European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130251
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
I. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind im Umfang der in der Revision erfolgten Klagseinschränkung um 4,93 Mio EUR samt Anhang Zug um Zug gegen Übergabe von 246.500 Stück W*-Aktien wirkungslos.
II. Der Revision wird im Übrigen Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist eine reine Konzernholdinggesellschaft, die unter anderem 36,39 % an der W* AG hält, die ebenfalls eine reine Konzernholdinggesellschaft ist und unter anderem 100 % an der W* S* AG hielt. Die W*-Gruppe war in unterschiedlichen Geschäftsfeldern tätig, unter anderem im Anlagenbau, im Stahlbau und in der Vermietung von Liegenschaften.
[2] Der Beklagte ist Jurist und Steuerberater und war seit 2000 in verschiedenen Funktionen in den Konzerngesellschaften der Familie L* tätig, so von 2013 bis Oktober 2018 als Mitglied des Vorstands der Klägerin und als Vorsitzender des Vorstands der W* AG, an der er über die J*-GmbH, deren selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter er ist, 25,06 % hielt. Diese Beteiligung war durch ein Darlehen der Klägerin finanziert worden, wobei die Möglichkeit der jederzeitigen schuldbefreienden Hingabe der Anteile bestanden hatte, die dann auch erfolgt war. Sämtliche Stimmrechte und mit dem Aktienpaket der J*-GmbH an der W* AG zusammenhängenden Rechte und Pflichten standen aufgrund der gegebenen Vertragssituation der Klägerin zu, die damit de facto bestimmende Mehrheitsaktionärin der W* AG war.
[3] Die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats und des Vorstands der Klägerin, die am 10. 4. 2013 vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats Dr. G* unterfertigt worden war, bestimmt in Punkt II.:
(2) Die nachstehenden Genehmigungsvorbehalte beziehen sich nicht nur auf die L* AG selbst, sondern auch auf die mit dieser gemäß § 228 Abs 3 UGB verbundenen Unternehmen.
Im nachstehenden Katalog der genehmigungspflichtigen Geschäfte ist jeweils angemerkt, ob sich der Genehmigungsvorbehalt auf die jeweilige Teilkonzernholding („H“) (W* AG, B*+Co AG, W* GmbH) oder auch auf die mit ihr verbundenen Unternehmen („K“) bezieht.
(3) Zu nachfolgenden Geschäften bedarf der Vorstand der Zustimmung des Aufsichtsrats:
[...]
Die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und Patronatserklärungen für Leistungen Dritter, einschließlich verbundener Unternehmen |
H |
[...]
[4] Die Geschäftsordnung für den Vorstand der W* AG, die am 10. 10. 2013 vom Vorstand und vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats unterfertigt worden war, bestimmt in § 4 Z 1:
Folgende Angelegenheiten der Gesellschaft und ihrer Tochtergesellschaften bedürfen der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats:
[…]
j) die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und Patronatsverpflichtungen.
[...]
[5] Im Mai 2017 und im Jänner 2018 übergab die W* AG der *bank * AG je einen jeweils vom Beklagten als Vorstandsvorsitzenden und dem Finanzvorstand der W* AG gezeichneten Letter of Comfort, den der Beklagte nicht dem Aufsichtsrat der Klägerin zur Genehmigung vorgelegt hatte, mit auszugsweise folgendem Wortlaut:
Should it be necessary to support W* S* AG, W* AG will provide all reasonable support to W* S* AG in fulfilling the latter‘s obligations deriving from the Contract, as well as W* S* AG‘s all contractual and financial obligations towards *bank * AG under abovementioned USD 20.5 mln [im Jahr 2018: 35.5 mln] Guarantee Frame Agreement.
We hope that this information was of help to you.
[6] Im Sommer 2018 kam es beim W*Projekt L* in S*, Russland, zu gehäuften Glasbrüchen, die dazu führten, dass der Auftraggeber des Projekts, die russische R* JSC, die Fortschrittszahlungen einstellte.
[7] Am 23. 10. 2018 wurden über das Vermögen der W* S* AG (zum damaligen Zeitpunkt bereits umfirmiert auf S* AG) und am 31. 10. 2018 auch über das Vermögen der W* AG Insolvenzverfahren eröffnet.
[8] Die Klägerin begehrte zunächst vom Beklagten Zahlung von 5 Mio EUR Zug um Zug gegen Übergabe von 250.000 Stück W*-Aktien aus dem Titel des Schadenersatzes nach § 84 Abs 1 bis 3 AktG. Der Beklagte hätte die Zustimmung des Aufsichtsrats der Klägerin vor Abgabe der harten Patronatserklärungen darstellenden Letters of Comfort einzuholen gehabt. Hätte er dies getan, hätte sie der Aufsichtsrat der Kläger jedoch nicht genehmigt, weshalb in weiterer Folge die *bank * AG keine Garantie ausgestellt und W* S* AG nicht den Zuschlag für das Projekt L* erhalten hätte. Folglich wäre sodann die W* AG auch nicht in die Insolvenz geschlittert.
[9] Der Beklagte wandte ein, der von der Klägerin geltend gemachte Schaden sei lediglich ein nicht ersatzfähiger mittelbarer, somit ein Reflexschaden. Die Ausstellung der Letters of Comfort sei kein aufsichtsratspflichtiges Geschäft, sondern eine weiche Patronatserklärung gewesen, also eine einfache Bemühenszusage ohne Verpflichtungscharakter, weshalb auch die *bank * AG nie versucht habe, daraus Ansprüche gegen die W* AG geltend zu machen. Hätte der Beklagte die Geschäfte dennoch dem Aufsichtsrat der Klägerin vorgelegt, hätte dieser sie auch genehmigt. Im Übrigen sei die Fertigung der Letters of Comfort nicht kausal für die Insolvenz der W* AG gewesen, sondern hätten vielmehr Zahlungsrückstände von Kunden und technische Probleme zur Liquiditätskrise der W* S* AG geführt. Schließlich habe die Klägerin gegen ihre Schadensminderungspflichten verstoßen, indem sie eine notwendige Zwischenfinanzierung in Höhe von lediglich 2 Mio EUR verweigert habe.
[10] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab. Das Berufungsgericht sprach darüber hinaus aus, dass die Revision zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der organschaftlichen Haftung eines Doppelmandatsträgers im Konzerngefüge in einem Fall, in dem dieser für sein Handeln in einer Konzernuntergesellschaft organschaftlich in der Obergesellschaft mit der Begründung zur Verantwortung gezogen werden soll, dass das Geschäft der Untergesellschaft durch den Aufsichtsrat der Obergesellschaft genehmigt hätte werden müssen und dass das Unterlassen der Einholung dieser Genehmigung als pflichtwidrige Ausübung der Geschäftsleitung für die Obergesellschaft zu qualifizieren sei.
