OGH 5Ob157/03d

OGH5Ob157/03d8.7.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Mag. Gertraud E*****, 2.) Erika P*****, und 3.) Amalie R*****, alle vertreten durch Kurz & Götsch, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Birgit H*****, vertreten durch Dr. Klaus Gstrein, Rechtsanwalt in Imst, wegen Unterlassung (Streitwert Euro 18.000,- -) infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 14. März 2003, GZ 2 R 40/03d-18, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. Dezember 2002, GZ 41 Cg 16/02z-14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit Euro 1.223,38 (darin enthalten Euro 203,90 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat zwar ausgesprochen, dass die Revision gegen sein Urteil zulässig sei, weil zur Frage, inwieweit Wohnungseigentümer auf § 16 Abs 2 WEG 2002 gestützte Unterlassungsansprüche auch in jenen Fällen geltend machen können, in denen die Änderungen nicht vom Wohnungseigentümer, sondern vom Wohnungseigentumsorganisator durchgeführt worden sind, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle, doch liegen die in § 502 Abs 1 ZPO normierten Voraussetzungen für die Anrufung des OGH nicht vor:

Dass eine nach der Vorschrift des § 16 Abs 2 WEG 2002 (früher § 13 Abs 2 WEG 1975) zu beurteilende Rechtsfrage zu klären wäre, trifft nicht zu. Den diesbezüglichen Fehler des Erstgerichtes, über die allein dem Außerstreitrichter vorbehaltene Genehmigungsfähigkeit der fraglichen Änderung abgesprochen zu haben (siehe dazu RIS-Justiz RS0083156), hat bereits das Berufungsgericht korrigiert. Es geht vielmehr um die Beurteilung eines Unterlassungsanspruchs nach § 523 ABGB, den die Kläger darauf stützen, die Beklagte greife ohne Rechtstitel in das Miteigentum der anderen Gemeinschaftsmitglieder (und zwar deren Nutzungsrechte an allgemeinen Teilen der gemeinsamen Liegenschaft) ein, weil ihre Wohnung weitaus größer sei als das im genehmigten Bauplan und im Nutzwertfestsetzungsbeschluss des BG Silz vom 3. 9. 1992 ausgewiesene Objekt. Die damit im Zusammenhang stehenden Rechtsfragen sind bereits geklärt; die Entscheidung des Berufungsgerichtes, der Beklagten sei keine tittelose Benützung vorzuwerfen, weil sie ihre Wohnung in jenem Zustand erworben hat und nutzt, der schon in der Errichtungsphase der Anlage vom Wohnungseigentumsorganisator (vor allem durch die Verschiebung von Wänden im Bereich unzugänglicher Dachschrägen) hergestellt wurde, hält sich im Rahmen der einschlägigen Judikatur.

Bei der Eigentumsfreiheitsklage hat der Kläger sein Eigentum und den Eingriff des Beklagten, letzterer hingegen die Berechtigung seines Eingriffs nachzuweisen (RIS-Justiz RS0012186, RS0010164). Gelingt dem Beklagten dieser Nachweis, dann kann dem Unterlassungsbegehren des Klägers mangels Rechtswidrigkeit des Eingriffes kein Erfolg beschieden sein (RIS-Justiz RS0012038).

Im gegenständlichen Fall steht fest, dass die Beklagte zufolge der vom genehmigten Bauplan abweichenden Ausführung ihrer Wohnung mehr von der gemeinsamen Liegenschaft nutzt als es ihrem Miteigentumsanteil (Mindestanteil) an der gemeinsamen Sache entspricht. Dass deshalb die Nutzwertfestsetzung zu korrigieren ist, haben ohnehin alle Miteigentümer der Liegenschaft erkannt (die eine einvernehmliche "Neuparifizierung" anstreben, sich aber über die zu leistenden Ausgleichszahlungen nicht einigen konnten). Die Beklagte rechtfertigt jedoch ihre "überproportionale" Nutzung damit, die mit ihrem Miteigentumsanteil verbundene Wohnung gar nicht verändert, sondern sie genau so (mit jener Widmung und Ausstattung) gekauft zu haben, wie sie der Wohnungseigentumsorganisator angeboten hatte, während die Kläger (Revisionswerber) offenbar meinen, schon das Abweichen der tatsächlichen Nutzung vom geltenden Nutzwertfestsetzungsbeschluss (dem sich daraus ergebenden geringeren Nutzwertanteil) begründe den geltend gemachten Unterlassungsanspruch.

