OGH 6Ob142/23k

OGH6Ob142/23k27.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Faber, Mag. Pertmayr, MMag. Sloboda und Dr. Weber als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei K* AG, FN *, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. B* D*, Frankreich, 2. F* D*, Frankreich, 3. F* L*, Frankreich, alle vertreten durch Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die beiden Beklagten des verbundenen Verfahrens als deren Nebenintervenienten, wegen 30.000.000 EUR sA sowie Feststellung (führendes Verfahren AZ 123 Cg 1/16g), 4. F* P*, 5. Mag. W* P*, beide vertreten durch Mag. Ivo Deskovic, Rechtsanwalt in Wien, wegen 20.000.000 EUR sA sowie Feststellung (verbundenes Verfahren AZ 123 Cg 2/16d), über die Revisionen und die Rekurse allerbeklagten Parteien gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. April 2023, GZ 2 R 182/22g‑222, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. September 2022, GZ 123 Cg 1/16g, 123 Cg 2/16d‑214, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00142.23K.0827.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Den Revisionen und den Rekursen wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts einschließlich des Kostenzuspruchs an die viert- und fünftbeklagten Parteien wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den erst-, zweit- und drittbeklagten Parteien deren mit 2.131.120,02 EUR (darin enthalten 5.107 EUR an Barauslagen und 354.335,50 EUR an Umsatzsteuer) bestimmte Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, den erst-, zweit- und drittbeklagten Parteien deren mit 958.184,86 EUR (darin enthalten 837.310,50 EUR an Barauslagen und 20.145,73 EUR an Umsatzsteuer) bestimmte Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, den viert- und fünftbeklagten Parteien deren mit 615.458,39 EUR (darin enthalten 536.906,70 EUR an Barauslagen und 13.092,12 EUR an Umsatzsteuer) bestimmte Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist eine österreichische Bank mit Sitz in Wien. Sie wurde als Spezialbank gegründet, um Österreichs Kommunen zinsgünstige und langfristige Darlehen zur Verfügung zu stellen, und war aufgrund ihrer Struktur und Ressourcen auf die Finanzierung von Investitionen der öffentlichen Hand sowie von Infrastruktur spezialisiert. Sie finanzierte vorwiegend Gemeinden, Städte, Regionen und Länder sowie Unternehmen im öffentlichen Einflussbereich in ganz Europa, deren Geschäftstätigkeit sich auf das Portfolio Management konzentrierte. Die Klägerin hat, ebenso wie ihre damalige 100 %‑Tochtergesellschaft (idF „KIB“) mit dem Sitz in Zypern, im Zuge der Finanzkrise 2008 einen Vermögensverfall erlitten. Im Jahr 2010 wurde die KIB als 100 %‑Tochter der Klägerin auf ihre Muttergesellschaft verschmolzen.

[2] Die Beklagten waren seinerzeit Aufsichtsratsmitglieder der Klägerin, und zwar der Erstbeklagte ab 31. 5. 2001 (ab 29. 5. 2002 als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender) bis 3. 7. 2008, alle anderen bis 5. 1. 2009, und zwar der Zweitbeklagte ab 3. 11. 2004, der Drittbeklagte ab 31. 5. 2006 sowie der Viertbeklagte (als Aufsichtsratsvorsitzender) und der Fünftbeklagte jeweils ab 27. 9. 2005. Entsandt waren sie von Gesellschafter-Banken worden, bei denen sie jeweils auch in leitender Position tätig waren, und zwar Erst- bis Drittbeklagter von einer französischen Bank sowie Viert- und Fünftbeklagter von einer österreichischen Bank.

[3] Die Klägerin begehrte vom Erst-, Zweit- und Drittbeklagten 30.000.000 EUR sowie vom Viert- und Fünftbeklagten 20.000.000 EUR, jeweils als Teilforderung aus dem Titel des Schadenersatzes (Hauptbegehren aus dem Tatsachenkomplex „CDS Portfolio 2008“; als weitere Klagegründe sukzessive aus den Tatsachenkomplexen „KG‑Struktur“, „Structured Credit-Portfolio“, „REPACK“, „TRANSFORMATOR“, „mangelhaftes Risiko- und Liquiditätsmanagement“). Weiters stellte sie ein (in dritter Instanz nicht mehr gegenständliches) Feststellungsbegehren. Die Klägerin macht mit ihrem Zahlungs-Hauptbegehren aus dem Tatsachenkomplex „CDS Portfolio 2008“ jenen Schaden (zum Teil) geltend, der aus den noch im Jahr 2008 erworbenen Credit Default Swaps („CDS“) entstanden sei. Bei sorgfaltsgemäßem Verhalten der Beklagten wäre eine Ausweitung des CDS-Portfolios spätestens ab Jänner 2008 unterblieben. Daher seien die Beklagten für die Ausfälle aus den zwischen 1. 1. und 4. 11. 2008 abgeschlossenen CDS‑Sell‑Positionen verantwortlich. Anstelle den massiven Ausbau des CDS‑(Sell)‑Portfolios deutlich zu bremsen, sei es im Krisenjahr 2008 bis zum 31. 10. 2008 stattdessen zu einer signifikanten Erweiterung des CDS‑(Sell)‑Portfolios um rund 2,5 Mrd EUR gekommen. Den Beklagten sei letztlich im Wesentlichen das Versäumnis vorzuwerfen, entgegen der – näher dargelegten – Warnsignale bereits ab der Aufsichtsratssitzung vom 5. 12. 2007, spätestens ab jener vom 26. 3. 2008 (insbesondere im Zusammenhang mit der Entwicklung der Credit Spreads und den daraus resultierenden negativen Marktwerten des CDS‑Portfolios von rund ‑ 105 Mio EUR zum 31. 12. 2007) den Abschluss weiterer CDS‑Sell‑Geschäfte nicht unterbunden oder zumindest von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig gemacht und den Vorstand nicht veranlasst zu haben, sich im CDS‑Neugeschäft vorsichtig auf zweifelsfreie Staatsrisiken zu konzentrieren. Hiedurch wären Schäden allein aus den im Jahr 2008 noch abgeschlossenen Neugeschäften in Höhe von 149.519.600 EUR verhindert worden.

[4] Den Beklagten sei die Investitionsstrategie der Klägerin in Bezug auf Structured Credit Produkte bekannt gewesen. Sie hätten einen mangelhaften Produkteinführungsprozess und ein unzureichendes Risikomanagement erkennen und aufgrund der Turbulenzen am Kapitalmarkt weitere Investitionen in „US‑RMBS“ und andere Structured Credit Produkte mit besonders aggressivem Risikoprofil unterbinden müssen. Dadurch wäre ein Schaden aus den Anschaffungen solcher Produkte am 26. 3. und 27. 7. 2007 in Höhe von 32.542.256 EUR abgewendet worden.

[5] Anstatt einer Risikoreduktion angesichts der aufkommenden Krise habe der Vorstand der Klägerin seine Bemühungen darauf konzentriert, bilanzielle Verluste und eingegangene Risiken durch Spezialtransaktionen wie „KG‑Struktur“, „REPACK“ und „TRANSFORMATOR“ nicht sichtbar werden zu lassen. Teilweise seien durch diese bilanziellen Maßnahmen nicht nur hohe Kosten verursacht, sondern zudem neue, deutlich höhere Risiken eingegangen worden.

[6] Die konkrete Umsetzung der „KG‑Struktur“ sei vom Vorstand pflichtwidrig konzeptwidrig umgesetzt worden, wodurch ein Schaden von 42,681 Mio EUR entstanden sei. Wären die Beklagten ihrer Überwachungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen, hätten sie Informationen dazu eingeholt und die Umsetzung des Konzepts überwacht, wodurch die pflichtwidrige Umsetzung unterblieben wäre.

[7] Angesichts der aufkommenden Krisensituation am Finanzmarkt hätten die Beklagten den Vorstand engmaschig überwachen und eigene Nachforschungsmaßnahmen durchführen müssen. In Anbetracht der Kosten und Risiken wären dadurch die Transaktion „REPACK“ nicht durchgeführt und der daraus entstandene Schaden von 32,5 Mio EUR verhindert worden.

[8] Durch die intensivierte Überwachung des Vorstands durch die Beklagten hätten bei der Transaktion „TRANSFORMATOR“ die zwecklose Beauftragung eines Asset Managers und somit ein Schaden von 6,125 Mio EUR abgewendet werden können.

[9] Bei ordnungsgemäßer Überwachung hätten auch die Fehler im Risiko- und Liquditätsmanagement erkannt und entsprechende Maßnahmen bereits in den Aufsichtsratssitzungen vom 26. 3. und 18. 6. 2008 ergriffen werden können. Auch dadurch wären die Schäden von 32,5 Mio EUR von in „REPACK“ übertragenen Structured Credit Produkten und von 42,681 Mio EUR aus der pflichtwidrigen Umsetzung der „KG‑Struktur“ verhindert worden.

[10] Die Beklagten wendeten ein, sie seien ihren Pflichten als Aufsichtsräte nachgekommen. Soweit Fehler in den Geschäftsabläufen releviert werden, seien sie seitens des Vorstands der Klägerin nicht bzw nicht ausreichend informiert worden, um Handlungen setzen zu können. So seien sie auch zur Situation der Liquidität bei der Klägerin, der Erweiterung der CDS mit break und trigger clauses und den Spezialtransaktionen nicht informiert worden. Sie hätten auf die ihnen zur Verfügung gestellten Unterlagen, wie die Jahresabschlüsse mit uneingeschränktem Prüfungsvermerk oder die Revisionsberichte, vertrauen dürfen und können und auch außerhalb der Aufsichtsratssitzungen keine Informationen erhalten, die ein Handeln des Aufsichtsrats hätten auslösen müssen.

[11] Das Erstgericht wies die Klagen ab. Es folgerte aus dem auf den Seiten sechs bis 152 der Urteilsausfertigung festgestellten Sachverhalt, weder sei für die Beklagten die Zusammensetzung der Produktgruppen der CDS erkennbar gewesen noch sei ihnen aufgrund der festgestellten Marktgewohnheiten zur Bilanzierung ein Vorwurf hinsichtlich der Bilanzierung als „Finanzgarantie“ zu machen. Abgesehen vom Viert- und Fünftbeklagten hätten die übrigen Beklagten bis September/Oktober 2008 nicht einmal ansatzweise von den Spezialtransaktionen („REPACK“, „KG‑Struktur“ und „TRANSFORMATOR“) gewusst oder wissen müssen. Auch die Kenntnis des Viert- und Fünftbeklagten zu „REPACK“ habe keine Informationseinholung auslösen müssen. Zum Structured Credit Portfolio hätten die Beklagten in den Aufsichtsratssitzungen seitens des Vorstands, aber auch sonst keine bzw unzureichende Information über den Umfang, die Bewertung, die Zusammensetzung oder Risikogrößen erhalten. Die interne Organisation der Klägerin (Risikomanagement) habe hinsichtlich des vorgesehenen Prozesses für neue Produkte den damaligen gesetzlichen Vorgaben entsprochen. Die Beklagten hätten auf den Inhalt der Jahresabschlüsse mit den uneingeschränkten Bestätigungsvermerken eines namhaften Bankprüfers vertrauen dürfen; es sei zu jenem Zeitpunkt, in dem die Beklagten erstmals Informationen zu einer prekären Situation der Klägerin erhielten, ein Gegensteuern, so auch etwaige Handlungen der Beklagten als Aufsichtsräte, banktechnisch nicht mehr möglich gewesen, um den seitens der Klägerin relevierten Schaden abzuwenden, weshalb eine Haftung der Beklagten zu verneinen sei.

