OGH 5Ob29/08p

OGH5Ob29/08p14.7.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin Gertruda B*****, vertreten durch Dr. Michael Battlog, Rechtsanwalt in Schruns, gegen die Antragsgegner 1. K. B***** T***** GmbH, *****, 2. Horst B*****, 3. Joachim B*****, alle vertreten durch tusch.flatz.dejaco Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, wegen §§ 52 Abs 1 Z 1, 9 Abs 3 WEG 2002, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 14. November 2007, GZ 4 R 249/07h‑53, mit dem dem Rekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Bezirksgerichts Montafon vom 30. Juni 2007, GZ 1 Msch 1/06s‑48, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem ordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Franz B***** (als Rechtsvorgänger der Antragstellerin), die Erstantragsgegnerin, der Zweitantragsgegner und Kurt B***** (als Rechtsvorgänger des Drittantragsgegners) waren Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB ***** bestehend aus dem GST‑NR 27/7. Auf dieser Liegenschaft befanden sich ein Wohnhaus und eine Garage. Die Antragstellerin wohnt schon seit Jahren in einer Wohnung des Hauses. Die Garage verwendete die Erstantragsgegnerin als Betriebsgebäude.

Die seinerzeitigen Miteigentümer erwogen, auf der Liegenschaft Wohnungseigentum zu begründen und holten im Jahre 1995 ein Nutzwertgutachen des Baumeisters Otto H***** ein. Auf der Grundlage dieses Gutachtens erfolgte mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichts Montafon vom 31. 8. 1995, AZ 1 Msch 72/95, die Nutzwertfestsetzung. Zur Verbücherung von Wohnungseigentum kam es allerdings vorerst nicht.

Franz B***** verstarb am 21. 5. 1998. Im Abhandlungsverfahren wurde RA Dr. Günther F***** zum Verlassenschaftskurator bestellt. Im Zuge des Abhandlungsverfahrens wurde erneut die Begründung von Wohnungseigentum auf der bezeichneten Liegenschaft, insbesondere auch mit der Antragstellerin, erörtert.

Ab dem Jahr 1999 beabsichtigte die Erstantragsgegnerin ein zusätzliches Betriebsgebäude in Form eines weiteren Garagengebäudes zu errichten. Über diese Pläne war auch die Antragstellerin informiert. Die Planungsphase zog sich längere Zeit. Die Antragstellerin war ursprünglich gegen die Errichtung dieses Garagengebäudes, stimmte dann diesem Vorhaben aber nach mehreren Treffen und Verhandlungen letztlich zu. Noch bevor allerdings der Neubau errichtet war, schlossen die Verlassenschaft nach Franz B*****, die Erstantragsgegnerin, der Zweitantragsgegner und Kurt B***** den Schenkungs- und Wohnungseigentumsvertrag vom 23. 9. 2002, der allerdings zunächst nicht verbüchert wurde. Das Nutzwertgutachen des Baumeisters Otto H***** und der Beschluss des Bezirksgerichts Montafon vom 31. 8. 1995, AZ 1 Msch 72/95, über die Nutzwertfestsetzung waren integrierte Vertragsbestandteile, während der beabsichtigte Neubau der Garage darin nicht berücksichtigt war. Dieser Schenkungs- und Wohnungseigentumsvertrag vom 23. 9. 2002 war der Antragstellerin bekannt. Der Miteigentumsanteil des Franz B***** wurde der Antragstellerin erst nach Abschluss des Schenkungs- und Wohnungseigentumsvertrags vom 23. 9. 2002 eingeantwortet.

Die Errichtung des zusätzlichen Betriebsgebäudes begann im Jahr 2002 und war jedenfalls im Mai 2004 abgeschlossen. Das neue, im Auftrag der Erstantragsgegnerin errichtete Garagengebäude steht auf einem Teil jener Fläche, der laut dem Schenkungs- und Wohnungseigentumsvertrag Allgemeinfläche sein sollte. Das Garagengebäude benützt allein die Erstantragsgegnerin als Betriebsgebäude, was allen Miteigentümern, insbesondere auch der Antragstellerin im Hinblick auf die der Errichtung der Garage vorangegangenen Gespräche klar war.

