European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132738
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
A. Soweit sich die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts im Verfahren zwischen der zweitklagenden und der erstbeklagten Partei richtet, wird sie zurückgewiesen.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der zweitklagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 360,62 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 60,10 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
B. Soweit sich die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts im Verfahren zwischen der erstklagenden und der erstbeklagten Partei richtet, wird ihr nicht Folge gegeben.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der erstklagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 631,06 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 105,18 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Kläger sind Söhne des am 9. Dezember 2014 verstorbenen Erblassers, die Erstbeklagte ist seine am 12. Februar 1924 geborene Witwe, die Zweitbeklagte ist die gemeinsame Tochter. Der Nachlass wurde der Erstbeklagten aufgrund eines Testaments zur Gänze eingeantwortet; die Forderung der Kläger auf den nach § 773a ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 geminderten Nachlasspflichtteil wurde erfüllt.
[2] Der Erblasser und die Erstbeklagte hatten der Zweitbeklagten schon im Jahr 1986 Liegenschaften und Liegenschaftsanteile gegen Einräumung eines Fruchtgenussrechts und Vereinbarung eines Ausgedinges übergeben. Auch die Erstbeklagte ist Eigentümerin verschiedener Liegenschaften und Liegenschaftsanteile. Der Erblasser hatte bis zu seiner Pensionierung als leitender Angestellter ein „überdurchschnittliches Einkommen“ erzielt, die Erstbeklagte war seit 1960 nicht mehr berufstätig gewesen.
[3] Für die Erstbeklagte wurde im Zuge des vorliegenden Verfahrens mit Beschluss vom 15. März 2018 ein Sachwalter (nunmehr Erwachsenenvertreter) zur Besorgung finanzieller Angelegenheiten und zur Vertretung vor Gerichten (insbesondere im vorliegenden Verfahren), Ämtern und Behörden sowie gegenüber privaten Vertragspartnern bestellt. Die Erstbeklagte leidet an einer Demenz mit vaskulärer Genese. Psychopathologisch finden sich Störungen der Orientierung in Teilbereichen, weiters Störungen des Gedankengangs, der Gedächtnisleistungen sowie der kognitiven Erfassung. Die Kritik- und Urteilsfähigkeit ist nicht erhalten, der Realitätsbezug ist herabgesetzt. Sie kann keinen Überblick über komplexe Angelegenheiten bei Gericht und in Bezug auf ihre Finanzen gewinnen.
[4] Die Kläger machen mit getrennten Klagen, die das Erstgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, den Schenkungspflichtteil geltend. Sie begehren,
1. die Erstbeklagte zu verpflichten, der klagenden Partei „unter Eid der Vollständigkeit und Richtigkeit bekannt zu geben, welche über die Vermögenswerte (Fahrnisse, Liegenschaften, Forderungen, Barschaften, etc.) die im, vom [Gerichtskommissär] aufgenommenen Inventar verzeichnet sind, hinausgehende Vermögenswerte, die die Erstbeklagte sowie die Zweitbeklagte (soweit ihr bekannt) vom [Erblasser] schenkungsweise unter Lebenden oder von Todes wegen erhalten haben“;
2. die Erstbeklagte zur Zahlung von 60.792,09 EUR sA sowie eines allfälligen weiteren Pflichtteilanspruchs zu verpflichten, der sich aus dem Auskunftsbegehren ergebe;
3. festzustellen, dass die Zweitbeklagte dem Grunde nach für die Forderungen der Kläger gegen die Erstbeklagte hafte, soweit diese zur Berichtigung ihrer Forderungen nicht imstande sei.
[5] Gegenstand desRevisionsverfahrens ist ausschließlich das gegen die Erstbeklagte gerichtete Auskunftsbegehren.
[6] Die Kl ä ger stützen sich insofern auf die Rechtsprechung zur Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015, wonach der Nachlass und nach der Einantwortung der Erbe nach den §§ 784, 786 und 804 ABGB aF iVm Art XLII Abs 1 Fall 1 EGZPO dem Pflichtteilsberechtigten Auskunft (auch) über Schenkungen erteilen mussten. Die Zweitbeklagte habe bereits Schenkungen erhalten, das Liegenschaftsvermögen der Erstbeklagten könne angesichts ihrer Einkommenslosigkeit nur mit Schenkungen durch den Erblasser erklärt werden. Daher bestehe die begründete Besorgnis, dass der Erblasser beiden Beklagten (weitere) Vermögenswerte übertragen habe.