[12] Das Berufungsgericht änderte die Abweisung des Zahlungsbegehrens dahin, dass es die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 10,51 Mio EUR verpflichtete; die Abweisung eines ebenfalls gestellten Feststellungsbegehrens und des 4 % übersteigenden Zinsenbegehrens wurde (rechtskräftig) bestätigt. Im Übrigen hob das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

[13] Es war der Auffassung, zum Themenkomplex des Hauptbegehrens (CDS Portfolio 2008) müsse den Beklagten bei CDS das Wissen von den Auswirkungen steigender Credit Spreads bzw sinkender Marktwerte auf entsprechend steigende Collateralerfordernisse und demgemäß steigenden Liquiditätsbedarf abverlangt werden. Auch müsse ihnen aus der laufenden Marktbeobachtung der Spreadanstieg im Spätherbst 2007 bekannt gewesen sein. Die Erkennbarkeit eines daraus resultierenden Warnsignals spätestens Ende Jänner 2008 hänge davon ab, ob Kenntnis vom laufenden Marktwert des CDS‑Portfolios bestanden habe oder nicht. Den Beklagten möge eine solche Kenntnis der laufenden Marktwerte des CDS‑Portfolios gefehlt haben, dies habe aber auf der Missachtung ihrer Kontrollpflichten beruht. Allein das Zahlenwerk der Quartals- und Jahresabschlüsse möge die aufkommende CDS‑Problematik zwar nicht ausreichend erkennbar gemacht haben. Grund dafür sei aber die IFRS‑Widrigkeit dieses Zahlenwerks. Es könne dahinstehen, ob den Beklagten vorzuwerfen sei, dass sie diese IFRS‑Widrigkeit (die immerhin der österreichischen Praxis entsprochen habe) toleriert hätten. Schon im Hinblick auf die aufkommenden Kapitalmarktverwerfungen im Spätherbst 2007 sei grundsätzlich eine Intensivierung der Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats geboten gewesen. Sämtliche Beklagten treffe daher der Vorwurf, hiebei verabsäumt zu haben, zumindest als interne zusätzliche Erkenntnisquelle auch auf ein die aktuellen Marktwerte berücksichtigendes Zahlenwerk zu dringen. Wäre das CDS‑Portfolio zu Marktwerten bilanziert worden, hätte der Konzernjahresabschluss zum 31. 12. 2007 bereits eine Verlustsituation und eine Eigenkapitalbelastung angezeigt. Der Quartalsabschluss zum 31. 3. 2008 hätte bereits nachhaltige Verluste und eine Eigenkapitalknappheit angezeigt. Aufgrund der diesbezüglichen Erkennbarkeit hätten die Beklagten spätestens ab 26. 3. 2008 vorwerfbar jegliche Maßnahmen verabsäumt, um den Vorstand zur Vorsicht beim CDS-Neugeschäft unter ausdrücklicher Beschränkung auf zweifelsfreie Staatsrisiken zu veranlassen. Es sei daher seitens des Vorstands am 26. 6. 2008 zu drei pflichtwidrigen Risikoausweitungen gekommen. Bei entsprechenden Vorgaben an den Vorstand sei davon auszugehen, dass dieser pflichtgemäß dem Aufsichtsrat befasst und dem Aufsichtsrat jene drei Risikoausweitungen unterbunden hätte. Ohne diese Risikoausweitungen wäre auch die Zahlungspflicht aus realisierten Kreditereignissen bis zum 4. 11. 2008 iHv 10,51 Mio EUR unterblieben und das Vermögen der Klägerin entsprechend höher. Ob der Vermögensverfall der 100 %‑Tochter KIB unmittelbar zum selben Schaden der Alleingesellschafterin führe, könne im Hinblick auf die Gesamtrechtsnachfolge durch Verschmelzung dahinstehen. An weiteren Schäden aus den Risikoausweitungen hätten die Beklagten die diesbezüglichen Auflösungskosten zu verantworten, die aber noch nicht feststünden, was im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein werde. Es sei daher unklar, ob damit bereits die gesamte Klagsforderung abgedeckt sei.

[14] Sei dies nicht der Fall, wären auch die weiteren Klagegründe aufzuklären. Zur „KG‑Struktur“ mögen die Beklagten aufgrund der Vorstandsinformationen zwar keine Kenntnis insbesondere vom Nachhaftungsrisiko gehabt haben. Allerdings hätten die Beklagten – anknüpfend an obige Ausführungen über die gebotene Intensivierung der Kontrolle des Vorstands in aufkommenden Krisenzeiten und die spätestens ab 26. 3. 2008 vorwerfbare Missachtung von Warnsignalen (betreffend das CDS-Neugeschäft) sowie im Hinblick auf die bereits bestehende Eigenkapitalknappheit zum 31. 3. 2008, die dieser Quartalsabschluss im Falle zumindest intern gebotener Parallel-Betrachtung nach IFRS‑Standards bereits angezeigt hätte – nunmehr am 18. 6. 2008 umso sorgfältiger hinterfragen müssen, was es mit der weiteren Transaktion („KG‑Struktur“) auf sich habe, und treffe die Beklagten auch insofern der Vorwurf eines Überwachungsversagens. Es wäre dann zu klären, ob diesfalls die Transaktion ganz oder teilweise unterblieben und welcher Verlust hiedurch vermieden worden wären.

[15] Das Berufungsgericht ließ Revision und Rekurs mit der Begründung zu, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern einer Bank im Zusammenhang mit Verlustgeschäften aus Kreditderivaten im Allgemeinen bzw aus CDS (Credit Default Swaps) im Besonderen fehle.

Rechtliche Beurteilung

[16] Die Revisionen und die Rekurse der Erst- bis Drittbeklagten und der Viert- und Fünfbeklagten sind zulässig, weil die Beurteilung durch das Berufungsgericht einer Korrektur bedarf; sie sind auch berechtigt.

[17] Bei der Frage der Haftung der Aufsichtsratsmitglieder vor dem Hintergrund der im Folgenden dargestellten Rechtsprechung handelt es sich regelmäßig um eine Frage des Einzelfalls (§ 502 Abs 1 ZPO). Im vorliegenden Fall bedarf die Beurteilung durch das Berufungsgericht jedoch einer Korrektur (vgl 6 Ob 58/20b [ErwGr 2.]).

1. Zur Haftung der Aufsichtsratsmitglieder:

[18] 1.1. Gemäß § 95 Abs 1 AktG hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung zu überwachen. Der Aufsichtsrat ist jedoch weder Vorgesetzter der Geschäftsleiter noch obliegt ihm die „Oberleitung“ der Gesellschaft. Die Geschäftsführung bleibt stets den Geschäftsleitern vorbehalten (8 Ob 262/02s; 1 Ob 144/01k [kein „Supergeschäftsführungsorgan“]; Eckert/Schopper in Artmann/Karollus , AktG II 6 § 95 Rz 30 f). Nach seinem Umfang sind das Aufgabengebiet sowie die zu erwartende Tätigkeit des Aufsichtsrats an sich geringer als jene der Geschäftsleiter und beschränken sich im Wesentlichen auf die vergangenheitsbezogene und vorausschauende Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands auf ihre Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (RS0049302), die Wahrnehmung der Pflichten in der Krise des Unternehmens, die Veranlassung der Geschäftsführer, bei Zutreffen der Voraussetzungen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen, sowie die Prüfung des Jahresabschlusses (RS0116171). Im Konzern erweitert sich die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats der Muttergesellschaft um die Überwachung der Tätigkeit des Vorstands in Zusammenhang mit dessen Konzernüberwachung und Konzernleitung (6 Ob 209/20h [ErwGr 2.2.4.]). Der Aufsichtsrat hat die Entwicklung in den Konzerntöchtern so weit zu verfolgen, als es sich um für die Muttergesellschaft wesentliche wirtschaftliche Aktivitäten oder Vermögensbindungen handelt (6 Ob 209/20h [ErwGr 2.2.4.1.]). Die gebotene Intensität der Überwachung hängt von der Lage der Gesellschaft ab und ist in der Unternehmenskrise am höchsten (Eckert/Schopper in Artmann/Karollus , AktG II 6 § 95 Rz 9; vgl zu zustimmungspflichtigen Geschäften 6 Ob 58/20b [ErwGr 1.3.]).

[19] 1.2. Nach § 81 AktG ist ganz allgemein von einer umfassenden Berichtspflicht des Vorstands auszugehen. Dieser ist verpflichtet, immer dann von sich aus sachlich richtig, klar gegliedert, übersichtlich und vollständig Bericht zu erstatten, wenn die Zuständigkeit des Aufsichtsrats berührt wird ( Eckert/Schopper in Artmann/Karollus, AktG II 6 § 95 Rz 13). Aufgrund der unterschiedlichen Funktionen des Vorstands und des Aufsichtsrats besteht eine beachtliche Informationsasymmetrie zwischen diesen beiden Organen, weil der Aufsichtsrat in die Unternehmensleitung nicht involviert ist. Der Aufsichtsrat ist bei Erfüllung seiner Aufgaben auf eine angemessene Information über Belange der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften angewiesen. Die Informationsrechte des Aufsichtsrats können dieses Defizit nicht notwendigerweise ausgleichen, soweit der Aufsichtsrat mangels Kenntnis des Grundsachverhalts keine spezifischen Fragen an den Vorstand richten kann ( J. Reich-Rohrwig/Cl. Grossmayer in Artmann/Karollus, AktG II 6 § 81 Rz 11). Nach dem Konzept von § 81 iVm § 95 Abs 1 AktG ist die Information des Aufsichtsrats grundsätzlich eine Bringschuld des Vorstands. § 95 Abs 2 AktG regelt flankierend dazu eine Berichtspflicht auf Anforderung des Aufsichtsrats (Anforderungsbericht). Ohne konkreten Anlass ist der Aufsichtsrat nicht verpflichtet, wohl aber berechtigt, von sich aus eigene Ermittlungen anzustellen, etwa Berichte gemäß § 95 Abs 2 AktG einzufordern oder gemäß § 95 Abs 3 AktG Einsicht zu nehmen ( Eckert/Schopper in Artmann/Karollus, AktG II 6 § 95 Rz 13).

[20] 1.3. Mittel der Überwachung durch den Aufsichtsrat ist in erster Linie die vom Vorstand erstellte Information (insb nach § 81 AktG und nach § 96 AktG, aber auch etwa anlässlich der Genehmigungsvorbehalte nach § 95 AktG). Der Aufsichtsrat darf in der Regel auf die Richtigkeit dieser ihm erstatteten Information vertrauen. Er ist jedoch zur Plausibilitätskontrolle verpflichtet und muss für Aufklärung allfälliger Ungereimtheiten sorgen. Weitere Aufklärungen können auch erforderlich sein, wenn sonstige Anhaltspunkte für unrichtige oder unvollständige Berichterstattung bestehen oder der Vorstand in der Vergangenheit mangelhaft informierte. Werden Mängel in der Geschäftsführung ersichtlich oder bestehen dahingehende Indizien, hat der Aufsichtsrat einzuschreiten, so etwa wenn der Vorstand ungewöhnlich leichtfertig agiert oder Zustimmungsvorbehalte missachtet (Eckert/Schopper in Artmann/Karollus, AktG II 6 § 99 Rz 22 mwN).

[21] Auch die Prüfung der in § 96 Abs 1 S 1 AktG genannten Unterlagen ist ein wichtiges Instrument der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats. Der Bericht über die Abschlussprüfung, der selbst nicht Gegenstand der Prüfung durch den Aufsichtsrat ist, ist dafür eine wichtige Grundlage und Hilfsmittel. Der Aufsichtsrat darf bei seiner Prüfung der Rechtmäßigkeit in der Regel auf die Ergebnisse des Abschlussprüfers vertrauen und sich auf dessen Ergebnisse stützen; es findet keine Doppelprüfung statt (8 Ob 262/02z; Eckert/Schopper in Artmann/Karollus, AktG II 6 § 96 Rz 12 f). Er muss bei seiner nachprüfenden Kontrolle den Prüfungsgegenstand jedoch anhand des Prüfberichts eigenständig kritisch würdigen und hat mithilfe des Prüfberichts eine selbständige Plausibilitätsprüfung vorzunehmen (8 Ob 262/02z; Eckert/Schopper in Artmann/Karollus, AktG II 6 § 96 Rz 13). Liegen Hinweise auf Mängel der Abschlussprüfung oder Rechnungslegung vor, muss der Aufsichtsrat dem nachgehen, etwa durch entsprechende Nachfragen bei Vorstand und Abschlussprüfer, Vorhalte und Beharren auf Aufklärung und/oder Ergänzung (vgl 8 Ob 262/02z; Krejci, NZ 2001, 266). Einer umfassenden Prüfung bedarf es, wenn der Abschlussprüfer den Bestätigungsvermerk einschränkt oder versagt. Die Intensität der Prüfpflicht des Aufsichtsrats hängt daher von Ergebnis und Qualität des Berichts des Abschlussprüfers ab (Eckert/Schopper in Artmann/Karollus, AktG II 6 § 96 Rz 13).

