OGH 5Ob100/02w

OGH5Ob100/02w14.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnungseigentumsrechtssache des Antragstellers Wendelin E*****, vertreten durch Dr. Helmut Edenhauser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen § 26 Abs 1 Z 1 WEG (Neufestsetzung der Nutzwerte für die Liegenschaft S***** , unter Beteiligung der Österreichischen S***** gemeinnützige registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, ***** vertreten durch Dr. Michael Wonisch, Dr. Hansjörg Reiner, Rechtsanwälte in Salzburg, und aller Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** darunter Rudolf M*****, dieser vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in Wien, infolge Revisionsrekurses der Rudolf M***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 4. Februar 2002, GZ 54 R 339/01v-42, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Salzburg vom 29. August 2001, GZ 18 Msch 11/98h-37, bestätigt wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens über die Neufestsetzung der Nutzwerte hinsichtlich der Liegenschaft EZ ***** KG ***** aufgetragen.

Text

Begründung

Über Antrag des Mit- und Wohnungseigentümers Wendelin E***** erließ der Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg am 23. 2. 1998 zur Zahl 1/10/91744/95/46 einen Bescheid, mit dem zu einen von Amts wegen ein Rechenfehler im Bescheid über die erstmalige Festsetzung der Nutzwerte vom 16. 12. 1976 Zahl 1/10/50852/94 berichtigt wurde und zum anderen eine Neufestsetzung der Nutzwerte gemäß § 3 Abs 2 und 3 sowie § 26 Abs 1 Z 1 WEG erfolgte.

Innerhalb offener Frist rief die Österreichische S***** gemeinnützig registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, die Mit- und Wohnungseigentümerin der Liegenschaft sowie deren Verwalterin ist, gemäß § 40 MRG das Erstgericht an. Durch Hausanschlag wurde sämtlichen Mit- und Wohnungseigentümern Gelegenheit zur Teilnahme am Verfahren gegeben.

Zum Gegenstand des Verfahrens wurde gemacht, ob es sich beim Objekt W 201 seinerzeit der Widmung entsprechend um im Eigentum der Verwalterin stehendes Wohnungseigentum oder aber um einen allgemeinen Teil des Hauses, nämlich eine Hausbesorgerdienstwohnung handelt. Am 5. 4. 2000 trat Ruhen des Verfahrens ein.

Am 6. 2. 2001 begehrte die Mit- und Wohnungseigentümerin Rudolf M***** KG die Fortsetzung des ruhenden Verfahrens. Sie schloss sich inhaltlich dem verfahrenseinleitenden Antrag an und begehrte eine Neufestsetzung der Nutzwerte dahin, dass die Hausbesorgerwohnung W 201 entsprechend der vertraglichen und tatsächlichen Widmung bei der Neufestsetzung der Nutzwerte als allgemeiner Teil des Hauses gewertet werde.

Daraufhin teilte der ursprüngliche Antragsteller Wendelin E***** mit, dass er den verfahrenseinleitenden Antrag zurückgezogen habe und sendete dem Erstgericht eine Gleichschrift der Antragsrückziehung (gerichtet an den Magistrat der Stadt Salzburg).

Die Mit- und Wohnungseigentümerin Rudolf M***** KG widersprach der Wirksamkeit einer solchen Antragsrückziehung. Sie halte das Begehren jedenfalls aufrecht.

Daraufhin wies das Erstgericht den Antrag der Mit- und Wohnungseigentümerin Rudolf M***** KG auf Fortsetzung des ruhenden Verfahrens zurück. Durch die Rücknahme des verfahrenseinleitenden Rechtsschutzantrages sei auch das gerichtliche Verfahren beendet worden, was einem Begehren auf Fortsetzung als Prozesshindernis entgegenstehe.

Einem dagegen von Rudolf M***** KG erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Auch im Verfahren nach § 26 WEG komme die Vorschrift des § 40 MRG zur Anwendung. Es sei daher keine Änderung des Antrags im gerichtlichen Verfahren möglich, so auch kein Austausch der Position des Antragstellers.

Die Rekurswerberin sei im Zeitpunkt ihres Fortsetzungsantrags nicht Partei gewesen und habe das zwischen den Parteien des Verfahrens vereinbarte Ruhen daher nicht beenden können.

Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil nicht abschließend geklärt sei, ob nach Abziehen eines Verfahrens von der Schlichtungsstelle an das Gericht eine Rücknahme des verfahrenseinleitenden Antrags gegenüber der Schlichtungsstelle wirksam sei. Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige S 130.000.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Wohnungseigentümerin Rudolf M***** KG wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen und eines Auftrags auf Fortsetzung des erstinstanzlichen Verfahrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der ursprüngliche Antragsteller Wendelin E***** und die Verwalterin beantragten, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben, in eventu ihn zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung darüber vorliegt, ob in einer Regelungsstreitigkeit, wie sie die Festsetzung der Nutzwerte gemäß § 26 Abs 1 Z 1 WEG darstellt, einer Antragsrückziehung durch den ursprünglichen Antragsteller, der mit seinem Antrag das Verfahren einleitete, verfahrensbeendigende Wirkung zukommt. Im Übrigen ist auf die Bestätigung der Zurückweisung eines Antrags auf Fortsetzung des ruhenden Verfahrens § 528 Abs 2 Z 2 ZPO anzuwenden (RIS-Justiz RS0103702).

Streitigkeiten über die Festsetzung oder Neufestsetzung des Nutzwerts im Sinn des § 3 WEG sind durch § 26 Abs 1 Z 1 WEG in das außerstreitige Verfahren verwiesen. Das Verfahrensziel ist in einem solchen Verfahren immer eine Gesamtparifizierung der Liegenschaft (5 Ob 188/97a). Alle Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft sind von einer Neufestsetzung der Nutzwerte betroffen, weshalb jedem von ihnen eine Antragslegitimation zukommt (MietSlg XXXVIII/53). Die Festsetzung oder Neufestsetzung der Nutwerte hat in einem jeder Dispositionsbefugnis der Parteien entzogenen, jedoch nur auf Antrag einzuleitenden Verfahren für alle als Wohnungseinheiten in Betracht kommenden Objekte einer Liegenschaft ausgehend von der jeweiligen materiellen Rechtslage entsprechend der konkreten Widmung zu geschehen (5 Ob 287/98m; RIS-Justiz RS0082872ua). Zufolge § 26 Abs 2 Z 2 und 3 WEG kommt allen Miteigentümern sowie den Wohnungseigentumsbewerbern Parteistellung zu.

Das Wesen einer solchen Regelungsstreitigkeit (vgl auch Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren 5) ist, dass das Gericht nicht an das Begehren im Antrag gebunden ist, sondern nach Einleitung des Verfahrens in einem jeder Dispositionsbefugnis der Parteien entzogenen Verfahren für alle als Wohnungseinheit in Betracht kommende Objekte einer Liegenschaft ausgehend von der jeweils materiellen Rechtslage entsprechend der konkreten Widmung eine Festsetzung der Nutzwerte vorzunehmen hat (5 Ob 287/98m; zur Regelungsstreitigkeit: RIS-Justiz RS0013385). Das wurde bereits für Verfahren nach §§ 13b Abs 4, 14 Abs 3 und 19 Abs 3 WEG ausgesprochen (RIS-Justiz RS0013385).

Zutreffend macht der Revisionsrekurswerber daher geltend, dass er im Zeitpunkt seines Antrags Verfahrenspartei war und schon deshalb die entsprechende Betreibungshandlung setzen konnte, ohne dass er dazu der Zustimmung des ursprünglichen Antragstellers bedurft hätte. Er brauchte dazu auch nicht eigens dem Verfahren als Partei beizutreten, da er aufgrund gesetzlicher Anordnung Partei des Verfahrens ist. Aus der Qualität des Nutzwertfestsetzungsverfahrens als Regelungsstreitigkeit und seiner notwendigen Auswirkung auf alle Mit- und Wohnungseigentümer, selbst Wohnungseigentumsbewerber ergibt sich, dass es nicht einem einzelnen Miteigentümer, auch nicht jenem, der ursprünglich das Verfahren durch Antrag einleitete, frei steht, das Verfahren durch Antragsrückziehung zu beenden. Die Antragsrückziehung durch den ursprünglichen Antragsteller war daher wirkungslos. Er bleibt weiterhin aufgrund gesetzlicher Anordnung Partei des Nutzwertfestsetzungsverfahrens, weil nur eine einheitliche, alle Miteigentümer bindende Festsetzung der Nutzwerte in Betracht kommt.

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