von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift eine Replik möglich ist, dort also von vornherein der Behörde gerade nicht das „letzte Wort“ zukommt.

2.6. Sofern sich die Übernahmekommission daher ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ nicht auf die bloße Abfassung des Vorlageberichts oder bloß formale Angaben oder Hinweise (etwa auf Fundstellen im Akt oder Hinweise zum Verfahrensverlauf, vgl Eigner, wbl 2014, 665 [674]) beschränkt, ergibt sich die Zulässigkeit einer weiteren Äußerung der Parteien bei verfassungskonformer Auslegung bereits unmittelbar aus dem Gesetz. Gleichwohl hat der Oberste Gerichtshof ‑ unabhängig von einer (etwa von Eigner, wbl 2014, 665 [674] empfohlenen) Zustellung der Äußerung bereits durch die Übernahmekommission selbst ‑ die Äußerung der Übernahmekommission den Parteien neuerlich mit der ausdrücklichen Einräumung der Möglichkeit einer Äußerung zugestellt, um damit ‑ vor dem Hintergrund der zitierten gegenteiligen Auffassung im Schrifttum ‑ gegenüber den Parteien ausdrücklich klarzustellen, dass die Erstattung einer weiteren Äußerung zulässig ist.

3. Zur angeblichen „Unzuständigkeit“

3.1. Die Beklagte macht geltend, die Übernahmekommission sei „sachlich unzuständig“ gewesen, weil nicht das Ruhen der Stimmrechte nach § 34 Abs 1 ÜbG strittig sei, sondern es um Fragen der börserechtlichen Beteiligungspublizität nach §§ 91 ff BörseG gehe. Es gehe daher nicht um die übernahmerechtliche Beurteilung einer Vorfrage, sondern um die Einhaltung von Meldepflichten.

3.2. Dieser Einwand zielt daher darauf ab, die Beurteilung der Auslegung der §§ 91 ff BörseG habe ausschließlich durch die Gerichte ohne Befassung der Übernahmekommission zu erfolgen. In der Literatur wird der Einwand, eine Sache gehöre überhaupt nicht vor die Übernahmekommission, als Erscheinungsform der Unzulässigkeit des Rechtswegs angesehen ( Eigner , wbl 2015, 665 [669]).

3.3. Der Einwand ist jedoch nicht berechtigt. Zwar steht der Geltendmachung der sachlichen Unzuständigkeit der Übernahmekommission noch nicht der Umstand entgegen, dass die Beklagte weder den Unterbrechungsbeschluss des Handelsgerichts Wien bekämpfte noch die sachliche Unzuständigkeit vor der Übernahmekommission einwandte. Die sachliche Zuständigkeit ist im Verwaltungsverfahren nämlich der Disposition der Parteien entzogen und wäre im Verwaltungsverfahren jederzeit von Amts wegen aufzugreifen ( Hengstschläger/Leeb , AVG² § 6 Rz 6).

3.4. Nach § 29 Abs 2 ÜbG ist das Verfahren zu unterbrechen und ein Feststellungsbescheid der Übernahmekommission herbeizuführen, wenn die Entscheidung in einem zivilgerichtlichen Verfahren von der noch nicht vorliegenden Entscheidung einer Vorfrage, die nach dem Übernahmegesetz zu treffen ist, abhängt. Diese Bestimmung dient der Absicherung der Entscheidungskompetenz der Übernahmekommission in übernahmerechtlichen Fragen ( Gall in Huber , ÜbG² § 29 Rz 7).

3.5. Als Beispiel erwähnen die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1276 BlgNR 20. GP 48) eine aktienrechtliche Anfechtungsklage, in der ein Kläger behauptet, dass die Stimmrechtsabgabe eines Aktionärs unzulässig gewesen sei, weil dessen Stimmrecht gemäß § 34 Abs 1 ÜbG ruhe, weil er durch Unterlassung der Stellung eines Pflichtangebots die Vorschriften des Übernahmegesetzes verletzt habe.

3.6. § 91 BörseG normiert Meldepflichten für die Änderung bestimmter bedeutender Beteiligungen. Die Meldepflichten nach § 91 Abs 1 und Abs 1a BörseG gelten gemäß § 92 BörseG auch in verschiedenen anderen Fällen der Ausübung von Stimmrechten, darunter auch gemäß § 92 Z 7 BörseG in dem Fall, dass die Stimmrechte gemäß § 23 Abs 1 oder 2 ÜbG zuzurechnen sind. Verstößt eine Person gegen eine Meldepflicht gemäß §§ 91 bis 92 BörseG, ruhen alle Stimmrechte an dem Emittenten, die dieser Person gehören oder die ihr gemäß § 92 BörseG zuzurechnen sind, im Ausmaß der Differenz zwischen dem neuen Stimmrechtsanteil und dem letzten von ihr gemeldeten Stimmrechtsanteil. Die Stimmrechte können nach Ablauf von sechs Monaten ab Erfüllung der Meldepflicht wieder ausgeübt werden (§ 94 Abs 1 ÜbG). Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem in den Gesetzesmaterialien gebrachten Beispiel lediglich insofern, als eine weitere Ebene hinzutritt: Für den Erfolg der aktienrechtlichen Beschlussanfechtungsklage ist die Frage des Ruhens der Stimmrechte gemäß § 94a BörseG von Bedeutung, wofür § 92 Z 7 BörseG wiederum auf die Zusammenrechnungsvorschriften nach § 23 Abs 1 und 2 ÜbG verweist. Damit stellt aber die Zusammenrechnung nach § 23 Abs 1 und 2 ÜbG ‑ entgegen der Rechtsansicht der Rekurswerberin ‑ eine Vorfrage für das Beschluss-anfechtungsverfahren dar. Eine Einschränkung dahin, dass die Übernahmekommission nur tätig zu werden hätte, wenn übernahmerechtliche Fragen nicht ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ lediglich aufgrund einer Verweisung (in concreto: § 94a BörseG), sondern unmittelbar anzuwenden sind, ist dem ÜbG nicht zu entnehmen.