[22] 1.4. Gemäß § 99 AktG gilt für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder § 84 AktG über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder sinngemäß. Ein Aufsichtsratsmitglied haftet demnach für den Mangel jener Sorgfalt, die man von einem ordentlichen Aufsichtsratsmitglied nach der besonderen Lage des Einzelfalls verlangen kann; er muss in geschäftlichen und finanziellen Dingen ein größeres Maß an Erfahrung und Wissen besitzen als ein durchschnittlicher Kaufmann und die Fähigkeit haben, schwierige rechtliche und wirtschaftliche Zusammenhänge zu erkennen und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft zu beurteilen (6 Ob 58/20b [ErwGr 1.1.]; RS0049309). Alle Mitglieder des Aufsichtsrats unterliegen damit einem erhöhten objektiven Sorgfaltsmaßstab, der sich in der praktischen Anwendung von jenem des § 1299 ABGB kaum abhebt (8 Ob 262/02s; 1 Ob 144/01k). Der einzuhaltende Sorgfaltsmaßstab wird durch die typischen und demnach objektiv bestimmten Fähigkeiten eines ordentlichen Aufsichtsratsmitglieds bestimmt (vgl RS0026541); für außergewöhnliche Fähigkeiten und außergewöhnlichen Fleiß wird hingegen regelmäßig nicht gehaftet (vgl RS0026489). Was ein durchschnittlich sorgfältiger Aufsichtsrat aus bestimmten Unterlagen oder Informationen erkennen kann, ist eine Tatfrage (vgl zur Arzthaftung 6 Ob 233/17h [ErwGr 3.]; 10 Ob 50/15y [ErwGr 3.3.]).

[23] Welche Handlungen ein Aufsichtsratsmitglied im konkreten Fall setzen bzw unterlassen hätte müssen, ist nach der Übung des redlichen Verkehrs unter Zugrundelegung der besonderen Verhältnisse der Gesellschaft (Größe, eingesetztes Vermögen, Art des Gesellschaftsgegenstands, wirtschaftliche Lage udgl) zu bestimmen. Die Frage, ob ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht vorliegt, ist stets unter Zugrundelegung einer ex-ante-Sicht zu beurteilen (6 Ob 58/20b [ErwGr 1.1.]).

[24] 1.5. Wendet man diese Grundsätze auf die zu beurteilenden Sachverhaltskomplexe an, ergibt sich nachstehendes Ergebnis.

2. CDS‑Portfolio:

[25] 2.1. Nach dem Standpunkt der Rechtsmittelwerber sind dem Berufungsgericht bei der Beurteilung des Sorgfaltsmaßstabs Rückschaufehler unterlaufen, weil die Aufsichtsräte die Entwicklungen aufgrund der Finanzkrise bis Herbst 2008 nicht vorhersehen hätten können, und seien auch andere Stellen wie die interne Revision, die Abschluss- bzw Bankprüfer oder die FMA nicht von ernsthaften Problemen ausgegangen. Die notwendige ex‑ante‑Prüfung des Verhaltens der Beklagten hätte daher zur Verneinung eines Sorgfaltsverstoßes führen müssen, handle es sich doch nicht um eine Erfolgshaftung des Beklagten.

[26] 2.2. An maßgeblichen erstgerichtlichen Feststellungen sind hier insbesondere folgende hervorzuheben:

[27] 2.3. Ein Credit Default Swap – kurz: CDS – ist ein Kreditderivat, mit dem Ausfallsrisken gehandelt werden. Die KIB nahm das Geschäft mit CDS im Herbst 2003 und die Klägerin im Frühjahr 2005 auf. Sowohl in der Klägerin als auch in der KIB wurden CDS weit überwiegend als Kreditersatzgeschäft in Form verkaufter Sicherungen für Referenzschuldner (CDS SELL) abgeschlossen. Ähnlich einem Kredit oder einer Wertpapierveranlagung wurde dabei das eingegangene Kreditrisiko langfristig und strategisch gesehen, die CDS wurden daher dem Bankbuch (BUY and HOLD – Strategie) gewidmet. Der Abschluss von CDS erforderte im Gegensatz zum Kreditgeschäft (Buchkredite und Wertpapiergeschäft), wo das gesamte Kreditexposure refinanziert werden musste, in der Regel keine Refinanzierung (Liquidität). Die Marge für das übernommene Kreditrisiko wird dem Sicherungsgeber (CDS SELL) vom Sicherungsnehmer (CDS BUY) in Form bei Geschäftsabschluss vereinbarter Prämien in Höhe des Credit Spreads (Anm: [verkürzt] die aktuelle Markteinschätzung für das Schlagendwerden des Kreditrisikos) des Referenzschuldners über die Laufzeit gezahlt. Als vertraglicher Rahmen zwischen den Geschäftsparteien fungierte in der Regel das weltweit anerkannte und geschäftsübliche ISDA Master Agreement. Aufgrund des Vertragsrahmens war es Usus, dass zwischen den Geschäftsparteien die Erbringung von Sicherheitsleistungen (Collateral) für das gegenseitige Kreditausfallsrisiko (Risiko, dass der Zahlungsanspruch eines Geschäftspartners vom anderen Geschäftspartner nicht erfüllt wird) vereinbart wurde. Die Höhe des erforderlichen Collaterals bestimmte sich nach dem Marktwert der CDS‑Verträge. Der Marktwert der CDS-Verträge errechnete sich aus der Barwertdifferenz von vereinbarten zukünftigen Prämien zum aktuellen Credit Spread des Referenzschuldners. Die Referenzschuldner der CDS SELL-Portfolien von Klägerin und KIB waren weit überwiegend bis fast ausschließlich Staaten und Gebietskörperschaften, davon weit überwiegend aus Europäischer Union und EFTA. Die Gegenparteien von Klägerin und KIB waren ausschließlich anerkannte internationale Großbanken, die den CDS‑Weltmarkt beherrschten.

[28] 2.4. Bereits im Produkteinführungsprozess zu CDS wurde bei der Klägerin festgelegt, dass lediglich Single Name CDS (dh nur auf einen einzigen Referenzschuldner lautend) unter dem ISDA‑Rahmenvertrag abgeschlossen werden sollten. Der Abschluss von CDS mit „Spread Triggers“ (dazu sogleich unten) wurde explizit ausgeschlossen. Die zugrundeliegenden Kreditrisken in Form der Referenzaktiva sollten, so wie beim originären Kreditrisiko, die öffentliche Hand, Finanzinstitute und Versorgungsunternehmen sein. Die Klägerin sollte ausschließlich Single Name Plain Vanilla CDS, das heißt ohne Klauseln, die zu einer vorzeitigen Beendigung (Break Clause) im Sinne eines Kündigungsrechts (Early Termination Clause) unter Ausgleichszahlungsanspruch des CDS-Marktwerts berechtigen könnten, abschließen. Die Plain Vanilla CDS sollten aber auch nur bei Eintritt eines klassischen Kreditereignisses des Referenzschuldners (Zahlungsausfall, Insolvenz, Restrukturierung) eine Zahlungsverpflichtung des Sicherungsgebers auslösen, nicht jedoch bei Änderungen der Bonität oder des Credit Spreads des Referenzschuldners; sie sollten demnach auch keine Spread Trigger Clauses beinhalten. Auch bei Produkteinführung der KIB wurde festgelegt, dass die KIB nur solche Single Name Plain‑Vanilla CDS ohne Credit Spread Options abschließt.

[29] 2.5. Die mit den abgeschlossenen CDS verbundenen Risiken bestanden in allererster Linie im Kreditrisiko des Referenzschuldners. Das Liquiditätsrisiko war bei Geschäftsabschluss nicht gegeben, es äußerte sich erst in Zeiten einer massiven Veränderung der Credit Spreads durch die Verpflichtung zur Leistung von Sicherheiten (Collateral), in der Regel vereinbart als Barsicherheit (Cash Collateral). Die vom CDS-Portfolio ausgehenden Risiken standen hinsichtlich des Kreditrisikos im Einklang mit dem übrigen Geschäftsfeld der Klägerin. Das Liquiditätsrisiko des CDS‑Portfolios war grundsätzlich – verglichen mit dem übrigen Geschäftsfeld der Klägerin in Form der originären Kreditvergabe, das durch eine kurzfristige Refinanzierung langfristiger Mittelbindungen gekennzeichnet war – unbedeutend. Den Collateralabflüssen ist nur dann ein konkreter Schaden zuzuordnen, wenn es bis zum Laufzeitende der zu Grunde liegenden CDS zu keiner vollständigen Rückzahlung der Collaterals kommt. Das ist nur dann der Fall, wenn ein Kreditereignis einen Zahlungsanspruch des Sicherungsnehmers auslöst, der mit dem erliegenden Collateral des Sicherungsgebers gegengerechnet wird.

[30] 2.6. Das Gesamtkreditexposure des Konzerns (Klägerin und KIB) betrug zum 31. 12. 2007 43,3 Mrd EUR und zum 31. 12. 2008 44,1 Mrd EUR. Der Anteil des Kreditersatzgeschäfts CDS‑SELL davon betrug zum 31. 12. 2007 21,82 % und zum 31. 12. 2008 27,48 %. Die Marktwerte des CDS‑Portfolios von Klägerin und KIB (aus Konzernsicht) entwickelten sich bis zur Jahresmitte 2007 unauffällig. Mit Beginn der Finanzkrise – bedingt durch die steigenden Credit Spreads, die zu diesem Zeitpunkt die ursprünglich vereinbarten Prämienzahlungen überstiegen – drehten die Marktwerte erstmals zum 31. 8. 2007 deutlich ins Negative (‑ 20 Mio EUR). Zum 31. 12. 2007 betrug der negative Marktwert des CDS-Gesamtportfolios bereits rund‑ 100 Mio EUR. Zum 29. 2. 2008, zum 30. 6. 2008, zum 31. 7. 2008 und zum 31. 8. 2008 betrug der negative Marktwert des CDS-Gesamtportfolios bereits über  ‑ 250 Mio EUR und rund ‑ 300 Mio EUR; lediglich zum Quartalsultimo März 2008 betrug der negative Marktwert unter ‑ 200 Mio EUR. Bis zum Zusammenbruch von Lehman am 15. 9. 2008 waren die erhöhten Liquiditätsanforderungen im Ausmaß der aufgelaufenen rund 300 Mio EUR auch ohne herkömmliches (Kunden‑)Einlagengeschäft refinanzierbar. Nach der Lehman‑Pleite verfielen die Marktwerte zusehends. So betrugen diese rund‑ 500 Mio EUR zum 30. 9. 2008 und zwischen rund‑ 1,0 Mrd EUR und ‑ 1,15 Mrd EUR zum 31. 10. 2008. Die weitere Ausweitung der Credit Spreads ab dem 15. 9. 2008 war exorbitant und aus ex‑ante‑Sicht eines Bankfachmanns unvorstellbar.

[31] 2.7. Die erfolgte Erweiterung des CDS‑Portfolios im Jahr 2008 war für jenen Teil der Erweiterung, der aus zu marktüblichen Konditionen in Form von Plain Vanilla CDS SELL übernommenen Kreditrisiken im herkömmlichen Geschäftsfeld der Klägerin, dh überwiegend zweifelsfreien Staatsrisken, bestand, mit dem Sorgfaltsmaßstab eines durchschnittlichen Geschäftsleiters der Klägerin vereinbar. Im Hinblick auf die Liquiditätssituation der Klägerin war die Erweiterung des CDS-Portfolios im Jahr 2008 der Auszahlung originärer Kredite vorzuziehen.