Nach Fertigstellung des neuen Garagengebäudes wurde auf der Grundlage des - diesen Neubau nicht berücksichtigenden - Schenkungs- und Wohnungseigentumsvertrags vom 23. 9. 2002 mit Beschluss vom 24. 7. 2004 die Einverleibung von Wohnungseigentum bewilligt. Danach sind nunmehr die Antragstellerin (als Rechtsnachfolgerin des Franz B*****) zu 169/571‑Anteilen (Wohnungseigentum an W3), die Erstantragsgegnerin zu 157/571‑Anteilen (Wohnungseigentum an G1), der Zweitantragsgegner zu 92/571‑Anteilen (Wohnungseigentum an W1) und der Drittantragsgegner (als Rechtsnachfolger des Kurt B*****) zu 153/571‑Anteilen (Wohnungseigentum an W2) Wohnungs- und Miteigentümer an der Liegenschaft.

Die Antragstellerin begehrte die Nutzwertneufestsetzung und konkretisierte dann ihren Antrag - über Aufforderung des Erstgerichts - dahin, dass die Erstantragsgegnerin zu 359/773‑Miteigentumsanteilen, der Zweitantragsgegner zu 92/773‑Miteigentumsanteilen, der Drittantragsgegner zu 153/773‑Miteigentumsanteilen und die Antragstellerin zu 169/773‑Miteigentumsanteilen Wohnungs- bzw Miteigentümer der Liegenschaft werden sollen. Weiters stellte die Antragstellerin Eventualanträge auf Zuspruch eines monatlichen Benützungsentgelts von 600 EUR und auf Festlegung einer Benützungsregelung. Die dem Schenkungs- und Wohnungseigentumsvertrag vom 23. 9. 2002 zugrunde gelegene Parifizierung berücksichtige nicht den Neubau des Betriebsgebäudes und verstoße daher gegen zwingende Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes. Abweichend von der Nutzwertfestsetzung durch Baumeister Otto H***** sei es auch im Inneren des Gebäudes zu Veränderungen gekommen, die eine gerichtliche Neufestsetzung der Nutzwerte unvermeidbar machten. Aufgrund einer Vereinbarung vom 16. 4. 2002 sei die Erstantragsgegnerin verpflichtet gewesen, im Rahmen des Neubaus des Betriebsgebäudes der Antragstellerin eine weitere Garage für deren Wohnung herzustellen. Diese Garage sei in der Parifizierung ebensowenig berücksichtigt wie der im Inneren der Garage der Erstantragsgegnerin zusätzlich eingerichtete Aufenthaltsraum und der Öllagerraum. Diese Räume wirkten sich auf das Wohnungseigentumsobjekt der Erstantragsgegnerin werterhöhend aus. Unrichtig sei weiters der im Nutzwertgutachten des Baumeisters Otto H***** vorgenommene 20 %‑ige Abschlag für Top 1 (LKW‑Garage). Falsch sei auch die Festsetzung der Nutzflächen deshalb, weil die Balkone gemäß § 2 Abs 7 WEG 2002 nicht berücksichtigt hätten werden dürfen. Bei der Wohnung Top 4 scheine eine Nutzfläche von 9,85 m² für den Dachboden auf, der jedoch nicht ausgebaut und daher nicht für Wohn- oder Geschäftszwecke geeignet sei.

Die Antragsgegner begehrten Antragsabweisung. Der Antrag sei verfristet und in der Sache nicht berechtigt. Die ursprünglichen Gesellschafter der Erstantragsgegnerin hätten vereinbart, dass Wohnungseigentum begründet werde und eine für den Zubau zum Betriebsgelände benötigte Grundfläche samt Vorplatz im Eigentum der Erstantragsgegnerin verbleiben, vermessen und „herausparzelliert" werden sollte. Dadurch würde sich die Allgemeinfläche um 573 m² verringern, die Nutzwerte würden jedoch unverändert bleiben. Die Antragstellerin habe sich nie gegen einen Verbleib des Teils der Grundfläche im Eigentum der Erstantragsgegnerin ausgesprochen, sondern sei damit grundsätzlich einverstanden gewesen.

