OGH 3Ob193/18f

OGH3Ob193/18f21.11.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei H*, vertreten durch Dr. Andreas Öhler, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei W*, vertreten durch Dr. Friedrich Valzachi, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 353 EO, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 14. August 2018, GZ 17 R 90/18h‑14, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 13. Juni 2018, GZ 12 E 1595/18d‑10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123613

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass die erstgerichtliche Exekutionsbewilligung wiederhergestellt wird.

Der betreibenden Partei werden die Kosten ihres Revisionsrekurses von 1.561,88 EUR (darin enthalten 208,98 EUR an USt und 308 EUR an Barauslagen) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Der Antrag der betreibenden Partei auf Zuspruch von Kosten der Rekursbeantwortung wird abgewiesen.

 

Begründung:

Der Verpflichtete ist gegenüber der Betreibenden aufgrund eines vollstreckbaren Sachbeschlusses des Erstgerichts vom 17. März 2017, 18 Msch 20/17z‑55, schuldig, binnen vier Monaten bei sonstiger Exekution die Terrasse einer näher bezeichneten Wohnung gemäß dem Mietvertrag vom 14. Oktober 1994 in einer der Niederösterreichischen Bauordnung entsprechenden Weise zu vergrößern, wobei die Vergrößerung auf das größtmögliche Flächenausmaß, maximal jedoch auf eine Fläche von 24 m², zu erfolgen hat.

Die Betreibende beantragte, ihr wider den Verpflichteten aufgrund dieses Exekutionstitels die Exekution gemäß § 353 EO dadurch zu bewilligen, dass sie ermächtigt werde, die geschuldete Handlung, deren Beschreibung aus dem Exekutionstitel übernommen wurde, auf Kosten des Verpflichteten durch befugte Unternehmen vornehmen zu lassen. Weiters begehrte sie, dem Verpflichteten gemäß § 353 Abs 2 EO aufzutragen, ihr die Kosten, die durch die Vornahme der Handlung entstehen werden und die laut dem diesem Exekutionsantrag angeschlossenen SV-Gutachten (im oben genannten Msch‑Verfahren) „18.000 EUR (inkl. 20 % USt) für die Einholung der baubehördlichen Genehmigung, der Erstellung eines Stahlträger-Tragsystems als statische Maßnahme und der Vergrößerung der Terrasse betragen werden, vorauszubezahlen“. Dem Antrag waren aus dem Titelakt stammende Unterlagen mit Ausführungen des dort beigezogenen Bau-Sachverständigen angeschlossen.

Das Erstgericht erteilte die Exekutionsbewilligung (auch) im zweiten Rechtsgang. Aufgrund des Titelakts stehe fest, dass es sich um keine Erhaltungs- und Verbesserungsmaßnahmen handle, die § 6 Abs 2 MRG unterlägen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Verpflichteten Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts in eine Antragsabweisung ab. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil der Frage, welche Exekutionsart anzuwenden sei, wenn sowohl Arbeiten nach § 6 Abs 1 MRG als auch nach § 8 MRG vorzunehmen seien und es auch einer baubehördlichen Genehmigung bedürfe, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Ein Auftrag nach § 6 Abs 1 MRG könne nur in dem in § 6 Abs 2 MRG geregelten besonderen (außerstreitigen) Verfahren, nicht hingegen nach § 353 EO durchgesetzt werden. Nach dem im Exekutionstitel festgestellten Sachverhalt wären die vom Verpflichteten durchgeführten sowie in der Schlussrechnung angeführten Arbeiten auch ohne Entfernung der an die Betreibende vermietete Terrasse mit einem wirtschaftlich vertretbaren Mehraufwand von 5.000 EUR technisch möglich gewesen. Unter Berücksichtigung des Schonungsprinzips (§ 8 Abs 3 MRG) hätte der Verpflichtete daher die Arbeiten ohne Entfernung der Terrasse durchzuführen gehabt und sei zur Wiederherstellung nach § 8 MRG verpflichtet. Zwar seien Arbeiten nach § 8 MRG mangels Verweises nicht unter § 6 MRG bzw § 7 MRG zu subsumieren und daher grundsätzlich nicht nach § 6 Abs 2 MRG zu vollstrecken. Allerdings sei im Sachbeschluss auch festgehalten, dass das Flachdach selbst die zur Zeit vorhandene 16,5 m2 große Terrasse nicht tragen könne, weil die Tramdecke nicht die erforderliche Sicherheit biete; um statischen Bedenken zu begegnen, könnte ein eigenes Tragwerk errichtet werden. Damit seien aber, sogar unabhängig von der hier begehrten Vergrößerung der Terrasse, jedenfalls bei zwangsweiser Durchsetzung derselben, auch Erhaltungsarbeiten nach § 3 MRG notwendig. Eine solche Maßnahme sei aber gemäß § 6 Abs 2 MRG durch Bestellung eines Zwangsverwalters zu vollstrecken.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Betreibenden mit dem Antrag auf Abänderung in eine Wiederherstellung der Exekutionsbewilligung des Erstgerichts; hilfsweise wird die Aufhebung begehrt. Aus allfällig notwendigen Erhaltungsarbeiten zur Wiederherstellung der Terrasse ergebe sich – entgegen der Ansicht des Rekursgerichts – kein Auftrag gemäß § 6 MRG zur Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten, ein solcher sei auch nicht im Sachbeschluss enthalten.