[32] 2.8. Aus bankfachmännischer ex‑ante‑Sicht handelte der Vorstand der Klägerin jedoch sorgfaltswidrig, als er die Risikosituation der Klägerin am 26. 6. 2008 durch den Abschluss bestimmter (inhaltlich hier rechtlich nicht näher relevanter) CDS‑Transaktionen, hier bezeichnet als „ZCP SELL“- und „ZCP Support-Portfolien“ sowie „CDO‑Warehouse-Rücknahme“, nur deshalb um rund 1,1 Mrd EUR vergrößerte, um einen ansonsten im Zusammenhang mit diesen Transaktionen auszuweisenden Verlust in der Erfolgsrechnung zu vermeiden.

[33] Auch ein gewissenhaft durchschnittlicher Aufsichtsrat konnte mangels Information in der konkreten Situation der Klägerin keine Kenntnis von den durch „CDO‑Warehouse“ und „ZCP“ verwirklichten Risiken haben. Erst- bis Fünftbeklagte hatten auf Grundlage der ihnen erteilten Informationen und Auskünfte keine Kenntnis von „ZCP“ und auch keine Kenntnis von „CDO‑Warehouse“.

[34] 2.9. Einem gewissenhaften durchschnittlich sorgfältigen Aufsichtsrat einer Bank in der konkreten Situation der Klägerin war der Spreadanstieg im Spätherbst 2007 aus der laufenden Marktbeobachtung bekannt, er musste jedoch nicht zwangsläufig zeitnahe einen Bezug zum CDS‑Portfolio der Klägerin herstellen.

[35] In Kenntnis des laufenden Marktwerts des CDS‑Portfolios und des ansteigenden Collateralerfordernisses des CDS-Portfolios hat für einen gewissenhaften durchschnittlichen Aufsichtsrat einer Bank in der konkreten Situation der Klägerin spätestens Ende Jänner 2008 ein Warnsignal für das CDS‑Portfolio aus Gesamtportfolio-Sicht vorgelegen. Ab dem 15. 9. 2008 (Lehman‑Insolvenz) hat auch für einen gewissenhaften durchschnittlich sorgfältigen Aufsichtsrat einer Bank in der konkreten Situation der Klägerin, der – wie die Beklagten – weder von den laufenden Marktwerten noch dem Collateralerfordernis des CDS‑Portfolios Kenntnis hatte ein Warnsignal für die (grundsätzliche) Marktbewertung von CDS, aber auch für die Marktbewertung des originären Kreditgeschäfts inklusive Investitionen in Plain‑Vanilla‑Anleihen vorgelegen.

[36] In Kenntnis des laufenden Marktwerts des CDS‑Portfolios und des ansteigenden Collateralerfordernisses des CDS‑Portfolios hatte von einem gewissenhaften durchschnittlich sorgfältigen Aufsichtsrat einer Bank in der konkreten Situation der Klägerin spätestens in der Aufsichtsratssitzung am 26. 3. 2008 der Auftrag an den Vorstand der Klägerin zu erfolgen, sich im CDS‑Neugeschäft vorsichtig auf zweifelsfreie Staatsrisiken zu konzentrieren. Weiters war der Aufsichtsrat dazu gehalten, die Geschäftsleitung zum laufenden, verstärkten Reporting aufzufordern und dieses zu überwachen.

[37] Ohne Kenntnis des laufenden Marktwerts des CDS-Portfolios und des ansteigenden Collateralerfordernisses des CDS-Portfolios war von einem gewissenhaften durchschnittlich sorgfältigen Aufsichtsrat einer Bank in der konkreten Situation der Klägerin ab dem 15. 9. 2008 (Lehman‑Insolvenz) zu verlangen, dass spätestens in der Aufsichtsratssitzung am 24. 9. 2008 der Auftrag an den Vorstand der Klägerin erfolgt, die Auswirkung auf das CDS‑Portfolio, insbesondere hinsichtlich des Marktwerts und der Eintrittswahrscheinlichkeit von Kreditereignissen, und auf das Wertpapierportfolio detailliert darzulegen.

[38] 2.10. Weder aus den Quartalsabschlüssen zum 30. 9. 2007 und zum 31. 3. 2008 noch aus dem Halbjahresabschluss zum 30. 6. 2008 war für einen gewissenhaften durchschnittlich sorgfältigen Aufsichtsrat der Klägerin hinsichtlich des CDS-Portfolios ein Warnsignal für die die Klägerin treffenden Liquiditätsrisiken zu entnehmen. Weder dem Einzeljahresabschluss 2007 noch dem Konzernjahresabschluss 2007 der Klägerin war für einen gewissenhaften durchschnittlich sorgfältigen Aufsichtsrat der Klägerin hinsichtlich des CDS‑Portfolios ein Warnsignal zu entnehmen. Lediglich für einen stark überdurchschnittlich sorgfältigen Aufsichtsrat der Klägerin war dem Konzernjahresabschluss 2007 der Klägerin auf S 168 des 235 Seiten starken Geschäftsberichts hinsichtlich des CDS‑Portfolios als „Warnsignal“ zu entnehmen, dass zum 31. 12. 2007 die unter der Bilanz als Eventualverbindlichkeiten ausgewiesenen „Bürgschaften und Haftungen“ mit einem Nominalwert von 9.720,1 Mio EUR CDS mit einem Nominale von 9.448,9 Mio EUR beinhalten und dass sich der Marktwert der „Bürgschaften und Haftungen“ von 10,1 Mio EUR zum 31. 12. 2006 auf ‑ 105,4 Mio EUR zum 31. 12. 2007 vermindert hat. Aus dem Prüfbericht der Bankprüferin zum Konzernjahresabschluss der Klägerin zum 31. 12. 2007 oder zum Einzeljahresabschluss der Klägerin zum 31. 12. 2007 war selbst für einen stark überdurchschnittlich sorgfältigen Aufsichtsrat der Klägerin kein Warnsignal zu entnehmen.

[39] Auch gewissenhafte, ordentlich sorgfältige Aufsichtsräte – wie im Konkreten die Beklagten – hatten aufgrund der bei und nach der Aufsichtsratssitzung am 26. 9. 2007 erteilten Auskünfte und Berichte des Vorstands der Klägerin zur Liquidität bis zur Aufsichtsratssitzung am 24. 9. 2008 keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Liquiditätslücken nicht geschlossen werden können. Erst nach dem in der Aufsichtsratssitzung am 24. 9. 2008 erhaltenen Bericht zu signifikanten Limitüberschreitungen der Liquiditätskennzahlen bei wesentlich konservativerer (weiterer) Messung des Liquiditätsrisikos verbunden mit der festgestellten Überschreitung der Liquiditätskennzahlen per Ende Juli und August 2008 nach der bisherigen Messung des Liquiditätsrisikos waren – insbesondere in Verbindung mit den Marktverwerfungen nach der neun Tage zuvor stattgefundenen Lehman‑Insolvenz – Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass eine unüberbrückbare Liquiditätslücke bei der Klägerin eintreten kann. Ein gewissenhafter durchschnittlich sorgfältiger Aufsichtsrat war daher dazu verhalten, die Höhe und Zusammensetzung der Liquiditätsreserven der Gesellschaft nach dem 24. 9. 2008 unterstützend zu überwachen.

[40] 2.11. Weder in der Aufsichtsratssitzung am 26. 3. 2008 noch in der Aufsichtsratssitzung am 18. 6. 2008 sind verstärkte Sorgfaltsmaßnahmen der Aufsichtsräte der Klägerin in Hinblick auf das CDS-Portfolio festzustellen. Erst nach der Aufsichtsratssitzung vom 24. 9. 2008 erfolgte erstmals eine unterstützende Überwachung der Geschäftsleitung durch den Viert- und Fünftbeklagten. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch für den Zweit- bis Fünftbeklagten – der Erstbeklagte war mit Wirkung vom 3. 7. 2008 bereits aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden – die bereits vorhandenen Schäden selbst durch die ab diesem Zeitpunkt gebotenen Maßnahmen nicht mehr abwendbar, und die erst in der Folge eingetretenen Schäden wären ebenso eingetreten.

[41] 2.12. Im Einzelabschluss der Klägerin wurden alle CDS als außerbücherliche Geschäfte off-balance geführt. Das Geschäftsvolumen wurde als Haftung im Rahmen der Eventualverbindlichkeiten unter der Bilanz (als Unter Strich Posten) angegeben. Es erfolgte keine Marktwertbewertung. Im IFRS‑Konzernabschluss wurden bis zum 30. 9. 2008 Plain Vanilla CDS als Finanzgarantien klassifiziert und zu fortgeführten Anschaffungskosten, nicht aber zu Marktwerten bilanziert.

[42] Aus banktechnischer/bankkaufmännischer ex‑ante‑Sicht war es entsprechend den Marktgewohnheiten bis zum 4. 11. 2008 vertretbar, so auch für die Klägerin, dass sämtliche Single Name Plain Vanilla CDS als Finanzgarantie behandelt werden. Diese Behandlung stand aus banktechnischer/bankkaufmännischer Sicht im Einklang mit der Bilanzierungspraxis mehrerer Großbanken in Österreich. Auch in der österreichischen Gesellschafter‑Bank der Klägerin, bei denen der Viert- und Fünftbeklagte in leitender Position tätig waren, wurde die selbe Bilanzierungspraxis geübt. Die Marktgewohnheiten in Österreich änderten sich teilweise erst im Jahr 2011. Im Nachhinein gesehen waren CDS aufgrund des IFRS-Regelwerks (IAS 39) jedoch immer schon nur als Finanzderivate zu werten, das heißt alle CDS (auch Plain Vanilla CDS) mussten nach IFRS ab 2005 zwingend laufend erfolgswirksam zu Marktwerten bewertet werden. Ein gewissenhafter durchschnittlich sorgfältiger Aufsichtsrat mit dem Wissensstand des Erst- bis Fünftbeklagten konnte aufgrund der seit dem Jahr 2005 fortlaufenden Erklärungen des Vorstands, die auch fortlaufend von der Bankprüferin dahin bestätigt wurden, dass die Bilanzierung der Plain-Vanilla CDS als Finanzgarantien im Einklang mit IFRS IAS 39 stand, nicht erkennen, dass dies nicht der Fall war.

[43] 2.13. Der Aufsichtsrat darf bei seiner Prüfung der Rechtmäßigkeit grundsätzlich auf die Ergebnisse des Abschlussprüfers vertrauen und sich auf dessen Ergebnisse stützen (siehe dazu oben Punkt 1.3.). Im vorliegenden Fall war nach den Feststellungen die Auslegung der IFRS ex ante betrachtet insofern unklar, als mehrere österreichische Großbanken eine (ex post) unrichtige Bilanzierungspraxis pflegten, die auch seitens der Bankprüferin – auch über diesbezügliche Nachfrage des Erst- bis Drittbeklagten – bestätigt wurde. Vor diesem Hintergrund kann bei einer ex‑ante‑Betrachtung im Nichterkennen der unrichtigen Bilanzierung der CDS kein Sorgfaltsverstoß der Beklagten erblickt werden. Ob dies für Finanzexperten iSd § 63a Abs 4 BWG (hier in der Fassung BGBl I 2007/108) anders zu beurteilen wäre, kann dahinstehen, weil die Beklagten – wie die Revisionsbeantwortung selbst einräumt – nicht als solche bestellt waren.

[44] 2.14. Das Berufungsgericht erblickte einen Sorgfaltsverstoß aber ohnehin in dem Umstand, dass die Beklagten nicht von der Möglichkeit einer zusätzlichen Bilanzierung zu Marktwerten Gebrauch gemacht hatten, weil ihnen bei den bestehenden Anzeichen einer allenfalls aufkommenden Krise (wie schon den auffällig steigenden Credit Spreads im Spätherbst 2007 entnehmbar gewesen sei) klar habe sein müssen, dass neben dem beschönigten Bild ein zusätzliches anderes Zahlenwerk verfügbar sein könnte, welches Schlüsse über die wahre finanzielle Situation der Klägerin zulasse. Dadurch hätten sie Kenntnis von den laufenden Marktwerten des CDS‑Portfolios erlangt. Mit dieser Kenntnis hätte für sie nach den Feststellungen bereits ab Jänner 2008 aufgrund des Spreadanstiegs ein Warnsignal für das CDS-Portfolio bestanden, und sie hätten bereits in der Aufsichtsratssitzung vom 24. 3. 2008 Maßnahmen ergreifen müssen.

