OGH 6Ob58/20b

OGH6Ob58/20b15.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. J*****, Rechtsanwalt, *****, als Insolvenzverwalter im Konkurs über das Vermögen der E***** AG (AZ ***** S ***** des Handelsgerichts Wien), gegen die beklagten Parteien 1. Dr. K*****, 2. Mag. T*****, 3. Dr. J*****, alle vertreten durch Dr. Thomas Marschall, Rechtsanwalt in Wien, wegen 260.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Jänner 2020, GZ 133 R 104/19w‑32, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00058.20B.0915.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

Die Beklagten waren ab 25. 11. 2010 Mitglieder (der Erstbeklagte Vorsitzender) des Aufsichtsrats der E***** AG, deren alleinvertretungsbefugter Vorstand seit 21. 10. 2011 Ing. M***** war. Über das Vermögen der Aktiengesellschaft wurde am 27. 6. 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Aktionäre der Aktiengesellschaft waren zu 37,45 % Prof. DDr. H*****, zu weiteren 37,45 % T***** und zu 25,1 % Ing. M*****.

In der 14. Aufsichtsratssitzung der Aktiengesellschaft vom 8. 11. 2011 stimmte deren Aufsichtsrat einstimmig einer Kreditgewährung der Aktiengesellschaft an die *****‑Holding AG oder an die B***** AG über 262.000 EUR zu, wobei letztere Alleinaktionärin der erstgenannten war, deren Alleinaktionärin wiederum die L***** AG war. Diese wurde von folgenden Aktionären gehalten, nämlich zu 60 % von Prof. DDr. H*****, zu 20 % von T***** und zu 20 % von F*****. Die Beklagten gehörten nicht nur dem Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, sondern auch jenen der beiden in Betracht kommenden Darlehensnehmerinnen an. Alleinvertretungsbefugter Vorstand der *****‑Holding AG war Dkfm. M*****, der außerdem – neben Ing. M***** – Vorstandsmitglied der B***** AG war.

In der Folge schloss die Aktiengesellschaft mit der *****‑Holding AG zwei Darlehensverträge über eine Darlehenssumme von insgesamt 260.000 EUR ab. Eine Rückzahlung der Darlehen erfolgte allerdings nicht; vielmehr wurde am 30. 12. 2011 über das Vermögen der Darlehensnehmerin das Konkursverfahren eröffnet, welches mittlerweile beendet ist.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen, die die Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes zur Zahlung der Darlehenssumme an den Kläger verpflichteten, war Hintergrund der Darlehensgewährung, dass die (mittelbaren) Eigentümer schon viel Geld in die Unternehmensgruppe gesteckt hatten, ohne dass es zu Rückflüssen gekommen war. Deshalb war nach Möglichkeiten gesucht worden, die Liquidität von außen durch Fremdfinanzierungen zuzuführen. Die Liquiditätslage der darlehensgewährenden Aktiengesellschaft war im November 2011 angespannt; die Darlehensnehmerin wiederum verfügte über praktisch keine Einnahmen aus dem operativen Geschäft. Die Beklagten genehmigten die Darlehensgewährung, ohne dass Sicherheiten verlangt worden wären; die Darlehensgewährung durch den Vorstand der Aktiengesellschaft erfolgte tatsächlich auch ohne Besicherung.

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 99 AktG gilt für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder § 84 AktG über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder sinngemäß. Nach dieser Bestimmung haben die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Vorstandsmitglieder, die ihre Obliegenheiten verletzen, sind der Gesellschaft gemäß § 84 Abs 2 AktG zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Sie können sich von der Schadenersatzpflicht durch den Gegenbeweis befreien, dass sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewendet haben.

1.1. Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015 wurde in § 84 Abs 1a AktG mit Wirkung zum 1. 1. 2016 die „Business Judgement Rule“ positiviert, wonach ein Vorstandsmitglied jedenfalls im Einklang mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters handelt, wenn er sich bei einer unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten lässt und auf der Grundlage angemessener Information annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Wie in der Entscheidung 6 Ob 160/15w (GesRZ 2016, 293 [Konwitschka, 113] = ZfS 2016, 58 [Karollus] = ecolex 2016/306 [Reich‑Rohrwig] = JEV 2016, 91/10 [Schima/Toscani, 74]) eingehend dargestellt wurde, war die „Business Judgement Rule“ allerdings auch schon vor 2016 in der Literatur anerkannt. Und auch der Oberste Gerichtshof hatte bereits mehrfach ausgesprochen, dass Organmitgliedern bei ihren unternehmerischen Entscheidungen ein weiter Ermessensspielraum zukam.