Das Erstgericht wies - auf der Grundlage des eingangs zusammengefassten Sachverhalts - den Sachantrag ab und ordnete die Wiedereröffnung des Verfahrens zur Entscheidung über die Eventualanträge an. Es war rechtlich der Ansicht, auch der gesetzlich nicht geregelte Fall, dass „allgemeine Teile im Zubehör ins Eigentum umgewandelt" würden, würde zu einer neuen Nutzwertfestsetzung ohne eine Frist berechtigen. Allerdings sei eine Neuparifizierung dann, wenn - so wie hier - allgemeine Teile von einzelnen Miteigentümern ausschließlich verwendet würden, nicht zwingend notwendig. Die Parteien könnten in diesem Fall vereinbaren, dass derartige Liegenschaftsteile weiterhin allgemeine Teile der Liegenschaft sein sollen, aber eine Benützungsvereinbarung treffen. Auch wenn vorliegend eine derartige Benützungsvereinbarung nicht abgeschlossen worden sei ‑ dies müsste seit dem 1. 7. 2002 schriftlich erfolgen -, so könne aus dem Verhalten der Antragstellerin nur geschlossen werden, dass sie damit einverstanden gewesen sei, dass keine Neuparifizierung erfolge. Die Antragstellerin habe nämlich im Wissen, dass das Nutzwertgutachten auf den Verhältnissen aus 1995 beruhe und später zusätzlich eine Halle erbaut worden sei, dennoch (über ihren Rechtsvertreter) ausdrücklich die grundbücherliche Durchführung des alten Vertrags verlangt. Somit seien im Jahr 2004 sämtliche Miteigentümer in Kenntnis dessen, dass sich die Verhältnisse geändert hätten, mit der grundbücherlichen Durchführung auf der Basis des Nutzwertgutachtens aus 1995 einverstanden gewesen. Insofern sei darüber zumindest schlüssig eine Vereinbarung zwischen den Mit- und Wohnungseigentümern zustandegekommen. Da diese nicht schriftlich abgeschlossen worden sei, reiche sie als Benützungsvereinbarung nicht hin, weshalb über die weiteren Eventualanträge auf Zahlung von Benützungsentgelt und Festlegung einer Benützungsregelung im fortgesetzten Verfahren zu entscheiden sei.

Das Rekursgericht gab dem von der Antragstellerin erhobenen Rekurs nicht Folge und „bestätigte" den Sachbeschluss des Erstgerichts „mit der Maßgabe", dass es den Antrag, „die Miteigentumsanteile ... unter Einbeziehung des Neubaus ... neu festzusetzen", zurückwies. Zutreffend rüge die Antragstellerin, dass das Erstgericht nicht auf deren Vorbringen eingegangen sei, die Balkone seien bei der Berechnung der Nutzflächen und bei der Festsetzung der Nutzwerte entgegen § 2 Abs 7 WEG 2002 berücksichtigt worden und der (zu Top 3 parifizierte) Dachboden sei ebenfalls nicht wohnungseigentumstauglich. Dies schade hinsichtlich der Balkone deshalb nicht, weil damit ein Abweichen des Gutachtens von den tatsächlichen Gegebenheiten (§ 9 Abs 2 Z 2 WEG) geltend gemacht werde, wofür nur die hier jedenfalls versäumte Frist von einem Jahr ab Rechtskraft der Bewilligung der Einverleibung von Wohnungseigentum zur Verfügung stehe. Nicht erkennbar sei eine fehlerhafte Nutzwertfestsetzung im Zusammenhang mit der Einbeziehung einer Dachbodenfläche von 9,85 m² in das Wohnungseigentum von Top 4 (der Antragstellerin), sei doch nicht ersichtlich, warum diese, auch wenn sie nicht ausgebaut sei, nicht einer Wohnungseigentumseinheit zugeordnet werden könne.

