OGH 6Ob125/16z

OGH6Ob125/16z27.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichischer *****, vertreten durch die Dr. Peter Lechner Rechtsanwalts KG in Innsbruck, wider die beklagte Partei P*****, vertreten durch Mag. Dr. Inge Margreiter, Rechtsanwältin in Kramsach, wegen 8.086,82 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 25. März 2016, GZ 34 R 169/15b‑28, womit das Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 21. Oktober 2015, GZ 43 C 307/14i‑23, und das ihm vorangegangene Verfahren für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00125.16Z.0927.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Er erlässt die Österreichische Turnierordnung (ÖTO). Die Österreichische Turnierordnung dient zur einheitlichen Durchführung der sportlichen Veranstaltungen, zur Förderung dieses Sports und wird aufgrund der Satzungen des Klägers herausgegeben. Sie gilt grundsätzlich für alle diese sportlichen Veranstaltungen im österreichischen Bundesgebiet (§ 1 Z 1 und 2 ÖTO). Gemäß § 2 Z 12 ÖTO können als „Veranstalter“ von Turnieren der Kläger, die Landesfachverbände oder den Landesfachverbänden angeschlossene Vereine auftreten. Der Beklagte ist ebenfalls ein eingetragener Verein und als solcher Mitglied eines Landesfachverbands, der Mitglied des Klägers ist. Der Beklagte hat über den Landesfachverband ein internationales Turnier für den 13. bis 15. September 2013 beim Kläger angemeldet.

Der Kläger begehrt vom Beklagten 8.086,82 EUR sA an Turniergebühren samt Verzugszinsen und Mahnspesen für dieses Turnier.

Der Beklagte stellte die Klageforderung dem Grunde und der Höhe nach außer Streit, wendete aber eine Gegenforderung ein: Der klagende Verein habe im Zusammenhang mit dem genannten Turnier Vertragsverletzungen zu verantworten, die dem beklagten Verein einen Schaden zumindest in Höhe der Klagsforderung zugefügt hätten.

Das Erstgericht erachtete die Klageforderung als zu Recht und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 8.086,82 EUR sA und zum Kostenersatz an den Kläger.

Das Berufungsgericht gab der Berufung wegen Nichtigkeit Folge, hob das Urteil des Erstgerichts und das ihm vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, der Kläger mache Gebührenansprüche nach der ÖTO geltend, die der Beklagte für ein von ihm veranstaltetes Turnier nach den Bestimmungen der ÖTO zu bezahlen habe. Voraussetzung für die Abhaltung eines solchen Turniers und damit für die Entstehung derartiger Ansprüche sei, dass der veranstaltende Verein einem Landesfachverband angeschlossen sei. Im Übrigen könnten „Veranstalter“ nur der Kläger und die Landesfachverbände sein. Für den geltend gemachten Anspruch sei daher der Umstand, dass der Beklagte dem Landesfachverband angeschlossen, also dessen Mitglied sei, denknotwendige Voraussetzung. Der Landesfachverband sei wiederum Mitglied des Klägers. Der geltend gemachte Anspruch habe somit seine Grundlage im Vereinsverhältnis. Der Umstand, dass der Beklagte nicht unmittelbar Mitglied des Klägers sei, schade nicht, weil aufgrund der hierarchischen Struktur der mit dem Sport befassten Vereine (der Kläger als Bundesorganisation, dessen Mitglieder die einzelnen Landesorganisationen seien und deren Mitglieder wiederum die im jeweiligen Bundesland ansässigen Sportvereine seien) ein derart enger Zusammenhang bestehe, dass von einem einheitlichen Vereinsverhältnis auszugehen sei. Jedenfalls unterscheide sich der Fall einer Streitigkeit eines Mitglieds eines Zweigvereins mit dem Hauptverein von einer Streitigkeit zwischen einem Verein und seinem Mitglied nicht so weit, dass eine Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre. Die Außerstreitstellung der Klagsforderung dem Grunde und der Höhe nach führe nicht dazu, dass das Verfahren über die Klage nicht als Streitigkeit zu beurteilen sei, weil die Zahlung im Hinblick auf die vom Beklagten eingewendete Gegenforderung abgelehnt werde. Der Kläger habe die nach § 8 VerG 2002 vorgesehene interne Schlichtungseinrichtung mit der vorliegenden Streitigkeit nicht befasst, sodass der Rechtsweg im Sinne der obigen Ausführungen unzulässig sei.

Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag in die zweite Instanz gestellt.

Der Beklagte beantragt in der Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (RIS‑Justiz RS0116348), aber nicht berechtigt.

Der Rekurswerber bringt vor, der beklagte Verein sei nicht Mitglied des klagenden Vereins. Es sei unklar, welche allenfalls vorhandene Schlichtungseinrichtung für eine derartige Streitigkeit zuständig wäre. Der eingeklagte Gebührenanspruch habe seinen Ursprung nicht im Vereinsverhältnis. Auch die beklagte Partei habe ihre Gegenforderung auf eine Vertragsverletzung durch die klagende Partei gestützt. Wegen der eingewendeten Gegenforderung sei der klagenden Partei die Anrufung der vereinsinternen Schlichtungsstelle nicht zumutbar. Durch die Außerstreitstellung der Klageforderung dem Grunde und der Höhe nach habe die beklagte Partei auf die Anrufung der Schlichtungseinrichtung nach § 8 VerG 2002 verzichtet.

Hierzu wurde erwogen:

Der Oberste Gerichtshof erachtet die Begründung des angefochtenen Beschlusses für zutreffend (§ 510 Abs 3 Satz 2 iVm § 528a ZPO).

Ergänzend wird ausgeführt:

Gemäß § 8 Abs 1 VerG 2002 haben die Vereinsstatuten vorzusehen, dass Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind. Sofern das Verfahren vor der Schlichtungseinrichtung nicht früher beendet ist, steht für Rechtsstreitigkeiten nach Ablauf von sechs Monaten ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung der ordentliche Rechtsweg offen.

Die Nichteinhaltung des vereinsinternen Instanzenzugs bei Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis begründet nach nunmehr herrschender Rechtsprechung (vorläufig/befristet/temporär) Unzulässigkeit des Rechtswegs und kann daher vom Gericht auch ohne entsprechenden Einwand der Parteien von Amts wegen geprüft und aufgegriffen werden (RIS-Justiz RS0124983 [T1]). Auszugehen ist dabei von den Angaben in der Klage, sodass der Kläger konkrete Tatsachen zu behaupten hat, aus denen sich ergibt, dass der „Rechtsweg“ in dieser Streitsache bereits offen ist (RIS-Justiz RS0124983). Es kommt bei der Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs auf die Natur des geltend gemachten Anspruchs an (4 Ob 73/09b = RIS-Justiz RS0045644 [T14] = RS0045718 [T28]). Ohne Einfluss ist, was der Beklagte einwendet (RIS-Justiz RS0045644 [T13]; RS0045718 [T7, T11]).

„Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis“ nach § 8 Abs 1 VerG 2002 sind solche, die ihre Wurzel in einer Vereinsmitgliedschaft haben; dazu gehören Auseinandersetzungen zwischen dem Verein und Mitgliedern über Ansprüche des Vereins auf Zahlung der Mitgliedsbeiträge und auf Erbringung anderer – mit der Mitgliedschaft verknüpfter – vermögenswerter Leistungen für den Zeitraum der Vereinsmitgliedschaft (RIS-Justiz RS0122425). Der Begriff der Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis ist auf alle privatrechtlichen Streitigkeiten zwischen Vereinsmitgliedern und dem Verein oder Vereinsmitgliedern untereinander auszudehnen, sofern sie mit dem Vereinsverhältnis im Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0122425 [T6]). Dabei ist allein maßgeblich, ob eine vermögensrechtliche Streitigkeit in der Vereinsmitgliedschaft wurzelt (RIS-Justiz RS0122425 [T7]). Hingegen sind nicht schlechthin alle privatrechtlichen Ansprüche eines Vereinsmitglieds gegen den Verein oder ein anderes Vereinsmitglied von der Formulierung „Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis“ in § 8 Abs 1 VerG 2002 erfasst. Beruht der Anspruch auf einem selbständigen vertraglichen Schuldverhältnis, für dessen Zustandekommen die Vereinszugehörigkeit nicht denknotwendig Voraussetzung ist, liegt seine Grundlage nicht im Vereinsverhältnis, sondern in dem zwischen den Streitparteien abgeschlossenen Vertrag. Dabei ist entscheidend, auf welche Tatsachen der Kläger seinen Anspruch gründet (RIS-Justiz RS0122425 [T9]; RS0119982 [T8]).