[45] 2.15. Nach den Feststellungen war für einen gewissenhaften, durchschnittlich sorgfältigen Aufsichtsrat einer Bank, der – wie die Beklagten – weder von den laufenden Marktwerten noch dem Collateralerfordernis Kenntnis hatte, ein Warnsignal für die Marktbewertung, welches allenfalls zu der vom Berufungsgericht verlangten erhöhten Überwachungstätigkeit und Anforderung weiterer Unterlagen führen hätte können, erst ab der Lehman‑Insolvenz am 15. 9. 2008 und der darauffolgenden Berichterstattung des Vorstands in der Aufsichtsratssitzung vom 24. 9. 2008 gegeben. Nachforschungen oder Kontrollmaßnahmen hinsichtlich des CDS‑Portfolios waren daher mangels erkennbarer Berichterstattungsmängel oder (drohender) Unternehmenskrise bis dahin nicht geboten. Es kann den Beklagten daher auch nicht vorgeworfen werden, dass sie nicht schon im Jänner 2008 zusätzlich eine Bilanzierung des CDS‑Portfolios zu Marktwerten anforderten und wegen dieser unterbliebenen Anforderung die Marktwerte des CDS‑Portfolios nicht bereits im Jänner 2008 kannten.

[46] Entgegen der Darstellung der Klägerin steht ein erkennbares Warnsignal (erst) anhand des Konzernjahresabschlusses 2007 lediglich für einen „stark überdurchschnittlich sorgfältigen Aufsichtsrat“ fest, der insofern aber nicht mehr dem anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab entspricht (siehe oben Punkt 1.4.).

[47] Aus dem Sachverhalt lässt sich eine pflichtwidrig unterbliebene Kontroll- und (intensivierte) Überwachungstätigkeit der Beklagten im Zusammenhang mit dem CDS‑Portfolio zu einem Zeitpunkt vor dem 24. 9. 2008 somit nicht ableiten. Ab diesem Zeitpunkt waren aber die bereits vorhandenen Schäden von den Beklagten nicht mehr abwendbar, und die erst in der Folge eingetretenen Schäden wären trotz Ausschöpfung der ihnen zur Verfügung stehenden Maßnahmen ebenso eingetreten.

[48] Eine Haftung der Beklagten aus diesem Tatsachenkomplex, (auch) für die Folgen der Transaktionen vom 26. 6. 2008 („ZCP“ und „CDO‑Warehouse“), kommt daher nicht in Betracht.

[49] 2.16. Damit sind auch die vom Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluss als fehlend beurteilten Feststellungen zu einem allfälligen weiteren daraus entstandenen Schaden in Höhe von Auflösungskosten dieser drei Risikoausweitungen vom 26. 6. 2008 nicht relevant.

3. Structured Credit Portfolio:

[50] 3.1. Beim Structured Credit Portfolio handelte es sich um strukturierte Finanzprodukte, die einen durch Forderungen besicherten Anspruch auf Zahlungsströme von Referenzwerten verbrieften. Sie dienten dem Transfer von Kreditrisiken und ermöglichten Investoren eine (indirekte) Teilnahme an Kreditrisiken in Märkten und Branchen, zu denen sonst kein (direkter) Zugang bestünde. Die Verbreitung strukturierter Finanzprodukte begann Mitte der 1990er‑Jahre und erreichte bis zum Beginn der Subprime‑Krise einen enormen Boom. Aus ex‑ante‑Sicht war es in den Jahren bis 2008 sowohl in Österreich als auch international üblich, Structured Credit Portfolien aufzubauen. Sie ermöglichten höhere Margen als herkömmliche Plain‑Vanilla‑Anleihen und trugen zu einer besseren Risikostreuung bei.

[51] 3.2. Das seit dem Jahr 2003 aufgebaute Structured Credit Portfolio der Klägerin stand teilweise mit öffentlichen Risiken in Verbindung. In der Aufsichtsratssitzung am 30. 3. 2005 berichtete der Vorstand über die Ausweitung der Veranlagungsstrategie in Structured Credit Produkte. Dabei sollte das durchschnittliche Rating von „AA-“ sichergestellt werden und in Produkte mit öffentlichem Charakter investiert werden, was in der Folge auch geschah. Die Kreditrisikostruktur des Wertpapierportfolios der Klägerin war somit mit der Kreditrisikostruktur der Gesamtbank der Klägerin (Kreditexposure) vergleichbar. Der Anteil des Structured Credit Portfolios des Konzerns (Klägerin inklusive KIB) am gesamten Kreditrisiko-Exposure (inklusive Kreditersatzgeschäft CDS‑SELL) betrug zu Jahresbeginn 2006 4,68 %. Er steigerte sich danach auf 6,42 % zum Jahresultimo 2007 und nahm bis zum Jahresende 2008 wieder auf 4,87 % ab. Im Sinne der Diktion des gegenständlichenVerfahrens zählen CDS (siehe dazu oben Punkt 2.3.) nicht zum Structured Credit Wertpapierportfolio.

[52] 3.3. Im Structured Credit Portfolio befanden sich unter anderem RMBS („Residential Mortgage Backed Securities“ [private Baufinanzierung]). Die RMBS der Klägerin betrafen fast ausschließlich verbriefte Wohnbaudarlehen des Landes Niederösterreich. In der KIB befanden sich auch US‑RMBS, also RMBS, die Kreditrisiken aus den USA betrafen.

[53] 3.3. Zum aus dem Tatsachenkomplex Structured Credit Portfolio entstandenen Schaden stellte das Erstgericht fest, dass dieser die US-RMBS BARCLAYS * (in der Folge kurz US‑RMBS „Barclays“) betraf, die in der KIB in zwei Tranchen am 26. 3. und am 27. 7. 2007 erworben wurden und deren vorzeitiger Verkauf am 24. 7. 2008 zu einem Verlust von 32.542.256 EUR führte.

[54] 3.4. Zum Produkteinführungsprozess steht fest, dass die Beklagten mit den ihnen vorliegenden Unterlagen nicht darüber informiert wurden, dass kein formeller Produkteinführungsprozess für die Aufnahme des Geschäfts mit Structured Credit Produkten eingehalten/durchgeführt wurde. Es ergaben sich für sie keine diesbezüglichen Anhaltspunkte. Da sich der Beweiswürdigung des Erstgerichts kein Hinweis auf eine diesbezüglich beabsichtigte Negativfeststellung entnehmen lässt, ist angesichts der Formulierung, wonach nicht festgestellt werden konnte, dass sich für die Beklagten (diesbezügliche) Anhaltspunkte ergaben, nicht von einer Negativfeststellung auszugehen, sodass eine Auseinandersetzung mit den von der Klägerin angestellten Überlegungen zur Beweislastverteilung betreffend die objektive Sorgfaltswidrigkeit dahinstehen kann.

[55] Dem Sachverhalt sind somit keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beklagten das Fehlen eines Produkteinführungsprozesses sorgfaltswidrig nicht erkannt hätten. Der Vorwurf, es unterlassen zu haben, auf die Einführung eines Produkteinführungsprozesses zu bestehen, geht daher ins Leere.

[56] 3.5. Das tatsächliche Limitsystem für Kreditrisken des Structured Credit Portfolios der Klägerin, so wie es umgesetzt wurde, entsprach nach den Feststellungen den vorgesehenen internen Standards (Regelwerk). Es war nach österreichischen und internationalen Standards, gemessen an Empfehlungen und Auslegungen der FMA, OeNB und des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, ausreichend. Zusätzlich war für die Structured Credit Produkte jedoch ergänzend zu den bestehenden Kreditrisikolimitierungen, gemessen an Empfehlungen und Auslegungen der FMA, OeNB und des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, ein gesondertes Limitsystem anhand struktureller Kriterien – je Assetklasse, Verbriefungsklasse, Verbriefungsart – zu schaffen, was aber bei der Klägerin nicht geschah. Da unter den Structured Credit Produkten auch solche waren, deren Risikoprofil keinem „einfachen“ Kreditrisiko entsprach, sondern die von Aktienkursrisiken performance abhängig waren oder deren Nominale um ein Vielfaches geleveraged war, hätte hinsichtlich des Marktrisikos zudem eine Limitierung für „alternative Investments“ oder Investments mit „nichtlinearem Risikoprofil“ eingerichtet sein müssen. Die aufsichtsrechtlich erforderliche Risikobegrenzung von Großveranlagungen und Klumpenrisken wurde in der Klägerin ordnungsgemäß umgesetzt.

[57] 3.6. Der Vorstand der Klägerin bzw die Mitglieder des Vorstands waren über die genaue Ausgestaltung des Structured Credit Portfolios nach den angeführten strukturellen Kriterien aber dennoch informiert, sodass bei Vorhandensein eines ausreichenden/ergänzenden Limitsystems für Verbriefungsrisiken und für spezielle Marktrisiken die Risikostrategie des Vorstands ident gewesen wäre mit der tatsächlich in der Klägerin praktizierten Risikostrategie und die tatsächlich vorgenommenen Investitionen genau so vorgenommen worden wären. Somit wären auch bei Vorliegen eines ergänzenden Limitsystems für Verbriefungsrisiken und für spezielle Marktrisiken die tatsächlich getätigten Investitionen im Rahmen definierter Limits ebenso erfolgt.

[58] 3.7. Aufsichtsräte, wie die Beklagten, waren spätestens im Frühjahr 2007, unter der Annahme einer mehrmonatigen Reaktionszeit auf den Beginn der Subprime-Krise im zweiten Halbjahr 2006, dazu gehalten, weitere Investments in US-RMBS und sonstige Structured Credit Produkte mit besonders aggressivem Risikoprofil zu unterbinden. Ein gewissenhafter und durchschnittlich sorgfältiger Aufsichtsrat war spätestens im Herbst 2007 dazu verhalten, weitere Investments in andere Structured Credit Produkte – auch ohne US‑RMBS – stark zu hinterfragen und jedenfalls eng zu monitieren.

[59] 3.8. Allerdings war seitens der Klägerin ohnehin die Entscheidung getroffen worden, bereits ab 28. 2. 2007 Investments in US‑RMBS konzernweit zu stoppen. Laut interner Revision der Klägerin waren auch weitere Investments in US‑RMBS – nach dem 28. 2. 2007 – gestoppt worden. Die Entscheidung eines „Investmentstopps“ in US‑RMBS ab 28. 2. 2007 war banktechnisch zweckmäßig. Auch mit einer ordnungsgemäßem Risikobeurteilung, ‑steuerung und ‑überwachung der Verbriefungsrisiken sowie spezieller Marktrisiken konnten die Investitionen in Structured Credit Produkte, so wie sie tatsächlich bei der Klägerin getätigt wurden, bis zum 28. 2. 2007 getätigt werden; aus diesen wurde auch kein Schaden festgestellt.

[60] 3.9. Aufgrund des Fehlens eines Produkteinführungsprozesses wurden auch nach dem 28. 2. 2007 vereinzelt Neuinvestments in US‑RMBS oder RMBS mit einem (durch Leverage) besonders agressiven Risikoprofil durch die KIB eingegangen. So wurde ein Neuinvestment mit US‑RMBS-Risiken getätigt, jedoch (unrichtig) als CPPI („Constant Proportion Portfolio Insurance“) ohne Angabe einer Structured Credit Assetklasse gewidmet. Dies betrifft die US‑RMBS „Barclays“, die in der KIB in zwei Tranchen am 26. 3. und am 27. 7. 2007 erworben wurden. Es konnte kein Schaden aus der Anschaffung von sonstigen Structured Credit Produkten nach dem 28. 2. 2007, die intern nicht als US‑RMBS klassifiziert worden waren, aber trotzdem US‑RMBS Risiken oder andere besonders aggressive Risikoarten verbrieften, festgestellt werden.

