OGH 6Ob214/15m

OGH6Ob214/15m14.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Linz zu FN ***** eingetragenen G*****gesellschaft mbH mit dem Sitz in L***** über die Revisionsrekurse der Gesellschaft, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle und andere Rechtsanwälte in Linz, und deren Geschäftsführer 1. Mag. J***** H*****, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle und andere Rechtsanwälte in Linz, 2. Ing. J***** B*****, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 30. September 2015, GZ 6 R 147/15b, 6 R 148/15z, 6 R 149/15x‑16, mit dem die Beschlüsse des Landesgerichts Linz vom 10. August 2015, ON 6 und 7, sowie vom 14. August 2015, ON 9, jeweils AZ 13 Fr 3393/15s, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Sämtliche Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

I. Der Beschluss des Rekursgerichts wurde der rechtsfreundlichen Vertreterin des Geschäftsführers Ing. J***** B***** am 12. 10. 2015 im elektronischen Rechtsverkehr zugestellt. Gemäß § 65 Abs 1 AußStrG iVm § 283 Abs 3 UGB und unter Berücksichtigung des Staatsfeiertags am 26. 10. 2015 endete damit die vierzehntägige Revisionsrekursfrist am 27. 10. 2015; der am 9. 11. 2015 ebenfalls im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachte Revisionsrekurs des Geschäftsführers Ing. J***** B***** ist verspätet.

II. Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 15 FBG iVm § 71 Abs 1 AußStrG) ‑ Ausspruch des Rekursgerichts sind die ordentlichen Revisionsrekurse der Gesellschaft und deren Geschäftsführer Mag. J***** H***** nicht zulässig:

Das Rekursgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle vor dem Hintergrund des § 283 UGB Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Fall von Meinungsverschiedenheiten von Geschäftsführern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei der Aufstellung des Jahresabschlusses der Gesellschaft.

1. § 283 UGB sieht vor, dass bei nicht rechtzeitiger Einreichung des Jahresabschlusses (unter anderem) einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung Zwangsstrafen zu verhängen sind. Dass der Jahresabschluss im vorliegenden Fall zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht eingereicht worden war, ist nicht strittig; die inzwischen erfolgte nachträgliche Einreichung beseitigt die Strafbarkeit nach der ausdrücklichen Anordnung des § 283 Abs 6 UGB nicht (RIS‑Justiz RS0126978).

2. Unterbleibt die Offenlegung, sind nach § 283 Abs 1 UGB (neben der Gesellschaft) auch die Geschäftsführer zur Befolgung der Offenlegungsvorschriften durch Zwangsstrafen anzuhalten. Schon diese Formulierung weist als Adressaten der Zwangsstrafenandrohung alle Mitglieder eines kollegialen Vertretungsorgans aus. Auf die für das Innenverhältnis maßgebliche Geschäftsverteilung kommt es dabei nicht an. Der Umstand, dass die Zwangsstrafe gegen alle Geschäftsführer verhängt werden kann, findet seine sachliche Rechtfertigung in der jeden Geschäftsführer der Gesellschaft mit beschränkter Haftung unabhängig von einer allfälligen Geschäftsverteilung treffenden Pflicht zur Rechnungslegung, deren Überprüfung und Unterfertigung (RIS‑Justiz RS0113283).

3. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs muss der Geschäftsführer nachweislich alles unternommen haben, um die rechtzeitige Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten zu gewährleisten; nur dann kann er einer Bestrafung nach § 283 UGB entgehen (6 Ob 199/11z; vgl auch 6 Ob 211/09m; RIS‑Justiz RS0123571). Die Frage, ob der Geschäftsführer seiner diesbezüglichen Verpflichtung nachgekommen ist, lässt sich dabei regelmäßig nur an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantworten; die Bedeutung dieser Frage reicht daher regelmäßig nicht über den Einzelfall hinaus (6 Ob 199/11z; RIS‑Justiz RS0123571 [T5]).

3.1. Der Geschäftsführer kann sich nur darauf berufen, dass die (rechtzeitige) Offenlegung infolge eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses unmöglich war (OLG Wien 4 R 203/11v RW0000513). Die Verhängung einer Zwangsstrafe erfordert daher Verschulden des Geschäftsführers (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG [2005] § 24 Rz 34), wobei ihm bereits leichtes Verschulden schadet (6 Ob 66/12t; vgl auch RIS‑Justiz RS0123571). Die Unmöglichkeit oder das mangelnde Verschulden hat der Geschäftsführer im Zwangsstrafenverfahren darzutun (6 Ob 133/11v).

