OGH 4Ob72/19w

OGH4Ob72/19w24.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.‑Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin V* S*, vertreten durch Mag. Gerhard Rigler und Dr. Ulrike Grünling, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, gegen den Antragsgegner P* S*, vertreten durch Mag. Daniel E. Jahrmann, Rechtsanwalt in Neunkirchen, wegen Zahlung eines Benützungsentgelts (Streitwert 4.800 EUR), über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 12. Februar 2019, GZ 16 R 383/18i‑25, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 22. November 2018, GZ 26 Nc 49/17p‑21, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126490

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 501,91 EUR (darin 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Parteien sind in aufrechter Ehe verheiratet. Die Antragstellerin zog im Jahr 2005 aus dem als gemeinsame Ehewohnung dienenden Haus aus, weil der Antragsgegner ihr gegenüber wiederholt gewalttätig wurde, sie beschimpfte und bedrohte. Der Antragsgegner bewohnt das Haus seitdem alleine. Die Liegenschaft steht (mittlerweile) im Alleineigentum des gemeinsamen Sohnes. Den Parteien ist jeweils das Fruchtgenussrecht daran eingeräumt.

Die Antragstellerin begehrt im Außerstreitverfahren die Zuerkennung eines Benützungsentgelts von 400 EUR pro Monat. Das vom Antragsteller alleine bewohnte Haus sei nicht länger als Ehewohnung anzusehen, sodass eine gerichtliche Regelung zulässig sei.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt, da es der Argumentation der Antragstellerin folgte.

Das Rekursgericht wies den Antrag ab. Eine (wenngleich zulässige) gesonderte Wohnungsnahme der Antragstellerin ändere nichts daran, dass die Wohnung weiterhin als Ehewohnung anzusehen sei. Diesfalls sei eine am schlichten Miteigentum orientierte Regelungsverfügung unzulässig. Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nachträglich zu, weil keine gesicherte Rechtsprechung zur Frage bestehe, wann eine von den Ehepartnern als Ehewohnung gewidmete Wohnung den Charakter als Ehewohnung verliere.

Die Antragstellerin macht in ihrem – vom Antragsgegner beantworteten – Revisionsrekurs geltend, dass unter den speziellen Voraussetzungen des vorliegenden Falles doch ein Benützungsentgelt zuzuerkennen sei.

Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Rekursgerichts in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Vorinstanzen sind vertretbar davon ausgegangen, dass der Anspruch der Antragstellerin auf Benützungsentgelt nicht bereits deswegen scheitert, weil die Parteien nicht (mehr) Miteigentümer, sondern (nur) Fruchtgenussberechtigte der Liegenschaft sind. Die §§ 825 ff ABGB sind subsidiär in allen Gemeinschaftsfällen heranzuziehen, soweit diese weder durch Gesetz noch durch Vertrag besonders geregelt sind (RS0013155; 9 Ob 517/95). Sie gelten auch für das Rechtsverhältnis zwischen dem Fruchtnießer eines Liegenschaftsanteils und den Eigentümern nicht belasteter Anteile (RS0011819; vgl auch RS0011873) sowie zwischen Fruchtgenussberechtigten des einen Miteigentumsanteils gegenüber dem Fruchtnießer des anderen Miteigentumsanteils (1 Ob 40/16p).

2.1. Das Rekursgericht hat an der Rechtsprechung angeknüpft, dass die Benützung der Ehewohnung während des aufrechten Bestands einer Ehe nicht im Außerstreitverfahren nach § 833 ABGB und damit nicht ausschließlich nach sachenrechtlichem Gesichtspunkt geregelt werden kann (RS0009582) und auch ein Benützungsentgelt (vgl RS0013812) nicht auferlegt werden darf (RS0105635).

2.2. Der andere Ehegatte kann sein Wohnrecht aus § 97 ABGB ableiten. Dieses setzt sich im Anspruch auf Aufteilung fort (1 Ob 237/99f; 1 Ob 68/00g; 3 Ob 51/03a). Die (übermäßige) Benutzung der Ehewohnung durch den anderen Ehegatten ist daher auch im Aufteilungsverfahren nicht durch Zuerkennung eines Benützungsentgelts auszugleichen, sondern im Rahmen der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen (RS0131883; 1 Ob 65/18t).