[61] 3.10. Aus diesem Sachverhalt ergibt sich, dass die Investments in US‑RMBS, wozu auch der schadensstiftende Ankauf des US‑RMBS „Barclays“ gehörte, nach den Feststellungen ohnehin bereits ab 28. 2. 2007 gestoppt und dies von der internen Revision überwacht worden war. Somit fehlt es dem Vorwurf, die Beklagten hätten es unterlassen, im Frühjahr 2007 die Unterbindung weiterer Investitionen in US‑RMBS und andere Structured Credit Produkte mit besonders aggressivem Risikoprofil zu veranlassen, an der Kausalität (vgl 1 Ob 189/23k [ErwGr II.2.1.1.]; RS0022913 [T9]).

[62] Die Klägerin kann ihren Schadenersatzanspruch insoweit nicht erfolgreich auf den Erwerb der US‑RMBS „Barclays“ stützen.

4. Zu den Spezialtransaktionen „REPACK“, „KG‑Struktur“ und „TRANSFORMATOR“:

[63] 4.1. Nach den Feststellungen handelte es sich bei den „Spezialtransaktionen“ „REPACK“, „KG‑Struktur“ und „TRANSFORMATOR“ aus ex‑ante-Sicht um in der Zielsetzung verbreitete Modelle, um bereits eingetretene Bewertungsverluste und zukünftig mögliche Bewertungsverluste von Finanzinstrumenten gemäß IAS 39 in der IFRS‑(Konzern-)Bilanz von Kreditinstituten durch eine Ausbuchung oder Reklassifizierung der Finanzinstrumente zu vermeiden oder zu sanieren (umzustrukturieren). Sie waren in den Jahren bis 2008 in Österreich und international üblich.

[64] 4.2. „REPACK“wurde der Klägerin von zwei Investmentbanken präsentiert und im Sommer 2007, zu einem näher nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt, vom Vorstand der Klägerin festgelegt. Die ersten Wertpapierüberträge erfolgten mit 30. 7. 2007. Ziel war das bilanzielle Ausbuchen von US‑RMBS Wertpapieren in der KIB, um gegenüber den Ratingagenturen darlegen zu können, dass die US-Subprime-Krise unschädlich für das Geschäftsmodell der Klägerin sei. Die bilanzielle Entfernung war deswegen aus Sicht der Klägerin erforderlich, weil für US‑RMBS seit dem Frühjahr 2007 kein aktiver Markt infolge der US-Subprime-Krise mehr vorgelegen ist und dadurch Bewertungsverluste drohten. Nachdem ein Verkauf der US‑RMBS aufgrund des bereits illiquiden Marktes zu Veräußerungsverlusten geführt hätte, die den Ratingagenturen ebenfalls nicht dargelegt werden wollten, hat man eine Struktur umgesetzt, bei der das Risiko der US‑RMBS bei der KIB wirtschaftlich verblieben ist. Das Ziel war somit eine bilanzielle Reklassifizierung (Umbuchung) von Wertpapieren mit US‑RMBS‑Risiken (darunter auch mit Subprime-Risiken) vom Fair Value-Bestand (Bilanzierung zu Marktwerten) in den Loans & Receivables-Bestand unter gleichzeitigem Austausch von Wertpapier-Positionen gegen verbriefte Bankforderungen bei vollem Erhalt der Risikoposition der Klägerin.

[65] 4.3. Die „KG‑Struktur“ wurde von einer deutschen Investmentbank und einem großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen entwickelt. Die Vorbereitungsarbeiten bei der Klägerin begannen spätestens am 3. 3. 2008. Eine erste Beschlussfassung des Vorstands der Klägerin dazu erfolgte am 6. 5. 2008. Die Umsetzung durch KG‑Gründung geschah jedoch bereits davor zu einem näher nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt. Im Rahmen der „KG‑Struktur“ sollten Wertpapiere der Klägerin an eine neu gegründete KG, deren Komplementärin die Klägerin ist, zu Buchwerten übertragen werden. Zukünftige Wertschwankungen der Wertpapiere hätten sich nicht mehr bei der Klägerin bilanziell ausgewirkt, weil nach dem Wertpapierübertrag ein Ausscheiden der Klägerin als Komplementärin vorgesehen war. Stille Lasten der übertragenen Wertpapiere hätte die KG durch den Ertrag zusätzlich erworbener, nicht korrelierender anderer Wertpapiere ausgleichen sollen. Der Kaufpreis sämtlicher Wertpapiere in der KG hätte zur Gänze fremdfinanziert werden sollen. Die Kreditwürdigkeit der KG hätte sich aufgrund der gesetzlichen Nachhaftung der Klägerin nach dem Ausscheiden als Komplementärin ergeben.

[66] 4.4. Die Vorarbeiten zu „TRANSFORMATOR“begannen spätestens im Mai 2008. Das Konzept wurde der Klägerin von einer deutschen Bank unter Mitwirkung eines großen Wirtschaftsprüfungsunternehmens präsentiert. Es handelte es sich um ein in der Zielsetzung weit verbreitetes Modell, das vorsah, Wertpapiere aus dem Fair‑Value‑Bestand in den Loans & Receivables-Bestand umzuwidmen. Dabei sollten Klägerin und KIB aus Risikosicht und für das aufsichtsrechtliche Meldewesen unverändert die Wertpapierrisken berücksichtigen. Die Beschlussfassung zu „TRANSFORMATOR“ erfolgte am 1. 8. 2008 im Vorstand der Klägerin. Die Wertpapierüberträge an drei Zweckgesellschaften erfolgten erst im Zeitraum 5. 9. bis 17. 9. 2008. Der Erwerb von Treuhandanleihen, die das Risiko der übertragenen Wertpapiere wieder in die Klägerin und KIB zurück transferierten, erfolgte am 23. 9. 2008 von einer weiteren Zweckgesellschaft durch Klägerin und die KIB. Bei „TRANSFORMATOR“stand bei der Wertpapierauswahl demgegenüber nicht das Identifizieren besonders risikobehafteter oder mit stillen Lasten behafteter Wertpapiere im Vordergrund. Durch „TRANSFORMATOR“ sollte ein möglichst großes Volumen an Wertpapieren, die Umsetzung erfolgte für ein Portfolio von rund 1,4 Mrd EUR, in eine andere IFRS‑Bewertungskategorie umklassifiziert werden. Durch die geänderte Bewertungskategorie wäre in sehr volatilen Zeiten der Ausweis von Risiken, nicht jedoch von tatsächlich erlittenen Verlusten der übertragenen Wertpapiere bei der Klägerin im Konzernabschluss vermieden worden.

[67] 4.5. Zum Zeitpunkt der Festlegung waren alle drei Spezialtransaktionen lege artis. Große Investmentbanken oder Investmentgesellschaften von Großbanken sowie die größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben vergleichbare Modelle zur Umstrukturierung und (temporären) Auslagerung von Markt- und Kreditrisiken vertrieben. Viele Banken, auch international anerkannte Großbanken, haben die angebotenen Modelle genutzt. Der Zweck der angebotenen Modelle lag in einer zwischenzeitlichen Überbrückung des zunächst beginnend mit der Subprime-Krise in der zweiten Jahreshälfte 2006 schwieriger gewordenen Marktumfeldes und mit Beginn der Finanzkrise am 9. 8. 2007 signifikant schlechter gewordenen Marktumfeldes für Structured Credit Produkte durch Umstrukturierung und (temporäre) Auslagerung von Markt- und Kreditrisiken. Die internationalen Ratingagenturen, die internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und die internationalen Investmentbanken konnten bis zum 15. 9. 2008 davon ausgehen, dass sich die Finanzmärkte – somit gültig auch für den Teilbereich der Kapitalmärkte – nicht sprunghaft weiter verschlechtern und zumindest langfristig wieder erholen würden. Viele Marktteilnehmer, wie die Klägerin, verfolgten das Ziel der Beibehaltung eines verträglichen Erfolgsausweises zu Lasten der nicht realisierten oder nicht ausgewiesenen Verminderung stiller Reserven (oder Erhöhung stiller Lasten).

[68] Auch zum Zeitpunkt der konkreten Ausführung waren die beiden Spezialtransaktionen „REPACK“ und das ursprüngliche Konzept der „KG‑Struktur“ lege artis. Im Zeitraum der Übertragung der Wertpapiere vom 5. 9. bis zum 17. 9. 2008, somit der konkreten Ausführung von „TRANSFORMATOR“, war der komplette Zusammenbruch der Finanzmärkte im Zweifel auch am 15. 9., 16. 9. und 17. 9. 2008 noch nicht absehbar. Die drei Tage bis zum 17. 9. 2008 liegen innerhalb einer vertretbaren Toleranzfrist. Nach dem 15. 9. 2008 war der Abschluss neuer Strukturen zur Auslagerung von Risiken nicht mehr lege artis.

[69] 4.6. Der Vorstand der Klägerin wollte mit diesen Spezialtransaktioneneine Reduzierung der Volatilität in der Bewertung von zu Marktwerten bilanzierten Wertpapieren erreichen. Weiters sollte neben zukünftigen Bewertungsschwankungen auch der Ausweis von bereits eingetreten Bewertungsverlusten in der IFRS‑Konzernbilanz der Klägerin verhindert werden. Bei der „KG‑Struktur“ ging es ausschließlich darum, bereits eingetretene Bewertungsverluste in der IFRS‑Konzernbilanz 2008 der Klägerin nicht auszuweisen. Bei „REPACK“ und „TRANSFORMATOR“ wurden die Wertpapierrisiken hingegen zurückbehalten und konnten die beiden Spezialtransaktionen daher die bilanzielle Abbildung zukünftiger Bewertungsschwankungen tatsächlich reduzieren oder vermeiden. Der Vorstand der Klägerin hatte das Bestreben, durch eine unbelastete Ergebnisrechnung nicht das ausgezeichnete Rating der Klägerin zu gefährden, was zu einer Verteuerung der Refinanzierungskosten der Klägerin geführt hätte.

[70] 4.7. Für einen gewissenhaften durchschnittlich sorgfältigen Aufsichtsrat, so auch für die Beklagten, war aus dem Jahresabschluss 2007 oder den davor und danach erfolgten Quartalsabschlüssen keine der Spezialtransaktionen („KG‑Struktur“, „REPACK“, „TRANSFORMATOR“) erkennbar.

4.8. „REPACK“:

[71] 4.8.1. Zusammengefasst wurden in allen „REPACK“-Transaktionen in Summe Wertpapiere mit einem angerechneten Wert von umgerechnet 781,5 Mio EUR an die Emittenten der „REPACKs“ übertragen. Die Transferpreise wurden zwischen den Emittenten und Klägerin bzw KIB vereinbart und sollten den Marktpreisen entsprechen. Aus Sicht der Emittenten war der für die Wertpapiere verrechnete Preis jedoch irrelevant, weil im Zuge der Ausgabe der Notes eine Gegenverrechnung erfolgte. Die konkrete Umsetzung des „REPACK“ wich von der geplanten Durchführung des „REPACK“ nicht ab.

[72] 4.8.2. Für den Erstbeklagten blieb bis zu seinem Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat der Klägerin „REPACK“ unbekannt. Dem Zweit- und Drittbeklagten wurde „REPACK“ als Spezialtransaktion frühestens mit der Aufsichtsratssitzung 24. 9. 2008 bekannt.

[73] 4.8.3. Der Viertbeklagte und der Fünftbeklagte waren ab Anfang August 2007 von der Ausgestaltung und vom konkreten Mechanismus des „REPACK“ informiert. Ein durchschnittlich sorgfältiger Aufsichtsrat wie der Viert- bis Fünftbeklagte hätte aufgrund der vom Vorstand vorgelegten Unterlagen und erhaltenen Informationen aufgrund der Besonderheit einer offensichtlichen Non-Routine-Transaktion allerdings nach den Kosten der Transaktion und nach den durch die Transaktion vermiedenen Bewertungsverlusten nachfragen müssen, was durch das zeitnahe zur Aufsichtsratssitzung vom 25. 3. 2008 geführte Gespräch des Viertbeklagten mit dem Vorstand und dem Bankprüfer auch geschah. Sie teilten dem Viertbeklagten auch mit, dass keine Wertberichtigung aus dem Wertpapierbestand „REPACK“ in der Bilanz zum 31. 12. 2007 erforderlich war. Dies wurde auch im März 2008 überwacht. Aus dem Gespräch ergaben sich für den Viertbeklagten keine beunruhigenden Informationen oder Anhaltspunkte dazu, weitere Informationen zu „REPACK“ einzuholen. Vom Management‑Letter der Bankprüferin an die Vorstände vom 2. 4. 2008, aus dem die Rekursbeantwortung weitere Überwachungspflichten ableiten will, hatten die Beklagten nach den Feststellungen keine Kenntnis.

