European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00134.24B.1114.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Bestandrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben und der erstgerichtliche Sachbeschluss in seinem Spruchpunkt 10 wiederhergestellt, in seinen Spruchpunkten 11 und 12 hingegen dahin abgeändert, dass diese zu lauten haben:
„11. Der gesetzlich zulässige Pauschalmietzins für das Bestandobjekt Top 13 in *, zum Stichtag 1. 7. 2021 beträgt 383,99 EUR.
12. Durch die Vorschreibung eines monatlichen Pauschalmietzinses von 432 EUR im Zeitraum vom 1. 7. 2021 bis 31. 03. 2022 hat der Antragsgegner dem Antragsteller gegenüber das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um jeweils monatlich 48,01 EUR überschritten. Die Gesamtüberschreitung beträgt 432,09 EUR.“
Der Antragsteller hat dem Antragsgegner dessen mit 1.719,65 EUR (darin enthalten 102 EUR Barauslagen und 269,61 EUR Umsatzsteuer) bestimmte Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller binnen 14 Tagen dessen mit jeweils 180 EUR bestimmte Kosten der Rekursbeantwortung sowie des Revisionsrekurses zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Antragsgegner war der Ehegatte der 2020 verstorbenen Tante des Antragstellers. Die Familien der Streitteile waren schon vor dem Jahr 2012 eng verbunden. Der Antragsgegner ist seit 2012 Miteigentümer einer Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum an einer 43 m² großen Wohnung im dort errichtetenHaus.
[2] Am 30. 6. 2012 unterfertigten die Streitteile einen schriftlichen Mietvertrag über diese Wohnung, der bis 1. 7. 2015 befristet war und einen monatlichen Pauschalmietzins von 150 EUR vorsah. Am 30. 6. 2015 unterfertigten sie neuerlich einen Mietvertrag mit einer Befristung bis 1. 7. 2018 und einer monatlichen „Grundmiete“ von 205 EUR. Im Revisionsrekursverfahren ist unstrittig, dass es sich auch dabei um einen Pauschalmietzins handelte.
[3] Der Antragsteller benutzte die Wohnung nach dem 1. 7. 2018 wie bisher, der Antragsgegner schrieb ihm weiter (Pauschal‑)Mietzins von 205 EUR vor. Auch nach dem 1. 7. 2021 nutzte der Antragsteller das Objekt weiter. Bis 30. 11. 2020 schrieb der Antragsgegner ihm unverändert monatlich pauschal 205 EUR vor. Im Dezember 2020 wollte der Antragsgegner nach dem Tod seiner Frau und den damit verbundenen finanziellen Schwierigkeiten einen höheren Mietzins für die Wohnung lukrieren und schrieb dem Antragsteller ab Dezember 2020 einen monatlichen Pauschalmietzins von 432 EUR vor.
[4] Nicht mehr strittig ist, dass das Mietverhältnis dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegt und die Wohnung der Ausstattungskategorie A zuzuordnen ist.
[5] Am 3. 12. 2021 beantragte der Antragsteller bei der Schlichtungsstelle – soweit noch wesentlich – die Feststellung der Höhe des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses und der Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarungen vom 30. 6. 2012 und 30. 6. 2015 insoweit, als sie den nach § 16 Abs 1 bis 7 MRG zulässigen Höchstbetrag überschreiten, mit der Behauptung, er habe seit Mietbeginn einen diesen Höchstbetrag überschreitenden Mietzins von 432 EUR bezahlt.
[6] Der Antragsgegner wendete im Wesentlichen ein, für den Zeitraum 2012 bis 2015 sei ein Pauschalmietzins von 150 EUR und für den Zeitraum 2015 bis 2018 ein solcher von 205 EUR vorgeschrieben und bezahlt worden, der zulässig gewesen sei. Eine stillschweigende Verlängerung um drei Jahre ab 1. 7. 2018 sei nicht erfolgt. Das mit diesem Zeitpunkt befristete Mietverhältnis sei durch einen neuen Mietvertrag im Jahr 2019 ersetzt worden. Erst im Gerichtsverfahren wendete der Antragsgegner ein, im Dezember 2020 hätten die Streitteile mündlich die Erhöhung des Pauschalmietzinses auf 432 EUR vereinbart. Das Vorliegen einer solchen Vereinbarung wurde vom Antragsteller bestritten.