Im Übrigen mache die Antragstellerin geltend, der Garagenneubau stelle ein wohnungseigentumstaugliches Objekt dar, hinsichtlich dessen zumindest eine konkludente Widmung dahingehend vorliege, dass die ausschließliche Nutzung durch die Erstantragsgegnerin erfolgen solle, und mit der wohnungseigentumsrechtlichen Zuordnung dieses Garagenneubaus werde gegen zwingende Bestimmungen des WEG 2002 verstoßen. Nun seien gemäß § 9 Abs 2 Z 1 WEG 2002 tatsächlich die Nutzwerte dann abweichend vom Nutzwertgutachten festzusetzen, wenn das Gutachten gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung verstoße. Damit sei klargestellt, dass die Nutzwertfestsetzung nicht der Dispositionsmaxime der Parteien unterliege, sondern die Festsetzung der Nutzwerte und damit die Bestimmung der Mindestanteile jeder Verfügung der Miteigentümer entzogen sei. Ein Antrag zur Änderung der Nutzwerte sei lediglich Verfahrensvoraussetzung. Es sei daher - entgegen der Rechtsmeinung des Erstgerichts - rechtlich unerheblich, ob die Antragstellerin allenfalls der dem Gesetz widersprechenden Nutzwertfestsetzung zugestimmt und diese allenfalls über ihren Vertreter auch selbst beantragt habe. Lägen also die Voraussetzungen einer Änderung der Nutzwerte durch das Gericht vor, so sei diese zwingend vorzunehmen, unabhängig davon, ob die Parteien die gegen das Gesetz verstoßende Nutzwertfestsetzung selbst so begehrt hätten. Voraussetzung für eine Nutzwertfestsetzung nach § 9 Abs 2 Z 1 WEG 2002 sei ein massiver qualitativer Fehler bei der Nutzwertermittlung. Als solche seien die falsche Einordnung in eine der drei grundsätzlichen Kategorien (WE‑Objekte, Zubehör und allgemeine Teile der Liegenschaft), die sich aber auch erst durch eine spätere Änderung ergeben könne, und auch die nachträgliche Umwidmung allgemeiner Teile in WE‑Objekte anzusehen. Ein solcher Fall läge hier, worin der Antragstellerin zuzustimmen sei, zweifelsfrei vor, wenn in der unstrittigen Errichtung des Garagenneubaus auf der Allgemeinfläche eine nachträgliche Umwidmung in ein (der Erstantragsgegnerin zugehöriges) Wohnungseigentumsobjekt erfolgt wäre. Dies sei hier allerdings strittig. Auszugehen sei davon, dass sich nach dem Vorbringen der Antragstellerin ihr Anspruch aus einer Vereinbarung vom 16. 4. 2002 ergebe, während nach den Prozessbehauptungen der Antragsgegner eine Vereinbarung dahin getroffen worden sei, dass die Fläche, auf der die neue Garage errichtet worden sei, neu parzelliert und von der EZ ***** GB ***** abgeschrieben werden solle. Grundlage der Änderung der Nutzwertfestsetzung gemäß § 9 Abs 2 WEG 2002 sei aber die der jeweiligen materiellen Rechtslage entsprechende konkrete Widmung. Diese Rechtslage habe der Außerstreitrichter von Amts wegen als Vorfrage zu prüfen, was auch bei einer Änderung (Neufestsetzung) der Nutzwerte gelte. Allerdings sei die Rechtsbeziehung der Vertragsparteien, ob und allenfalls welche Vereinbarungen zwischen den Parteien abgeschlossen worden seien, auf welche sich der geltend gemachte Anspruch stütze, nicht Gegenstand des Außerstreitverfahrens (5 Ob 56/89 = wobl 1990/44; 5 Ob 241/98x = MietSlg 50.673). Bei der Frage, ob über ein Begehren im außerstreitigen Verfahren oder im Prozess zu entscheiden sei, sei vom Vorbringen und dem Entscheidungsbegehren des Antragstellers, nicht aber von den Einwendungen des Antragsgegners oder den Feststellungen auszugehen, die das Gericht aufgrund der durchgeführten Beweise getroffen habe. Die Feststellung des Inhalts eines zwischen Miteigentümern abgeschlossenen Vertrags, also der zwischen den Vertragsteilen begründeten Rechtsbeziehungen gehöre in das streitige Verfahren (5 Ob 56/89 = wobl 1990/44). Ein solcher Fall liege hier vor. Die Antragstellerin berufe sich auf eine zwischen den Streitteilen abgeschlossene (und von den Antragsgegnern widersprochene) Vereinbarung der Begründung von Wohnungseigentum auch hinsichtlich des errichteten Neubaus. Der Abschluss einer solchen Vereinbarung sei für die Frage der Änderung der Nutzwertfestsetzung rechtlich bedeutsam, jedoch nicht im Außerstreitverfahren zu prüfen. Aus diesen Überlegungen sei hier über das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin nicht im außerstreitigen Verfahren, sondern im streitigen Zivilprozess zu entscheiden, weshalb deren Antrag zurückzuweisen sei.