[11] In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, die Klägerin übersehe mit ihrer Auffassung, der Beklagte habe es in Ausübung seiner Funktion als Vorstand der Klägerin entgegen deren Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat und den Vorstand unterlassen, die Zustimmung des Aufsichtsrats der Klägerin für die Patronatserklärungen einzuholen, und damit eine Sorgfaltswidrigkeit bei der Ausübung seiner Vorstandsfunktion bei der Klägerin zu verantworten, dass der Beklagte in seiner Funktion als Vorstand der Klägerin keine Geschäftsleitungsbefugnis, beispielsweise durch Erteilung von bindenden Weisungen, bei der W* AG innegehabt habe; ohne eine derartige Geschäftsführungsbefugnis habe der Beklagte auch keine Geschäftsführungspflicht verletzen können. Die von der Klägerin vertretene Auffassung stehe in einem unauflösbaren Widerspruch mit den Gläubigerschutzvorschriften des Aktiengesetzes sowie dem in § 47a AktG statuierten Gleichbehandlungsgebot der Aktionäre, soll doch die gesetzgeberische Entscheidung dafür, dass gemäß § 84 AktG im Regelfall organschaftliche Pflichtverletzungen grundsätzlich nur zu einer Innenhaftung und damit zu einer Haftungskonzentration bei der Aktiengesellschaft führen, dafür sorgen, dass die Schadenersatzleistungen von Organmitgliedern den Aktionären und den Gesellschaftsgläubigern in gleicher Weise zugute kommen. Da zum Zeitpunkt, als die in Rede stehenden Patronatserklärungen durch die W* AG abgegeben wurden, die Klägerin nur mit 36,39 % Aktionärin der W* AG gewesen sei, würde ein Zugriff der Klägerin auf den für sorgfaltswidrige Geschäftsführungstätigkeit bestehenden Haftungsfonds, nämlich auf das Vermögen des Beklagten, die Befriedigungsrechte der Gläubiger und der anderen Aktionäre der W* AG ungerechtfertigt schmälern. Solange die konzermäßig verbundenen Unternehmen – wie hier – keinen Beherrschungsvertrag abschließen, der eines Hauptversammlungsbeschlusses mit 3/4-Mehrheit bedurft hätte und Gläubigerschutz‑ und Minderheitsaktionärsschutzbestimmungen hätte enthalten müssen, mit dem Geschäftsleitungsbefugnisse der Obergesellschaft übertragen werden, komme ein direkter Schadenersatzanspruch eines Aktionärs wegen Verletzung von Geschäftsleitungspflichten in der Untergesellschaft auf das Vermögen des Vorstands der Untergesellschaft auch dann nicht in Frage, wenn dieser Vorstand Doppelmandatsträger und zeitgleich auch Vorstandsmitglied der Obergesellschaft ist. Das Erstgericht sei somit zu Recht davon ausgegangen, dass das Schadenersatzbegehren der Klägerin einen Reflexschaden darstelle, der unmittelbar nur der W* AG entstanden ist. Die Geschäftsordnung für den Vorstand der W* AG wiederum habe eine Genehmigung von Bürgschaften, Garantien und Patronatsverpflichtungen durch die Klägerin nicht vorgesehen.
[12] Abgesehen davon habe die Klägerin auch nicht schlüssig die Kausalität des dem Beklagten vorgeworfenen Verhaltens für den eingetretenen Schaden, nämlich die Insolvenz der W* AG als Folge der Abgabe der Patronatserklärungen, behauptet, hatten doch die Aufsichtsräte der Klägerin und der W* AG dem Projekt „L*“ zugestimmt, und zwar für den ersten Teil des Projekts (Multifunctional Building) am 7. 12. 2015 und für dessen zweiten Teil (Arch) am 7. 12. 2016, während die Unterfertigung der Letters of Comfort durch die W* AG erst am 18. 5. 2017 und im Jänner 2018 stattgefunden habe. Der Vertragsabschluss als solcher sei damit in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Abgabe der Letters of Comfort durch die W* AG gestanden. Dies gelte auch für die bei Vertragserfüllung aufgetretenen Probleme, nämlich die Glasbrüche.
Rechtliche Beurteilung
[13] ad I. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine Klagseinschränkung im Rechtsmittelverfahren – solange eine gänzliche Klagsrücknahme zulässig ist – unter denselben Voraussetzungen wie im Verfahren erster Instanz zulässig, wobei die Einschränkung des Klagebegehrens nicht an die Voraussetzungen der Klagsrücknahme gebunden ist (RS0039644). Dies gilt auch im Revisionsverfahren, wobei die Klagseinschränkung selbst noch in der Revisionsbeantwortung erfolgen kann (2 Ob 275/05p; 6 Ob 19/16m; 4 Ob 66/19p). Im Hinblick auf die von der Klägerin im Revisionsverfahren vorgenommene Klagseinschränkung um 4,93 Mio EUR samt Anhang Zug um Zug gegen Übergabe von 246.500 Stück W*-Aktien war gemäß §§ 483 Abs 3, 513 ZPO auszusprechen, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen im Umfang dieser Klagseinschränkung wirkungslos sind (2 Ob 238/17i).
[14] ad II. Die Revision ist hinsichtlich des übrigen Klagebegehrens zulässig; sie ist auch berechtigt.
[15] 1. Die Klägerin stützt ihre Schadenersatzansprüche auf eine (angebliche) Verletzung der Verpflichtung des Beklagten, die Abgabe der Patronatserklärungen zu Lasten der W* AG nicht dem Aufsichtsrat der Klägerin zur Genehmigung vorgelegt zu haben. Dem tritt der Beklagte auch noch im Revisionsverfahren mit der Begründung entgegen, die Letters of comfort hätten lediglich einen „informationellen“ Charakter und enthielten keinerlei Verpflichtung zur Mittelbereitstellung. Dem ist nicht zu folgen:
[16] 1.2. Der Begriff der Patronatserklärung ist als Mittel der Kreditsicherung eine Sammelbezeichnung für eine Vielzahl von Erklärungen einer vom Kreditnehmer verschiedenen, zu diesem jedoch regelmäßig in einem Naheverhältnis stehenden Person, dem Patron, die einen unterschiedlichen Inhalt haben können: Je nach ihrem Inhalt reichen sie von völlig unverbindlichen Erklärungen bis zum Garantievertrag; ist der objektive Aussagewert der Patronatserklärung zweifelhaft, ist ihr rechtlicher Gehalt nach den Auslegungsregeln der §§ 914 f ABGB zu ermitteln (RS0016949). Nach der Entscheidung 4 Ob 151/10z ist zwischen „harten“ und „weichen“ Patronatserklärungen zu unterscheiden, wobei der konkrete Inhalt der (allenfalls) bestehenden Verpflichtung durch Auslegung zu ermitteln ist. Nur die „harte“ Patronatserklärung hat klare Konturen. Sie ist durch die Übernahme der Verpflichtung gekennzeichnet, den Schuldner – regelmäßig eine Tochtergesellschaft – so auszustatten, dass er seine Schulden zurückzahlen kann. Hingegen können „weiche“ Patronatserklärungen einerseits unverbindliche Äußerungen sein, die dem Empfänger nicht mehr als ein „warm feeling“ verschaffen sollen, andererseits aber auch rechtlich verbindliche Handlungszusagen. Liegt eine Handlungspflicht vor, kann deren Verletzung Schadenersatzansprüche auslösen; auch bei der Verwendungszusage wird nämlich der Versprechende ersatzpflichtig, wenn er sich nicht oder nicht mit der gehörigen Sorgfalt verwendet (7 Ob 572/85).