[7] Die Erstbeklagte wendet ein, dass sie die begehrte Auskunft aufgrund ihrer Demenz nicht erteilen könne. Es liege daher Unmöglichkeit der Leistung vor, was zur Abweisung des Begehrens führen müsse.
[8] Das Erstgericht gab dem Auskunftsbegehren statt. Der Auskunftsanspruch bestehe dem Grunde nach zu Recht. Unmöglichkeit der Leistung könne nur angenommen werden, wenn der Leistung ein dauerhaftes Hindernis entgegenstehe. Es müsse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Leistung auch in Zukunft nicht mehr erbracht werden könne. Dieser Beweis sei der Erstbeklagten durch den bloßen Hinweis auf die Bestellung eines Sachwalters und die in diesem Verfahren eingeholten Gutachten nicht gelungen. Den Antrag der Erstbeklagten auf Einholung eines Gutachtens zu ihrer „Geschäfts-, Prozess- und Vernehmungsfähigkeit“ wies das Erstgericht ab, weil die Erstbeklagte diesen Antrag nur hilfsweise gestellt und kein Fachgebiet des Sachverständigen angegeben habe.
[9] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands im Verfahren zwischen dem Erstkläger und der Erstbeklagten 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, während er im Verfahren zwischen dem Zweitkläger und der Erstbeklagten 5.000 EUR nicht übersteige. Im erstgenannten Verfahren sei die Revision zulässig, im zweitgenannten sei sie jedenfalls unzulässig.
[10] Auf die Geschäfts- und Vernehmungsfähigkeit der Erstbeklagten komme es nicht an. Ein gesetzlicher Vertreter könne „höchstpersönliche Rechte“ einer handlungsunfähigen Person durchsetzen; daher müsse es umgekehrt auch möglich sein, dass er „höchstpersönliche Pflichten“ einer solchen Person erfülle. Aus diesem Grund könne die Unmöglichkeit der geschuldeten Rechnungslegung nicht damit begründet werden, dass die Erstbeklagte aufgrund einer geistigen Beeinträchtigung handlungsunfähig sei. Vielmehr sei der berechtigte Rechnungslegungsanspruch unter Mitwirkung des für die Erstbeklagte bestellten Erwachsenenvertreters zu erfüllen. Die Rechnungslegungspflicht könne aber „naturgemäß“ nur hinsichtlich jener Vorgänge bestehen, die sich aus den dem Vertreter zur Verfügung stehenden Unterlagen mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen ließen; für die Vollständigkeit und materielle Richtigkeit dieser Unterlagen hafte der Erwachsenenvertreter nicht. Die Geschäfts- und Vernehmungsfähigkeit der Erstbeklagten sei daher nicht zu prüfen gewesen, weshalb das Erstgericht das beantragte Sachverständigengutachten nicht habe einholen müssen.
[11] Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands beruhe auf der Bewertung durch die Kläger. Die Revision sei hinsichtlich des Zweitklägers auf dieser Grundlage jedenfalls unzulässig. Hinsichtlich des Erstklägers sei sie zuzulassen, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Rechnungslegungspflicht im Fall der Geschäftsunfähigkeit fehle.
[12] Gegen diese Entscheidung richtet sich eine Revision der Erstbeklagten, mit der sie das angefochtene Urteil ausdrücklich zur Gänze – also auch, soweit es zwischen ihr und dem Zweitkläger ergangen ist – bekämpft. Der gesetzliche Vertreter könne nicht zur Erteilung einer Auskunft verhalten werden, wenn der Verpflichtete selbst dazu nicht in der Lage sei. Dies gelte insbesondere für die Verpflichtung zur Eidesleistung, aber auch für alle anderen Handlungen, die nach § 354 EO zu vollstrecken seien. Die Nichteinholung eines Gutachtens begründe einen Mangel des Berufungsverfahrens. Weiters werde (gemeint wohl: in Bezug auf eine zukünftige Eidesleistung) ein Gehörverstoß und ein Mangel der gesetzlichen Vertretung gerügt.