Das Rekursgericht sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 10.000 EUR und der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Frage, welche Bedeutung einem einvernehmlich im Bereich der Allgemeinflächen eines Wohnungseigentumsobjekts erbauten Zubaus hinsichtlich der Nutzwertfestsetzung zukomme, eine solche von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG sei.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Nutzwertneufestsetzung. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegner erstatteten eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Nutzwertneufestsetzung verkannt hat; der Revisionsrekurs ist im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Ungeachtet der - über Aufforderung des Erstgerichts - formulierten „Antragspräzisierung" gehen die Vorinstanzen und die Parteien übereinstimmend davon aus, dass die Antragstellerin mit ihrem Sachantrag eine Neufestsetzung der Nutzwerte abweichend von der der Wohnungseigentumsbegründung zugrunde gelegenen Nutzwertfestsetzung anstrebt. Gegenstand des Nutzwert‑(neu‑)festsetzungsverfahrens ist die Ermittlung der Nutzwerte. Die Nutzwert‑(neu‑)festsetzung bildet (nur) die Grundlage für eine nachfolgende (erforderliche) Änderung der Mindestanteile (Würth in Rummel³, § 9 WEG 2002 Rz 3; vgl auch T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 10 WEG 2002 Rz 25 ff). Klarzustellen ist also einleitend, dass die Nutzwert‑(neu‑)festsetzung keinen eigenen Rechtsgrund für die Nutzung schafft (5 Ob 157/03d = wobl 2003/193, 360 [Call] = MietSlg 55.464) und grundsätzlich nicht die Frage regelt, wem Rechte an bestimmten Räumen zustehen (RIS‑Justiz RS0083022; zur sachenrechtlichen Zuordnung durch Einverleibung des Wohnungseigentums s RIS‑Justiz RS0111616; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 10 WEG 2002 Rz 25).

2. Bei der Nutzwert‑(neu‑)festsetzung sind die fraglichen Objekte auf ihre Wohnungseigentumstauglichkeit hin zu prüfen (vgl 5 Ob 188/97a = immolex 1998/10, 14 = MietSlg 49.546/32), und die Nutzwert‑(neu‑)festsetzung hat zwingenden Grundsätzen der Nutzwertberechnung zu entsprechen (vgl § 9 Abs 2 Z 1 WEG 2002), was insbesondere für die Frage der Wohnungseigentumstauglichkeit von Objekten gilt (vgl Würth in Rummel³, § 9 WEG 2002 Rz 6). Ausgangspunkt der Nutzwertberechnung müssen also die zwingenden einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und die - der Rechtslage entsprechende - Widmung sein (RIS‑Justiz RS0083252). Für die Frage der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts ist die privatrechtliche Einigung (der Widmungsakt) der Wohnungseigentümer (idR im Wohnungseigentumsvertrag) maßgeblich (5 Ob 106/06h = immolex 2006/128, 318 [Maier‑Hülle] = wobl 2006/147, 368 [Call] = NZ 2007, 117 [Hoyer, NZ 2007, 126] = Zak 2006/577, 335; 5 Ob 11/07i), die aber auch konkludent erfolgen kann (RIS‑Justiz RS0114928).