[17] Neben „harten“ und „weichen“ Paronatserklärungen werden auch reine „Gutwillenserklärungen“ genannt, die keine rechtlichen Verpflichtungen begründen (G. Neumayer/Th. Rabl in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 1347 Rz 92; vgl auch S. Leitner, Die Patronatserklärung, ÖBA 2002, 517).
[18] 1.3. Die vom Beklagten für die W* AG unterfertigten Letters of comfort – bei diesem Begriff handelt es sich um die englische Übersetzung des Wortes „Patronatseklärung“ (vgl 4 Ob 151/10z; S. Leitner, ÖBA 2002, 517) – enthalten unter anderem die Erklärung, „sollte es notwendig werden, die W* S* AG zu unterstützen, [werde] die W* AG jede angemessene Unterstützung der W* S* AG zuteil werden lassen, damit Letztere ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag nachkommen und damit Letztere allen vertraglichen und finanziellen Verpflichtungen gegenüber der *bank * AG aus dem Garantierahmenverträgen [...] nachkommen kann“. Damit ist aber die Auffassung des Erstgerichts, es habe sich nicht um Patronatserklärungen gehandelt, nicht zu teilen: Es werden ja tatsächlich verbindliche Handlungszusagen gemacht; den Patronatserklärungen fehlt es somit nicht an jeglichem Verpflichtungscharakter, vielmehr wird immerhin ein Bemühen geschuldet, dessen Verletzung schadenersatzpflichtig macht. Dagegen spricht auch nicht die abschließende Formulierung „We hope this information was of help for you“, weil diese Floskel allein keinen bestimmten Bedeutungsinhalt hat und nichts daran ändert, dass davor die Zusage gemacht wird, „W* AG will provide all reasonable support to W* S* AG in fulfilling the latter‘s obligations“.
[19] Damit ist aber – entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung – davon auszugehen, dass die beiden „Letters of comfort“ den Aufsichtsratszustimmungsklauseln der Geschäftsordnungen der Klägerin und der W* AG zu subsumieren sind.
[20] 2. Nach § 84 Abs 1 und 2 AktG haben die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Über vertrauliche Angaben haben sie Stillschweigen zu bewahren. Vorstandsmitglieder, die ihre Obliegenheiten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Sie können sich von der Schadenersatzpflicht durch den Gegenbeweis befreien, dass sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewendet haben.
[21] 2.1. Wie bereits die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, ist die Haftung des Geschäftsführers im Kapitalgesellschaftsrecht grundsätzlich als Innenhaftung konzipiert, sodass eine Haftung nur der Gesellschaft gegenüber besteht, nicht jedoch gegenüber dem einzelnen Gesellschafter (vgl https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Gericht=&Rechtssatznummer=RS0059432&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False&GZ=&VonDatum=&BisDatum=28.10.2020&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Position=1&SkipToDocumentPage=true&ResultFunctionToken=3152ddcf-adb7-4438-bf5f-a3fa2cb69b96&Dokumentnummer=JJR_19770331_OGH0002_0060OB00575_7700000_005 ). Nachteile im Vermögen der Gesellschafter, die lediglich den Schaden der Gesellschaft reflektieren, gewähren dem Gesellschafter auf keinen Fall direkten deliktischen Schutz gegenüber dem Geschäftsführer (RS0059432 [T1]; vgl auch https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Gericht=&Rechtssatznummer=RS0117571&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False&GZ=&VonDatum=&BisDatum=28.10.2020&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Position=1&SkipToDocumentPage=true&ResultFunctionToken=7cbb666f-67e0-4724-8e33-981d797fc895&Dokumentnummer=JJR_20030424_OGH0002_0030OB00288_02B0000_001 ). Der Gesellschafter kann daher den Wertverlust seiner Beteiligung nicht direkt gegenüber dem Geschäftsführer geltend machen (vgl https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Gericht=&Rechtssatznummer=RS0061480&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False&GZ=&VonDatum=&BisDatum=28.10.2020&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Position=1&SkipToDocumentPage=true&ResultFunctionToken=2768a699-0d38-4a95-8f40-e13d1e64adf9&Dokumentnummer=JJR_19891121_OGH0002_0040OB00603_8900000_001 [T1]).
[22] Davon ausgehend ist das Berufungsgericht zutreffend (entgegen der von der Klägerin im Revisionsverfahren vertretenen Auffassung) zum Ergebnis gelangt, dass die Klägerin einen allfälligen Schaden, der darin liegen würde, dass ihre Beteiligung an der W* AG weniger wert wurde, weil der Beklagte Pflichten als Organ der W* AG verletzt habe, nicht gegen den Beklagten geltend machen kann. Wenn der Beklagte der Klägerin dadurch einen Schaden zugefügt haben sollte, dass er als Vorstand der W* AG schlecht gehandelt hat, dann handelt es sich um einen nicht ersatzfähigen Reflexschaden. Denn wenn die W* AG im Sinne der „Innenhaftung“ ihre Ansprüche gegen den Beklagten geltend machte und dadurch Vermögen erlangte, dann würde auch der Anteil der Klägerin an der W* AG wieder mehr wert, und es wäre der Schaden auch der Klägerin wieder ausgeglichen (vgl https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Gericht=&Rechtssatznummer=&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True&GZ=2ob591/94&VonDatum=&BisDatum=28.10.2020&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Position=1&SkipToDocumentPage=true&ResultFunctionToken=72d69aff-6569-4b30-b031-ce0d977f1e25&Dokumentnummer=JJT_19941222_OGH0002_0020OB00591_9400000_000 ).
[23] 2.2. Die Klägerin stützt ihre Ansprüche auf einer zweiten Ebene aber auch darauf, dass der Beklagte auch Organ der Klägerin war. Sollte der Beklagte in dieser Funktion eine ihn gegenüber der Klägerin treffende Verpflichtung als deren Vorstand verletzt und damit der Klägerin einen Schaden zugefügt haben, dann würde ihr grundsätzlich ein Schadenersatzanspruch zustehen, was aber vom Beklagten in seiner Revisionsbeantwortung bestritten wird. Dazu hat der erkennende Senat erwogen:
[24] 2.2.1. Die Klägerin stützt ihren Vorwurf gegenüber dem Beklagten auf die in ihrer Geschäftsordnung des Aufsichtsrats und des Vorstands angeordnete Bestimmung, wonach die Übernahme von Patronatserklärungen für verbundene Unternehmen auch in Bezug auf die Konzernholding W* AG dem Aufsichtsrat der Klägerin vorzulegen gewesen wäre. Das Berufungsgericht vertrat dazu die Auffassung, dass dem Beklagten in seiner Funktion als Vorstand der Klägerin nicht die Befugnis zugekommen sei, geschäftsleitend bei der W* AG einzugreifen.