[13] Die Kläger haben eine gemeinsame Revisionsbeantwortung erstattet. Der Zweitkläger beantragt, die Revision nach § 502 Abs 2 ZPO als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen. Der Erstkläger beantragt, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. Rechnungslegungsansprüche seien auch passiv vererblich, sodass schon aus diesem Grund keine dauerhafte Unmöglichkeit vorliege. Mängel und allfällige Nichtigkeiten des erstinstanzlichen Verfahrens seien nicht revisibel. Das gelte insbesondere für die Nichteinholung des zur Geschäftsfähigkeit der Erstbeklagten beantragten Gutachtens.
Rechtliche Beurteilung
[14] A. Soweit sich die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts im Verfahren zwischen dem Zweitkläger und der Erstbeklagten richtet, ist sie als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.
[15] 1. Die Erstbeklagte ficht das Urteil des Berufungsgerichts ausdrücklich „zur Gänze“ an, „als dem Klagebegehren der erst- und zweitklagenden Partei stattgegeben wurde“. Ungeachtet einer unklaren Formulierung in der Ausführung der Revision, wonach die Erstbeklagte im Verhältnis zum Zweitkläger Rechtskraft anzunehmen scheint, ist daher davon auszugehen, dass sich die Revision auch gegen die zugunsten des Zweitklägers ergangene Entscheidung richtet.
[16] 2. Das Erstgericht hat die getrennt erhobenen Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. In diesem Fall ist die Rechtsmittelzulässigkeit gesondert zu beurteilen; die Streitgegenstände der verbundenen Verfahren bleiben voneinander unabhängig. Das gilt auch für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine gemeinsame Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz (RS0036717 [T22, T23]; RS0037219). Dabei ist es unerheblich, ob die in den verbundenen Streitsachen geltend gemachten Ansprüche an sich in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen; die Regeln des § 55 JN über die Zusammenrechnung sind bei bloß verbundenen Verfahren nicht anwendbar (RS0037173 [insb T4, T8]; 3 Ob 30/16g mwN). Das Berufungsgericht hat daher die Entscheidungsgegenstände zutreffend getrennt bewertet.
[17] 3. An den Ausspruch des Berufungsgerichts, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands im Verfahren zwischen dem Zweitkläger und der Erstbeklagten 5.000 EUR nicht übersteige, ist der Oberste Gerichtshof grundsätzlich gebunden (RS0042515); Gründe für eine abweichende Beurteilung (RS0042450; RS0109332) zeigt die Erstbeklagte nicht auf. Ihre Revision ist daher nach § 502 Abs 2 ZPO zurückzuweisen, soweit sie das Urteil des Berufungsgerichts im Verfahren gegen die Zweitklägerin bekämpft.
[18] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.
[19] Der Senat schließt sich der zuletzt überwiegenden Rechtsprechung an, wonach die (absolute) Unzulässigkeit eines Rechtsmittels mangels gesetzlicher Anordnung nicht zur Unzulässigkeit einer Rechtsmittelbeantwortung führt (3 Ob 220/18a; 4 Ob 102/19g; 5 Ob 34/21t; 8 Ob 48/10g; 9 Ob 30/20g; für den Fall des Hinweises auf die Unzulässigkeit auch 1 Ob 101/20i); ein Kostenersatzanspruch besteht in solchen Fällen dann, wenn der Gegner – mit zutreffenden Argumenten (9 Ob 30/20g) – auf die Unzulässigkeit hinweist (RS0124565). Da dies hier der Fall ist, hat die Erstbeklagte dem Zweitkläger die anteiligen Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
[20] B. Soweit sich die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts im Verfahren zwischen dem Erstkläger und der Erstbeklagten richtet, ist sie aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
[21] 1. Die Voraussetzungen für einen nach Art XLII Abs 1 Fall 1 EGZPO durchsetzbaren materiell‑rechtlichen Auskunftsanspruch liegen an sich vor.