3. Der notwendigen Berücksichtigung zwingender Grundsätze der Nutzwertberechnung trägt die in § 9 Abs 2 Z 1 WEG 2002 vorgesehene, eine „Positivierung" der bis dahin vorgelegenen Rechtsprechung darstellende Möglichkeit eines Antrags auf Nutzwertneufestsetzung für den Fall Rechnung, dass das Gutachten gegen eben diese zwingenden Grundsätze der Nutzwertberechnung verstößt. Ein solcher Antrag kann unbefristet und ohne Bagatellgrenze geltend gemacht werden (vgl 5 Ob 226/07g; RIS‑Justiz RS0117708; Würth in Rummel³, § 9 WEG 2002 Rz 6; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 9 WEG 2002 Rz 31). Es folgt dann eine Regelungsstreitigkeit, in der das Gericht nicht an das Begehren im Antrag gebunden ist, sondern nach Verfahrenseinleitung in einem jeder Dispositionsbefugnis der Parteien entzogenen Verfahren für alle in Betracht kommenden Objekte einer Liegenschaft ausgehend von der materiellen Rechtslage nach der konkreten Widmung die Festsetzung der Nutzwerte vornehmen kann (5 Ob 226/07g; 5 Ob 100/02w = wobl 2002/121 [Call]; RIS‑Justiz RS0082872).

4. Allgemeine Teile sind nun solche, die der allgemeinen Benützung dienen oder deren Zweckbestimmung einer ausschließlichen Benützung entgegenstehen (§ 2 Abs 4 WEG 2002). An allgemeinen Teilen kann Wohnungseigentum nicht begründet werden (§ 3 Abs 3 WEG 2002); allgemeine Teile werden daher von der Nutzwertfestsetzung nicht erfasst (5 Ob 252/01x = wobl 2002/44, 185 [Call] = immolex 2002/76, 192 = NZ 2003/29, 106 = MietSlg 54.449). Dagegen sind Wohnungseigentumsobjekte nach § 2 Abs 2 WEG 2002 Wohnungen, sonstige selbständige Räumlichkeiten und Abstellplätze für Kraftfahrzeuge (wohnungseigentumstaugliche Objekte). Eine sonstige selbständige Räumlichkeit ist ein baulich abgeschlossener, nach der Verkehrsauffassung selbständiger Teil eines Gebäudes, dem nach seiner Art und Größe eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zukommt, wie etwa ein selbständiger Geschäftsraum oder eine Garage. Die Begründung von Wohnungseigentum ist gemäß § 3 Abs 2 WEG 2002 nur zulässig, wenn sie sich auf alle wohnungseigentumstauglichen Objekte bezieht, die nach der Widmung der Miteigentümer als Wohnungseigentumsobjekte vorgesehen sind. Die falsche Einordnung in eine der drei grundsätzlichen wohnungseigentumsrechtlichen Kategorien (WE‑Objekte, Zubehör und allgemeine Teile der Liegenschaft) stellt einen Anwendungsfall des § 9 Abs 2 Z 1 WEG 2002 dar (T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 9 WEG 2002 Rz 31; vgl auch die Judikaturbeispiele in RIS‑Justiz RS0083159 sowie bei Würth in Rummel³, § 9 WEG 2002 Rz 6).

5. Die Grundlage der Nutzwertfestsetzung nach dem WEG 1975 wie auch nach dem WEG 2002 ist - wie oben schon angesprochen - die der jeweiligen materiellen Rechtslage entsprechende konkrete Widmung, die der Außerstreitrichter (bzw die Schlichtungsstelle) von Amts wegen als Vorfrage zu prüfen hat (RIS‑Justiz RS0083252). Eine Verweisung auf den Rechtsweg ist ausgeschlossen (5 Ob 226/07g; 5 Ob 298/98d = NZ 2000, 249). Die selbständige Feststellung der Rechtsbeziehung der Vertragsparteien kann dagegen auf den ordentlichen Rechtsweg gehören, was etwa für den ein aus einem Kaufvertrag abgeleiteter Anspruch auf „Umparifizierung" gelten kann (5 Ob 270/00t = MietSlg 52.533 = immolex 2001/53; vgl 5 Ob 56, 57/89 = MietSlg 41.454/25 = wobl 1990/44, 80 [Call]). Maßgebend für die Beurteilung, welche Art des Verfahrens anzuwenden ist, ist der Wortlaut des vom Antragsteller gestellten Entscheidungsbegehrens und sein Sachvorbringen, also der zur Begründung des Begehrens vorgetragene Sachverhalt (5 Ob 226/07g).