[25] 2.2.2. In Österreich existiert kein kodifiziertes Konzernrecht; § 15 AktG beschränkt sich auf eine Definition des Konzerns, sodass dieser Bestimmung lediglich der normative Gehalt entnommen werden kann, dass der Konzern nicht grundsätzlich verboten ist (vgl Auer in Artmann/Karollus, AktG I6 § 15 Rz 2 und 20; vgl auch Peter Doralt/Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 15 Rz 6 und 20). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der Konzern allerdings – gleichviel ob er auf vertraglicher Grundlage oder auf faktischen Zusammenschluss beruht – keine Gesellschaft, sondern zeigt bloß ein bestimmtes „Verbundenheitsverhältnis“ zwischen Unternehmen an, die zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst sind; dem Konzern selbst kommt keine Rechtsfähigkeit zu (RS0049295).
[26] Daraus schließt wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung, dass aus dem bloßen Bestehen eines Konzerns noch nicht die Haftung von Geschäftsführern der beherrschenden Unternehmen für wettbewerbswidrige Handlungen irgendeines dem Konzern angehörenden, rechtlich selbständigen Unternehmens abgeleitet werden könne (RS0049307).
[27] Außerdem wird aus der rechtlichen Selbständigkeit der Konzernunternehmen abgeleitet, dass es keine besonderen Konzernorgane gibt, weshalb etwa in der Praxis nicht selten verwendete Bezeichnungen wie „Konzernvorstand“ oder „Konzernaufsichtsrat“ irreführend sind; es gibt solche Organe – rechtlich gesehen – schlicht nicht (vgl Enzinger/Kalss in Kalss/Kunz, Handbuch Aufsichtsrat² Kap 31 Rz 6; Eckert/Gassauer-Fleissner, Überwachungspflichten des Aufsichtsrats im Konzern, GeS 2004, 416 [419]). Der Vorstand der Muttergesellschaft bleibt auch nach Begründung des Konzerns nur der Vorstand der herrschenden Gesellschaft und ist nicht Vorstand jeder einzelnen Konzerngesellschaft, somit nicht Konzernvorstand (vgl Enzinger/Kalss aaO Rz 24). Vorstand und Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft sind – aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Position – gerade nicht befugt, in die Leitung der „untergeordneten“ Konzernglieder direkt – wie in der eigenen Gesellschaft – einzugreifen bzw rechtlich verbindliche Weisungen zu erteilen (Schima/Arlt in Haberer/Krejci, Konzernrecht Kap 9 Rz 9.14; ähnlich Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht² Rz 3/1108). Auch der Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft ist nur Aufsichtsrat der Obergesellschaft und nicht des Konzerns (Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 95 Rz 33), womit der Aufsichtsrat der herrschenden Gesellschaft nur das Verhalten deren Vorstands, nicht aber das Verhalten der Geschäftsführungen der nachgeordneten Gesellschaften zu überwachen hat (Enzinger/Kalss aaO Rz 34).
[28] 2.2.3. Allerdings entspricht es der üblichen Praxis, dass den Vorständen der Konzerngesellschaften von der Konzernleitung (etwa dem Vorstand der Obergesellschaft) Weisungen erteilt werden, die auch ungeachtet der Weisungsfreiheit nach § 70 Abs 1 AktG de facto befolgt werden; dass konzernrechtliche Weisungen nicht schlechthin der Nichtigkeit anheimfallen, solange sie den Vorstand nicht an der Wahrung der Unternehmensinteressen der beherrschten Gesellschaft hindern, erscheint nach der Entscheidung 9 ObA 28/07v als gangbare Lösung, um das beträchtliche Interesse der Wirtschaft an „funktionierenden" Konzernen mit der zwingenden Regelung des § 70 AktG in Einklang zu bringen (vgl auch Schima/Arlt in Haberer/Krejci, Konzernrecht Kap 9 Rz 9.29 und Rz 9.122 ff; Schima, Zustimmungsvorbehalte als Steuerungsmittel des Aufsichtsrates in der AG und im Konzern, GesRZ 2012, 35 [III.3.]).
[29] 2.2.3.1. Grundsätzlich ist daher nach herrschender Lehre eine gewisse „Konzernleitungspflicht“ des Vorstands der Muttergesellschaft anzuerkennen (vgl Schima/Arlt aaO Kap 9 Rz 9.37 ff; Kalss, Leitung und Überwachung im Konzern, Aufsichtsrat aktuell 2009 H 3, 4; Feltl, Die Leitungsverantwortung des Vorstands im Konzern, ecolex 2010, 358; Frotz/Spitznagel, Zur konzernweiten Wirkung von Zustimmungsvorbehalten des Aufsichtsrates einer AG, RWZ 2011/46; Enzinger/Kalss in Kalss/Kunz, Handbuch Aufsichtsrat² Kap 31 Rz 25). Die Organe der Muttergesellschaft leiten nicht nur die Muttergesellschaft; vielmehr erfasst die Leitungstätigkeit auch die Gesellschaften, an denen die Gesellschaft beteiligt ist (Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht² Rz 3/1107), weshalb sich die Organe der herrschenden Gesellschaft nicht ausschließlich auf die Leitung und Überwachung des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens beschränken dürfen (Peter Doralt/Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 15 Rz 60).
[30] 2.2.3.2. Dies ist auch in der Rechtsprechung anerkannt: Die Entscheidung 7 Ob 700/88, die die Abberufung eines Geschäftsführers einer Dachgesellschaft mit beschränkter Haftung zum Gegenstand hatte, führte aus, den Geschäftsführer einer Dachgesellschaft treffe auch im Verhältnis zur eigenen Gesellschaft die Pflicht zur ordnungsgemäßen Konzernleitung. Überwacht er dabei Tochtergesellschaften schlecht, verletze er seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung der Dachgesellschaft; nichts anderes könne gelten, wenn der Geschäftsführer der Dachgesellschaft auch Geschäftsführer der übrigen Konzerngesellschaft ist. In diesem Fall habe er auch im Rahmen seiner Stellung als Geschäftsführer der Dachgesellschaft sein – konzernwidriges – Verhalten als Geschäftsführer anderer Konzerngesellschaften zu vertreten.
[31] 2.2.3.3. Bei der Frage, wie genau diese Konzernleitung auszusehen hat, besteht allerdings ein gewisses Ermessen im Sinne der Business Judgement Rule (vgl Rüffler, Organhaftung und Konzern, in Artmann/Rüffler/Torggler, GVÖ Band 3: Die Organhaftung 13 [16 f]; Enzinger/Kalss in Kalss/Kunz, Handbuch Aufsichtsrat² Kap 31 Rz 25). Je nach Lage des Einzelfalls hat die „Konzernleitung“ straffer oder lockerer zu erfolgen (vgl Peter Doralt/Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 15 Rz 60), wobei es unter anderem auch darauf ankommen wird, ob eine „unternehmerische“ oder eine „kapitalistische“ (vermögensveranlagende) Beteiligung vorliegt (Eckert/Gassauer-Fleissner, GeS 2004, 416 [420]).