4. Aktenwidrigkeit

4.1. Eine Aktenwidrigkeit erblickt die Rekurswerberin in der Feststellung, wonach zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung am 25. 2. 2015 bekannt war, dass die Mitglieder der Familie E***** im Rahmen des freiwilligen öffentlichen Angebots zur Kontrollerlangung der D***** AG einen Großteil ihrer Aktien an diese verkaufen werden. Diese Feststellung habe keine Grundlage in den Verfahrensakten und sei somit ersatzlos zu streichen.

4.2. Dabei übersieht die Rekurswerberin, dass gemäß § 45 Abs 1 AVG offenkundige Tatsachen keines Beweises bedürfen. Offenkundig im Sinne dieser Bestimmung ist eine Tatsache dann, wenn sie entweder allgemein bekannt oder zumindest der Behörde, also amtsbekannt, ist ( Hengstschläger/Leeb , AVG² [2014] § 45 Rz 4 mwN). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH 91/17/0064; 94/08/0269) sind Tatsachen allgemein bekannt, deren Richtigkeit, der allgemeinen Überzeugung entsprechend, der Behörde bekannt sind. Das trifft auf jene Tatsachen zu, von denen anzunehmen ist, dass sie jedermann ohne jede Schwierigkeit und ohne besondere Fachkenntnisse bekannt sein könnten (VwGH 91/17/0064; 94/08/0269). Den Umstand, dass die Mitglieder der Familie E***** einen Großteil ihrer Aktien an die D***** AG verkaufen werden, konnte aber jeder interessierte Beobachter des Kapitalmarkts oder Abonnent der APA‑Mitteilungen ohne Probleme aus der frei zugänglichen ad‑hoc‑Meldung der D***** AG vom 18. 2. 2015 bzw der entsprechenden APA‑Mitteilung entnehmen.

4.3. Soweit die Rekurswerberin eine Aktenwidrigkeit in der Feststellung erblickt, die Mitglieder der Familie E***** hätten auch die fachliche Qualifikation des nominierten Verwaltungsratskandidaten in Zweifel gezogen, sind sie auf die Aussage des Zeugen Dkfm. Karl E***** in der Verhandlung vor der Übernahmekommission zu verweisen, wonach die Beklagte ein „saumäßiges Management“ habe. Bei dieser Beweislage durfte die Übernahmekommission im Rahmen der Beweiswürdigung davon ausgehen, dass sich diese Bedenken auch gegen den auf Vorschlag der H***** Familienprivatstiftung zur Wahl stehenden C***** S*****, der rund ein halbes Jahr später geschäftsführender Direktor der Beklagten wurde, richteten.

5. Die Tatbestände des § 23 ÜbG

5.1. § 23 ÜbG unterscheidet zwischen wechselseitiger Zurechnung von Beteiligungen unter gemeinsam vorgehenden Rechtsträgern im Sinne des § 1 Z 6 ÜbG einerseits (§ 23 Abs 1 ÜbG) und der einseitigen Zurechnung einer Beteiligung zu einem beliebigen Rechtsträger (natürliche oder juristische Person) andererseits, wenn dieser Rechtsträger Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte aus dieser Beteiligung ausüben kann (§ 23 Abs 2 ÜbG). Zur Konkretisierung enthält das Gesetz eine demonstrative Aufzählung dieser Fälle. Die Gesetzesmaterialien betonen, dass mit den jeweiligen Absätzen des § 23 ÜbG „zwei unterschiedliche Problemkreise getrennt werden“ (ErläutRV 1334 BlgNR 22. GP 15). Mit dieser Regelungstechnik orientierte sich der Gesetzgeber an der deutschen Rechtslage, die diese Trennung in § 30 WpÜG in gleicher Weise vorsieht.

5.2. Die beiden Absätze des § 23 ÜbG sind daher zueinander entgegen den Rekursausführungen nicht subsidiär in dem Sinne, dass § 23 Abs 2 ÜbG lediglich einen „Ergänzungstatbestand“ enthält bzw eine im Vergleich zu § 23 Abs 1 ÜbG „schwächere“ bzw „weniger weitreichende Rechtsfolge“ vorsieht. Vielmehr will der Gesetzgeber mit den beiden Tatbeständen unterschiedliche Konstellationen erfassen. Mit der einseitigen Zurechnung nach § 23 Abs 2 ÜbG wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Ausübung von Stimmrechten nicht untrennbar mit der Aktionärseigenschaft verbunden ist, sondern in der wirtschaftlichen Realität durch bestimmte rechtliche Konstruktionen auch faktisch vermittelt werden kann. In solchen Fällen besteht für die Minderheitsaktionäre die Gefahr einer ‑ womöglich verdeckten ‑ Kontrollausübung durch den Rechtsträger, weshalb ihm solche Beteiligungen zugerechnet werden und er gegebenenfalls ein Pflichtangebot stellen muss. Diese Situationen sollen mit der (demonstrativen) Aufzählung von Einzeltatbeständen in § 23 Abs 2 ÜbG zusammen mit der Generalklausel der „Möglichkeit zur Einflussnahme“ erfasst werden.

5.3. Die Generalklausel dient dazu, die Zurechnung auch gesetzlich nicht ausdrücklich erfasster, aber vom Gewicht her den Spezialtatbeständen gleichwertiger Sachverhalte zu ermöglichen. Insoweit dienen die im Gesetz demonstrativ angeführten Tatbestände auch der Auslegung der Generalklausel.

6. Wechselseitige Zurechnung gemäß § 23 Abs 1 ÜbG

6.1. Allgemeines

6.1.1. Gemäß § 23 Abs 1 ÜbG sind gemeinsam vorgehenden Rechtsträgern (§ 1 Z 6) die von ihnen gehaltenen Beteiligungen wechselseitig zuzurechnen. Gemäß § 1 Z 6 ÜbG sind unter gemeinsam vorgehende Rechtsträger natürliche oder juristische Personen zu verstehen, die mit dem Bieter auf der Grundlage einer Absprache zusammenarbeiten, um die Kontrolle über die Zielgesellschaft zu erlangen oder auszuüben, insbesondere durch Koordination der Stimmrechte, oder die aufgrund einer Absprache mit der Zielgesellschaft zusammenarbeiten, um den Erfolg des Übernahmeangebots zu verhindern. Hält ein Rechtsträger eine unmittelbare oder mittelbare kontrollierende Beteiligung (§ 22 Abs 2 und 3 ÜbG) an einem oder mehreren anderen Rechtsträgern, so wird vermutet, dass alle diese Rechtsträger gemeinsam vorgehen; dasselbe gilt, wenn mehrere Rechtsträger eine Absprache über die Ausübung ihrer Stimmrechte bei der Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrats getroffen haben.