Ein Aufsichtsratsmitglied haftet demnach für den Mangel jener Sorgfalt, die man von einem ordentlichen Aufsichtsratsmitglied nach der besonderen Lage des Einzelfalls verlangen kann; er muss in geschäftlichen und finanziellen Dingen ein größeres Maß an Erfahrung und Wissen besitzen als ein durchschnittlicher Kaufmann und die Fähigkeit haben, schwierige rechtliche und wirtschaftliche Zusammenhänge zu erkennen und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft zu beurteilen (RS0049309). Art und Umfang der Haftung der Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft ist im Weg der Auslegung der Vorschriften, die die Aufgaben des Aufsichtsrats und seine Stellung im Verhältnis zum Vorstand ordnen, zu beurteilen (RS0049293). Aufgrund des Verweises in § 99 AktG auf § 84 AktG erfolgt die zentrale Regelung der Haftung der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft für Pflichtverletzungen in gleicher Weise wie für Vorstandsmitglieder (RS0049293 [T1]). Der Maßstab wird durch die Sorgfalt gebildet, die ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlich leitender Position bei selbständiger treuhändiger Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen einzuhalten hat (RS0059449). Die Verantwortlichkeit nach § 84 Abs 1 AktG ist daher an der Maßfigur eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu messen. Welche Handlungen ein solcher im konkreten Fall setzen bzw unterlassen hätte müssen, ist nach der Übung des redlichen Verkehrs unter Zugrundelegung der besonderen Verhältnisse der Gesellschaft (Größe, eingesetztes Vermögen, Art des Gesellschaftsgegenstands, wirtschaftliche Lage udgl) zu bestimmen (RS0116174 [T2]).

Liegt eine unternehmerische Entscheidung vor, müssen folgende vier Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein: a) Der Geschäftsleiter darf sich nicht von sachfremden Interessen leiten lassen, b) die Entscheidung muss auf Grundlage angemessener Information getroffen werden, c) die Entscheidung muss ex ante betrachtet offenkundig dem Wohl der juristischen Person dienen und d) der Geschäftsleiter muss (vernünftigerweise) annehmen dürfen, dass er zum Wohle der juristischen Person handelt; sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, dann trifft den Geschäftsleiter zwar nicht automatisch eine Haftung, eine solche kann aber eintreten, wenn das Verhalten im Einzelnen als sorgfaltswidrig einzustufen ist und die übrigen Haftungsvoraussetzungen (insb Schaden und Kausalität) gegeben sind (6 Ob 160/15w). Wesentlich ist, dass die Frage, ob ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht vorliegt, stets unter Zugrundelegung einer ex-ante-Sicht zu beurteilen und ein „Rückschaufehler“ zu vermeiden ist (Eckert/Schopper in Artmann/Karollus, AktG II6 § 99 Rz 9).

1.2. Nach der Rechtsprechung hat, wenn widerstreitende Interessen abzuwägen sind, dies das Vorstandsmitglied mit pflichtgemäßem Ermessen in eigener Verantwortung vorzunehmen; hält es sich im Rahmen dieses Ermessens, missbraucht es also das Ermessen nicht durch einseitige Bevorzugung einer der zu berücksichtigenden Interessen, so ist die gebotene Sorgfaltspflicht gewahrt (RS0049482). Diese Grundsätze lassen sich zwanglos auf die Aufsichtsratsmitglieder übertragen, allerdings sind in Anlehnung an § 70 AktG auch die Interessen der Öffentlichkeit, der Arbeitnehmer und der Gläubiger in die Entscheidung, was dem Unternehmenswohl dient, einzubeziehen (RS0049482 [T1]). Unternehmerische Entscheidungen der Aufsichtsratsmitglieder haben sich – unter Berücksichtigung der Interessen der Aktionäre und der Arbeitnehmer und des öffentlichen Interesses – primär am Unternehmenswohl zu orientieren (RS0049482 [T2]).