[32] 2.2.4. Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft hat nach § 95 Abs 1 AktG die Pflicht, die Geschäftsführung zu überwachen. Im Konzern erweitert sich diese Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats allerdings um die Überwachung der Tätigkeit des Vorstands in Zusammenhang mit dessen Konzernüberwachung und Konzernleitung (Schima/Arlt in Haberer/Krejci, Konzernrecht Kap 9 Rz 9.52; Eckert/Gassauer-Fleissner, GeS 2004, 416 [422]).
[33] 2.2.4.1. Damit hat der Aufsichtsrat der Muttergesellschaft deren Vorstand bei seiner Konzernleitung zu überwachen; er hat nicht nur die Tätigkeit des Vorstands der Muttergesellschaft bezogen auf die Muttergesellschaft zu überwachen, sondern auch die Tätigkeit des Vorstands der Muttergesellschaft bezogen auf die verbundenen Unternehmen, somit auf den gesamten Konzern (Kalss, Leitung und Überwachung im Konzern, Aufsichtsrat aktuell 2009 H 3, 4; ähnlich Frotz/Schörghofer in Kalss/Kunz, Handbuch Aufsichtsrat² Kap 11 Rz 22; Enzinger/Kalss in Kalss/Kunz, Handbuch Aufsichtsrat² Kap 31 Rz 35). In diesem Sinne ist auch der Aufsichtsrat der Muttergesellschaft zur Konzernüberwachung berufen (Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht² Rz 3/1110) und hat die Entwicklung in den Konzerntöchtern (und ‑enkeln) so weit zu verfolgen, als es sich um für die Muttergesellschaft wirtschaftliche Aktivitäten oder Vermögensbindungen handelt und er zu beurteilen hat, ob und wie der Vorstand der Muttergesellschaft auf die nachgeordneten Unternehmen Einfluss nehmen soll (Enzinger/Kalss in Kalss/Kunz, Handbuch Aufsichtsrat² Kap 31 Rz 36).
[34] 2.2.4.2. In diesem Sinn stellte die Entscheidung 2 Ob 112/12b (ErwGr 5.2.1) klar, dass der Aufsichtsrat der herrschenden Gesellschaft zwar Organ der Obergesellschaft und nach Maßgabe des § 70 AktG ausschließlich deren Interessen verpflichtet ist, nicht aber den Interessen der Untergesellschaften oder einem „Konzerninteresse“; der Aufsichtsrat habe nur das Verhalten des Vorstands der herrschenden Gesellschaft, nicht das Verhalten der Geschäftsführungen der nachgeordneten Gesellschaften zu überwachen. Zu den Aufgaben des Aufsichtsrats zähle aber jedenfalls (auch) die Überwachung und Beratung des Vorstands der Obergesellschaft bei der Konzernleitung (sofern diese tatsächlich ausgeübt wird), weil es sich dabei um eine Geschäftsführungsangelegenheit im Sinn des § 95 Abs 1 AktG handelt; der Aufsichtsrat habe die Entwicklung in den Konzerntöchtern (und -enkeln) so weit zu verfolgen, als es sich um für die Obergesellschaft wesentliche wirtschaftliche Aktivitäten oder Vermögensbindungen handelt und er zu beurteilen hat, ob und wie der Vorstand der Obergesellschaft auf die nachgeordneten Unternehmen Einfluss nehmen soll; es träfen ihn also auch „konzerndimensionale“ Überwachungsaufgaben, wofür ihm als Mittel vor allem Informationsrechte und Zustimmungsvorbehalte zur Verfügung stehen.
[35] 2.2.4.3. Die Überwachungspflicht und die damit verbundenen Rechte und Pflichten umfassen grundsätzlich allein die Ebene der Konzernobergesellschaft, nicht hingegen kann der Aufsichtsrat seine Tätigkeit direkt auf die Tochtergesellschaften ausweiten; vielmehr bleibt die Überwachungstätigkeit auf die Geschäftsführungstätigkeit des Vorstands der Konzernobergesellschaft „beschränkt“: Die Erweiterung der Tätigkeit des Aufsichtsrats der Konzernobergesellschaft korreliert damit im Großen und Ganzen mit der Erweiterung der Tätigkeit des Vorstands derselben (Schima/Arlt in Haberer/Krejci, Konzernrecht Kap 9 Rz 9.53; Enzinger/Kalss in Kalss/Kunz, Handbuch Aufsichtsrat² Kap 31 Rz 39 [„erweitertes Aufgabenfeld des Aufsichtsrats der Muttergesellschaft“]). Ein direkter Zugriff auf die Organe der Untergesellschaften – etwa durch Anforderungsbericht, Anordnung von zustimmungspflichtigen Maßnahmen, Bestellung und Abberufung – ist dem Aufsichtsrat der Obergesellschaft somit verwehrt; Gegenstand der Aufsichtsratstätigkeit ist die Geschäftsführung des Vorstands (Eckert/Gassauer-Fleissner, GeS 2004, 416 [420 und 426]).
[36] In diesem Sinn erstreckt sich die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats der Konzernobergesellschaft nicht auf jede einzelne Tätigkeit der Tochtergesellschaften; der Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft hat sich vielmehr nur mit solchen Themen und Geschäften zu befassen, die auch tatsächlich „konzernrelevant“ sind (Schima/Arlt in Haberer/Krejci, Konzernrecht Kap 9 Rz 9.54), seine Überwachungsaufgabe erstreckt sich auf die konzernleitende Tätigkeit des Vorstands der Konzernobergesellschaft (Eckert/Schopper in Artmann/Karollus, AktG II6 § 95 Rz 8; Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht² Rz 3/1111; ähnlich Enzinger/Kalss in Kalss/Kunz, Handbuch Aufsichtsrat² Kap 31 Rz 40). Parallel zur Erweiterung der Leitungsfunktionen des Vorstands der den faktischen Konzern beherrschenden Aktiengesellschaft dehnt sich somit auch der Aufgabenbereich deren Aufsichtsrats aus (Frotz/Spitznagel, RWZ 2011/46). Wird also der Vorstand der Konzernobergesellschaft konzernleitend tätig, dann ist diese Tätigkeit jedenfalls auch Gegenstand der Überwachung durch den Aufsichtsrat der Obergesellschaft, weil es sich um eine Geschäftsführungsangelegenheit iSv § 95 Abs 1 AktG handelt; in einer Holdinggesellschaft besteht die geschäftsführende Tätigkeit weitgehend gerade in der Beeinflussung und Überwachung der nachgeordneten Unternehmen (Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 95 Rz 35).