Der Verpflichtete erstattete (unaufgefordert) eine Revisionsrekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Betreibenden ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig und berechtigt, weil das Rekursgericht von den von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs formulierten Grundsätzen zur Prüfung von Exekutionsanträgen abgewichen ist.

1. Grundlage der Entscheidung über den Exekutionsantrag ist im ordentlichen Bewilligungsverfahren der Inhalt des Exekutionstitels in Verbindung mit dem Vorbringen des betreibenden Gläubigers im Exekutionsantrag (3 Ob 215/16p mwN; RIS-Justiz RS0000029; RS0000031). Das Bewilligungsgericht hat bei der Entscheidung über den Exekutionsantrag zu prüfen, ob das Begehren (§ 54 EO) durch den Exekutionstitel gedeckt ist (§ 7 EO); es hat hierbei die Verpflichtung nur aufgrund des Titels festzustellen, aber nicht zu untersuchen, was der Verpflichtete nach dem Gesetz zu leisten hat (RIS-Justiz RS0000217; RS0000279; RS0000122; RS0000015). Für die Auslegung des Exekutionstitels ist in erster Linie der Spruch maßgebend, eine Exekution hat sich streng an den Wortlaut des Exekutionstitels zu halten (RIS-Justiz RS0000296; RS0000207 [T19]). Nur dann, wenn die Auslegung des Spruchs nach dem gewöhnlichem Wortsinn zu keinem Ergebnis führt, ist auch die der Entscheidung beigegebene Begründung heranzuziehen (RIS-Justiz RS0000296 [T6]; RS0000205 [T2]; RS0000300 [T6, T16, T20]). Da im Exekutionsverfahren vor der Exekutionsbewilligung die materielle Berechtigung des betriebenen Anspruchs, ausgenommen es wäre die Bestimmung des § 7 Abs 1 und Abs 2 EO betroffen, und das rechtswirksame Zustandekommen des Exekutionstitels nicht zu prüfen sind (RIS-Justiz RS0013464 [T1, T2]), erübrigen sich Überlegungen dazu, ob der im Titelverfahren gewährte Leistungsanspruch materiell berechtigt war oder nicht.

Auch die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des Exekutionstitels (= Sachbeschluss) liegen hier nicht vor.

1.1. Es trifft zwar zu, dass ein Auftrag nach § 6 Abs 1 MRG nur in dem in § 6 Abs 2 MRG geregelten besonderen (außerstreitigen) Verfahren, nicht hingegen nach § 353 EO durchgesetzt werden kann (RIS-Justiz RS0004651). Der Spruch des Sachbeschlusses rechtfertigt es aber nicht, in Betracht zu ziehen, dass damit ein Auftrag nach § 6 Abs 1 MRG erteilt worden sein könnte.

Eine Gesetzesbestimmung als Grundlage des Auftrags ist im Spruch nicht genannt.