3.2. Die Rechtsprechung (insbesondere) des Obersten Gerichtshofs verneint „Unmöglichkeit“ beziehungsweise fehlendes Verschulden regelmäßig: So wurden etwa das Ausbleiben des Alleingesellschafters bei der den Jahresabschluss feststellenden Generalversammlung (6 Ob 32/12t RWZ 2012/104 [Wenger]), eine Betriebsprüfung (RIS‑Justiz RS0127070), eine Erkrankung oder das Alter des Geschäftsführers (6 Ob 8/12p), das Fehlen von Steuerformularen (6 Ob 66/12t) oder die Beschlagnahme von Unterlagen in einem Strafverfahren (OLG Wien 28 R 27/01y NZ 2002/93) nicht als unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignisse qualifiziert. Dies gilt auch für jene Fälle, in denen sich die Organe oder ein für die Gesellschaft bestellter Insolvenzverwalter auf die Unauffindbarkeit von Buchhaltungsunterlagen berufen. In solchen Fällen ist darzulegen, dass die für die Erstellung des Jahresabschlusses notwendigen Unterlagen auch nicht (mehr) erlangt werden können; es sind (jedenfalls) jene konkreten Schritte darzutun, die unternommen wurden, sich die Unterlagen zu beschaffen beziehungsweise die Erfüllung der gesetzlichen Offenlegungspflicht zu ermöglichen (RIS‑Justiz RS0127098).

Hingegen wurde Verschulden (nur) verneint, als einer von zwei nur gemeinsam vertretungsbefugten Geschäftsführern verstorben war, sodass der andere alleine tatsächlich nicht in der Lage war, Anmeldungen zum Firmenbuch vorzunehmen (6 Ob 64/04m).

3.3. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die Verhängung von Zwangsstrafen über die Gesellschaft und deren Geschäftsführer durch die Vorinstanzen nicht zu beanstanden. Die Gesellschaft und deren Geschäftsführer Mag. J***** H***** vertreten in ihren Revisionsrekursen die Auffassung, es sei aufgrund der Uneinigkeit der Geschäftsführer nicht möglich gewesen, den Jahresabschluss rechtzeitig aufzustellen; auch die Einberufung des im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Beirats sei einem Geschäftsführer alleine nicht möglich gewesen, wobei die Gesellschafter ohnehin über die Meinungsverschiedenheiten informiert gewesen seien. Dazu ist jedoch festzuhalten, dass die Geschäftsführer im Verfahren nicht unter Beweis stellen konnten, dass sie alles Zumutbare unternommen haben, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Allein die Berufung auf interne Unstimmigkeiten vermag sie nämlich nicht zu entbinden. Der Zweck der Offenlegung von Jahresabschlüssen besteht darin, Dritte, die die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht ausreichend kennen oder kennen können, zu informieren (6 Ob 20/08x). Dieser Zweck könnte jedoch leicht vereitelt werden, ließe man der Gesellschaft und ihren Organen die Möglichkeit offen, sich unter Berufung auf innere Umstände (Uneinigkeit unter den Geschäftsführern oder Gesellschaftern) den Offenlegungspflichten zu entziehen. Damit rechtfertigt der Zweck der Offenlegungspflichten eine strenge Vorgehensweise durch die Firmenbuchgerichte.

Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, weshalb die Geschäftsführer nicht rechtzeitig Weisungen der Gesellschafter eingeholt haben. Vor allem haben aber weder die Gesellschaft noch deren Geschäftsführer Mag. J***** H*****, und zwar weder im Rekurs‑ noch im Revisionsrekursverfahren, dargelegt, weshalb die Einreichung des vorläufigen Jahresabschlusses (vgl dazu 6 Ob 136/12m), die tatsächlich am 28. 8. 2015 erfolgte, nicht bis spätestens 20. 7. 2015 (dem Tag vor Erlassung der Strafverfügungen) möglich war. Wäre an diesem Tag eine Einreichung erfolgt, hätten nämlich am Folgetag Strafen nicht mehr verhängt werden dürfen (§ 283 Abs 2 erster Satz UGB). Der Umstand, dass es nach Verhängung der Zwangsstrafe nun offenbar doch gelungen ist, eine Einigung zu finden und einen vorläufigen Jahresabschluss zu erstellen (zwischenzeitig erfolgte mit 18. 12. 2015 sogar die Einreichung des endgültigen Jahresabschlusses), spricht gegen eine tatsächliche „Unmöglichkeit“ im Sinne der Rechtsprechung.

4. Zuletzt ist noch darauf hinzuweisen, dass zwar der Jahresabschluss der Unterfertigung beider Geschäftsführer bedurft hätte. Bestehen jedoch zwischen diesen derart gravierende Differenzen, dass ein von einem Geschäftsführer erstellter Jahresabschluss vom anderen nicht unterfertigt wird und ist diese Situation auch durch Weisungen der Gesellschafter nicht zu bereinigen, hat in einem solchen Fall der einen Geschäftsführer einen vorläufigen, nur von ihm unterschriebenen Jahresabschluss mit dem Bemerken einzureichen, dass der andere Geschäftsführer die Unterfertigung verweigert.

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