[37] 2.2.4.4. Adressat der Berichtspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft ist nur deren Vorstand. Die leitenden oder kontrollierenden Gremien von beherrschten Gesellschaften haben eine solche Pflicht zu direkter Berichterstattung nicht; in Anbetracht der den Vorstand der Obergesellschaft treffenden (gemäßigten) Konzernleitungspflicht ist der Aufsichtsrat aber auch über konzernrelevante Themen der Tochtergesellschaften zu informieren (Schima/Arlt in Haberer/Krejci, Konzernrecht Kap 9 Rz 9.115). Der Aufsichtsrat der Muttergesellschaft erhält die Information generell nicht unmittelbar, sondern allein über den Vorstand der Gesellschaft (Enzinger/Kalss in Kalss/Kunz, Handbuch Aufsichtsrat² Kap 31 Rz 48).
[38] 2.2.5. Gemäß § 74 Abs 1 AktG ist der Vorstand verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, die die Satzung oder der Aufsichtsrat für den Umfang seiner Vertretungsbefugnis festgesetzt hat, wobei sich aus Abs 2 ergibt, dass diese Beschränkung der Vertretungsbefugnis Dritten gegenüber unwirksam ist. Zu den Beschränkungen, die der Vorstand zu beachten hat, gehören die in § 95 Abs 5 AktG genannten Geschäfte, die nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden sollen, wobei das Gesetz zusätzlich bestimmt, dass auch die Satzung oder der Aufsichtsrat anordnen kann, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden sollen.
[39] 2.2.5.1. § 95 Abs 5 AktG regelt den Zustimmungsvorbehalt zwar grundsätzlich nur für die jeweilige Einzelgesellschaft, für Konzernobergesellschaften kann aber eine Ergänzung durch konzernrelevante Geschäfte vorgenommen werden, sodass ein Geschäft einer Tochtergesellschaft dann durch den Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft zu kontrollieren sein kann, wenn sich dieses auch auf die Obergesellschaft auswirkt (Schima/Arlt in Haberer/Krejci, Konzernrecht Kap 9 Rz 9.95). In diese Richtung weist auch Regel 35 des Österreichischen Corporate Governance-Kodex (ÖCGK), die vorsieht, dass der Aufsichtsrat unter Wahrung des Aktiengesetzes den Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte zu konkretisieren und nach der Größe des Unternehmens passende Betragsgrenzen festzulegen hat; „dies gilt auch für wesentliche konzernrelevante Geschäfte von Tochtergesellschaften“.
[40] 2.2.5.2. Grundsätzlich gilt der Katalog der zustimmungspflichtigen Geschäfte somit zwar nur für die Gesellschaft, der der Aufsichtsrat angehört (Schima/Arlt in Haberer/Krejci, Konzernrecht Kap 9 Rz 9.98). Die auf Ebene der Muttergesellschaft angesiedelten Zustimmungsvorbehalte haben als solche keine unmittelbaren Rechtsfolgen für die Organe der Tochtergesellschaften; weder die Satzung der Muttergesellschaft noch die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats oder ein Einzelbeschluss des Aufsichtsrats der Muttergesellschaft können den Vorstand oder den Aufsichtsrat der Tochter binden (Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 95 Rz 132; ähnlich Schima, GesRZ 2012, 35 [III.1.]; Enzinger/Kalss in Kalss/Kunz, Handbuch Aufsichtsrat² Kap 31 Rz 72).
[41] Allerdings ist im Konzern grundsätzlich von einer konzernweiten Wirkung von Zustimmungsklauseln auszugehen: Hat eine Transaktion in einer Tochter- oder Enkelgesellschaft eine bedeutende Auswirkung auf den Konzern und somit die Muttergesellschaft (Konzernobergesellschaft), so ist ein Zustimmungsvorbehalt auch zugunsten des Aufsichtsrats der Muttergesellschaft vorzusehen (vgl Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 95 Rz 90 und 107). Den Aufsichtsrat kann somit die Verpflichtung treffen, den Zustimmungsvorbehalt auf außerordentliche Geschäftsführungsmaßnahmen von Beteiligungsgesellschaften zu erstrecken, und zwar dann, wenn diese wesentliche Auswirkungen auf den Gesamtkonzern, insbesondere auf die Muttergesellschaft, haben; maßgebend dafür ist der Gedanke, dass sich das wirtschaftliche Risiko in derartigen Fällen üblicherweise bei der Muttergesellschaft realisiert, auch wenn die Maßnahme durch eine Beteiligungsgesellschaft vollzogen wird (Frotz/Schörghofer in Kalss/Kunz, Handbuch Aufsichtsrat² Kap 11 Rz 38).
[42] 2.2.5.3. Die Zuständigkeit des Aufsichtsrats der Muttergesellschaft gilt somit weder nur für die Muttergesellschaft selbst, noch darf der Katalog für Maßnahmen und Geschäfte der Muttergesellschaft vollkommen gleich und schematisch 1 : 1 auf Maßnahmen und Geschäfte von Tochtergesellschaften umgelegt werden; ob die Erstreckung eines für die Muttergesellschaft geltenden Zustimmungsvorbehalts, der nicht ausdrücklich auf Maßnahmen in Konzerngesellschaften Bezug nimmt, auf Konzernsachverhalte durch Auslegung geboten ist, ist nach dem Zweck der Bestimmung sowie der Bedeutung der Maßnahme, das heißt ob die Maßnahme in der Tochter‑ oder Enkelgesellschaft unmittelbare wirtschaftliche (finanzielle/strategische) oder sonstige relevante Auswirkungen auf die Muttergesellschaft und den Konzern hat, zu beurteilen (Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 95 Rz 133).
[43] In der Literatur wird in diesem Zusammenhang zwar empfohlen, dass die Vorbehalte für Konzerngesellschaften ausdrücklich geregelt werden (Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 95 Rz 133; Kalss, Aufsichtsrat aktuell 2009 H 3, 4; Enzinger/Kalss in Kalss/Kunz, Handbuch Aufsichtsrat² Kap 31 Rz 79). Es wird aber auch davon ausgegangen, dass Zustimmungsvorbehalte selbst dann eine konzernweite Wirkung entfalten (können), wenn das die Satzung und/oder ein Aufsichtsratsbeschluss nicht wörtlich vorsieht/vorsehen; denn es sei nicht anzunehmen, dass Satzungsgeber und/oder Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft zwar bestimmte Arten von Geschäften in der Konzernobergesellschaft ihrer Zustimmung unterwerfen, aber generell keinen Einfluss auf gleichartige Geschäfte in verbundenen Unternehmen nehmen wollen, schlage doch auch ohne Bestehen eines Haftungsverbundes ein wirtschaftlicher Erfolg oder Misserfolg auf die wirtschaftliche Lage der Konzernobergesellschaft durch und könne diese gravierend beeinflussen (Frotz/Spitznagel, RWZ 2011/46 [III.3.2.1.]). In diesem Fall seien allerdings nicht alle Maßnahmen, die in der Untergesellschaft aufsichtsratspflichtig sind bzw wären, deswegen automatisch auch der Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats der Obergesellschaft unterworfen (Eckert/Gassauer-Fleissner, GeS 2004, 416 [425]).
