OGH 6Ob136/12m

OGH6Ob136/12m13.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Korneuburg zu FN ***** eingetragenen Gemeinnützigen Bau‑ und Wohnungsgenossenschaft „G*****“ registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung mit dem Sitz in K***** über den Revisionsrekurs der Genossenschaft, deren Obmanns Mag. C***** F*****, des Obmannstellvertreters R***** A***** und des Vorstandsmitglieds P***** F*****, alle *****, vertreten durch Proksch & Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 21. Mai 2012, GZ 4 R 110/12v‑12, womit der Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 14. März 2012, GZ 28 Fr 331/12z‑9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen verhängten über die Genossenschaft, ihren Obmann, ihren Obmannstellvertreter und ein Vorstandsmitglied Zwangsstrafen nach § 283 UGB wegen nicht rechtzeitiger Vorlage des Jahresabschlusses zum 31. 12. 2010. Das Rekursgericht erklärte darüber hinaus den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob und inwieweit gemeinnützige Bauvereinigungen in der Rechtsform einer Genossenschaft, denen der Status einer gemeinnützigen Verwaltungsvereinigung iSd § 39 Abs 3 WGG zukommt, eine Offenlegungspflicht iSd § 277 UGB trifft.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat am heutigen Tag die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage in der Entscheidung 6 Ob 137/12h, die ebenfalls eine derartige Genossenschaft betrifft und deren Obmann, Obmannstellvertreter und rechtsfreundlicher Vertreter ident mit jenen der hier gegenständlichen Genossenschaft sind, mit eingehender Begründung wie folgt beantwortet:

§ 23 Abs 2 WGG ordnet an, dass die Rechnungslegung gemeinnütziger Bauvereinigungen unabhängig von deren Größe und Rechtsform grundsätzlich in Anwendung der Bestimmungen des Handelsgesetzbuches (nunmehr: UGB) und des § 260 AktG idF des Art III des 2. WÄG und unter Bedachtnahme auf den gesetzlich festgelegten Geschäftskreis (§ 7 WGG) zu erfolgen hat. Diese Bestimmung geht als lex specialis für gemeinnützige Bauvereinigungen den allgemeinen Rechnungslegungsbestimmungen des Genossenschaftsgesetzes (insbesondere den § 22 Abs 6 GenG) vor (Zehetner, Rechnungslegung der Genossenschaften [1999] 217). Aufgrund des völlig eindeutigen Gesetzeswortlauts kommt es bei gemeinnützigen Bauvereinigungen nicht auf deren Größe an; die Rechnungslegungspflicht nach § 23 Abs 2 WGG gilt daher auch für „kleine“ Genossenschaften iSd § 221 Abs 1 UGB.

Aufgrund eines Verweises in § 39 Abs 3 WGG sind für gemeinnützige Verwaltungsvereinigungen die Bestimmungen des WGG anzuwenden, soweit keine Ausnahmen vorgesehen sind. Der zitierte Verweis umfasst aber auch § 23 Abs 2 WGG; eine Ausnahmeregelung enthält das Gesetz nicht. Selbst wenn man daher davon ausginge, dass es sich bei der Genossenschaft um eine gemeinnützige Verwaltungsvereinigung handle, würde dies an deren Offenlegungspflicht nichts ändern.

Die gesetzliche Anordnung des § 23 Abs 2 WGG, wonach die Rechnungslegung „grundsätzlich“ in Anwendung der Bestimmungen des UGB zu erfolgen hat, lässt zwar die Möglichkeit von Ausnahmen offen. Dabei müssen sich derartige Ausnahmen jedoch aus dem Gesetz selbst ergeben. Derartige Sondervorschriften bestehen etwa in § 23 Abs 1 und 4 WGG. Soweit keine Sondervorschriften bestehen, ist der Verweis auf die Rechnungslegungsvorschriften des UGB aber im Sinne eines umfassenden Verweises auf diese Bestimmungen zu bestehen. Auf die im Revisionsrekurs angesprochenen Kriterien der geringen Größe, geringen Bilanzsumme und angeblich fehlenden „Notwendigkeit“ der Vorlage des Jahresabschlusses ist daher nicht weiter einzugehen.

§ 28 Abs 3 WGG, wonach der Jahresabschluss der Genossenschaft vor seiner Feststellung zu prüfen und mit einem Bestätigungsvermerk zu versehen ist, stellt zwar eine Sondervorschrift dar, derogiert aber den Fristen des § 222 und § 277 Abs 1 UGB nicht. Der Gesetzeswortlaut bietet keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Offenlegungspflicht für gemeinnützige Bauvereinigungen erst nach Abschluss der Prüfung durch den Revisionsverband entstehe. Vielmehr ist es Aufgabe des Vorstands, dafür zu sorgen, dass der Jahresabschluss rechtzeitig aufgestellt und gemäß § 27 Abs 1 WGG dem Revisionsverband vorgelegt wird, damit eine Offenlegung innerhalb der Frist des § 277 Abs 1 UGB möglich wird. Sofern bei der Prüfung durch den Revisionsverband Verzögerungen eintreten, hat der Vorstand einen vorläufig ungeprüften Jahresabschluss vorzulegen (§ 277 Abs 1 Satz 2 und 3 UGB).

Damit haben die Vorinstanzen zutreffend die Rechnungslegungspflicht der Genossenschaft bejaht. Die Ausführungen des Rekursgerichts zum Verschulden und zur Höhe der Strafe werden im Revisionsrekurs nicht bekämpft.

Damit erweist sich der angefochtene Beschluss auch im vorliegenden Verfahren als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte