OGH 6Ob54/23v

OGH6Ob54/23v24.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin L*, Spanien, vertreten durch MMag. Dr. Silvia Stadler, Rechtsanwältin in Wels, als Verfahrenshelferin, wider den Antragsgegner Dr. E*, wegen Rückführung der minderjährigen O*, geboren * 2014, nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 11. Jänner 2023, GZ 21 R 267/22x‑73, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00054.23V.0324.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 

Begründung:

[1] Nach der vom Rekursgericht im ersten Rechtsgang aufgetragenen Abklärung eines sicheren Umfelds bei Rückkehr wies das Erstgericht den Antrag auf Rückführung des Kindes in das Staatsgebiet Italiens nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) auch im zweiten Rechtsgang ab. Die Rückführung sei wegen der Gewaltanwendung der mit der Obsorge betrauten Antragstellerin (Mutter) und deren Lebensgefährten für das Kind mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens verbunden.

[2] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der gegen diesen Beschluss erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig:

[4] 1. Das Kindeswohl ist ein zentrales Anliegen (auch) der (internationalen) Rechtsordnung (vgl Art 8 EMRK; Art 24 GRC; Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern, BGBl I 2011/4; s auch Art 19 der UN-Konvention über die Rechte des Kindes hinsichtlich des Schutzes vor Gewaltanwendung). Gerade bei der nach einer Kindesentführung raschestmöglich (vgl dazu 6 Ob 13/23i [ErwGr 1.]) zu treffenden Entscheidung über die Rückführung eines Kindes muss das Kindeswohl (des konkret betroffenen Kindes) die vorrangige Überlegung sein (EGMR 15. 1. 2015, Bsw 4097/13, M. A./Österreich,[Rz 108, 112, 115, 136]). Dessen Wohl hat (sogar) noch im Vollstreckungsverfahren den Vorrang vor dem vom Übereinkommen angestrebten Ziel, Kindesentführungen ganz allgemein zu unterbinden. Die schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für ein Kind darf nicht aus generalpräventiven Gründen zum Schutz des – abstrakten – Kindeswohls, nur um den Eindruck zu verhindern, Kindesentführungen würden sich doch lohnen, herbeigeführt werden (RS0106456; s auch RS0106455).

[5] 2. Auch der von den Vorinstanzen angewendete Art 13 Abs 1 lit b HKÜ dient dem Schutz des Kindeswohls. Ist die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden, ist die Rückgabe des Kindes nicht anzuordnen. Ob das Kindeswohl im Sinn des Art 13 Abs 1 lit b des Übereinkommens bei einer Rückgabe gefährdet ist, ist eine von den jeweiligen Umständen abhängige Frage, die im Einzelfall zu entscheiden ist (RS0112662).

[6] 3.1. Eine im Einzelfall aufzugreifende Verkennung bei Anwendung dieser (eng auszulegenden; RS0074568 [T5, T8, T12]) Bestimmung auf den hier zu beurteilenden Fall kann die Antragstellerin nicht aufzeigen, wenn sie sich in erster Linie gegen den – für den Obersten Gerichtshof bindend festgestellten – Sachverhalt wendet.

[7] Danach kam es in * [Italien] in der Zeit zwischen November 2020 bis Juni 2021 wiederholt zu Gewalthandlungen der Antragstellerin und deren Lebensgefährten gegenüber dem Kind durch Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht und auf das Ohr. Die Schläge auf das Ohr hatten zum Teil ein leichtes Knalltrauma zur Folge. Aus Angst vor diesen Gewalthandlungen will das Kind auf keinen Fall zur Antragstellerin zurückkehren, sondern lieber beim Antragsgegner (Vater) bleiben. Es zeigt und äußert starke Ängste betreffend die Antragstellerin.