6.2. Absprachen

6.2.1. Die Übernahmekommission bejahte zwar zutreffend eine Absprache der Familie E***** im Sinne des § 1 Z 6 ÜbG, verneinte jedoch die Kontrollrelevanz dieser Absprache. Es sei der Familie bloß um eine optimale Besetzung des Verwaltungsrats gegangen, somit um die besondere fachliche Eignung und Unabhängigkeit der von ihnen präferierten Kandidaten. Es habe auch keine subjektive Kontrollerlangungsabsicht festgestellt werden können. Zudem fehle es schon an der objektiven Eignung, Kontrolle zu erlangen, mache doch das Aktienpaket der Familie E***** insgesamt nur 6,46 % aus, wohingegen die H***** Familienprivatstiftung 24,4 % halte.

6.2.2. Erfasst werden von § 23 Abs 1 iVm § 1 Z 6 ÜbG nicht nur vertragliche Vereinbarungen im rechtlichen Sinn, sondern auch Abstimmungsvorgänge, die zu einer faktischen Bindung führen. Eine Klagbarkeit oder rechtliche Möglichkeit zur Durchsetzung der Vereinbarung ist daher nicht Voraussetzung. In diesem Sinn wird in der Literatur formuliert, auch „bewusst eingesetzte strenge Blicke des Familienoberhaupts“ vor einer Abstimmung könnten ausreichen, wenn sich das Oberhaupt sicher sein könne, dass die übrigen Familienmitglieder ihm folgen würden (vgl Kraus , Die Angebotspflicht im Syndikat 188 ff, insbesondere FN 913 mwN).

6.2.3. Ein zu weites Verständnis des § 1 Z 6 ÜbG würde allerdings diametral dem international und national immer wieder geäußerten Wunsch nach Aktionärsaktivismus, der zu einer effektiven Kontrolle der Unternehmensführung beitragen soll, zuwiderlaufen ( Kraus aaO 198 f, insbesondere FN 958 mwN). Gesellschafter sollen nicht bloß berechtigt, sondern sogar ermutigt werden, sich in einem bestimmten Umfang über die Gesellschaft auszutauschen, sofern damit nicht auf die Kontrolle über das Unternehmen abgezielt wird. Allerdings gesteht auch Kraus zu, dass die Grenze zwischen bloß zufällig gleichgerichtetem und planvollem Zusammenwirken oft für die Aufsichtsbehörden nur sehr schwer zu ziehen sei, insbesondere bei Gesellschaften, an denen mehrere Familienmitglieder beteiligt sind. Ein infolge des verwandtschaftlichen Naheverhältnisses oft gesteigerter Einfluss könne aber nicht den Schluss rechtfertigen, dass zwischen Familienmitgliedern keine gesellschaftsbezogenen Unstimmigkeiten bestünden und private Treffen stets mit geschäftlichen Interessen verbunden würden. Die Wirklichkeit stelle sich sogar oft gegenteilig im Sinne von Zerwürfnissen dar.

6.2.4. In den Materialien zum deutschen WpÜG wird ausdrücklich festgehalten, dass die Kommunikation zwischen den Aktionären nicht behindert, sondern ein konstruktiver Dialog der Aktionäre (weiterhin) ermöglicht werden soll (vgl auch Huber , Überlegungen zum gemeinsamen Vorgehen, GesRZ 2010, 13 [15]).

6.2.5. Auch nach Huber (in Huber , ÜbG § 23 Rz 35) begründet eine verwandtschaftliche Beziehung oder Ehe im Kontext des § 23 ÜbG allgemein keine Möglichkeit der Einflussnahme. Auch zur vergleichbaren deutschen Rechtslage ist nach Schneider (in Assmann/Pötzsch/Schneider WpÜG § 30 Rz 110 ff) zwischen Mitgliedern der selben Familie, Lebenspartnern etc nicht zwingend zuzurechnen. Ausreichend seien jedoch informelle Familientreffen, in denen eine entsprechende Abstimmung erfolge ( Schneider in Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG 2 § 30 Rz 223).

6.2.6. Soweit die Beklagte einen sekundären Verfahrensmangel aufgrund angeblich fehlender Feststellungen hinsichtlich einer „qualifizierten Einflussnahme“ des Vaters auf seine Söhne erblickt, ist dem nicht zu folgen. Die Übernahmekommission traf ausreichende und durchaus umfangreiche Feststellungen zu einer allfälligen Beeinflussung der Söhne durch den Vater. Demnach tauschten sich die Familienmitglieder untereinander aus und wurde die Wahl von Dr. P***** innerhalb der Familie besprochen, wobei ein Sohn auf Dr. P***** auch erst durch seinen Vater aufmerksam wurde. Allerdings stellte die Übernahmekommission ebenso ausdrücklich fest, dass sich beide Söhne auch aus weiteren Quellen über die Kandidaten informierten, um eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu erhalten. Beide erteilten ihrem Vater auch wiederholt Weisungen zur Stimmrechtsausübung.

6.2.7. Wurden aber zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen, mögen diese auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen, können diesbezüglich auch keine rechtlichen Feststellungsmängel erfolgreich geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0053317 [T1]). Die diesbezüglichen Rekursausführungen stellen lediglich den Versuch dar, die im vorliegenden Rekursverfahren nicht anfechtbare Beweiswürdigung der Übernahmekommission zu bekämpfen.