Die Revisionswerber verkennen, dass der Rechtstitel für die einem Wohnungseigentümer zustehenden Nutzungsbefugnisse nicht in der Nutzwertfestsetzung bzw -bestimmung, sondern zunächst einmal in der Widmung liegt (die wiederum Grundlage des Wohnungseigentumsvertrages ist). Die rechtswirksame Widmung gibt den Ausschlag dafür, was zu einem bestimmten Wohnungseigentumsobjekt gehört und dementsprechend vom jeweiligen Wohnungseigentümer ausschließlich genutzt werden darf. Die Festsetzung bzw Bestimmung der Nutzwerte schafft dagegen keinen eigenen Rechtsgrund für die Nutzung; sie hat die Widmung nur nachzuvollziehen (vgl 5 Ob 80/94 = WoBl 1995, 28/13; idS schon Call zu 5 Ob 1106/92 = WoBl 1993, 173/119; derselbe zu 5 Ob 2220/96y = WoBl 1997, 105/24).

Für den Rechtsakt der Widmung bestehen im Gegensatz zum Vertrag über die Begründung von Wohnungseigentum keine Formvorschriften (RIS-Justiz RS0082712; vgl 1 Ob 585/79 = MietSlg 31.518; 3 Ob 572/91 = MietSlg 43.374; 5 Ob 2075/96z = WoBl 1998, 26/13 ua). Er kann im Stadium der Vorbereitung einer Wohnungseigentumsbegründung auch vom Wohnungseigentumsorganisator gesetzt werden (Palten, Wohnungseigentumsrecht3, Rz 52), was bei der Errichtung einer größeren Anlage, deren Wohnungen sukzessive abverkauft werden sollen, sogar dem Regelfall entspricht. Spätere Widmungsänderungen können konkludent die Zustimmung aller Mit- und Wohnungseigentümer finden, etwa durch die jahrelange widerspruchslose Hinnahme eines konsenslosen faktischen Zustands (vgl 5 Ob 5/95 = MietSlg 47.501; 5 Ob 234/99v = EWr II/14/67) oder durch gemeinsame Bemühungen, Abweichungen vom ursprünglichen Bauplan über eine Neufestsetzung der Nutzwerte zu sanieren (vgl 1 Ob 585/79 = MietSlg 31.518; 6 Ob 553/80 = MietSlg 32.476).

Das rechtswirksame Zustandekommen und der Inhalt einer Widmung von Teilen einer im Wohnungseigentum stehenden Liegenschaft hängt vielfach von den konkreten Umständen des gerade zu beurteilenden Falls ab. Hier ist das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangt, dass die von der Beklagten in Anspruch genommenen Liegenschaftsnutzungen auf einem rechtsgültigen Titel beruhen, weil sich ihre Wohnung in genau jenem Zustand befindet, den der Wohnungseigentumsorganisator hergestellt und vertraglich zugesichert hatte. Es ist nach der zitierten Judikatur jedenfalls vertretbar, darin einen rechtsgültigen Widmungsakt durch den Wohnungseigentumsorganisator zu sehen, der die vom Nutzwertfestsetzungsbeschluss abweichende "überproportionale" Nutzung der Beklagten rechtfertigt. Der rechtmäßigen Zustand ist daher nicht über ein Unterlassungsbegehren, sondern über die bereits angesprochene Korrektur der Nutzwertfestsetzung und den dabei gebotenen Wertausgleich herzustellen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.

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