1.3. Bei den zustimmungspflichtigen Geschäften des § 95 AktG hat der Aufsichtsrat insbesondere die Auswirkungen auf die künftige Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft und die Veränderung der Risikoposition durch das Geschäft als Kriterien heranzuziehen (vgl Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² § 95 Rz 88). Die Entscheidung des Aufsichtsrats über die Zustimmung ist eine unternehmerische Entscheidung. Die Aufgabe des Aufsichtsrats ist es, die Gründe des Vorstands kritisch zu prüfen und sich hierzu umfassend informieren zu lassen und sich auf dieser Basis eine Meinung darüber zu bilden, ob die geplante Maßnahme dem Wohl des Unternehmens entspricht; dabei ist zu prüfen, ob die Maßnahme im Interesse der Gesellschaft liegt, den durch die Satzung und die allgemeine Geschäftspolitik des Unternehmens gezogenen Rahmen einhält, und ob der Vorstand nach Überzeugung des Aufsichtsrats die Chancen und Risken der geplanten Maßnahme zutreffend abgewogen hat (Briem in Kalss/Kunz, Handbuch für den Aufsichtsrat², Unternehmerisches Ermessen – Haftung Rz 64 [Seite 375]). Der Aufsichtsrat hat dabei zu prüfen, ob sich der Vorstand im Rahmen eines unternehmerischen Ermessens hält, und insbesondere, ob er diese Maßnahme auch für zweckmäßig hält; er hat somit eine Plausibilitätsprüfung des Vorstandshandelns vorzunehmen und eine eigene wirtschaftliche Bewertung anzufügen (Kalss aaO § 95 Rz 101). Ist die Lage der Gesellschaft angespannt oder bestehen sonstige risikoträchtige Besonderheiten, so muss der Aufsichtsrat seine Überwachungstätigkeit entsprechend intensivieren (Briem aaO Rz 72 [Seite 378]; Koch in Hüffer/Koch, AktG14 § 111 Rz 15 mit Nachweisen aus der deutschen Rechtsprechung). Ist der Aufsichtsrat nicht der Auffassung, dass die Maßnahme dem Wohle des Unternehmens entspricht, darf er der Maßnahme nicht zustimmen (Briem aaO 71 [Seite 378]).

1.4. Das Aufsichtsratsmitglied ist auch bei nur leichtem Verschulden zum Ersatz des von ihm herbeigeführten Schadens verpflichtet; seine Haftung ist aber keine Erfolgshaftung (vgl RS0049459). Sorgfaltsanforderungen dürfen nicht überspannt werden, sondern es muss berücksichtigt werden, dass zwischen Aufsichtsratsmitgliedern und den „stärker geforderten“ Mitgliedern der Geschäftsführung bei deren „größerer Nähe zu den gesellschaftlichen Handlungen graduelle Unterschiede im Wissens- und Erfahrungsbereich“ bestehen. Es ist anzuerkennen, dass Vorbildung, Kenntnisse und Erfahrungen in der Sorgfaltsfrage verschieden sein können, es muss jedoch bei jedem Aufsichtsratsmitglied eine das Durchschnittsniveau übersteigende, besondere „intelligenzmäßige Kapazität“ vorausgesetzt werden, soll das gesetzliche Ziel einer effektiven Kontrolle nicht völlig verfehlt werden; dafür haben Aufsichtsratsmitglieder ebenso einzustehen wie für den beim Einsatz ihrer Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten notwendigen Fleiß (RS0116173). In diesem Sinne wurde etwa in der Entscheidung 6 Ob 160/15w (vgl auch RS0059528) klargestellt, dass den Vorstand oder Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft keine Erfolgshaftung trifft; er hat nur für ein ex ante pflichtwidriges Verhalten einzustehen. Eine Haftung der Organwalter ist somit nur dann zu bejahen, wenn diese ihren Ermessensspielraum eklatant überschreiten, eine evident unrichtige Sachentscheidung oder eine geradezu unvertretbare Entscheidung treffen. Daraus folgt, dass es in einer Entscheidungssituation nicht zwingend nur eine richtige Entscheidungsalternative gibt, sondern dass auch mehrere gegenteilige Handlungsalternativen sorgfaltskonform sein können. Auch gewagte Geschäfte, die der Vorstand vorgenommen hat, sind diesem nicht immer als Verschulden anzulasten; eine Sorgfaltsverletzung liegt daher nicht vor, wenn im Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts die Möglichkeit oder die naheliegende Wahrscheinlichkeit bestand, dass sich das Geschäft für die Gesellschaft als günstig erweisen werde (RS0049458). Das Fehlschlagen unternehmerischer Entscheidungen ist daher nur bei Verletzung branchenadäquater, größenadäquater und situationsadäquater Bemühungen pflichtwidrig (RS0110282). Die Merkmale der Business Judgement Rule dienen dabei als Parameter bei der Konkretisierung des Sorgfaltsgebots; hingegen besteht für die Annahme, sie reduziere die Sorgfaltspflicht auf grobe Fahrlässigkeit, kein hinreichender Anhaltspunkt im Gesetz (Schauer in Kalss/Kunz, Handbuch für den Aufsichtsrat², Innenhaftung Rz 33 [Seite 1448]).