[44] 2.2.5.4. Liegt ein konzernrelevantes, zustimmungspflichtiges Geschäft auf Ebene eines Konzerngliedes vor, ist dieses somit (auch) vom Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft zu genehmigen. Die Zustimmungskompetenz ersetzt aber nicht einen Zustimmungsvorbehalt auf Ebene der Gesellschaft, die dieses Geschäft oder die konzernrelevante Maßnahme direkt vornimmt, sondern sie tritt zu dieser hinzu (Schima/Arlt in Haberer/Krejci, Konzernrecht Kap 9 Rz 9.100; Schima, GesRZ 2012, 35 [IV.]; näher Enzinger/Kalss in Kalss/Kunz, Handbuch Aufsichtsrat² Kap 31 Rz 82 f). Darin liegt kein überflüssiger Aufwand, weil der Kontrollmaßstab des jeweiligen Kontrollorgans ein anderer ist: einerseits „das Interesse des Unternehmens der betreffenden Gesellschaft“ und andererseits das „Interesse des Unternehmens der Konzernobergesellschaft“ (Frotz/Spitznagel, RWZ 2011/46 [III.3.2.2]). Zur Vorlage verpflichtet ist der Vorstand der jeweiligen Konzerngesellschaft an „seinen“ Aufsichtsrat (siehe Enzinger/Kalss in Kalss/Kunz, Handbuch Aufsichtsrat² Kap 31 Rz 77 und 83).
[45] 2.2.5.5. Konzernrelevanz ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich Maßnahmen einer Tochtergesellschaft auch auf die Vermögens- und Ertragslage der Muttergesellschaft nicht bloß unbedeutend auswirken; der Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft muss sich daher quasi aus einer Art Vogelperspektive mit allen für den Konzern wesentlichen Geschäften beschäftigen (Schima/Arlt in Haberer/Krejci, Konzernrecht Kap 9 Rz 9.96; ähnlich Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 95 Rz 134 f; Enzinger/Kalss in Kalss/Kunz, HB Aufsichtsrat² Kap 31 Rz 66; Kalss, Aufsichtsrat aktuell 2009 H 3, 4, wonach es auf die Bedeutung der konkreten Maßnahme für den Gesamtkonzern ankommt). Der Aufsichtsrat muss das Geschehen im gesamten Konzern bis auf die Ebene der Beteiligungsgesellschaften so weit im Auge behalten, als das Geschehen dort für die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage der Konzernobergesellschaft von Bedeutung ist (Frotz/Spitznagel, RWZ 2011/46). Maßgebliche Kriterien sind die Rentabilität und Liquidität der Gesellschaft sowie deren finanzielles Gleichgewicht (vgl Eckert/Gassauer-Fleissner, GeS 2004, 416 [422 f]).
[46] Somit kann nicht einfach jedes Geschäft zustimmungspflichtig gemacht werden, bei dem die Konzernleitung dies wünscht; insofern muss der Aufsichtsrat der Konzernmutter sorgsam darauf achten, nur die tatsächlich für die Überwachung der Konzernleitung notwendigen Maßnahmen und Geschäfte seiner Zustimmung zu unterwerfen (Kalss, Aufsichtsrat aktuell 2009 H 3, 4; ähnlich Frotz/Spitznagel, RWZ 2011/46 [III.3.2.1.]). Der Aufsichtsrat der Obergesellschaft ist also verpflichtet, von seiner Konzernüberwachungsaufgabe angemessen Gebrauch zu machen; die konkrete Ausgestaltung hängt von der Intensität der Konzernleitung ebenso ab wie von der Art des betroffenen Geschäfts und seiner Auswirkung auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns oder der sonstigen Konzernrelevanz (etwa bei ganz zentralen Personalmaßnahmen) (Schima, GesRZ 2012, 35 [III.2.]). Dabei kommt es auf den Blickwinkel der Obergesellschaft, das heißt auf die Auswirkungen auf diese an (Eckert/Gassauer-Fleissner, GeS 2004, 416 [426]). Zusammengefasst hat der Aufsichtsrat die Entwicklung der Konzerntochtergesellschaften so weit zu verfolgen, als es sich um für die Muttergesellschaft wesentliche wirtschaftliche Aktivitäten oder Vermögenswerte handelt (Enzinger/Kalss in Kalss/Kunz, Handbuch Aufsichtsrat² Kap 31 Rz 46; Frotz/Spitznagel, RWZ 2011/46 [III.2.2.] [Geschäftsführungsmaßnahmen, die wesentliche Auswirkungen auf den Gesamtkonzern haben]).
[47] Somit hat der Aufsichtsrat der Obergesellschaft auch Einzelgeschäfte und Maßnahmen, die bei den Tochtergesellschaften verwirklicht werden und die für den Konzern im Allgemeinen und die Muttergesellschaft im Besonderen von grundlegender Bedeutung sind, dahin zu prüfen, ob die Einzelgeschäfte aus der Sicht des Konzerns, somit insbesondere aus der Sicht der Muttergesellschaft, zweckmäßig sind (Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 95 Rz 36). Dies lässt sich damit begründen, dass die nachgeordneten Unternehmen einen Teil des Vermögens der Konzernobergesellschaft darstellen, das dem Vorstand überantwortet ist; insofern macht es keinen Unterschied, ob das Vermögen tatsächlich im juristischen Eigentum der Konzernobergesellschaft oder juristisch getrennt in einer nachgeordneten Gesellschaft loziert ist (vgl Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 95 Rz 37; Enzinger/Kalss in Kalss/Kunz, Handbuch Aufsichtsrat² Kap 31 Rz 61).
[48] 2.2.5.6. Aufder Ebene der Beteiligungsgesellschaft tritt keine unmittelbare rechtliche Wirkung ein: Deren Geschäftsführungsorgan ist nicht dazu verpflichtet, die Zustimmung des Aufsichtsrats der Muttergesellschaft einzuholen; eine solche Ausdehnung des Zustimmungsvorbehalts verpflichtet allerdings den Vorstand der Muttergesellschaft, auf die betreffende Beteiligungsgesellschaft dahingehend einzuwirken, dass die erfassten außerordentlichen Geschäftsführungsmaßnahmen nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden, zu deren Erteilung es auf der Ebene der Muttergesellschaft wiederum der vorherigen Einwilligung deren Aufsichtsrats bedarf. Sollte der Aufsichtsrat der Obergesellschaft die Zustimmung zu einem bestimmten Geschäft verweigern, so ist der Vorstand der Muttergesellschaft angehalten, darauf hinzuwirken, dass die beabsichtigte Maßnahme in der jeweiligen Beteiligungsgesellschaft unterbleibt (Frotz/Schörghofer in Kalss/Kunz, HB Aufsichtsrat² Kap 11 Rz 38).
[49] Erstreckt sich ein Zustimmungsvorbehalt entweder ausdrücklich oder im Wege der Auslegung auch auf Konzerngesellschaften, dann hat der Vorstand der Konzernobergesellschaft dafür zu sorgen, dass Geschäftsführungsmaßnahmen der Beteiligungsgesellschaften, die im Einzelfall dem Zustimmungskatalog des Aufsichtsrats der Konzernobergesellschaft unterliegen, auch tatsächlich nur mit dessen Billigung durchgeführt werden können; erst dadurch erhält der Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft die Möglichkeit, sein Zustimmungsrecht auszuüben (Frotz/Spitznagel, RWZ 2011/46 [III.2.3.]).