6.2.8. Entgegen der Rechtsansicht des Rekurses sind die Feststellungen auch nicht unvollständig. Nach den Feststellungen der Übernahmekommission erteilten die Söhne dem Vater wiederholt Weisungen; dieser pflegte sich an diese zu halten bzw holte allenfalls telefonisch die Zustimmung seiner Söhne ein. Das Rekursvorbringen, die Weisungen seien auf Basis einer verdünnten Willensfreiheit erteilt worden, entspricht nicht den Feststellungen der Übernahmekommission. Damit geht der Rekurs aber insoweit nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sodass er insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist.

6.3. Absicht der Kontrollerlangung

6.3.1. Die Absprache und die Zusammenarbeit der Rechtsträger müssen auf die Erlangung der Kontrolle über die Zielgesellschaft gerichtet sein ( Huber/Alscher in Huber , ÜbG § 1 Rz 60 f und Rz 68). Der Kontrollbegriff ist im Gegensatz zu jenem nach § 22 Abs 2 ÜbG ein materieller. Tatbestandsmäßig ist daher auch die nicht auf einer (formell) kontrollierenden Beteiligung beruhenden Erlangung der Kontrolle über den Aufsichtsrat (und damit über die Bestellung des Vorstands der Zielgesellschaft).

6.3.2. Maßgeblich für die Beurteilung, ob materielle Kontrolle vorliegt, könnten die regelmäßige Präsenz des Streubesitzes in der Hauptversammlung, das Vorhandensein anderer Paketaktionäre, Einflussmöglichkeiten bei der Besetzung von Leitungs‑ und Aufsichtsorganen, aber auch Sonderrechte sein, die den Beteiligten der Absprache durch die Satzung der Zielgesellschaft gewährt werden. Stets ist jedoch erforderlich, dass die Absprache objektiv zur Kontrollerlangung bzw ‑ausübung bzw Verhinderung eines Übernahmeangebots geeignet ist, käme es doch andernfalls zu einer uferlosen Ausweitung des § 1 Z 6 ÜbG. Entgegen der Rechtsansicht der Rekurswerberin geht die Übernahmekommission nicht davon aus, dass nach § 1 Z 6 ÜbG ein formeller Kontrollbegriff zugrunde zu legen wäre, was zur Folge hätte, dass unterhalb einer Beteiligungsschwelle von 30 % für § 92 Z 7 BörseG kein Anwendungsbereich bestehen würde.

6.3.3. Die Vermutung des gemeinsamen Vorgehens ist widerleglich ( Winner , ÖJZ 2006, 663; Diregger/Kalss/Winner , Übernahmerecht Rz 45; Huber/Alscher in Huber , ÜbG² § 1 Rz 74 und Rz 80; Kraus , Angebotspflicht 284 ff). Die gesetzliche Vermutung der Kontrollrelevanz einer Absprache im Sinne des § 1 Z 6 ÜbG kann widerlegt werden, wenn sich etwa aus der Person des Gewählten ergibt, dass aufgrund dessen besonderer fachlicher Eignung und Unabhängigkeit bloß eine optimale Besetzung des Aufsichtsrats angestrebt wird (ErläutRV 1334 BlgNR 22. GP 5).

6.3.4. Die Widerlegung ist unter Beachtung von § 1 Z 6 Satz 1 ÜbG zu prüfen (ErläutRV 1334 BlgNR 22. GP 5). Die gesetzliche Vermutung des gemeinsamen Vorgehens gilt daher dann als widerlegt, wenn die Absprache über die Wahl von Verwaltungsratsmitgliedern im konkreten Fall nicht auf die Erlangung oder Ausübung von Kontrolle gerichtet ist. Eine Absprache über die Ausübung von Stimmrechten bei der Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrats darf daher nicht die Beherrschung im Sinne des § 1 Z 6 erster Satz ÜbG der Zielgesellschaft zum Ziel haben. Dies ist dann der Fall, wenn die beteiligten Rechtsträger mit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern nicht die Absicht verfolgen, die Geschicke der Gesellschaft gemeinsam zu lenken oder deren Geschäftspolitik nachhaltig zu beeinflussen ( Gall , GesRZ 2008, 139 [145]). Stets ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, wobei die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind ( Gall , GesRZ 2008, 139 [144]; Winner , FS Jud, 801 [809]).

6.3.5. Zutreffend gelangte die Übernahme-kommission zu der Einschätzung, dass die Kandidaten Dr. A***** P***** und P***** H***** von den Mitgliedern der Familie E***** unabhängig sind. Für die fachliche Eignung der beiden Kandidaten spricht auch, dass diese von unabhängigen internationalen Stimmrechtsberatern empfohlen wurden.

6.3.6. Sofern die Rekurswerberin die Auffassung vertritt, es sei „lebensfremd“, dass Aktionäre (unabhängige) Kandidaten für den Verwaltungsrat öfter als allenfalls einmal persönlich treffen wollen, um sich über diese Kandidaten zu informieren, ist dem entgegenzuhalten, dass die Zahl der Treffen von Aktionären für die Beurteilung der Unabhängigkeit nicht ausschlaggebend ist, weil sich aus einer bloßen Anzahl von Treffen keine persönliche, wirtschaftliche oder sonstige Abhängigkeit ergeben kann. Bloße Gespräche über die beklagte Partei begründen noch keine Abhängigkeit des einen Gesprächspartners vom anderen.

6.3.7. Die Rekursausführungen zur subjektiven Kontrollerlangungsabsicht richten sich in Wahrheit gegen die im vorliegenden Verfahren nicht anfechtbare Beweiswürdigung der Übernahmekommission. Ob daraus, dass sich Mitglieder der Familie E***** neun Monate nach den für das Anlassverfahren relevanten Zeitraum verpflichteten, den Großteil ihrer Aktien in das Übernahmegebot einzuliefern (tender commitment), Rückschlüsse auf die Kontrollerlangungs‑ oder Ausübungsabsicht im Zeitpunkt der Hauptversammlung 2014 gezogen werden können, betrifft die nicht der Kognition des Obersten Gerichtshofs unterliegende Frage der Beweiswürdigung.

6.4. Absprachen über andere Gegenstände

6.4.1. Eine Absprache über andere, nicht in § 1 Z 6 ÜbG angeführte Beschlussgegenstände löst die Vermutung des § 1 Z 6 ÜbG nicht aus. Daher begründet eine Absprache über bloße Satzungsänderungen die Vermutung des § 1 Z 6 ÜbG nicht.

6.4.2. Dies deckt sich mit dem Leitfaden der Europäischen Wertpapier‑ und Marktaufsichsbehörde (European Securities and Market Authority ‑ ESMA). Dieser Leitfaden sollte dem Bedürfnis vor allem institutioneller Anleger Rechnung tragen, untereinander zu kooperieren und mit anderen Investoren in Kontakt zu treten. Der Leitfaden soll erläutern, welche Möglichkeiten es aus übernahmerechtlicher Sicht gibt, um eine effektive und gut funktionierende Corporate Government durch die Eigentümer zu gewährleisten. Aus diesem Grund hat die ESMA eine sogenannte white list erarbeitet, die Verhaltensweisen aufzählt, die nicht zur Begründung eines gemeinsamen Vorgehens zwischen den beteiligten Aktionären führen sollen (vgl dazu Winner , Active Shareholders and European Takeover Regulation, ECFR 2014, 364 [384 f]). Sofern es nicht um die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds geht, ist unter Punkt 4.1 lit a der white list festgehalten, dass sich Aktionäre über sämtliche Angelegenheiten absprechen können, ohne dass sie dadurch als gemeinsam vorgehende Rechtsträger qualifiziert werden. Dies inkludiert auch Satzungsänderungen zur Erhöhung der Höchstzahl von Verwaltungsratsmitgliedern.

6.5. Objektive Eignung zur Kontrollerlangung

6.5.1. Schon aus dem Gesetzeswortlaut des § 1 Z 6 ÜbG ergibt sich, dass der Tatbestand nur dann erfüllt ist, wenn durch das gemeinsame Vorgehen die Kontrolle erlangt oder ausgeübt werden kann, somit das Verhalten objektiv geeignet ist, die Kontrolle zu erlangen. Andernfalls käme es zu einer uferlosen Ausweitung des § 1 Z 6 ÜbG. Dies bedeutet aber nicht, dass für eine Kontrolle im Sinne des § 1 Z 6 ÜbG auch die formelle Kontrollschwelle nach § 22 Abs 2 ÜbG überschritten werden müsste.

6.5.2. Das Erfordernis einer objektiven Eignung zur Kontrollerlangung entspricht auch der völlig herrschenden Auffassung im Schrifttum (vgl Huber/Alscher in Huber , ÜbG § 1 Rz 60 f und Rz 68 mwN). Dies wäre etwa bei einer Absprache zwischen zwei Aktionären betreffend die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern zu bejahen, wenn die Zahl der konkret zur Wahl stehenden Aufsichtsratsmitglieder ausreichend ist, um einem dieser Aktionäre eine Mehrheit im Aufsichtsrat zu verschaffen ( Huber/Alscher aaO). Huber/Alscher (aaO Rz 80) führen weiter aus, dass eine Widerlegung der Vermutung schon dahingehend denkbar sei, dass keine Kontrolle über die Zielgesellschaft, sondern nur eine Minderheitsposition im Aufsichtsrat angestrebt werde. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt Huber (GesRZ 2010, 17 ff).

6.5.3. Auch nach Kraus (aaO 210 f, 216 f) ist die objektive Eignung der Kontrollerlangung nötig, weil andernfalls jede Absprache unabhängig vom Gegenstand des angestrebten Beschlusses und insofern unabhängig vom gesellschaftsrechtlichen Gewicht des Beschlussinhalts für die Zielgesellschaft unter § 1 Z 6 ÜbG zu subsumieren sei. Einem derart weiten Verständnis sei jedoch nicht zu folgen. Nicht jede beliebige Absprache erfülle die Anforderungen des § 1 Z 6 ÜbG. Insbesondere würden jene Absprachen den gesetzlichen Anforderungen des § 1 Z 6 ÜbG nicht genügen, die objektiv nicht geeignet seien, die Geschäftsführung dauerhaft zu beeinflussen. Eine Absprache über die Aufsichtsratswahl sei auch dann nicht auf die Erlangung und Ausübung der Kontrolle über die Zielgesellschaft gerichtet, wenn durch sie eine Minderheitsposition im Aufsichtsrat begründet werden solle ( Kraus aaO 284).

6.5.4. Auch nach Leser (in Birkner, Handbuch Übernahmerecht 99) knüpft die Vermutung des § 1 Z 6 ÜbG nicht an ein faktisch abgestimmtes Verhalten, sondern an die Absprache an. Aus dem Gesetzestext ergebe sich, dass die Abstimmung des Stimmverhaltens jedenfalls auf Ausübung von Kontrolle über die Zielgesellschaft gerichtet sein müsse. Für die Beurteilung des Vermutungstatbestands sei einerseits auf den nominierten Kandidaten und sein Verhältnis zur Gesellschaft, andererseits auf die Anzahl der zu wählenden Personen abzustellen. Werde eine Person nur aufgrund ihrer Qualifikationen gewählt, ermögliche die Bestellung keine Kontrollausübung, sondern sei im Interesse der Gesellschaft. Unter Kontrolle könne nur eine Absprache über die Ausübung der Stimmrechte bei der Bestellung der Mehrheit der Mitglieder zum Aufsichtsrat oder die Erlangung der Mehrheit im Aufsichtsrat gemeint sein. Eine Absprache zwecks Bestellung eines Aufsichtsrats könne demgegenüber nicht ausreichen.

6.5.5. Der Oberste Gerichtshof erachtet diese Ausführungen für überzeugend. Nach den Feststellungen der Übernahmekommission stehen die Kandidaten Dr. A***** P***** und P***** H***** in keinerlei Abhängigkeitsverhältnis zur Familie E***** und kann von der objektiven Eignung der Übernahme der Kontrolle nicht gesprochen werden.

6.5.6. Entgegen der Auffassung der Rekurswerberin handelt es sich dabei nicht um eine teleologische Reduktion des § 1 Z 6 ÜbG, sondern um eine sich durchaus im Rahmen des möglichen Wortsinns der Bestimmung bewegende teleologische Interpretation. Daher müssen die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion nicht erfüllt sein. Damit erübrigen sich aber auch die von der Rekurswerberin gewünschten Feststellungen.

6.5.7. Entgegen der Rechtsansicht der Rekurswerberin stellt es keinen Widerspruch dar, wenn die Übernahmekommission im Rahmen der Anwendung von § 22a ÜbG der Durchbrechung einer existierenden Kontrollposition Bedeutung beimisst, gleichzeitig aber im Bereich des § 1 Z 6 ÜbG einer derartigen Veränderung jegliche Kontrollrelevanz abspricht. Nach der Spruchpraxis der Übernahmekommission kann ein Mitgliederwechsel bei personalistisch ausgestalteten Syndikaten zu einer Angebotspflicht nach § 22a Z 3 ÜbG führen ( Diregger/Kalss/Winner , Übernahmerecht² Rz 205 mwN; Übernahmekommission GZ 2010/1/2, A. Porr ). Allerdings trifft die Angebotspflicht Syndikatspartner oder gemeinsam vorgehende Rechtsträger, die die formelle Kontrollschwelle von 30 % überschritten haben. Damit unterscheidet sich diese Konstellation wesentlich vom vorliegenden Fall. Im gegenständlichen Verfahren geht es darum, dass der Einfluss eines vorhandenen Kernaktionärs zurückgedrängt wird, indem sich Minderheitsaktionäre für die Wahl eines unabhängigen Verwaltungsratsmitglieds aussprechen, deren Beteiligung zusammen 6,4 % des stimmberechtigten Grundkapitals der Beklagten entspricht. Darin liegt keine kontrollrelevante Einflussnahme; dies ist vielmehr eine wichtige Möglichkeit für Minderheitsaktionäre, einen Gegenpol zum Kernaktionär zu schaffen.

6.6. Abweichendes Verständnis des § 92 Z 7 BörseG

6.6.1. Der Vollständigkeit halber und zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen ist klarzustellen, dass das „gemeinsame Vorgehen“ (§ 1 Z 6 iVm § 23 Abs 1 ÜbG) auch im Rahmen der ‑ nicht unmittelbar der Beurteilung durch die Übernahmekommission unterliegenden -Bestimmung des § 92 Z 7 BörseG kein abweichendes Verständnis zulässt.

6.6.2. Eine § 92 Z 7 BörseG vergleichbare Verweisung auf die übernahmerechtlichen Zusammenrechnungsvorschriften im Rahmen der Beteiligungspublizität besteht seit Inkrafttreten des Übernahmegesetzes (ÜbG 1999, BGBl I 1998/127). Der damalige § 92 Z 9 BörseG lautet: „Stimmrechte aus Aktien, die nach § 23 ÜbG mit den Stimmrechten des Erwerbers zusammenzuzählen sind.“ Die damalige Bestimmung des § 23 ÜbG enthält in der Begriffsdefinition „gemeinsam vorgehende Rechtsträger“ keine Bezugnahme auf die Kontrollerlangung oder ‑ausübung.

6.6.3. Durch das ÜbRÄG 2006 wurde der Begriff „gemeinsam vorgehende Rechtsträger“ in den allgemeinen Teil des ÜbG in § 1 Z 6 aufgenommen. Dabei übernahm der österreichische Gesetzgeber den Text von Art 2 Abs 1 lit d der Übernahmerichtlinie (RL 2004/25 ) mit geringfügigen sprachlichen Anpassungen (ErläutRV 1334 BlgNR 22. GP 5 f). Das aus der Übernahmerichtlinie durch das ÜbRÄG 2006 in § 1 Z 6 ÜbG übernommene finale Tatbestandsmerkmal der Erlangung oder Ausübung der Kontrolle über die Zielgesellschaft wird in den Gesetzesmaterialien nicht näher angesprochen.

6.6.4. Durch das ÜbRÄG 2006 erfolgte keine Änderung der Bestimmungen über die Beteiligungspublizität, obwohl die Zusammenrechnungsvorschrift des § 23 ÜbG geändert und insbesondere um die einseitige Zurechnung von Beteiligungen in § 23 Abs 2 ÜbG erweitert wurde. Die Regelung des seinerzeitigen § 92 Z 9 BörseG blieb unverändert.

6.6.5. Erst mit Umsetzung der Transparenzrichtlinie (RL 2004/109 ) wurde § 92 BörseG umfassend geändert. Im Zuge der Beschlussfassung im Plenum des Nationalrats wurde „in Z 7 eine dem bisherigen § 92 Z 9 BörseG ähnliche Bestimmung geschaffen“ (Stenografisches Protokoll der 17. Sitzung des Nationalrats am 29. 3. 2007, 23. GP 62). Nach dem gemeinsamen Bericht des Finanz‑ und Justizministeriums vom 13. 9. 2007 (III‑89 BlgNR 23. GP 16) sei es notwendig, dass jede Hinzu- bzw Zusammenrechnung nach dem ÜbG auch zu einer entsprechenden gemeinsamen Meldepflicht führe; umgekehrt könne und müsse der Kreis der Meldepflichten nach dem BörseG weiter sein als der Kreis der Zurechnungstatbestände des ÜbG. Für die Zwecke der börserechtlichen Meldeverpflichtung dürfe eine Zusammenrechnung gemäß § 92 Z 7 BörseG nicht davon abhängig sein, ob die betreffenden Rechtsträger momentan auch tatsächlich die Kontrolle über die Gesellschaft gemeinsam erlangen bzw ausüben wollen; dies werde oftmals nicht der Fall sein, insbesondere wenn es bloß um die Überschreitung einer geringen Schwelle wie der 5 % gehe. Den Ausschlag müsse allein geben, ob eine gemeinsame Ausübung der Stimmrechte bzw der gemeinsame Erwerb von Aktien beabsichtigt sei (Gemeinsamer Bericht BMJ und BMF aaO 18).

6.6.6. Diese Rechtsansicht findet jedoch im Wortlaut des § 92 Z 7 BörseG, der uneingeschränkt auf § 23 Abs 1 und 2 ÜbG verweist, wobei § 23 Abs 1 ÜbG wiederum auf § 1 Z 6 ÜbG verweist, keine Deckung. Aus dem Umstand, dass der heutige § 92 Z 7 BörseG im Zusammenhang mit der Novellierung des BörseG im Zuge der Umsetzung der Transparenzrichtlinie weder im Initiativantrag vom 14. 12. 2006, 82/A BlgNR 23. GP 12 und 22, noch im Bericht des Finanzausschusses (vom 22. 3. 2007, 55 BlgNR 23. GP 7) enthalten war, sondern erst im Zuge der Beschlussfassung im Plenum eingefügt wurde, ergibt sich allenfalls, dass diese Regelung nicht Gegenstand eingehender Überlegungen war; für eine teleologische Reduktion reicht dieser Umstand jedoch nicht aus.

6.6.7. Anhaltspunkte für ein Redaktionsversehen, das eine Auslegung auch gegen den noch äußersten möglichen Wortsinn zuließe (vgl F. Bydlinski , Methodenlehre 2 393; Posch in Schwimann/Kodek 4 § 6 Rz 29; Schauer in ABGB‑ON 1.01 § 6 Rz 16; 3 Ob 250/09z Zak 2010/244 [Bewertungsausspruch im Außerstreitverfahren]; vgl auch 5 Ob 69 ‑ 71/93 MietSlg 45.001/27; 6 Ob 103/03w wbl 2004/61; 3 Ob 250/09z; VwGH VwSlgNF 6.872 A; ZfVB 1982/717; ZfVB 1982/1223; 5 Ob 69‑71/93 MietSlg 45.001), liegen jedoch nicht vor. Die diesbezüglichen Rekursausführungen richten sich in Wahrheit gegen die Zweckmäßigkeit der Regelung des § 92 Z 7 BörseG. Es ist aber nicht Aufgabe der Rechtsprechung, unbefriedigende Bestimmungen im Wege der Auslegung zu ändern ( Posch in Schwimann/Kodek 4 § 6 Rz 22, 29; Schauer in ABGB‑ON 1.01 § 6 Rz 18; 6 Ob 2325/96x; 5 Ob 70/06i; RIS-Justiz RS0075803, RS0008831, RS0008880, RS0009099).

6.6.8. Es wäre unerfindlich, warum auch gemeinsam vorgehende Rechtsträger von der Meldepflicht erfasst werden sollten, deren Verhalten gerade nicht auf Kontrollerlangung oder ‑ausübung im Sinne von § 1 Z 6 ÜbG gerichtet ist, wenn der Zweck des § 92 Z 7 BörseG einen schleichenden und zugleich kontrollrelevanten Beteiligungsaufbau offenlegen möchte. Dies würde zu einer unvorhersehbaren Ausuferung der Meldepflichten ohne erkennbare Funktion führen.

6.6.9. Im Übrigen wurden die allgemeinen Bedenken der Rekurswerberin, die Auslegung der § 92 Z 7 BörseG durch die Übernahmekommission ermögliche ein „Anschleichen“ oder Verheimlichen von Beteiligungen, im vorliegenden Fall gerade nicht schlagend, war der Beklagten doch genauestens bekannt, wie viele Anteile die einzelnen Mitglieder der Familie E***** erhalten hatten, zumal sie diese von der Beklagten selbst erworben hatten. Die Ausführungen der Rekurswerberin, wonach sich die Familie E***** an die Beklagte „anschleichen“ würde, gehen daher nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

7. Einseitige Zurechnung nach § 23 Abs 2 ÜbG

7.1. Absprachen

7.1.1. Zutreffend hat die Übernahmekommission auch eine einseitige Zurechnung nach § 23 Abs 2 ÜbG verneint. Nach ihren Feststellungen gab es zwar eine Absprache im Sinne des § 1 Z 6 ÜbG zwischen Dkfm. Karl E***** und seinen Söhnen. Eine Absprache allein ist aber keine ausreichende Grundlage für eine einseitige Zurechnung, weil daraus jedenfalls im vorliegenden Sachverhalt noch keine Möglichkeit zur einseitigen Einflussnahme resultierte, sind Absprachen doch auf ein gemeinsames Zusammenwirken gerichtet. Von der Mehrzahl der Einzeltatbestände des § 23 Abs 2 ÜbG, die überwiegend an rechtsverbindliche vertragliche Gestaltungen (§ 23 Abs 2 Z 1, Z 3, Z 4 und Z 5 ÜbG) anknüpfen, unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt zudem dadurch, dass die Absprache keine vertragliche oder sonstige rechtliche Grundlage hatte. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass nach den Feststellungen der Übernahmekommission die Vermögen von John F***** und Karl P***** E***** vom Vermögen ihres Vaters auch sonst rechtlich und wirtschaftlich getrennt sind. Damit besteht aber ‑ wie die Übernahmekommission zutreffend erkannt hat ‑ für eine einseitige Zurechnung keine Grundlage.

7.1.2. Entgegen der Ansicht der Rekurswerberin hat die Übernahmekommission auch nicht ausgesprochen, dass eine faktische Einflussmöglichkeit nicht genügen würde, sondern vielmehr festgestellt, dass gerade keine über den Familienverband hinausgehende Einflussnahme des Vaters auf die Söhne festgestellt werden konnte. Die von den Söhnen erteilten Vollmachten an den Vater waren zudem mit Weisungen verbunden.

7.1.3. Soweit die Rekurswerberin vorbringt, der angefochtene Bescheid widerspreche der bisherigen Entscheidungspraxis der Übernahmekommission, ist dies zunächst deshalb unerheblich, weil der Oberste Gerichtshof an die Entscheidungspraxis der Übernahmekommission als Vorinstanz naturgemäß nicht gebunden ist. Im Übrigen hatte die Übernahmekommission ‑ soweit ersichtlich ‑ eine vergleichbare Konstellation noch nicht zu beurteilen. Soweit die Übernahmekommission in Vorentscheidungen ausgesprochen hat, dass § 23 Abs 2 ÜbG vor allem jene Fälle erfassen will, in denen die Stimmrechte zwar dem Bieter nicht unmittelbar, aber aufgrund der konkreten oder typischen Möglichkeit, auf deren Ausübung Einfluss zu nehmen, bei wirtschaftlicher Betrachtung zuzuordnen sind (GZ 2009/1/4‑103, ECO ; GZ 2009/3/3‑29, S & T ; GZ 2007/3/1‑35, RHI ), stellt dies keinen Widerspruch zur von der Übernahmekommission nunmehr vertretenen Auffassung dar.