[7] Am 15. 3. 2022 beantragte der Antragsgegner bei der Schlichtungsstelle eine Bestätigung gemäß § 40 MRG, die ihm am gleichen Tag erteilt wurde. Daraufhin rief er bereits am 15. 3. 2022 das Gericht an.
[8] Erst am 22. 3. 2022 langte bei der Schlichtungsstelle per E-Mail die Mitteilung des Antragstellers ein, dass der Antrag bis März 2022 ausgedehnt werde.
[9] Das Erstgericht wies – ausgehend von einem als zulässig festgestellten Pauschalmietzins für das Objekt zum Stichtag 1. 7. 2012 von 150 EUR sowie zu den Stichtagen 1. 7. 2015 und 1. 7. 2018 von jeweils 205 EUR monatlich – den Sachantrag für den Zeitraum 1. 7. 2012 bis 30. 11. 2020 ab. Diese Abweisung ist ebenso in Rechtskraft erwachsen wie die Feststellung des zulässigen Pauschalmietzinses zum Stichtag 1. 7. 2018 in Höhe von 205 EUR monatlich (Spruchpunkt 8).
[10] In Spruchpunkt 10 seines Sachbeschlusses stellte das Erstgericht – der Feststellung in Spruchpunkt 8 folgend – fest, dass der Antragsgegner durch die Vorschreibung eines monatlichen Pauschalmietzinses von 432 EUR im Zeitraum von 1. 12. 2020 bis 30. 6. 2021 das gesetzliche Zinsausmaß um jeweils monatlich 227 EUR überschritten habe und sich der gesamte Überschreitungsbetrag mit 1.589 EUR ermittle, in Spruchpunkt 11, dass der zulässige Pauschalmietzins für das Objekt zum Stichtag 1. 7. 2021 205 EUR monatlich betrage, und in Spruchpunkt 12, dass der Antragsgegner durch die Vorschreibung eines monatlichen Pauschalmietzinses von 432 EUR im Zeitraum 1. 7. 2021 bis 31. 3. 2022 dem Antragsteller gegenüber das gesetzliche Zinsausmaß um jeweils monatlich 227 EUR überschritten habe, sodass die Gesamtüberschreitung 2.043 EUR betrage. In Spruchpunkt 13 verpflichtete es den Antragsteller zum Kostenersatz in Höhe von 1.719,65 EUR.
[11] Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass es im Jahr 2019 zu einem neuerlichen schriftlichen Vertrag gekommen wäre, und ging daher davon aus, dass sich das Mietverhältnis nach Ablauf der Frist des zweiten Vertrags mit 1. 7. 2018 gemäß § 29 Abs 3 lit b MRG mit einem Pauschalmietzins von 205 EUR um drei Jahre verlängert habe. Nach Ablauf dieser drei Jahre sei der Vertrag nach § 29 Abs 3 lit b letzter Satz MRG auf unbestimmte Zeit mit einem nicht wertgesicherten Pauschalmietzins von 205 EUR erneuert worden. Zur behaupteten mündlichen Erhöhung des Pauschalmietzinses auf 432 EUR im Dezember 2020 wurden keine Feststellungen getroffen. Unter Berücksichtigung der – im Revisionsrekursverfahren nicht strittigen – Zu‑ und Abschläge zum Richtwertzins und der – ebenso nicht mehr bestrittenen – Schätzung der Betriebskosten mit monatlich 108,79 EUR nach § 34 AußStrG kam das Erstgericht zum Ergebnis, dass die vorgeschriebenen Pauschalmietzinse bis zur (erstmaligen) Vorschreibung von 432 EUR im Dezember 2020 unter dem gesetzlich zulässigen Ausmaß gelegen seien. Ab dem 1. 12. 2020 habe die Vorschreibung von 432 EUR allerdings das nach dem auf unbestimmte Zeit verlängerten Vertrag zulässige Zinsausmaß um 227 EUR pro Monat überschritten.
[12] Das Rekursgericht gab dem ausdrücklich nur gegen die Spruchpunkte 10 bis 12 gerichteten Rekurs des Antragsgegners Folge, hob den erstgerichtlichen Sachbeschluss in diesem Umfang auf und trug dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Dass ab Anfang Dezember 2020 monatlich 432 EUR an Pauschalmietzins vorgeschrieben worden sei, bedeute noch nicht, dass dem eine Mietzinsvereinbarung zugrunde gelegen wäre. Insoweit lägen sekundäre Feststellungsmängel vor, zumal § 16 Abs 1 Z 5 MRG und die dort genannten Voraussetzungen für die Vereinbarung eines angemessenen Mietzinses hier nicht relevant seien. Eine mündliche Vertragsänderung in Bezug auf den Mietzins sei im Anwendungsbereich des MRG auch bei befristeten Mietverhältnissen zulässig, solange die Grenzen des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses eingehalten würden. Da zum Zeitpunkt der behaupteten mündlichen Vereinbarung im Dezember 2020 der vorgeschriebene Pauschalmietzins von 205 EUR unter dem damals gesetzlich zulässigen von monatlich 306,59 EUR gelegen sei, habe im Dezember 2020 ein Spielraum für die Vereinbarung eines höheren Pauschalmietzinses bestanden. Ob eine solche Vereinbarung getroffen worden sei, könne aber noch nicht abschließend beurteilt werden. Dass die Zinsperioden Jänner 2022 bis März 2022 wegen der erst nach Abziehung des Verfahrens zu Gericht bei der Schlichtungsstelle erklärten Antragsausdehnung nicht Gegenstand des Schlichtungsstellenverfahrens geworden seien, werde im fortgesetzten Verfahren zu berücksichtigen sein.
[13] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, die Literatur (Dirnbacher in seiner Glosse zu 5 Ob 17/98f, wobl 1999/34) habe die Ansicht vertreten, Voraussetzung für das rechtswirksame Zustandekommen einer freiwilligen Mietzinsvereinbarung sei das Vorliegen eines unbefristeten Mietverhältnisses. Der Frage, ob ein wirksam befristetes Hauptmietverhältnis in Bezug auf die Mietzinshöhe innerhalb der Grenzen des § 16 Abs 2 MRG mündlich noviert werden könne, komme eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.
[14] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers, in dem er die Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses anstrebt.
[15] Der Antragsgegner beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[16] Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Auslegung der „Sache“ durch das Rekursgericht und dessen Auffassung, es lägen sekundäre Feststellungsmängel vor, korrekturbedürftig sind. Er ist auch teilweise berechtigt.
1. Gegenstand des Schlichtungsstellenverfahrens und Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs:
[17] 1.1. Die Vorschaltung der Schlichtungsstellen vor Befassung der Gerichte in außerstreitigen Mietrechtssachen gemäß § 39 MRG ist eine zwingende Verfahrensvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren bei sonstiger Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs (RS0070782).
[18] 1.2. Mit dem in dieser Bestimmung verwendeten Begriff der „Sache“ ist der das Verfahren einleitende Sachantrag gemeint (RS0070055 [T4]; T. Klicka in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 39 MRG Rz 1 und 5). Der von der Schlichtungsstelle vorgebrachte anspruchsbegründende Sachverhalt darf vor Gericht nicht erweitert und das Begehren nicht geändert werden (RS0109931; RS0006307 [T2, T3, T14]). Haben die Vorinstanzen über etwas anderes entschieden, als Gegenstand des Antrags bei der Schlichtungsstelle war, hat dies die Nichtigkeit dieser Entscheidungen und deren ersatzlose Beseitigung zur Folge (RS0070401; 5 Ob 176/19x).
[19] 1.3. Für die Identität der „Sache“ kommt es daher entscheidend darauf an, dass vor Gericht derselbe Anspruch wie vor der Schlichtungsstelle geltend gemacht wird (RS0070055 [T5]; 5 Ob 176/19x), wobei der herrschende zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff heranzuziehen ist (5 Ob 124/07g mwN).
[20] 1.4. Zu 5 Ob 274/01g vertrat der Fachsenat die Auffassung, dass ein Begehren des antragstellenden Mieters, die gesamten ihm seit Mietbeginn vorgeschriebenen Mietzinse zu überprüfen, die zwingende Prozessvoraussetzung der Anrufung der Schlichtungsstelle in ausreichendem Maß erfüllt. Eine konkrete Benennung der Monate ist danach keine unzulässige Erweiterung des Sachantrags.
[21] Die (Zurückweisungs‑)Entscheidung 5 Ob 226/13s (RS0109931 [T6]) ging hingegen von einer Unzulässigkeit der Ausdehnung des Überprüfungsantrags auf weitere Zinsperioden vor Gericht bei fehlender Befassung der Schlichtungsstelle aus.
[22] In jüngerer Zeit befasste sich der Fachsenat zu 5 Ob 148/18b ausführlich mit dieser Frage. Er stellte klar, dass im Hinblick darauf, dass im außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG an die Bestimmtheit des Begehrens keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind, Mietzinsüberprüfungsanträge nicht kleinlich nach ihrem Wortlaut, sondern so auszulegen sind, dass nach Möglichkeit – im Rahmen des äußersten Wort- und Bedeutungssinns des Begehrens – eine Überprüfung der gesetzlichen Zulässigkeit des vereinbarten (oder begehrten) Hauptmietzinses in sachlich notwendigem Umfang gewährleistet ist (RS0116684). Unter Hinweis auf die Entscheidung 5 Ob 32/02b vertrat der Fachsenat die Auffassung, dass das Begehren auf Feststellung der Überschreitung des zulässigen Mietzinses durch Vorschreibung (Vereinbarung) eines bestimmten Hauptmietzinses, wenn dieses Begehren nicht auf bestimmte Monate eingeschränkt wurde, das Begehren auf Feststellung der gesetzlichen Unzulässigkeit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses beinhaltet. Der verfahrenseinleitende Antrag auf Feststellung, dass durch Vorschreibung eines bestimmten Hauptmietzinses das gesetzliche Zinsausmaß überschritten wurde, lässt sich – wenn nicht auf bestimmte Zinsperioden eingeschränkt – nicht zum Nachteil des Antragstellers als Begehren auf Feststellung der Überschreitung nur zu bestimmten Zinsterminen reduzieren.
[23] 1.5. Hier zielte der vom Antragsteller bei der Schlichtungsstelle am 3. 12. 2021 eingebrachte Antrag – ohne Einschränkung auf bestimmte Zinstermine – auf die Überprüfung der Mietzinsvorschreibungen von monatlich 432 EUR auf ihre gesetzliche Zulässigkeit nach § 16 Abs 1 bis 7 MRG ab. Diese Vorschreibungen waren – insoweit blieb die übereinstimmende Auffassung der Vorinstanzen im Revisionsrekursverfahren unbeanstandet – daher Gegenstand des Schlichtungsstellenverfahrens, auch wenn die im Antrag ausdrücklich genannten Mietzinsvereinbarungen nur die schriftlichen Mietverträge vom 30. 6. 2012 und 30. 6. 2015 (und nicht auchdie vom Antragsteller ja bestrittene mündliche Vereinbarung im Dezember 2020) waren. Die Mietzinsvorschreibungen von Jänner 2022 bis März 2022 waren daher – ungeachtet der an sich nicht erforderlichen und erst am 22. 3. 2022 nach Abziehung an das Gericht per E‑Mail an die Schlichtungsstelle übermittelten Erklärung „den Antrag bis März 2022 auszudehnen“ – im Hinblick auf den allgemein formulierten, die Gesetzwidrigkeit sämtlicher Vorschreibungen von 432 EUR ohne Beschränkung auf bestimmte Zinstermine (und damit für die Vergangenheit und Zukunft) ansprechenden verfahrenseinleitenden Antrag bereits an die Schlichtungsstelle herangetragen worden (vgl 5 Ob 145/02p). Der gegenteiligen Auffassung des Antragsgegners und des Rekursgerichts dazu ist daher nicht zu folgen. Die Sachentscheidung des Erstgerichts betreffend Vorschreibungen bis einschließlich März 2022 war zulässig.
2. Zur Entscheidung in der Sache selbst:
[24] 2.1. Aus Anlass eines Revisionsrekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss nach § 64 AußStrG hat der Oberste Gerichtshof auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren eine allseitige Überprüfung der Rechtsansicht des Rekursgerichts vorzunehmen und ist infolgedessen nicht auf die Erörterung jener Rechtsfragen beschränkt, derentwegen das Rekursgericht den Revisionsrekurs zugelassen hat oder die der Revisionsrekurswerber aufwarf. Der Prüfungsumfang ist nur insoweit nicht unbegrenzt, als in sich geschlossene selbständige Tatsachenkomplexe der Nachprüfung nicht unterliegen, wenn sie nicht Gegenstand der Anfechtung sind (RS0043903 [T6]; RS0043934 [T3]).
[25] 2.2. Unstrittig unterliegt das Bestandverhältnis dem Vollanwendungsbereich des MRG und dem Richtwertzinssystem. Gemäß § 37 Abs 1 Z 8 MRG ist über die Angemessenheit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden. Mit „Angemessenheit des Hauptmietzinses“ ist dessen Zulässigkeit gemeint (RS0118030). Es geht daher um die Feststellung, ob der vereinbarte oder begehrte Hauptmietzins den gesetzlichen Zinsbildungsvorschriften entspricht. Welcher Hauptmietzins vereinbarungsgemäß zu zahlen ist, wäre im streitigen Rechtsweg zu entscheiden (5 Ob 156/08i), doch kann der Außerstreitrichter vor die Aufgabe gestellt sein, bei der Feststellung des gesetzeskonformen Hauptmietzinses als Vorfrage auch das wirksame Zustandekommen oder den Inhalt einer Mietzinsvereinbarung zu überprüfen (RS0069532). Andere Fragen, von deren Beantwortung die Feststellung die Höhe des Hauptmietzinses abhängt, etwa die Erfüllung der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen für das Zustandekommen oder Weiterbestehen einer gültigen Vereinbarung, sind hingegen im streitigen Rechtsweg zu klären (RS0070552).
[26] 2.3. Vor allem bei Anträgen auf Überprüfung der Zulässigkeit eines Hauptmietzinses kommt es daher entscheidend auf das konkret gestellte Begehren an. So kann bei gleichem Sachverhalt je nach dem Wortlaut des Begehrens die Sache dem streitigen Rechtsweg oder dem außerstreitigen Verfahren zuzuordnen sein (5 Ob 156/08i; vgl Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 37 MRG Rz 20 ; Kulhanek in GeKo Wohnrecht I § 37 MRG Rz 57 ff).
[27] 2.4. Hier zielte der verfahrenseinleitende Sachantrag – soweit noch gegenständlich – (nur) auf die Überprüfung der gesetzlichen Zulässigkeit tatsächlich erfolgter Mietzinsvorschreibungen in Höhe von 432 EUR für den Zeitraum 1. 12. 2020 bis 31. 3. 2022 ab. Die Feststellung des (Nicht‑)Bestehens einer – vom Antragsteller bestrittenen – Erhöhungsvereinbarung im Dezember 2020 war weder Gegenstand des Antrags noch des Verfahrens vor der Schlichtungsstelle. Soweit der Antragsteller ins Treffen führt, die Vorschreibung von 432 EUR übersteige die gesetzlichen Schranken des (richtig) § 16 Abs 2 bis 5 MRG, ist daher an der Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens nicht zu zweifeln. Die strittige Frage, ob es tatsächlich mündlich zu einer Mietzinserhöhungsvereinbarung der Streitteile gekommen war und bejahendenfalls, welchen Inhalts, war nicht Thema des Schlichtungsstellenverfahrens, noch wäre sie in diesem außerstreitigen Verfahren (als Vorfrage) zu klären, weil im konkreten Fall nicht das Zustandekommen dieser Vereinbarung oder deren Inhalt, sondern ausschließlich die gesetzliche Zulässigkeit der Vorschreibungen im Hinblick auf § 16 Abs 2 bis 5 MRG zu beurteilen sind.