Auch lässt sich das aufgetragene Vergrößern einer (daher offenkundig bereits bestehenden) Terrasse nicht unter die in §§ 3 und 4 MRG geregelten Erhaltungs- und Verbesserungspflichten des Vermieters einordnen.

Schließlich stellt der Umstand, dass der Exekutionstitel als Sachbeschluss in einem Msch-Verfahren ergangen ist, keinen Hinweis auf einen Auftrag nach § 6 Abs 1 MRG dar, weil nach herrschender Ansicht auch über den Antrag eines Mieters, der nach eigenmächtiger Vornahme von Änderungen an seinem Mietobjekt durch den Vermieter die Wiederherstellung des früheren Zustands anstrebt, nach § 37 Abs 1 Z 5 MRG im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist (RIS-Justiz RS0070525; 5 Ob 262/15p mwN).

Daher waren bei der Prüfung des Inhalts des Exekutionstitels die Entscheidungsgründe des Sachbeschlusses nicht maßgebend.

1.2. Da nach dem Spruch des Titels eine vertretbare Handlung vorzunehmen ist, bildet die beantragte und vom Erstgericht bewilligte Exekution nach § 353 EO das zutreffende Exekutionsmittel.

1.3. Mit der Bewilligung der Exekution nach § 353 EO und der Ermächtigung, die vertretbare Handlung durch befugte Gewerbetreibende auf Kosten des Titelschuldners vornehmen zu lassen, erwirkt der Betreibende zugleich auch die Berechtigung, um die Erteilung allenfalls erforderlicher verwaltungsbehördlicher Genehmigungen anzusuchen (RIS-Justiz RS0045825; RS0016620; 3 Ob 23/17d). Die Notwendigkeit der Führung eines baubehördlichen Bewilligungsverfahrens (einschließlich der hiebei allenfalls notwendigen Abgabe bestimmter Erklärungen der Verpflichteten) steht daher einer Exekutionsbewilligung nicht entgegen. Die Ermächtigung zur Ersatzvornahme schließt die Ermächtigung zur Führung des Verwaltungsverfahrens vielmehr mit ein (RIS-Justiz RS0016620 [T1]; jüngst 3 Ob 23/17d).

1.4. Die Erwägungen des Rekursgerichts (und des Verpflichteten) gegen die Bewilligung der beantragten Exekution nach § 353 EO erweisen sich daher als unzutreffend.

2. Andere rechtliche Einwände gegen die Exekutionsbewilligung wurden vom Verpflichteten im Rekurs – zutreffend – nicht erhoben, sodass die erstgerichtliche Exekutionsbewilligung wiederherzustellen ist.

Zur Vermeidung von Missverständnissen ist aber noch Folgendes klarzustellen:

Da der Exekutionstitel auf die Vergrößerung einer schon bestehenden Terrasse gerichtet ist, muss diese (mangels anderslautender Beschreibung im Titel) so ausgeführt werden wie die bestehende. Der Exekutionsantrag ist mit Rücksicht auf die dazu vorgelegten Unterlagen dahin zu interpretieren, dass die Verpflichtete die Vergrößerung der Terrasse entsprechend der Variante 1 des Ergänzungsgutachtens vom 3. Jänner 2017 anstrebt (begehrter Kostenvorschuss von 18.000 EUR brutto – ohne Kosten der Verlegung von Lichtkuppeln – ua für die „Erstellung eines Stahlträger-Tragsystems als statische Maßnahme“). In diesem Sinn ist auch die Exekutionsbewilligung zu verstehen.

3. Der Betreibenden sind gemäß §§ 41, 50 ZPO iVm § 78 EO die Kosten ihres Revisionsrekurses zuzusprechen.

Von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen ist das Exekutionsverfahren einseitig. Weder die von der Betreibenden erstattete Rekursbeantwortung noch die Revisionsrekursbeantwortung des Verpflichteten war aber mangels gesetzlicher Anordnung zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0118686 [T11]). Die Rechtsmittelbeantwortungen dienten allerdings nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und sind daher nicht zu honorieren (RIS-Justiz RS0118686 [T12]).

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