6.1. Hier hat sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf Neufestsetzung der Nutzwerte völlig eindeutig auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Abs 2 Z 1 WEG 2002 mit der wesentlichen Begründung berufen, der grundsätzlich wohnungseigentumstaugliche Garagenneubau auf der Allgemeinfläche sei - bei der schon zuvor erfolgten - Nutzwertfestsetzung nicht berücksichtigt. Über einen solchen Antrag ist gemäß § 52 Abs 1 Z 1 WEG 2002 im wohnungseigentumsrechtlichen Außerstreitverfahren zu entscheiden.

6.2. Die gegenteiligen Bedenken des Rekursgerichts beruhen darauf, dass mit der unstrittigen Errichtung des Garagenneubaus auf der Allgemeinfläche auch eine nachträgliche Umwidmung in ein (der Erstantragsgegnerin zugehöriges) Wohnungseigentumsobjekt erfolgt sein müsste, wozu sich die Antragstellerin auf eine Vereinbarung vom 16. 4. 2002 berufen habe, während die Antragsgegner eine Einigung dahin behaupteten, dass die betreffende Fläche, auf der die neue Garage errichtet worden sei, neu parzelliert und von der EZ ***** GB ***** abgeschrieben werden solle.

6.3. In diesem Kontext ist dem Rekursgericht aber nur insoweit zu folgen, als die von den Antragsgegnern behauptete Vereinbarung über eine Abschreibung von Liegenschaftsteilen der EZ ***** GB ***** im streitigen Rechtsweg geltend gemacht werden müsste. Hier kann sich dagegen nur die Frage nach der - auch konkludent möglichen Widmung - des Garagenneubaus stellen und diese bedarf keines Rückgriffs auf die von der Antragstellerin (erläuternd) erwähnte (angebliche) Vereinbarung vom 16. 4. 2002. Schon nach dem beiderseitigen Vorbringen der Parteien und der Eigenart des Objekts (Betriebsgebäude der Erstantragsgegnerin) gingen alle Beteiligten ganz selbstverständlich davon aus, dass dieses Gebäude natürlich nicht der allgemeinen Benützung vorbehalten sei, sondern ausschließlich der betrieblichen Nutzung der Erstantragsgegnerin dienen soll. Die Antragstellerin hat dies im verfahrenseinleitenden Antrag ausdrücklich behauptet und die Antragsgegner gehen davon ebenfalls aus, könnten sie sich doch sonst nicht (immer wieder) darauf berufen, dass an der betreffenden Fläche Eigentum der Erstantragsgegnerin begründet werden soll(te) (s S 1 in ON 12 = AS 37; S 3 in ON 34 = AS 137).

7. Zusammengefasst ergibt sich demnach Folgendes:

Die Antragstellerin hat einen auf § 9 Abs 2 Z 1 WEG 2002 gestützten, unbefristet möglichen Antrag auf Neufestsetzung der Nutzwerte gestellt, und zwar mit der wesentlichen Begründung, der auf einer bisherigen Allgemeinfläche errichtete Garagenneubau sei - wie nach nach den bisherigen Verfahrensergebnissen nicht widerlegbar - grundsätzlich wohnungseigentumstauglich und bei der der Wohnungseigentumsbegründung zugrunde gelegenen Nutzwertfestsetzung unberücksichtigt geblieben. Dass dieses Objekt nicht der allgemeinen Benützung vorbehalten sein, sondern ausschließlich der betrieblichen Nutzung der Erstantragsgegnerin dienen sollte, ist nach dem allen Beteiligten klar gewesenen Verwendungszweck des Objekts und den wechselseitigen Parteienvorbringen unzweifelhaft. Der Sachantrag der Antragstellerin ist daher zur Einleitung eines Verfahrens nach § 52 Abs 1 Z 1 WEG 2002 tauglich. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die materiellen Grundlagen der begehrten Nutzwertfestsetzung zu prüfen haben.

8. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 Abs 1 2. Satz AußStrG (iVm § 52 Abs 2 WEG 2002), § 37 Abs 3 Z 17 MRG (iVm § 52 Abs 2 WEG 2002).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte