European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E124861
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
An der Liegenschaft EZ * KG * ist Wohnungseigentum begründet. Eigentümerin aller 6 Mindestanteile, mit denen Wohnungseigentum an den Objekten „Top 1“ bis „Top 6“ verbunden ist, ist I* S*.
Am 4. 4. 2018 erstellten I* S* und die durch ihren Geschäftsführer vertretene Antragstellerin ein von beiden noch am selben Tag unterfertigtes „UNWIDERRUFLICHES KAUFVERTRAGSANBOT“. Unter Vorlage dieser und weiterer Urkunden beantragte die Antragstellerin die Bewilligung der Vormerkung ihres Eigentumsrechts hinsichtlich aller Mindestanteile der Liegenschaft (B-LNr 8 bis 13).
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es fehle ein Genehmigungsvermerk oder eine Negativklausel der Grundverkehrsbehörde iSd § 18 K-GVG. Das vorgelegte unwiderrufliche Kaufvertragsanbot vom 4. 4. 2018 entspreche zudem in mehrfacher Hinsicht nicht den allgemeinen Urkundenerfordernissen gemäß §§ 26, 27 GBG.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Der Vormerkung des Eigentums der Antragstellerin stehe schon ein sich aus dem Grundbuch ergebendes Hindernis iSd § 94 Abs 1 Z 1 GBG entgegen. Bei der als „Kaufvertragsanbot“ bezeichneten Vereinbarung handle es sich zwar nicht um ein bloßes Anbot, sondern um einen von der Verkäuferin und der Antragstellerin unterschriebenen Kaufvertrag. Dessen Gegenstand korrespondiere aber nicht mit dem Grundbuchstand. Auf der Liegenschaft sei bereits Wohnungseigentum begründet; die 6 Anteile der Verkäuferin seien die Mindestanteile, mit denen das Wohnungseigentum verbunden sei. Im Kaufvertrag hätten die Parteien keinen Bezug zu diesen bestehenden Wohnungseigentumsobjekten hergestellt, sondern den Kaufgegenstand mit der gesamten Liegenschaft so festgelegt, als hätte die Begründung von Wohnungseigentum erst zu geschehen. Das vereinbarte Kaufobjekt (die gesamte Liegenschaft, in Ansehung der ein vorläufiges Nutzwertgutachten erst erstellt werden solle) stimme also mit der sich aus dem Grundbuch ergebenden Sache (6 Mindestanteile verbunden mit Wohnungseigentum) nicht überein. Da der Antrag auf der Basis der hier geltend gemachten vertraglichen Grundlage nicht erfolgreich wiederholt werden könne, komme es auf alle weiteren vom Erstgericht herangezogenen und möglicherweise noch nicht bedachten Abweisungsgründe nicht mehr an.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil die Frage, ob an einer Liegenschaft, an der nach dem Grundbuchsstand Wohnungseigentum begründet ist, aufgrund eines Kaufvertrags über die gesamte Liegenschaft mit der Eigentümerin aller Mindestanteile Eigentum vorgemerkt werden kann, vom Obersten Gerichtshof noch nicht behandelt worden sei.
Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen abzuändern und ihr Grundbuchsgesuch zu bewilligen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.
1. Gemäß § 94 Abs 1 GBG hat das Grundbuchsgericht das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen. Es darf eine grundbücherliche Eintragung unter anderem nur dann bewilligen, wenn das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint (§ 94 Abs 1 Z 3 GBG). Das Ansuchen kann somit nur dann bewilligt werden, wenn der Urkundeninhalt ein derartiger ist, dass er nicht nur in formaler Beziehung unbedenklich erscheint, sondern auch bezüglich der materiell-rechtlichen Frage keine Zweifel aufkommen lässt (RIS-Justiz RS0060878).
2. Die Vormerkung (§ 8 Z 2 GBG) kann aufgrund einer beigebrachten Urkunde bewilligt werden, wenn diese zwar nicht alle in den §§ 31 bis 34 GBG festgesetzten besonderen Erfordernisse zur Einverleibung, wohl aber die allgemeinen Erfordernisse (§§ 26, 27 GBG) zur grundbücherlichen Eintragung besitzt (§ 35 GBG). Das Gericht kann daher auch eine Vormerkung nur aufgrund einer Urkunde bewilligen, die zumindest die allgemeinen Erfordernisse nach §§ 26, 27 GBG erfüllt (5 Ob 165/09i; vgl RIS‑Justiz RS0060474).
3.1. Nach § 26 Abs 2 GBG können Einverleibungen und Vormerkungen, wenn es sich um die Erwerbung oder Umänderung eines dinglichen Rechts handelt, nur aufgrund von Urkunden bewilligt werden, die einen gültigen Rechtsgrund enthalten. Ähnlich fordert auch § 433 ABGB in der zum Eigentumserwerb tauglichen Urkunde die genaue Angabe des Rechtsgrundes der Übergabe (5 Ob 5/06f; 5 Ob 187/06w). Die grundbuchsrichterliche Prüfung eines Vertrags hat sich daher auch darauf zu erstrecken, ob bei dem Erwerb eines dinglichen Rechts der gültige Rechtsgrund gemäß § 26 Abs 2 GBG überhaupt gegeben ist (RIS-Justiz RS0116318 [T4]). Aus dem Inhalt der die Grundlage für den Erwerb eines dinglichen Rechts bildenden Urkunde muss sich also das Zustandekommen des entsprechenden Rechtsgeschäfts ergeben (Hagleitnerin Kodek, Grundbuchsrecht² § 26 GBG Rz 27).
3.2. Für das Zustandekommen eines Vertrags ist die Einigung der Vertragsteile über den Vertragsinhalt und die ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung des Abschlusswillens erforderlich (RIS-Justiz RS0038607). Das Zustandekommen eines Kaufvertrags erfordert die Einigung über Kaufgegenstand und Kaufpreis (§§ 1053 f ABGB; RIS‑Justiz RS0019951, RS0017217). Dabei genügt auch beim Liegenschaftskauf die Bestimmbarkeit des Kaufgegenstands (RIS‑Justiz RS0020143, RS0019952; vgl Verweijen in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 35 GBG Rz 11). Ist etwa eine Liegenschaft hinsichtlich KG, EZ, Eigentümer und Anschrift vollständig und richtig, jedoch bloß bezüglich der (Miteigentums‑)Anteile der Eigentümerin unvollständig und ungenau bezeichnet, so ist damit dem Erfordernis der Bestimmtheit oder zumindest Bestimmbarkeit des Kaufobjekts ausreichend Genüge getan (RIS‑Justiz RS0020143 [T6]).
3.3. Das Rekursgericht zweifelt zwar ungeachtet der Formulierung als Kaufvertragsanbot nicht am Abschlusswillen der Parteien und qualifiziert die vorgelegte Urkunde vom 4. 4. 2018 als Kaufvertrag. Es sieht darin aber keinen tauglichen Erwerbstitel für das vorzumerkende Eigentumsrecht, weil das beschriebene Kaufobjekt mit der sich aus dem Grundbuch ergebenden Sache nicht übereinstimme. Tatsächlich werden als Kaufobjekt nicht die 6 Mindestanteile der Verkäuferin, verbunden mit Wohnungseigentum an 6 Objekten, sondern „2 Eigentumswohnungen, sowie ein Penthouse mit Wellnessbereich und eine Geschäftseinheit im Wohnungseigentum im Wohn- und Geschäftshaus [...] somit getrennt durch Wohnungseigentum“ genannt. Unmittelbar anschließend findet sich allerdings die Klarstellung, „verkauft wird jedoch die gesamte Liegenschaft [...]“ und „[d]er Käufer kauft die gesamte Liegenschaft“. Das Wohn- und Geschäftshaus ist durch die Liegenschaftsadresse, die Liegenschaft durch die EZ und KG bezeichnet. Der Antragstellerin ist daher zuzugestehen, dass aus der in ihrer Gesamtheit zu beurteilenden Urkunde klar hervorgeht (arg: »jedoch«), dass der Kaufvertrag jedenfalls die gesamte Liegenschaft zum Gegenstand hat. Die Verkäuferin ist als Eigentümerin aller Mindestanteile auch Eigentümerin des Kaufgegenstands. Die für das Zustandekommen eines Kaufvertrags erforderliche Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des Kaufgegenstands setzt in dieser Konstellation nicht voraus, dass der Kaufvertrag die einzelnen Mindestanteile exakt bezeichnet. Der Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des Kaufgegenstands steht auch die in den Vertrag aufgenommene Nebenbestimmung, dass „die Verkäuferin in Abstimmung mit dem Käufer das vorläufige Nutzwertgutachten erstellen lässt“ und die Verkäuferin „die Liegenschaft vor Übergabe parifizieren“ wird, nicht entgegen. Die Verkäuferin schuldet auch im Fall einer Nutzwertneufestsetzung, die die durch die zum Bestandteil des Kaufvertrags erklärten Anlagen detailliert beschriebenen Fertigstellungsarbeiten zur Folge haben mag, das Eigentum an allen (dann bestehenden) Anteilen der Liegenschaft. Den Verkauf mehrerer Liegenschaftsanteile zwischen zwei Personen um einen Gesamtpreis hat der Oberste Gerichtshof auch aus dem Blickwinkel der Bestimmtheit des Kaufpreises bereits gebilligt. Bei Kaufverträgen, bei denen auf Verkäufer- und Käuferseite nur jeweils eine Person beteiligt ist, die zwei Liegenschaftsanteile um einen Pauschalpreis verkauft bzw kauft, steht auch eine mangelnde Bestimmtheit des Kaufpreises der Eintragung im Grundbuch nicht entgegen (5 Ob 5/06f = RIS-Justiz RS0120511).