7.2. Einfluss auf Stimmrechtsausübung

7.2.1. Nach § 23 Abs 2 Z 2 ÜbG ist eine Beteiligung zuzurechnen, aus der das Zurechnungssubjekt Stimmrechte ausüben kann, ohne Eigentümer zu sein.

7.2.2. Dass es für die einseitige Zurechnung nach § 23 Abs 2 erster Satz ÜbG nicht ausreichen kann, dass ein Rechtsträger auf die Ausübung der Stimmrechte in irgendeiner Weise Einfluss nehmen kann, ergibt sich schon aus den Tatbeständen in § 23 Abs 2 zweiter Satz Z 3 bis 5 ÜbG. Diese Tatbestände hätten dann keinen Anwendungsbereich, fordern diese doch neben der Einflussnahme auf die Stimmrechte stets ein weiteres Tatbestandsmerkmal (Sicherungseigentum, Fruchtgenussrecht, Option). Im Allgemeinen soll aber eine Bestimmung nicht so ausgelegt werden, dass diese funktionslos wäre (F. Bydlinski Methodenlehre² 463; Schauer/Kletečka/Schauer, ABGB‑ON § 6 Rz 11).

7.2.3. Bei dieser Bestimmung ist allerdings ‑ worauf die Übernahmekommission zutreffend hingewiesen hat ‑ dem Gesetzgeber des ÜbRÄG 2006 offenkundig ein Redaktionsversehen unterlaufen. Der Gesetzgeber übersah nämlich, eine tatbestandliche Einschränkung dahin vorzunehmen, dass die Zurechnung an den Bevollmächtigten nur dann erfolge, wenn die Stimmrechte ohne ausdrückliche Weisung des Vollmachtgebers ausgeübt werden können (vgl § 5 Abs 1 Z 4 1. ÜbV). Andernfalls würde jede anlässlich einer Hauptversammlung einer börsennotierten Aktiengesellschaft erteilte Vollmacht zahlreiche Zurechnungen nach dem ÜbG auslösen, auch wenn deren Ausübung weisungsgebunden sei. Dass dies nicht der Absicht des Gesetzgebers entspricht, ist evident (vgl Huber in Huber , ÜbG² § 23 Rz 29). Nach den Feststellungen der Übernahmekommission waren aber die Stimmrechtsvollmachten von Dkfm. Karl E***** mit mündlichen Weisungen seiner Söhne verbunden.

7.2.4. Nach Auffassung der Rekurswerberin ist § 23 Abs 2 Z 2 ÜbG demgegenüber auf den Fall einzuschränken, dass der Rechtsträger die Stimmrechte ohne ausdrückliche Weisung des Eigentümers ausüben oder die Ausübung der Stimmrechte durch den Eigentümer beeinflussen könne.

7.2.5. Dem ist nicht zu folgen. Aus systematischer Sicht zeigen die Spezialtatbestände des § 23 Abs 2 Z 3 bis 5 ÜbG, dass für die einseitige Zurechnung neben der bloßen Einflussnahme auch weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen: So knüpft § 23 Abs 2 Z 3 ÜbG zusätzlich an eine vorangegangene Verpfändung oder Sicherungsübereignung von Aktien an; § 23 Abs 2 Z 4 ÜbG stellt auf die Einräumung eines dinglichen Fruchtgenussrechts ab und § 23 Abs 2 Z 5 ÜbG erfasst Call‑Optionen, die mit der Möglichkeit der Einflussnahme auf das Stimmrechtsverhalten verbunden sind. In all diesen Fällen ist die Einflussnahme durch weitere dingliche oder schuldrechtliche Rechtspositionen abgesichert, die an sich schon eine Einflussnahme nahelegen, nämlich ein dingliches (im Fall der Sicherungsübereignung sogar: Voll‑)Recht an den Aktien, Anspruch auf die Erträge aus Aktien oder Anspruch auf Kursgewinne aus Aktien gegenüber dem Ausübungspreis. Die Vollmachtserteilung allein (vgl § 114 Abs 3 AktG) begründet demgegenüber noch kein Interesse des Bevollmächtigten am Ergebnis der Abstimmung. Damit wird die bloße Beeinflussung der Stimmrechtsausübung nicht durch ein weiteres Element des wirtschaftlichen Interesses verstärkt. Aus diesem Grund können die Einflussnahme und die Vollmacht die einseitige Zurechnung nicht rechtfertigen. Vielmehr ist jene Auffassung überzeugend, wonach es entscheidend auf das Innenverhältnis ankommt: ist im Innenverhältnis eine Abstimmungsanweisung vorgesehen, die dem Bevollmächtigten keine Entscheidungsbefugnis über die einzelnen Beschlussgegenstände belässt, entfällt die Rechtfertigung für eine einseitige Zurechnung nach § 23 Abs 2 ÜbG. Ist der Bevollmächtigte hingegen bei der Abstimmung frei, so ist zuzurechnen (vgl Huber in Huber ÜbG² § 23 Rz 29 ff).

7.2.6. Der Umstand, dass Dkfm. Karl E***** gegen die ihm erteilte Weisung seiner Söhne nach Verkündung des Beschlusses auf Ruhen der Stimmrechte der Familie E***** gegen die Entlastung der Verwaltungsmitglieder stimmte, lässt keine zwingenden Rückschlüsse auf das zwischen den Mitgliedern der Familie E***** bestehende Verhältnis zu; dieses Verhalten kann vielmehr zwanglos auch als Reaktion auf den Beschluss auf das Ruhen der Stimmrechte gedeutet werden.

8. Zusammenfassend erweist sich damit der angefochtene Bescheid als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Rekurs ein Erfolg zu versagen war.

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