[28] 2.5. Damit bedarf auch die Anwendbarkeit des § 16 Abs 1 Z 5 MRG, wonach Vereinbarungen zwischen dem Vermieter und dem Mieter über die Höhe des Hauptmietzinses für einen in Hauptmiete gemieteten Mietgegenstand auch im Vollanwendungsbereich des MRG ohne die Beschränkungen des § 16 Abs 2 bis 5 MRG bis zu dem für den Mietgegenstand im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs‑ und Erhaltungs-zustand angemessenen Betrag zulässig sind, wenn ein unbefristetes Mietverhältnis vorliegt, seit Übergabe des Mietgegenstands mehr als ein Jahr verstrichen ist und die Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses in Schriftform getroffen wird (vgl hiezu Lovrek/Stabentheiner in GeKo Wohnrecht I § 16 MRG Rz 39), mangels Relevanz keiner Erörterung. Da der Antrag nicht die Überprüfung einer Mietzinserhöhungsvereinbarung, sondern nur der – tatsächlichen – Vorschreibungen auf deren Übereinstimmung mit § 16 Abs 2 bis 5 MRG (und nicht mit deren vertraglicher Grundlage) anstrebt, liegen auch die vom Rekursgericht angenommenen sekundären Feststellungs-mängel in Bezug auf diese Vereinbarung nicht vor. Unerheblich ist weiters die in der Zulassungsbegründung aufgeworfene Frage, ob die Streitteile unabhängig von den Voraussetzungen des § 16 Abs 1 Z 5 MRG, somit ungeachtet des befristeten Mietverhältnisses (und des daraus abzuleitenden wirtschaftlichen Drucks, auf den auch die Entscheidung 5 Ob 17/98f zur Rechtslage vor dem 3. WÄG verwies), mündlich vereinbaren hätten können, dass der Mietzins auf ein höheres, den Bestimmungen des § 16 Abs 2 bis 5 MRG allerdings noch entsprechendes Ausmaß angehoben wird. Auch dies ist nicht Gegenstand dieses wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens. Es handelt sich um Fragen von nur theoretisch‑abstrakter Bedeutung, die daher auch nicht erheblich im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG sind (RS0111271).
[29] 2.6. Gemäß § 70 Abs 2 AußStrG kann der Oberste Gerichtshof auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren bei Entscheidungsreife in Stattgebung des Revisionsrekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss (§ 64 AußStrG) in der Sache selbst entscheiden, das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (vgl RS0123359). Dieser Fall liegt hier vor und führt zu folgendem Ergebnis:
[30] 2.7. In Ansehung des Spruchpunktes 10 war die Sachentscheidung des Erstgerichts vollinhaltlich wiederherzustellen, zumal Spruchpunkt 8 und die dort ausgesprochene Feststellung des zulässigen Pauschalmietzinses zum Stichtag 1. 7. 2018 als bereits im Rekursverfahren unangefochten – unabhängig von ihrer Richtigkeit – bereits in (Teil‑)Rechtskraft erwachsen ist und sich der Ausspruch der Überschreitung unter Berücksichtigung dieser Teilrechtskraft und der vom Erstgericht festgestellten Zahlungen daran zu orientieren hat.
[31] 2.8. In Ansehung der Spruchpunkte 11 und 12 war hingegen auf den erörterten eingeschränkten Prüfungsumfang des konkreten Sachantrags Bedacht zu nehmen und aufgrund der Feststellungen des Erstgerichts zum nach § 16 Abs 2 bis 5 MRGgesetzlich zulässigen (hier:) Pauschalmietzins zum Stichtag 1. 7. 2021 unter Berücksichtigung der unbeanstandet gebliebenen Schätzung der im Pauschale enthaltenen Betriebskosten auszusprechen, dass dieser zum genannten Stichtag 383,99 EUR beträgt. Das Ausmaß der Überschreitung dieses gesetzlich zulässigen Mietzinses durch die Vorschreibungen von 432 EUR war ebenso festzustellen. Klarzustellen ist allerdings, dass dies keine Aussage zu der in diesem Verfahren nicht zu beantwortenden Frage enthält, ob es im konkreten Fall überhaupt zu einer Mietzinserhöhungsvereinbarung gekommen war, die eine Erhöhung bis zum gesetzlich zulässigen Ausmaß rechtfertigen könnte, und welchen Inhalt diese gegebenenfalls hatte. Dies wäre im Streitverfahren zu klären.
[32] 3.1. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG.
[33] 3.2. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung war schon im Rekursverfahren unangefochten geblieben. Das Erstgericht war von einem nur geringfügigen Unterliegen des Antragsgegners im Verfahren erster Instanz ausgegangen, woran sich durch die Modifikation der Spruchpunkte 11 und 12 nichts geändert hat. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung war daher wiederherzustellen.
[34] 3.3. Im Rekurs‑ und Revisionsrekursverfahren waren nur mehr die Mietzinsvorschreibungen von Anfang Dezember 2020 bis März 2022 Thema. Der Antragsteller war im Ergebnis insoweit weitgehend erfolgreich; die Unzulässigkeit der Vorschreibungen wurde festgestellt. Nach Billigkeit waren ihm daher seine Verfahrenskosten zuzusprechen. Von der Entrichtung der Pauschalgebühr ist der Antragsteller allerdings aufgrund der bewilligten Verfahrenshilfe auch im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a ZPO befreit.
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