1.5. Die Aktiengesellschaft trifft die Beweislast, dass ihr durch das Verhalten des Aufsichtsratsmitglieds im Rahmen seiner Tätigkeit Schaden entstanden ist (vgl 2 Ob 356/74). Ein Schaden tritt im Allgemeinen schon dann ein, wenn der Gesellschaft eine Verbindlichkeit entsteht, und nicht erst, wenn diese fällig oder beglichen wird, auch wenn die Gesellschaft die Verbindlichkeit gar nicht begleichen kann (RS0022568). Zeitlich und sachlich kongruente Vorteile, die der Gesellschaft durch das pflichtwidrige Handeln entstehen oder wenigstens im selben Tatsachenkomplex wurzeln (vgl RS0022824) sind anzurechnen, sofern die Anrechnung dem Zweck des Schadenersatzes entspricht und nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führt (Eckert/Schopper in Artmann/Karollus, AktG II6 § 99 Rz 35 unter Berufung auf 9 ObA 416/97k).

2. Bei der Frage der Haftung der Aufsichtsratsmitglieder vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung handelt es sich regelmäßig um eine Frage des Einzelfalls (§ 502 Abs 1 ZPO), sodass eine Revision nur zulässig ist, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung durch das Berufungsgericht zu korrigieren ist (vgl RS0044088). Ein solcher Fehler ist dem Berufungsgericht allerdings nicht unterlaufen:

2.1. Aufgrund der von den Vorinstanzen festgestellten Motivenlage, die zur Darlehensgewährung führte, und des Umstands, dass die Darlehensgewährung ohne Bestellung von Sicherheiten erfolgte, ist deren Bejahung der Haftungsfrage zu Lasten der Beklagten jedenfalls vertretbar. Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Zustimmung zur – unbesicherten – Darlehensvergabe pflichtwidrig war, weil zum Zeitpunkt der Zustimmung der Beklagten am 8. 11. 2011 aufgrund der einnahmenseitig vorliegenden wirtschaftlichen Situation der Darlehensnehmerin bereits nahelag, dass diese das Darlehen bis zum 15. 12. 2011 nicht (zur Gänze) würde bedienen können; die diesbezüglichen Umstände seien den Beklagten auch bekannt gewesen. Damit hat das Berufungsgericht auch – und entgegen der in der außerordentlichen Revision vertretenen Auffassung – die gebotene ex-ante-Betrachtung bei der Haftungsfrage gewahrt.

2.2. Zutreffend ist auch die Überlegung des Berufungsgerichts, es erkläre sich nicht, inwieweit die Darlehensgewährung günstig für die Aktiengesellschaft hätte sein können, zumal die Gewährung von Darlehen gar nicht zum Unternehmensgegenstand gehörte und daher ein völlig unüblicher Vorgang war. Es ist auch nicht zu sehen, welchen Vorteil die Gesellschaft davon hatte, einem Geschäftspartner, der im Zeitpunkt der Zustimmung zur Gewährung des Darlehens bereits eine offene Verbindlichkeit in beträchtlicher Höhe gegenüber der Aktiengesellschaft hatte, ein Darlehen zu gewähren. Die Darstellung der außerordentlichen Revision, es wäre „die Zeit bis zur Gewährung der IZ‑Förderung zu überbrücken“ gewesen, übersieht, dass dies nicht Aufgabe der darlehensgewährenden Aktiengesellschaft, sondern vielmehr der Gesellschafter der Darlehensnehmerin gewesen wäre. Zudem konnte von den Vorinstanzen die rechtswirksame Zusage dieser Förderung gerade nicht festgestellt werden, sodass in Wahrheit ungewiss war, ob die Förderung überhaupt gewährt werden würde.

2.3. Die in der Revision selbst besonders hervorgehobene „enge geschäftliche und gesellschaftsrechtliche Verbindung“ von Aktiengesellschaft und Darlehensnehmerin war ganz offensichtlich das Motiv, das Darlehen trotz unzureichender Bonität zu gewähren; dies kann die Beklagten damit gerade nicht entlasten. Auf die Bonität der „Eigentümerfamilie B*****“ kommt es ebenfalls nicht an, weil nicht diese, sondern die *****-Holding AG Darlehensnehmerin wurde. Und auch die Patente und der Wert der Beteiligung an der B***** AG sind nicht maßgeblich, zumal diese Werte nicht als Sicherheiten bestellt wurden. Der positive Cash‑Flow der Aktiengesellschaft als Darlehensgeberin ist schließlich – entgegen der Auffassung der Beklagten – für die Beurteilung der Bonität der Darlehensnehmerin nicht relevant.