[8] 3.2. Der Versuch des Revisionsrekurses, diese Sachverhaltsgrundlage, vor allem im Hinblick auf die festgestellte Gewaltanwendung, in Frage zu stellen, muss scheitern. Der Oberste Gerichtshof ist nämlich auch im Außerstreitverfahren nicht Tatsacheninstanz (RS0108449 [T2]; RS0006737; RS0006379 [T4]; zum Verfahren über die Rückführung nach dem HKÜ s 1 Ob 194/10a; 6 Ob 242/20m). Es besteht daher eine Bindung an die Beweiswürdigung der Vorinstanzen und an deren Feststellungen.

[9] Das Erstgericht gelangte zu den von ihm zugrunde gelegten Tatsachen (hinsichtlich der ausgeübten Gewalt und deren Folgen schon im ersten Rechtsgang, welche Ausführungen es [offenbar zum besseren Verständnis] wortgleich [inklusive Beweiswürdigung in seinem Beschluss im zweiten Rechtsgang übernahm]) auf Basis umfangreicher Schriftsätze sowohl der Antragstellerin als auch des Antragsgegners, nach deren Einvernahme sowie der einer Mitarbeiterin der Familiengerichtshilfe, der Besuchs‑begleiterin und einer weiteren Zeugin unter besonderer Berücksichtigung der durch eine klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin durchgeführten Anhörung des Kindes (sowie jener im Verfahren vor dem Bezirksgericht Salzburg zu 3 Ps 163/21t samt den dort erhobenen Beweisergebnissen) sowie der Angaben des Kinderschutzzentrums und des Kinder‑ und Jugendhilfeträgers.

[10] Mit der von der Antragstellerin im Rekurs erhobenen Tatsachenrüge zur Gewaltanwendung hatte sich das Rekursgericht schon im ersten Rechtsgang zu befassen. Es hielt an den Feststellungen des Erstgerichts – entgegen den Behauptungen der Antragstellerin nicht mit bloßer Scheinbegründung, sondern – mit ausführlichen Erwägungen (insbesondere unter Bezugnahme auf die Einschätzung des Kinderschutzzentrums, in das sich das Kind regelmäßig durch mehrere Monate hindurch einmal wöchentlich in Psychotherapie begeben hatte) fest.

[11] 3.3. Ein Verfahrensmangel des Rekursgerichts im Zusammenhang mit der Erledigung der Beweisrüge wäre nur dann vorgelegen, wenn sich das Rekursgericht damit überhaupt nicht oder nur so mangelhaft befasst hätte, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Beschluss festgehalten wurden („floskelhafte Scheinbegründung“; RS0043371 [T13, T32]). Hat sich das Rekursgericht dagegen mit der Beweisrüge befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und – wie hier – nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und in seiner Entscheidung festgehalten, sind Rekursverfahren und Rekursentscheidung mangelfrei (RS0043150; RS0043144 [T6]).

[12] Fragen der Beweiswürdigung können demnach im vorliegenden Fall in dritter Instanz nicht (auch nicht unter der Bezeichnung als Aktenwidrigkeit [RS0117019]) erneut aufgeworfen und an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden.

[13] 3.4. Die Antragstellerin behauptet unter Verweis auf den Beschluss des Rekursgerichts und damit unrichtig, dieses habe festgestellt, es behänge (in Österreich) gegen die Antragstellerin und (deren Lebensgefährten) ein wegen § 92 StGB zum Nachteil des Kindes geführtes Strafverfahren. Dem ist aber nicht so. Das Rekursgericht hält in seinem Beschluss insoweit nur (und ausdrücklich) eine derartige Feststellung als solche des Erstgerichts fest, womit keinesfalls eine Aktenwidrigkeit des Rekursgerichts gegeben sein kann. Die Feststellung des Erstgerichts war im Übrigen im Zeitpunkt von dessen Beschlussfassung auch richtig. Aus welchem Aktenbestandteil die Einstellung des in Österreich geführten Strafverfahrens dem Rekursgericht ersichtlich (gewesen) sein sollte, führt die Antragstellerin nicht aus und kann daher selbst bei (unrichtiger) Unterstellung, das Rekursgericht habe die Anhängigkeit des (österreichischen) Strafverfahrens selbst als auch im Zeitpunkt seiner eigenen Entscheidung als gegeben festgestellt, keine Aktenwidrigkeit des Rekursgerichts aufzeigen.