2.3. § 97 ABGB schützt den Wohnungserhaltungsanspruch des Ehegatten an einer Wohnung, die der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen Ehegatten dient und über die der andere Ehegatte verfügungsberechtigt ist. Der Anspruch beschränkt sich nicht auf die Erhaltung der Ehewohnung (RS0009662; RS0009580 [T7] = 1 Ob 162/00f; 1 Ob 237/99f; 6 Ob 40/18b; 1 Ob 51/17g), sondern erfasst auch jede andere Wohnung, auf die die genannten Tatbestandsvoraussetzungen zutreffen. Der Revisionsrekurs, der auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs bzw der Verwirkung nicht mehr zurückkommt, zeigt daher mit der Behauptung, die Widmung als Ehewohnung sei nicht mehr aufrecht, keine erhebliche Rechtsfrage auf.

2.4. Zudem judiziert der Oberste Gerichtshof, dass eine Benützungsregelung an der Ehewohnung während aufrechten Bestands der Ehe mit der Pflicht zum gemeinsamen Wohnen unvereinbar ist. Die Zulässigkeit einer vorübergehenden, gesonderten Wohnungsnahme (§ 92 Abs 2 ABGB) kann an der zuvor vorgenommenen Widmung der Ehewohnung und der damit einhergehenden Verpflichtung nichts ändern (6 Ob 597/88; 5 Ob 117/99p; vgl hingegen 4 Ob 221/17d zu bloßen Lebensgefährten).

2.5. Allerdings wurde in der Entscheidung 2 Ob 549/84 bei einvernehmlicher Aufhebung der Widmung als Ehewohnung eine Benützungsregelung für nicht offenbar gesetzwidrig erkannt. Zulässig sind auch Anträge auf Benützungsregelung bzw -entgelt, soweit eine Liegenschaft nicht den Wohnbedürfnissen der Ehegatten gedient hat (3 Ob 622/83 = MietSlg 35.002; 9 Ob 517/95 = RS0065352).

3. Die Revisionsrekurswerberin argumentiert damit, dass durch das Verhalten des Antragsgegners und ihren Auszug als Reaktion darauf die Widmung als Ehewohnung aufgehoben worden sei. Dem ist aber entgegen zu halten, dass eine dazu bestimmte Wohnung grundsätzlich dann Ehewohnung ist, wenn sie von den Ehegatten während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft gemeinsam zu Wohnzwecken benutzt wurde (1 Ob 51/17g mwN). Die Widmung fällt nicht dadurch weg, dass die Wohnung nicht mehr von beiden Partnern benutzt wird (RS0047289), etwa weil ein Ehegatte die Wohnung in der Absicht verlassen hat, nicht mehr zum anderen zurückzukehren (4 Ob 605/88; EFSlg 82.502; EFSlg 93.991). Das gilt auch dann, wenn Grund für den Auszug eines Ehegatten ein ehestörendes Verhalten des anderen war. Ansonsten hätte es diese/r in der Hand, den Aufteilungsanspruch des/der anderen dadurch zu unterlaufen, dass er ihm/ihr das Zusammenleben verleidet.

4. Nach § 92 Abs 2 1. Fall ABGB kann ein Ehegatte vorübergehend gesondert Wohnung nehmen, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar ist. Doch ist nach derzeitiger Gesetzeslage eine gesonderte Wohnungsnahme nur vorübergehend und nicht als Dauerzustand zulässig (8 Ob 23/12h; RS0047288). Die Antragstellerin hat aber deutlich gemacht, auch im Fall einer plötzlichen Verhaltensänderung des Antragsgegners nicht mehr in die Ehewohnung zurückkehren zu wollen. Ein derartiger „Dauerzustand“ ist von § 92 Abs 2 ABGB aber nicht gedeckt. An der Qualifikation als Ehewohnung ändert sich daher nichts.

Insgesamt hält sich die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichts im Rahmen der dargestellten oberstgerichtlichen Rechtsprechung. Der Revisionsrekurs vermag demgegenüber keine erheblichen Rechtsfragen aufzuzeigen, die eine gegenteilige Sachentscheidung durch den Obersten Gerichtshof gebieten würden.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Antragsgegner hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.

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