[50] „Doppelmandate“, bei denen – wie im vorliegenden Fall – Vorstandsmitglieder der leitenden Gesellschaft gleichzeitig auch Vorstandsmitglieder von Tochtergesellschaften sein können, sind grundsätzlich zulässig. Die Repräsentanz der Organwalter der leitenden Gesellschaft in den Geschäftsführungsorganen der Tochtergesellschaften ist jedenfalls ein effizientes Mittel, um Einfluss zu wahren; es erleichtert aber auch den Informationsfluss (Schima/Arlt in Haberer/Krejci, Konzernrecht Kap 9 Rz 9.84). Konzernleitung wird somit ganz wesentlich über Organverflechtungen vollzogen (Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht² Rz 3/1114; ähnlich Feltl, Die Leitungsverantwortung des Vorstands im Konzern, ecolex 2010, 358 [D.]). Auf diese Weise lässt sich auch sicherstellen, dass in der Enkelgesellschaft eine Maßnahme nicht ausgeführt wird, bevor nicht die Zustimmungen von Vorstand und Aufsichtsrat der Muttergesellschaft erteilt sind (vgl Enzinger/Kalss in Kalss/Kunz, HB Aufsichtsrat² Kap 31 Rz 88).
[51] 2.2.6. Wendet man diese Grundsätze auf den – von den Tatsacheninstanzen bislang – festgestellten Sachverhalt an, so war der in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats und des Vorstands der Klägerin vorgesehene Zustimmungsvorbehalt ihres Aufsichtsrats in Bezug auf die Übernahme von Patronatserklärungen auch für die W* AG nicht nur zulässig, sondern – wie der ÖCGK zeigt – im Sinn einer effektiven Überwachung der Konzernleitung sogar geboten: Das Eingehen von Haftungen in beträchtlicher Höhe verwirklicht eine Risikomultiplikation innerhalb des Konzerns und stellt zweifellos eine Angelegenheit dar, die „konzernrelevant“ ist. Diese Verpflichtung hat der Beklagte, der zugleich Mitglied im Vorstand der Klägerin und der W* AG war, missachtet, was – sollte der Klägerin daraus tatsächlich ein Schaden entstanden sein – haftungsbegründend wäre. Er gab als Vorstand der W* AG die Patronatserklärungen ab, als Vorstand der Klägerin wusste er aber, dass solche Patronatserklärungen ohne Zustimmung des Aufsichtsrats der Klägerin nicht abgeschlossen werden durften. Wenn er es als Vorstand der Klägerin zuließ, dass er als Vorstand der W* AG ohne Zustimmung des Aufsichtsrats der Klägerin eine Patronatserklärung abgibt, verletzte er damit seine ihn gegenüber der Klägerin treffende Pflicht zur Konzernleitung. Hätte der Beklagte als Vorstand der Klägerin deren Aufsichtsrat befasst und hätte dieser tatsächlich die Zustimmung verweigert, wäre der Beklagte als Vorstand der Klägerin verpflichtet gewesen, alles zu unternehmen, um die Patronatserklärung zu verhindern. Er hätte also auf den Vorstand der Tochtergesellschaft, somit auf sich selbst, entsprechend Einfluss nehmen müssen und die Abgabe der Patronatserklärung zu unterlassen gehabt.
[52] 2.3. Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren „im Übrigen“ mangels schlüssiger Behauptung der Kausalität des dem Beklagten vorgeworfenen Verhaltens für den eingetretenen Schaden, nämlich die Insolvenz der W* AG als Folge der Abgabe der Patronatserklärungen, abgewiesen. Dem vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen:
[53] Der Standpunkt der Klägerin lässt sich dahin zusammenfassen, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, dem Aufsichtsrat der Klägerin die Patronatserklärung vorzulegen. Dann hätte der Aufsichtsrat die Genehmigung verweigert. Die *bank * AG wäre in diesem Fall gegenüber den Hausbanken des Konzerns nicht bevorzugt gewesen, weshalb diese die finanziellen Mittel für die W* AG nicht gestoppt hätten und die beiden Gesellschaften nicht insolvent geworden wären.
[54] Das Erstgericht hat zu diesem Vorbringen ebenso wie zum Vorbringen des Beklagten, wonach die Insolvenz sowieso eingetreten wäre und die Ursache dafür in den Mängeln beim L*-Projekt gelegen sei, keine Beweise aufgenommen. Das Berufungsgericht billigte dies mit der Begründung, dass die Patronatserklärungen keine conditio sine qua non für den Vertragsabschluss betreffend das L*‑Projekt und für die Glasbrüche gewesen seien. Allerdings findet die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, wonach Ursache für die Insolvenz der W* AG die Glasbruchproblematik beim L*-Projekt gewesen sei, im Beweisverfahren keine Deckung, was von der Klägerin in ihrer Revision zutreffend gerügt wird. Außerdem hat das Berufungsgericht bei seiner Schlüssigkeitsprüfung das in erster Instanz erstattete Vorbringen, wonach die Besserstellung der *bank * AG gegenüber den Hausbanken zur Einstellung der Finanzierung durch diese geführt habe, offenbar nicht berücksichtigt. Die Glasbrüche allein als – geltend gemachte – Ursache sind nicht entscheidend, weil der Standpunkt der Klägerin gerade darin liegt, dass – hätte es die Patronatserklärung nicht gegeben – die Hausbanken jenes Kapital zur Verfügung gestellt hätten, das zur Behebung der Glasbrüche erforderlich gewesen wäre. Zu all dem wurden im vorliegenden Verfahren aber keine Beweise aufgenommen.
[55] Holt der Vorstand die Genehmigung des Aufsichtsrats zu einem genehmigungspflichtigen Geschäft aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht ein und führt dieses Geschäft in der Folge zu einem Verlust (also einem „Schaden“ im Sinn des Schadenersatzrechts), dann reicht es, wenn die Gesellschaft die Missachtung des Genehmigungsvorbehalts und den Schaden nachweist, weil sie damit ein objektiv‑sorgfaltswidriges, das heißt rechtswidriges, Verhalten des Vorstandsmitglieds und zusätzlich die Existenz eines Schadens belegt hat, der mit dem pflichtwidrigen Verhalten in einem Zurechnungszusammenhang steht (https://rdb.manz.at/document/rdb.tso.LIgesrz20120107?execution=e11s1&highlight=gesrz 2012, 35https://rdb.manz.at/document/rdb.tso.LIgesrz20120107?execution=e11s1&highlight=gesrz 2012, 35 [IV]).
[56] Da das Erstgericht zum Eintritt des Schadens und zur Kausalität der dem Beklagten unterlaufenen Pflichtverletzung und diesem Schaden keinerlei Feststellungen getroffen hat, war die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
[57] 3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
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