[14] Grundsätzlich hat die Beurteilung durch die Rechtsmittelgerichte auf Basis des Sachverhalts im Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz stattzufinden. Es können zwar zur Wahrung des Kindeswohls neue (unstrittige) aktenkundige Entwicklungen, die die bisherige Tatsachengrundlage wesentlich verändern, auch dann zu berücksichtigen sein, wenn sie erst nach Beschlussfassung der Vorinstanzen eingetreten sind (RS0048056 [insb T7, T10]). Hinsichtlich des in Italien geführten Strafverfahrens (welches das Erstgericht gar nicht erwähnt hatte, dessen Einstellung aber im Rekurs als gegen die Richtigkeit der festgestellten Tatsachen sprechend angeführt wurde) ging das Rekursgericht (in Reaktion auf die Hervorhebung dieses Umstands im Rekurs) ohnehin davon aus, dass dieses bereits eingestellt worden ist. Es brachte aber gleichzeitig unter Hinweis auf die vom Kind noch im Dezember 2022 wiederholten Vorwürfe zum Ausdruck, dass es den Umstand der Einstellung des ehemals in Italien geführten Strafverfahrens nicht als ausschlaggebend dafür erachte, dass die Angaben des Kindes nicht erlebnisbasiert oder auf Einflüsse des Vaters und seiner Umgebung zurückgehend seien. Als eine die Tatsachengrundlage wesentlich verändernde Entwicklung kann auch die (durch Nachschau im VJ‑Register durch den erkennenden Senat verifizierte) inzwischen erfolgte Einstellung auch des in Österreich geführten Strafverfahrens nicht angesehen werden.

[15] 3.5. Ein im Rekurs nicht geltend gemachter (angeblicher) Verfahrensmangel (hier: unterlassene Einholung eines kinderpsychologischen Sachverständigengutachtens) kann im Revisionsrekurs nicht nachgeholt werden (RS0043111). Zwar wird zu vom Rekursgericht verneinten Verfahrensmängeln judiziert, es könne die Grundregel, dass diese im Revisionsrekursverfahren nicht mehr geltend gemacht werden können (RS0121265 [T12], RS0050037, RS0030748), in Fällen der Gefährdung des Kindeswohls ausnahmsweise durchbrochen werden (RS0050037 [T4]), was auch für den Fall der im Rekursverfahren unterlassenen Geltendmachung erwogen werden könnte. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats im Verfahren nach dem HKÜ ist aberein Sachverständigengutachten nicht einzuholen, weil dies der Verpflichtung zur Beschleunigung des Verfahrens zuwiderläuft (vgl RS0108469). Dass in Einzelfällen die Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens als unerlässlich angesehen wurde (vgl 9 Ob 102/03w), stellt diesen Grundsatz nicht in Abrede (5 Ob 47/09m; 6 Ob 218/15z [ErwGr 1.2.]). In Wahrheit richten sich auch diese Ausführungen im Revisionsrekurs letztlich nur gegen die – wie bereits erwähnt – in dritter Instanz nicht mehr angreifbare Beweiswürdigung der Vorinstanzen hinsichtlich der festgestellten Gewalttätigkeiten gegenüber dem Kind und seiner Auswirkungen (vgl RS0006737), gehört doch dazu auch die Frage, ob noch weitere Beweise aufzunehmen gewesen wären (RS0043414).