3.4. Die Zusage der Übereignung „der gesamten Liegenschaft“ gegen Zahlung eines Gesamtkaufpreises wäre für die Übereignung aller Anteile an der in Wohnungseigentum aufgelösten Liegenschaft an den Käufer daher ausreichend. Damit ist für die Antragstellerin allerdings im Ergebnis nichts gewonnen. Aus der Urkunde geht nämlich nicht klar hervor, wer die Liegenschaft oder einzelne Anteile daran unmittelbar nach der Verkäuferin in sein Eigentum übertragen erhalten soll. Die Verkäuferin lasse ein Nutzwertgutachten erstellen, „sodass der Käufer jede einzelne Einheit mit einer eigenen Gesellschaft kaufen kann“. Die Verkäuferin werde „die Liegenschaft vor Übergabe parifizieren und dann die Einheiten nach Fertigstellung an die jeweilige Gesellschaft des Käufers übergeben“. Für die Liegenschaft ist zwar ein Gesamtpreis festgelegt. „Die Kaufpreisaufteilung der einzelnen Einheiten“ werde mit Ausnahme der Geschäftsfläche aber „noch gesondert vereinbart“. Nach dem Inhalt des Vertrags (oder zumindest nach einer möglichen Interpretation dieses Vertrags) soll die als Käuferin bezeichnete Antragstellerin gar nicht selbst bücherliche Eigentümerin werden. Darauf, ob die Vereinbarung bei diesem Verständnis als echter Vertrag zugunsten Dritter zu qualifizieren wäre oder die iSd § 27 Abs 2 GBG nicht näher bezeichneten „Gesellschaften“ nur Leistungsempfänger und die Übereignung an diese bloß die Erfüllungshandlung der Verkäuferin sein sollen (vgl RIS‑Justiz RS0017145), kommt es im hier interessierenden Zusammenhang ebenso wenig an, wie auf die Frage der Bestimmtheit und Bestimmbarkeit des Kaufpreises im Falle des Erwerbs durch mehrere Gesellschaften (vgl Hagleitner in Kodek, Grundbuchsrecht² § 26 GBG Rz 27, 31f mwN). In keinem der beiden Fälle bestünde ein unbedingter Anspruch der Antragstellerin darauf, die Liegenschaft in ihr Eigentum zu übernehmen.
3.5. Aus dem als Eintragungsgrundlage vorgelegten Kaufvertrag ergibt sich zumindest nicht zweifelsfrei, dass die Antragstellerin selbst die Liegenschaft oder bestimmbare einzelne Anteile daran erwerben soll. Nach einer möglichen Interpretation berechtigt sie dritte Gesellschaften, einzelne Anteile zu einem noch zu vereinbarenden Einzelpreis zu kaufen, wobei diese einzelnen Kaufverträge insgesamt den vereinbarten Gesamtpreis ergeben sollen. Das „unwiderrufliche Kaufvertragsanbot“ vom 4. 4. 2018 bildet daher keine taugliche Grundlage für eine Verbücherung des Eigentums der Antragstellerin. Die Wahl einer Auslegung zwischen mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten ist dem Grundbuchsgericht verwehrt (RIS‑Justiz RS0060573 [T8]). Durch den Inhalt der Urkunden erweckte, nicht restlos beseitigte Zweifel führen vielmehr zur Abweisung des Grundbuchsgesuchs (RIS‑Justiz RS0060573; RS0060878).
4. Da die Antragstellung auf Basis der hier vorgelegten Urkunden mangels deren Eignung als Eintragungsgrundlagen nicht erfolgreich wiederholt werden kann, ist die Prüfung allfälliger weiterer Abweisungsgründe nicht mehr erforderlich (RIS‑Justiz RS0060544 [T10]).
5. Der Revisionsrekurs ist daher im Ergebnis nicht berechtigt.
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