[74] 4.8.4. Den Feststellungen ist kein durch „REPACK“ selbst entstandener Schaden zu entnehmen. Der festgestellte Schaden von 32,5 Mio EUR, den die Klägerin (auch) zu diesem Tatsachenkomplex geltend macht, stammt aus dem in „REPACK“ übertragenen „Struktured Credit Portfolio“ und entstand durch den Verlust aus dem Ankauf der US‑RMBS „Barclays“ am 26. 3. und am 27. 7. 2007, die am 24. 7. 2008 verkauft worden waren (dazu oben Punkt 3.3.).

[75] Auf die Transaktion „REPACK“ kann die Klägerin ihren behaupteten Ersatzanspruch daher schon mangels eines daraus entstandenen Schadens nicht erfolgreich stützen.

4.9. „KG‑Struktur“:

[76] 4.9.1. Im Juni 2008 war die „KG‑Struktur“ mit ihrem ursprünglich vom Vorstand der Klägerin aufgrund des Angebots einer Investmentbank und eines großen Wirtschaftsprüfungsunternehmens festgelegten Inhalt, das heißt Fremdfinanzierung der KG und keine Beherrschung der KG durch die Klägerin, aus banktechnischer/bankaufmännischer Sicht als geeignet zu bezeichnen, um den verfolgten Zweck erfolgreich umsetzen zu können. Große Investmentbanken oder Investmentgesellschaften von Großbanken sowie die größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben vergleichbare Modelle zur Umstrukturierung und (temporären) Auslagerung von Markt- und Kreditrisiken vertrieben. Viele Banken, auch Großbanken, haben die angebotenen Modelle genutzt. Konzeptionsgemäß sollten Wertpapiere der Klägerin, ursprünglich intendiert aus dem „Fair-Value-Bestand“, erfasst werden, deren Bewertungsergebnis im Jahr 2008 nicht ausgewiesen werden musste, weil der Übertrag an die KG zu Buchwerten zum 31. 12. 2007 erfolgen hätte können. Da die Klägerin nach dem Ausbuchen kein direktes wirtschaftliches Risiko des übertragenen Wertpapierportfolios mehr haben sollte, sollten Wertpapiere erfasst werden, bei denen die Klägerin das Risiko zukünftiger Bewertungsschwankungen nicht mehr tragen wollte. Aufgrund der gesetzlichen Nachhaftung der Klägerin als ausgeschiedene Komplementärin sollte das übertragene Wertpapierportfolio gemeinsam mit den zusätzlich erworbenen alternativen Assets in der auf fünf Jahre ausgelegten Wahrscheinlichkeitsrechnung der KG mit hinreichender Sicherheit zu einem Gewinn führen. Auf Grundlage der Geschäftsordnung bedurfte die Gründung der KG durch die Klägerin mangels Kapitalbeteiligung keiner formellen Zustimmung des Aufsichtsrats.

[77] 4.9.2. In Abweichung vom ursprünglich festgelegten Inhalt wurden bei der tatsächlichen Durchführung der „KG‑Struktur“ jedoch vom Vorstand der Beklagten wesentliche Voraussetzungen zur Zielerreichung der konzeptionierten Struktur verletzt. Tatsächlich erfolgte die Fremdfinanzierung der KG indirekt durch die Klägerin. Der an die KG im Juni 2008 um rund 58,6 Mio EUR übertragene „Fair-Value‑Bestand“ betraf – anders als geplant – bereits stark ausfallgefährdete Wertpapiere, weshalb im Juni 2008 von der KG ein Hedge Fonds-basiertes Portfolio alternativer Assets im Ausmaß von 325 Mio EUR ohne Festlegung eines geeigneten Risikomanagementsystems angeschafft wurde, dessen Verlustrisiko im Rahmen der 5‑jährigen gesetzlichen Nachhaftung der Klägerin als ausgeschiedene Komplementärin der KG auf die Klägerin wirken konnte. Die Unabhängigkeit der Geschäftstätigkeit der KG und die Unabhängigkeit der die KG finanzierenden Banken (jeweils von der Klägerin) war nicht gegeben. Diese abweichende Vorgangsweise widersprach der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Die KG wurde im Halbjahreskonzernabschluss der Klägerin zum 30. 6. 2008 nicht konsolidiert.

[78] 4.9.3. Nach den Feststellungen betrug der Schaden aus der Transaktion „KG‑Struktur“ 42,681 Mio EUR und stammte aus den im Juni 2008 in der KG erworbenen alternativen Assets, die im Februar 2009 mit Verlust verkauft werden mussten. Aus dem über Kredit der Klägerin an die KG erfolgten Ankauf von Lehman‑Anleihen im Zeitraum 18. 9. bis 24. 9. 2008 aus einem „REPACK“ (siehe oben) der Klägerin durch die KG zu einem von der Klägerin festgelegten (überhöhten) Preis, ist der Klägerin jedoch nach den Feststellungen kein Schaden entstanden, weil diese Anleihen ansonsten von der Klägerin selbst angekauft hätten werden müssen.

[79] 4.9.4. Auch ein gewissenhafter durchschnittlich sorgfältiger Aufsichtsrat konnte aufgrund der stark verkürzten, falschen und nicht erfolgten Information des Vorstands der Klägerin in der Aufsichtsratssitzung am 18. 6. 2008 die tatsächlich zum damaligen Zeitpunkt bereits erfolgte Umsetzung der „KG‑Struktur“ nicht erkennen. Ein gewissenhafter durchschnittlich sorgfältiger Aufsichtsrat, der – wie die Beklagten – die tatsächlich umgesetzte „KG‑Struktur“ nicht kannte, konnte davon ausgehen, dass ein Verkauf von Vermögensgegenständen gegen Zahlung ohne Nachhaftungsrisiken der Klägerin erfolgen wird. Der weitere Verlauf der Umsetzung, so auch die Abweichungen vom Konzept, konnte bis zum 11. 10. 2008 keinem der Aufsichtsräte erkennbar sein. Mit Schreiben vom 11. 10. 2008 kündigte ein Vorstandsmitglied der Klägerin in einer ersten – stark verkürzten – Darstellung der „KG‑Struktur“ an den Fünftbeklagten an, dass es bei der Klägerin aufgrund „der aktuellen Entwicklung“ zu einem Rückstellungsbedarf für eine mögliche Inanspruchnahme aus der Nachhaftung kommen könnte.

[80] 4.9.5. Auch in diesem Zusammenhang leitet das Berufungsgericht eine gebotene Intensivierung der Vorstandskontrolle wiederum aus einer Missachtung von Warnsignalen betreffend das CDS-Neugeschäft sowie aus der – anhand einer IFRS-konformen Parallelbetrachung erkennbaren – Eigenkapitalknappheit ab. Es wurde bereits dargelegt, dass eine diesbezügliche Sorgfaltswidrigkeit der Beklagten jedoch zu verneinen ist (dazu oben Punkt 2.15.).

[81] Vielmehr entsprach das in Aussicht genommene Konzept einer „KG‑Struktur“ einer branchenüblichen Vorgangsweise. Die Beklagten mussten daher aus der (knappen) Ankündigung in der Aufsichtsratssitzung am 18. 6. 2008, dass an dieser Transaktion gearbeitet werde, keinen Hinweis auf das Vorliegen einer Unternehmenskrise entnehmen und unverzüglich weitere Nachforschungen anstellen (zur sich den Beklagten darstellenden grundsätzlichen Lage der Klägerin siehe auch unten Punkt 5. f). Sie durften mangels gegenteiliger Hinweise davon ausgehen, über die weitere geplante Umsetzung informiert zu werden. Gegenteiliges ergibt sich auch aus den Feststellungen zur Transaktion „REPACK“ nicht, zumal Viert- und Fünftbeklagter über „REPACK“ informiert waren und über ihre Nachfrage vom Vorstand und der Bankprüferin dazu weitere Informationen erhalten hatten, die für sie keinen Anlass zu weiteren Nachforschungen gaben (oben Punkt 4.8.3.).

[82] 4.9.6. Nach den Feststellungen war die massive Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der Klägerin für einen gewissenhaften durchschnittlich sorgfältigen Aufsichtsrat aufgrund der Nichtinformation an den Aufsichtsrat nur teilweise und erst mit der Berichterstattung zur Liquidität in der Aufsichtsratssitzung am 24. 9. 2008 erkennbar. Zu diesem Zeitpunkt waren für den Zweit- bis Fünftbeklagten – der Erstbeklagte war mit Wirkung vom 3. 7. 2008 bereits aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden – die bereits vorhandenen Schäden selbst durch die ab diesem Zeitpunkt gebotenen Maßnahmen wie die Anforderung detaillierter Liquiditätspläne, Aufforderung der Geschäftsleitung zur Maßnahmensetzung und Überwachung derselben und unter Umständen Einholung von der Geschäftsleitung unabhängiger Expertisen zur möglichen Problemlösung nicht mehr abwendbar, und die erst in der Folge eingetretenen Schäden wären ebenso eingetreten.

[83] Eine Haftung der Beklagten aus diesem Tatsachenkomplex kommt daher ebenfalls nicht in Betracht.

4.10. „TRANSFORMATOR“:

[84] 4.10.1. Das Konzept zu „TRANSFORMATOR“ sah vor, dass die Klägerin das dafür selektierte Wertpapierportfolio an drei Zweckgesellschaften überträgt und im Gegenzug von einer weiteren, vierten Zweckgesellschaft Treuhandanleihen (Fiduciary Notes) erwirbt, die das Risiko der übertragenen Wertpapiere wieder in die K*-Gruppe zurücktransferierten. Die an die drei Zweckgesellschaften übertragenen Wertpapiere sollten ausgebucht werden können (als bilanzieller Abgang erfasst), und die neu erworbenen Treuhandanleihen sollten bilanziell neu erfasst und dem Loans & Receivables‑Bestand gewidmet werden können.

[85] 4.10.2. Im Rahmen der Umsetzung des „TRANSFORMATORs“ wurde eine Bank mit Asset Management Vertrag vom 25. 9. 2008 von der einer Emissionszweckgesellschaft mit einem Mandat zum Asset Management der Referenzaktiva (von Klägerin und KIB übertragene Wertpapiere) der Fiduciary Notes ausgestattet. Im Vorstandsbeschluss der Klägerin vom 1. 8. 2008 war die Funktion eines Asset Managers nicht vorgesehen. Die Umsetzung des „TRANSFORMATORs“ entsprach daher hinsichtlich der nicht vorgesehenen Beauftragung eines Asset Managers nicht dem Vorstandsbeschluss. Aus der konzeptionell nicht erforderlichen und nicht vom Vorstandbeschluss gedeckten Beauftragung der Bank als Asset Manager resultierten finanzielle Verpflichtungen in Höhe von 7,8 Mio EUR, die im Ausmaß der tatsächlichen Bezahlung durch die Klägerin von 6,125 Mio EUR einen Vermögensnachteil der Klägerin darstellen, dem kein oder nur ein unverhältnismäßig geringerer Nutzen gegenübersteht. Weitere Schäden aus der Transaktion „TRANSFORMATOR“ entstanden nicht.

[86] 4.10.3. Zu „TRANSFORMATOR“ erfolgte bis zur Notverstaatlichung der Klägerin am 8. 11. 2008 keine Information an die Beklagten. Aus welchem Grund die Beklagten diesbezüglich eine nicht näher dargelegte „intensivierte Überwachung“ schuldhaft unterlassen haben sollten, durch die die – auch gar nicht dem Vorstandsbeschluss vom 1. 8. 2008 entsprechende – Beauftragung des Asset Managers und somit ein Schaden von 6,125 Mio EUR verhindert worden wäre, ist nicht erkennbar.