[16] 4. Kinder sind vor jeglichen Formen von körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung zu schützen (EGMR 22. 3. 2018, Bsw 68125/14, 72204/14, Wetjen u.a./Deutschland [Rz 69]). Die Bestimmung des Art 13 Abs 1 lit b HKÜ ist primär auf Fälle zugeschnitten, in denen die Kindeswohlgefährdung unmittelbare Folge der Rückführung des Kindes ist (s etwa 6 Ob 103/17s [ErwGr 3.1.] zum Beispiel eines gewalttätigen antragstellenden Elternteils). Die Beurteilung, dass mit der Rückführung angesichts der zuvor ausgeübten Gewalt ganz konkret eine schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind herbeigeführt wird, begegnet keinen Bedenken. Wiederholte Gewaltanwendung hat im Regelfall – schon ungeachtet der körperlichen Auswirkungen – vor allem wegen ihres herabsetzenden Charakters schwerwiegende negative Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes. Als Folge der Misshandlungen sind nach den Feststellungen beim Kind bereits starke Ängste (vor der Antragstellerin) aufgetreten.

[17] 5.1. Es trifft zwar zu, dass ein Gericht (im Fluchtstaat) nach Art 11 Abs 4 Brüssel IIa‑VO (welche aufgrund des Direktantrags [Art 29 HKÜ] vom 8. 4. 2022 hier noch anzuwendenden ist [vgl Art 100 Brüssel IIb‑VO]) die Rückgabe eines Kindes unter Berufung auf Art 13 Abs 1 lit b HKÜ dann nicht verweigern kann, wenn nachgewiesen ist, dass angemessene Vorkehrungen getroffen wurden, um den Schutz des Kindes nach seiner Rückkehr (in den Ursprungsstaat) zu gewährleisten.

[18] Gerade zur Vergewisserung dieses Nachweises hat das Rekursgericht die Rechtssache nach Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses im ersten Rechtsgang zur Ergänzung zurückverwiesen. Das Erstgericht hat diesbezüglich aber nicht, wie der Revisionsrekurs meint, diese Nachweispflicht allein der Antragstellerin zugewiesen, sondern es hat ohnehin amtswegig (vgl dazu 6 Ob 134/13v; 6 Ob 86/13k) eigene – allerdings diesen Nachweis nicht erbringende – Erhebungen gepflogen (Anfrage an die örtliche [italienische] Familienberatungsstelle unter Weiterleitung an die Leiterin des Sozialsprengels und an die zuständige Jugendstaatsanwaltschaft, mehrmaliger Versuch der telefonischen Kontaktaufnahme). Darin, dass es die Antragstellerin aufforderte mitzuwirken, kann weder ein Verfahrensmangel noch eine unrichtige rechtliche Beurteilung liegen, zumal die Art 11 Abs 4 Brüssel IIa‑VO nachfolgende Regelung (auf die sich der Revisionsrekurs ohnehin bezieht) in Art 27 Abs 3 Brüssel IIb‑VO insofern (bloß) deutlichere Worte findet („Zieht ein Gericht in Erwägung, die Rückgabe eines Kindes nur aufgrund von Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b des Haager Übereinkommens von 1980 abzulehnen, lehnt es die Rückgabe des Kindes nicht ab, wenn die Partei, die sich um die Rückgabe des Kindes bemüht, das Gericht durch Vorlage hinreichender Nachweise davon überzeugt oder das Gericht auf andere Weise zu der Überzeugung gelangt, dass angemessene Vorkehrungen getroffen wurden, um den Schutz des Kindes nach seiner Rückgabe zu gewährleisten.“; vgl dazu auch ErwGr 45 aE: „Das Gericht, das feststellen will, ob angemessene Vorkehrungen getroffen wurden, sollte sich in erster Linie an die Parteien halten [...]“). Diese Formulierung ist in Bezug auf Art 11 Abs 4 Brüssel IIa‑VO als erläuternde Klarstellung, nicht aber als Widerspruch zur bisherigen Regelung aufzufassen.

[19] 5.2. Es gibt im Ursprungsstaat zur Verhinderung von Gewalt ein „Spektrum von der Aktivierung wirtschaftliche Ressourcen bis hin zu Maßnahmen der Gemeinschaftsunterbringung durch Heimerziehung und Kindertagesstätten“, wobei „die Inanspruchnahme dieser Mittel von der Motivation der Eltern und den Bestimmungen des Jugendgerichts Bozen abhängt“. Bislang wurden keinerlei Maßnahmen zur Kindeswohlsicherung getroffen. Die Antragstellerin hat bisher auch noch mit keiner zuständigen Behörde oder mit Gerichten Kontakt aufgenommen, um Rahmenbedingungen zur Verhinderung von Gewalt gegenüber der Minderjährigen zu schaffen.

[20] Erst nach Beschlussfassung in erster Instanz wendete sich die zuständige Jugendstaatsanwältin an die Vorsitzende des Rekurssenats und teilte telefonisch mit, dass – wenn das Kind nach Italien kommen werde – es möglich wäre, Kontakte zur Mutter in einem begleiteten Umfeld zu organisieren; eine engmaschige Überwachung im Haushalt der Mutter sei allerdings nicht möglich. Diesbezüglich käme nur eine Fremdunterbringung in Betracht, die allerdings nicht befürwortet werde. Angesichts der (oben wiedergegebenen) vom Rekursgericht zusammenfassend angeführten Möglichkeiten bedarf es auch keiner Ergänzung hinsichtlich der im Revisionsrekurs unter Bezugnahme auf die im E‑Mail dieser Jugendstaatsanwältin aufgezählten Einzelmaßnahmen („Überprüfung der Lebensbedingungen der Mutter, begleitete Mutter-Tochter-Besuche, Einbeziehung des psychosozialen Diensts zur Überprüfung der elterlichen Fähigkeiten der Mutter, Kontaktaufnahme zu anderen mit dem Fall befassten Einrichtungen [Schule, Kinderarzt]“), weil auch damit der vom Rekursgericht hervorgehobene Umstand, dass eine engmaschige Überwachung im Haushalt nicht möglich wäre, nicht entkräftet werden kann.

[21] Wenn das Rekursgericht angesichts des Umstands, dass die Antragstellerin mehrmals gemeinsam mit M* bei Gericht – auch bei der Vorsitzenden des Rekurssenats – sowohl persönlich als auch telefonisch vorstellig geworden ist, die von der Antragstellerin angegebene getrennte Wohnungsnahme anzweifelte und befürchtete, dass es keine Gewähr gebe, dass das Kind bei einer Rückkehr tatsächlich auch vor dessen Gewaltübergriffen geschützt wäre, sondern schlussfolgerte, dass vielmehr zu befürchten sei, dass das Kind ungeschützt der obsorge- und betreuungsberechtigten Mutter zu übergeben und in der Folge dieser und auch einer weiteren Person, die Gewalt gegen es geübt hat, neuerlich ausgesetzt wäre, bedarf diese Beurteilung gerade vor dem Hintergrund des Kindeswohls als oberstem Gebot keiner Korrektur. Unwesentlich ist dabei, ob derzeit nach wie vor eine Lebensgemeinschaft dieses Mannes mit der Antragstellerin im rechtlichen Sinne dieses Begriffs vorliegt, weil es für die Beurteilung des Falls auf den Gesichtspunkt einer regelmäßigen Begegnung mit dem Kind ankommt. Die Antragstellerin stellt bis zuletzt das Vorliegen von Gewalttätigkeiten in Frage. Demgemäß kommt ihrer Antwort (auf die Anfrage des Erstgerichts), sie werde „mit den zuständigen Behörden sowie Gerichten kooperieren und Ladungen bzw Terminen Folge leisten“, nicht das Gewicht eines Versprechens, das als eine „geeignete Vorkehrung“ im Sinne des Art 11 Abs 4 Brüssel IIa‑VO anzusehen wäre, zu, kann doch daraus noch nicht der Schluss gezogen werden, dass die Antragstellerin den festen Willen hätte, ihr bisheriges (von ihr auch noch im Revisionsrekurs bestrittenes) Verhalten („fälschlicherweise beschuldigt“) zu ändern.

[22] 6. Angesichts der auf Art 13 Abs 1 lit b HKÜ gestützten Verweigerung der Rückführung ist auf die Ausführungen des Revisionsrekurses zu Art 13 Abs 2 HKÜ nicht einzugehen.

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