2.4. Dass Details und genaue Form des Darlehens durch Rechtsanwälte ausgearbeitet werden sollten und eine Sicherheit „erwartet“ wurde, ändert nichts daran, dass das Darlehen von den Beklagten ohne Bedingung einer Sicherheit bewilligt wurde. Auch das grundsätzlich vorhandene „Know‑How“ der Beklagten und die „Befassung mit der Materie“ ändern nichts daran, dass die Zustimmung zur Gewährung des Darlehens sorgfaltswidrig war.

2.5. Inwiefern sich aus der am 11. 11. 2011 und somit nach der Beschlussfassung über die Darlehensgewährung am 8. 11. 2011 erfolgten Zahlung von 750.000 EUR durch die B***** AG an die Aktiengesellschaft etwas an der Beurteilung ändern sollte, wird von der außerordentlichen Revision nicht erklärt. Die Leistung dieser Zahlung stand in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Darlehen, sondern war eine Entgeltteilzahlung aus einem Auftrag vom 16. 9. 2011 betreffend die Direktverölungsanlage *****, auf die die Klägerin somit einen vertraglichen Anspruch hatte. Von einer Zahlung „ohne irgendwelche festgestellten Gegenleistungen der Schuldnerin“ kann damit keine Rede sein.

2.6. Soweit die außerordentliche Revision weiters darauf verweist, dass der Vorstand der Aktiengesellschaft das Darlehen befürwortet habe, übersieht sie, dass die maßgebliche Aufgabe des Aufsichtsrats gemäß § 95 AktG gerade darin besteht, den Vorstand zu kontrollieren und nicht eine Handlung schon deshalb zu genehmigen, weil der Vorstand sie befürwortet. Gerade in der nach den Feststellungen angespannten Situation der Darlehensgeberin hätten die Beklagten die Tätigkeit und den Vorschlag des Vorstands besonders kritisch betrachten müssen.

2.7. Nicht zutreffend ist schließlich auch der Standpunkt der außerordentlichen Revision, der Kläger habe keinen Schaden dargetan, liegt doch gerade in dem Umstand, dass das Darlehen gewährt und anschließend nicht zurückgezahlt wurde, der Schaden, sodass der Schaden im Abfluss der Darlehenssumme besteht. Hätten die Beklagten dem Darlehen nicht zugestimmt, dann wäre die Darlehnssumme nicht ausgezahlt worden.

3. Damit bedarf es aber der Erörterung des vom Erstgericht thematisierten Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr aufgrund der erfolgten Darlehensgewährung nicht mehr. Lediglich der Vollständigkeit ist allerdings darauf hinzuweisen, dass Prof. DDr. H***** und T***** zusammen zu 75 % an der darlehensgebenden Aktiengesellschaft und zu 80 % an der Alleinaktionärin der Darlehensnehmerin beteiligt waren, womit die Annahme einer verbotenen Einlagenrückgewähr durchaus naheliegt, sind doch den Gesellschaftern auch nahestehende Dritte gleichzuhalten (vgl 6 Ob 14/14y GES 2015, 17 [Hermann, GES 2016, 394] = NZ 2015/36 [Till] = ecolex 2015/50 [Brugger] = GesRZ 2015, 130 [Karollus] = JAP 2014/2015/23 [Milchrahm/Rauter] = ZIK 2015/149 [Reisch/Hampel, 91]; 6 Ob 195/18x NZ 2019/21 [Dejaco, 81] = ZfS 2019, 8 [Karollus] = GesRZ 2019, 193 [Kalss] = JEV 2019, 38/5 [Hügel, 77]). So sind etwa nach der Entscheidung 6 Ob 14/14y (ErwG 1.4.) in bestimmten Fällen Leistungen an Dritte einem Gesellschafter zuzurechnen, und zwar dann, wenn die Leistung an den Dritten zugleich eine Leistung an den Gesellschafter darstellt oder der Dritte eine Stellung einnimmt, die jener eines Gesellschafters gleichkommt; jedenfalls darunter fallen aber Leistungen an Dritte, die vom wirtschaftlichen Ergebnis her gesehen dem Gesellschafter zugute kommen. Zwar waren die Beklagten weder Gesellschafter der beteiligten Gesellschaften noch kamen ihnen die Leistungen zugute, weshalb sie selbst keine Adressaten von § 52 AktG sein können (vgl auch RS0105536). Allerdings haben sie als Aufsichtsratsmitglieder einer verbotenen Einlagenrückgewähr zugestimmt, sodass sie für einen der Aktiengesellschaft daraus erwachsenen Schaden auch haftbar sein können.

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