Für den vorliegenden Fall bedeuten diese Grundsätze Folgendes:

Wäre die beklagte Partei nicht Mitglied beim Landesfachverband, dann hätte sie beim Kläger das Turnier nicht anmelden und als Veranstalter auftreten können. Das Vereinsverhältnis ist damit denknotwendige Voraussetzung für das Schuldverhältnis, auf dem der verfolgte Anspruch beruht, da ohne Vereinsmitgliedschaft kein Turnier veranstaltet hätte werden können. Dass der Anspruch unmittelbar aus der bloßen Vereinsmitgliedschaft selbst resultieren müsste (wie etwa die Zahlung eines Mitgliedsbeitrags), ist nach der zitierten Rechtsprechung nicht erforderlich.

Hier liegt insofern ein Sonderfall vor, als die beklagte Partei nicht Mitglied des Klägers, sondern nur eines Mitgliedvereins des Klägers ist (Dachverband; vgl auch § 1 Abs 5 VerG 2002). Ein solcher Fall war in Bezug auf die Unzulässigkeit des Rechtswegs nach § 8 VerG 2002 bislang noch nicht zu beurteilen. Weder die Materialien zum VerG 2002 noch das Schrifttum gehen auf diese Frage ein. § 8 Abs 1 VerG 2002 spricht von „Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis“; diese Umschreibung ist weiter als bloß „Streitigkeiten unter den Mitgliedern oder zwischen dem Verein und den Mitgliedern“. Es ist somit vom Gesetzeswortlaut gedeckt und – wie auch der vorliegende Fall zeigt – durchaus sachgerecht, den vorliegenden Sachverhalt § 8 VerG 2002 zu unterstellen: Die Streitigkeit resultiert „aus dem Vereinsverhältnis“. Es wäre auch wenig sachgerecht, wenn die Schlichtungseinrichtung schon bloß deshalb nicht anzurufen und der Rechtsweg im Ergebnis sofort zulässig wäre, nur weil die Vereinsstruktur – wie hier – dreistufig organisiert ist. Da der Kläger einen eigenen Anspruch und nicht einen des Landesfachverbands behauptet, ist es auch unproblematisch, dass dafür die Schlichtungseinrichtung des Klägers zuständig ist. Die im Rekurs angesprochene Schwierigkeit zu ermitteln, welche Schlichtungseinrichtung zuständig ist, besteht daher nicht.

Von der temporären Unzulässigkeit des Rechtswegs wird lediglich dann eine Ausnahme gemacht, wenn die vorherige Anrufung der vereinsinternen Schlichtungsstelle für die betroffene Partei nicht zumutbar ist (7 Ob 38/14k = RIS-Justiz RS0122211 [T3]). Dies wurde etwa dann bejaht, wenn ein Vereinsbeschluss ausnahmsweise im Anfechtungszeitpunkt unrevidierbar wäre (7 Ob 139/07b = RIS-Justiz RS0122211). Als wegen der „Kostenhürde“ unzumutbar wurde auch die Leistung eines weder gesetzlich noch satzungsmäßig gedeckten Pauschalhonorars für die Mitglieder einer Schlichtungseinrichtung gemäß § 8 VerG 2002 oder eines Kostenbeitrags für weder offengelegte noch näher konkretisierte sonstige Kosten qualifiziert (2 Ob 226/14w = RIS-Justiz RS0122426 [T10]).

Mit diesen Fällen ist die vorliegende Konstellation nicht vergleichbar. Es ist nicht einzusehen, warum sich die Schlichtungsstelle nicht auch mit der Berechtigung der Gegenforderung, die ja in unmittelbarem Zusammenhang mit der Klageforderung steht, befassen könnte.

In der Außerstreitstellung der Klageforderung dem Grunde und der Höhe nach kann kein Verzicht auf die Anrufung der Schlichtungseinrichtung nach § 8 VerG 2002 durch den Beklagten gesehen werden, ist dieser doch kraft der eingewendeten Gegenforderung eben nicht zur Zahlung bereit. Überdies ist – wie schon ausgeführt – die Unzulässigkeit des Rechtswegs nicht heilbar und unterliegt auch nicht der Disposition der Parteien. Die Möglichkeit der Parteiendisposition widerspräche dem mit § 8 Abs 1 VerG 2002 angestrebten Zweck der Gerichtsentlastung (5 Ob 251/15w = RIS-Justiz RS0130750).

Die angefochtene Entscheidung ist daher rechtsrichtig, weshalb dem Rekurs der Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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