[87] Zum Zeitpunkt der Berichterstattung zur Liquidität in der Aufsichtsratssitzung am 24. 9. 2008 waren nach den Feststellungen für den Zweit- bis Fünftbeklagten – der Erstbeklagte war mit Wirkung vom 3. 7. 2008 bereits aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden – die bereits vorhandenen Schäden nicht mehr abwendbar, und die erst in der Folge eingetretenen Schäden wären ebenso eingetreten.

[88] Auch eine Haftung der Beklagten aus diesem Tatsachenkomplex kommt daher nicht in Betracht.

5. Risiko- und Liquiditätsmanagement:

[89] 5.1. Auch zu diesem Tatsachenkomplex macht die Klägerin die bereits oben dargelegten Schäden aus den Tatsachenkomplexen „KG‑Struktur“ (erworbene alternative Assets) von 42,7 Mio EUR und dem Structured Credit Portfolio (Erwerb der US‑RMBS „Barclays“) von rund 32,5 Mio EUR geltend. Die Beklagten hätten die vorhandenen Mängel im Risiko- und Liquiditätsmanagement erkennen und auf deren Behebung dringen müssen. Ohne dies näher darzulegen, meint die Klägerin, dass dadurch die genannten Schäden verhindert worden wären.

[90] 5.2. Es wurde bereits dargelegt, dass sich nach den Feststellungen am Ankauf der US-RMBS „Barclays“ durch einen durch die beklagten Aufsichtsräte ab dem Frühjahr 2007 geforderten Investmentstopp für US‑RMBS nichts geändert hätte, weil ein solcher Investmentstopp vom Vorstand ohnehin schon umgesetzt war.

[91] 5.3. Zudem wäre – wie festgestellt – bei Vorhandensein eines ausreichenden/ergänzenden Limitsystems für Verbriefungsrisiken und für spezielle Marktrisiken die Risikostrategie des Vorstands ident gewesen mit der tatsächlich in der Klägerin praktizierten Risikostrategie, und es wären die tatsächlich vorgenommenen Investitionen genau so vorgenommen worden. Der Vorstand handelte bei Umsetzung der „KG‑Struktur“ auch bewusst gegen das an sich geeignete Konzept, indem er (unter anderem) die riskanten schadensstiftenden alternativen Assets erwarb.

[92] 5.4. Aus den Quartalsberichten und Halbjahresberichten der Klägerin, jeweils für den Konzern, waren für einen gewissenhaften ordentlich sorgfältigen Aufsichtsrat folgende Informationen herauslesbar: Die Turbulenzen am Kapitalmarkt in Folge der amerikanischen „Sub-Prime“-Krise waren ab 30. 9. 2007 spürbar und dauerten an. Sie erreichten ihren Höhepunkt mit der Lehman‑Insolvenz, die die Emissionstätigkeit der Klägerin auf dem Kapitalmarkt ab Mitte September 2008 zum Erliegen brachte. Bis zum 30. 6. 2008 ermöglichte der gute „Refinanzierungsmix“ und die zeitliche Planung der Klägerin sowie das gute Liquiditätsmanagement der Klägerin, dass die Klägerin als Spezialbank für Public Finance unter diesen Rahmenbedingungen dennoch als „sicherer Hafen“ galt. Das gute Liquiditätsmanagement der Klägerin sollte sich durch eine von den Fundingprodukten Covered Bonds und Private Placements getragene, stabile Emissionstätigkeit und im Vergleich zum Vorjahr nur leicht gestiegenen durchschnittlichen Refinanzierungskosten auszeichnen. Die Liquiditätslage der Klägerin wurde vom Vorstand der Klägerin in den Aufsichtsratssitzungen anhand von Liquiditätskennzahlen oder in Berichtsform dargestellt sowie verbal beschrieben. Nachfragen der Aufsichtsräte wurden plausibel beantwortet.

[93] Im Quartalsabschluss zum 31. 3. 2008 wurde die Risikotragfähigkeit der Klägerin als ausgezeichnet beschrieben, das ökonomische Kapital lag deutlich unter dem tatsächlichen Kernkapital der Klägerin. Die ausgezeichnete Qualität des Forderungsportfolios des Konzerns sollte sich im gewichteten Durchschnittsrating des Gesamtportfolios widerspiegeln, das einem Composite Rating von AA3 (alle Berichtsstichtage außer 30. 9. 2008) entsprechen sollte.

[94] Im Prüfungsausschuss am 26. 3. 2008 erläuterte die Bankprüferin, dass ihre Prüfungsschwerpunkte im Kreditgeschäft, welches keinerlei Sorgen bereitet, in der Emissionstätigkeit sowie bei der Bewertung von Finanzanlagen lagen. Im Prüfbericht der Bankprüferin zum Jahresabschluss der Klägerin zum 31. 12. 2007, der mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen war, wurde beschrieben, dass die Klägerin aufgrund der Finanzmarktkrise durch kurzfristige Veranlagungen bei ausgewählten Kreditinstituten verstärkt eine Liquiditätsvorsorge aufgebaut hatte. Weiters wurde berichtet, dass die Klägerin zur Liquiditätsrisikobegrenzung ein Limit implementiert hatte, das die periodischen und kumulierten negativen Liquiditätsüberhänge in Relation zur definierten Liquiditätsreserve begrenzte. Die detaillierte Cashflow-Analyse, bei der alle Zahlungsströme (Zinsen, Tilgungen, Fees) für die Gesamtlaufzeit aller On- und Off-Balance-Geschäfte berücksichtigt wurden, sollte eine effiziente Emissionsplanung und Steuerung von Liquiditätsrisiken ermöglichen. Die Bankprüferin hat für die Geschäftsjahre 2005 bis 2007 im bankaufsichtsrechtlichen Prüfbericht/Anlage zum Prüfbericht jeweils bestätigt, dass sämtliche Sorgfaltsbestimmungen des § 39 Abs 1 und 2 BWG für das Geschäftsjahr 2007 eingehalten wurden.

[95] Im Anhang zum Prüfbericht 2007 wurde von der Bankprüferin weiters erläutert, dass die Unterlagen der Klägerin zur Finanz- und Liquiditätsplanung daraufhin durchgesehen wurden, ob daraus wesentliche Risiken für die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit erkennbar waren, und ob die Annahmen, die bei der Erstellung dieser Unterlagen zugrunde gelegt wurden, plausibel waren. Schließlich wurde das Liquiditätsmanagement der Klägerin hinsichtlich möglicher „Auswirkungen der Vertrauenskrise auf den Finanzmärkten auf die Liquiditätssituation“ beschrieben. Sämtliche Erläuterungen, die auch die im Jänner 2008 durchgeführte Emission eines 4‑jährigen Covered Bond mit einem Nominale von 1 Mrd EUR beinhalteten, endeten ohne Feststellung.

[96] 5.5. Anhaltspunkte für einen gewissenhaften ordentlich sorgfältigen Aufsichtsrat dafür, dass ein erhöhter Liquiditätsbedarf zur Deckung von Liquiditätslücken der Klägerin besteht, gab es durch die Kenntnis der US‑Subprime Krise ab dem zweiten Halbjahr 2006 und durch die Kenntnis der Vertrauenskrise auf den Finanzmärkten im August 2007 verbunden mit den in den Aufsichtsratsunterlagen angeführten Liquiditätskennzahlen, bei denen sich seit der Aufsichtsratssitzung am 26. 9. 2007 eine verschärfte Risikolage und eine kontinuierliche Annäherung an das Risikolimit zeigte. Auch gewissenhafte durchschnittlich sorgfältige Aufsichtsräte – wie im Konkreten die Beklagten – hatten aufgrund der bei und nach der Aufsichtsratssitzung am 26. 9. 2007 erteilten Auskünfte und Berichte des Vorstands der Klägerin zur Liquidität bis zur Aufsichtsratssitzung am 24. 9. 2008 keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Liquiditätslücken nicht geschlossen werden können.

[97] 5.6. Erst nach dem in der Aufsichtsratssitzung am 24. 9. 2008 erhaltenen Bericht zu signifikanten Limitüberschreitungen der Liquiditätskennzahlen bei wesentlich konservativerer (weiterer) Messung des Liquiditätsrisikos verbunden mit der festgestellten Überschreitung der Liquiditätskennzahlen per Ende Juli und August 2008 nach der bisherigen Messung des Liquiditätsrisikos waren – insbesondere in Verbindung mit den Marktverwerfungen nach der neun Tage zuvor stattgefundenen Lehman‑Insolvenz – Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass eine unüberbrückbare Liquiditätslücke bei der Klägerin eintreten kann.

[98] Zu diesem Zeitpunkt waren für den Zweit- bis Fünftbeklagten – der Erstbeklagte war mit Wirkung vom 3. 7. 2008 bereits aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden – die bereits vorhandenen Schäden selbst durch die ab diesem Zeitpunkt gebotenen Maßnahmen wie die Anforderung detaillierter Liquiditätspläne, Aufforderung der Geschäftsleitung zur Maßnahmensetzung und Überwachung derselben und unter Umständen Einholung von der Geschäftsleitung unabhängiger Expertisen zur möglichen Problemlösung nicht mehr abwendbar, und die erst in der Folge eingetretenen Schäden wären ebenso eingetreten.

[99] 5.7. Auch aus diesem Sachverhalt lässt sich ein schadenskausaler Vorwurf unterbliebener (intensivierter) Kontroll- und Überwachungstätigkeit durch die Beklagten somit nicht ableiten.

[100] 6. Die Rechtsmittel der Beklagten haben daher Erfolg. Auf die Frage der Zurechnung der in der KIB entstandenen Schäden oder die diesbezügliche Auswirkung der nachfolgenden Verschmelzung der KIB auf die Klägerin muss nicht mehr eingegangen werden. Die klagsabweisende Entscheidung des Erstgerichts ist wiederherzustellen.

[101] 7. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 41 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 ZPO. Für die an die in Frankreich wohnhaften Antragsteller erbrachten rechtsanwaltlichen Leistungen gilt das Unternehmerortprinzip (§ 3a Abs 7 UStG), weshalb österreichische Umsatzsteuer zuzusprechen ist (vgl 3 Ob 7/23k [ErwGr I.10.]; RS0114955 [T15]).

[102] Bei einer Wiederherstellung des Ersturteils ist nach ständiger Rechtsprechung (6 Ob 59/21a; RS0036069 [T1]) auf die Argumente eines Kostenrekurses Bedacht zu nehmen, den das Berufungsgericht wegen der Abänderung bzw Aufhebung in der Hauptsache nicht zu behandeln hatte.

[103] Den im Kostenrekurs des Erst- bis Drittbeklagten erstatteten Ausführungen kommt großteils Berechtigung zu. Zutreffend zeigt der Kostenrekurs auf, dass das Erstgericht bei der Kostenbestimmung offenbar irrtümlich betreffend die letzte Tagsatzung vom 8. 3. 2022 anstelle des verzeichneten Ansatzes der TP 3A RATG von dem durchgestrichenen und damit gar nicht verzeichneten Ansatz nach TP 2 RATG ausging. Das war zu korrigieren. Zusätzlich zu den vom Kostenrekurs ohnehin nicht bekämpften Abzügen von 12.655,26 EUR (inklusive Umsatzsteuer) hat das Erstgericht – entsprechend den Kosteneinwendungen der Klägerin – erkennbar aber auch die Kosten von 482,82 EUR (inklusive Umsatzsteuer) für die Zurückziehung des Antrags auf Senatsbesetzung vom 19. 3. 2015 nicht zugesprochen, wogegen der Rekurs keine Ausführungen enthält. Unter Berücksichtigung dieses weiteren Abzugs waren dem Erst- bis Drittbeklagten in Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung Kosten von 2.131.120,02 EUR (inklusive Umsatzsteuer) zuzusprechen.

[104] Ihnen stehen aufgrund des nur geringfügigen Unterliegens die Kosten ihres Kostenrekurses zu, was in die Kostenentscheidung des Rechtsmittelverfahrens eingeflossen ist.

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