OGH 6Ob133/11v

OGH6Ob133/11v14.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Wels zu FN ***** eingetragenen M***** GmbH mit dem Sitz in G*****, über die Revisionsrekurse des Masseverwalters Mag. G***** E*****, und der Gesellschaft gegen den Beschuss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 18. Mai 2011, GZ 6 R 153/11d, womit der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 19. April 2011, GZ 29 Fr 924/11x-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig:

Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung 6 Ob 129/11f bereits eingehend zur Auslegung des § 283 UGB idF des Budgetbegleitgesetzes 2011 Stellung genommen. Rechtsfragen der Auslegung der Änderungen durch das Budgetbegleitgesetz werfen die Revisionsrekurse nicht auf.

Die Entscheidung der Vorinstanzen steht im Einklang mit der höchstgerichtlichen Judikatur (6 Ob 154/05y; 6 Ob 246/07f). Insbesondere entspricht es der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die Betriebseinstellung keinen Entfall der Bilanzierungspflicht zur Folge hat (6 Ob 246/07f). Den im Schrifttum vertretenen Auffassungen, die eine Verpflichtung des Masseverwalters zur Rechnungslegung gemäß § 277 UGB verneinen, hat sich der Oberste Gerichtshof in den zitierten Entscheidungen 6 Ob 154/05y und 6 Ob 246/07f nicht angeschlossen.

Die Rechtsmittelwerber stützen sich auf das schon im Einspruch erhobene Vorbringen, die Muttergesellschaft sowie zwei Schwestergesellschaften der hier bestraften Gesellschaft hätten dieselbe Geschäftsadresse wie diese; über alle Gesellschaften sei am 13. Juli 2009 der Konkurs eröffnet worden. Aufgrund der komplexen Verflechtung dieser Unternehmen seien den Insolvenzverwaltern die Geschäftsunterlagen in den jeweiligen Verfahren nur unvollständig zur Verfügung gestanden; Auskünfte des Geschäftsführers seien nur sehr ungenau erteilt worden. Die Erstellung des Jahresabschlusses sei somit gar nicht möglich.

Dem ist entgegenzuhalten, dass zwar bei Unmöglichkeit bzw bei mangelndem Verschulden eine Zwangsstrafe nicht verhängt werden darf, dass aber die Unmöglichkeit oder das mangelnde Verschulden der Einreichungspflichtige im Zwangsstrafenverfahren darzutun hat (vgl 6 Ob 171/00s; 6 Ob 134/09p). Der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft (oder in der Insolvenz der Insolvenzverwalter) muss die Erstellung und Offenlegung des Jahresabschlusses zwar nicht selbst machen, er kann sich aber wegen der nicht rechtzeitigen Einreichung des Jahresabschlusses nicht entschuldigen, solange er nicht nachweislich alles unternommen hat, um die rechtzeitige Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten zu gewährleisten (RIS-Justiz RS0123571 [T1, T2]; RS0125140).

Im vorliegenden Fall ist dem Masseverwalter dieser Nachweis nicht gelungen: Er hat nicht einmal behauptet, sich etwa mit den Masseverwaltern der anderen an der selben Geschäftsanschrift ansässigen Gesellschaften um eine Sichtung und Zuordnung der dort vorhandenen Geschäftsunterlagen bemüht zu haben. Er hat weiters nicht behauptet, dass er sich im Wege der Anrufung des Insolvenzgerichts bemüht hat, Maßregeln gemäß § 101 IO (KO) gegen den Geschäftsführer zur Bewirkung der Erfüllung von dessen Pflichten gemäß §§ 99 f IO (KO) zu erwirken.

Die bloße Behauptung, die Erstellung eines Jahresabschlusses sei wegen der damit verbundenen Kosten mangels eines ersichtlichen Vorteils für jemanden „unwirtschaftlich und untunlich“, reicht jedenfalls nicht aus, die Nichterfüllung der gesetzlich ausdrücklich statuierten Rechnungslegungspflicht zu begründen. Auf Massearmut hat sich der Masseverwalter - worauf schon das Rekursgericht zutreffend hingewiesen hat - nicht berufen, sondern vielmehr einen Überschuss aus der Verwertung des Gesellschaftsvermögens in Höhe von 26.418,70 EUR behauptet. Dass der mit der Erstellung des Jahresabschlusses verbundene Kostenaufwand zu Lasten der Konkursgläubiger ginge, trifft zweifellos zu, ist jedoch gerade keine Besonderheit des vorliegenden Falls. Wäre dieses Argument stichhaltig, so wäre eine Rechnungslegungspflicht des Masseverwalters stets zu verneinen. Damit setzen sich die Revisionsrekurswerber aber in Widerspruch zur zitierten Judikatur des erkennenden Senats. Ein den Revisionsrekurswerbern offenbar vorschwebendes bewegliches System, wonach nicht auf die Finanzierbarkeit der Erstellung des Jahresabschlusses, sondern darauf abzustellen ist, ob mit den aufgebrachten Mitteln unter Berücksichtigung der damit einhergehenden Belastung der Gläubiger auch dem angestrebten Zweck, nämlich dem Informationsbedarf der Öffentlichkeit, angemessen gedient ist, widerspricht nicht nur den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben und der innerstaatlichen Umsetzung durch die §§ 277 ff UGB, die eine derartige Mittel-Zweck-Relation gerade nicht kennen, sondern wäre auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit wenig förderlich.

Die Verletzung der Offenlegungspflicht gemäß §§ 277 bis 280 UGB wird von § 283 UGB sanktioniert, der in der geltenden Fassung nach dem Budgetbegleitgesetz 2011 vor der Zwangsstrafverfügung keine Aufforderung iSd § 24 Abs 3 FBG vorsieht. Die von den Rechtsmittelwerbern angezogenen Bestimmungen (§ 258 AktG und § 125 GmbHG), die kraft der dort vorgenommenen Verweisung auf § 24 Abs 2 bis 5 FBG eine Aufforderung vor der Verhängung der Zwangsstrafe vorsehen, sind nicht einschlägig, weil sie nicht die Verletzung der Offenlegungspflicht betreffen.

Zusammenfassend werfen die Revisionsrekurse daher keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität auf, sodass diese spruchgemäß zurückzuweisen waren.

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