[22] 1.1. Der Erblasser ist 2014 gestorben. Daher ist § 786 ABGB idF des ErbRÄG 2015 noch nicht anzuwenden (§ 1503 Abs 7 ABGB). Maßgebend ist vielmehr die Rechtsprechung zum alten Recht, von der abzugehen kein Anlass besteht. Danach konnten Pflichtteilsberechtigte von der Verlassenschaft und nach der Einantwortung von den Erben auf materiell‑rechtlicher Grundlage (§ 786 und §§ 784, 804 ABGB aF) Auskunft über Zuwendungen des Erblassers an andere Pflichtteilsberechtigte und Dritte verlangen (8 Ob 55/13s; 2 Ob 186/10g; 2 Ob 142/19z mwN; vgl Welser in Rummel/Lukas 4 § 785 Rz 24; Eccher in Schwimann/Kodek 4 § 786 Rz 6). Der Anspruch bestand im Anwendungsbereich des Art XLII Abs 1 Fall 1 EGZPO schon bei konkret dargelegter begründeter Besorgnis des Pflichtteilsberechtigten, dass ihm nicht das gesamte Nachlassvermögen oder (hier relevant) nicht alle für den Schenkungspflichtteil relevanten Verfügungen des Erblassers bekannt waren (2 Ob 142/19z; 2 Ob 21/17p); er war an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft und nur durch das Schikaneverbot beschränkt (RS0012974). Er verpflichtete zunächst die Verlassenschaft und nach der Einantwortung die Erben, Auskunft über sämtliche pflichtteilsrelevanten Schenkungen zu geben (zuletzt 2 Ob 142/19z mwN).
[23] 1.2. Im konkreten Fall hat der Erstkläger seine Besorgnis, dass ihm nicht alle Schenkungen des Erblassers bekannt sein könnten, unter anderem mit dem Hinweis darauf begründet, dass das Liegenschaftseigentum der Erstbeklagten aufgrund der beiderseitigen Einkommensverhältnisse nur mit Schenkungen des Erblassers erklärt werden könne und dass an die Zweitbeklagte tatsächlich Schenkungen erfolgt seien. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass damit die Besorgnis weiterer Schenkungen schlüssig behauptet wurde, ist nicht zu beanstanden. Auch die Erstbeklagte wendet sich in ihrer Revision nicht gegen diese Auffassung.
[24] 2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist daher ausschließlich die Frage, ob die Erstbeklagte diesem Anspruch eine auf Demenz beruhende Unmöglichkeit der Erfüllung entgegenhalten kann. Dabei kann offen bleiben, ob die Prüfung dieser Frage unter dem Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO (Mangel des Berufungsverfahrens) oder unter jenem des § 502 Z 4 ZPO (unrichtige rechtliche Beurteilung) zu erfolgen hat.
[25] 2.1. Das Erstgericht hat angenommen, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die – von ihm als relevant angesehene – Unmöglichkeit einer Auskunftserteilung durch die Erstbeklagte persönlich nicht ableiten lasse. Letzteres trifft bei isolierter Betrachtung zu, weil die Feststellungen des Erstgerichts ein Erinnern an länger zurück liegende Ereignisse nicht von vornherein ausschließen. Allerdings hat das Erstgericht einen offenkundig zu dieser Frage angebotenen Beweis mit einer rein verfahrensrechtlichen Begründung (bloß hilfsweise gestellter Antrag, unterbliebene Angabe des Fachgebiets) nicht aufgenommen. Das Berufungsgericht hat die insofern erhobene Mängelrüge im Ergebnis nicht erledigt, weil es der Auffassung war, dass auch bei völliger Demenz keine Unmöglichkeit vorliege; die Auskunft könne in diesem Fall auch vom Erwachsenenvertreter erteilt werden.
[26] 2.2. Das Berufungsgericht hat daher die Rüge eines primären Verfahrensmangels nicht erledigt, weil es die davon betroffene Feststellung aus materiell‑rechtlichen Gründen für irrelevant hielt. Trifft diese Beurteilung nicht zu, so liegt nach wohl überwiegender Rechtsprechung ein Mangel des Berufungsverfahrens iSv § 503 Z 2 ZPO vor (2 Ob 26/06x SZ 2006/122; 2 Ob 234/08p SZ 2009/58; RS0043051; zuletzt etwa 1 Ob 75/17m [obiter]; 7 Ob 168/17g; 9 ObA 46/18g [obiter]); ein solcher Mangel müsste in der Revision nach allgemeinen Grundsätzen ausdrücklich gerügt werden (Lovrek in Fasching/Konecny 3 § 503 Rz 44). Andere Entscheidungen nehmen demgegenüber bei Relevanz der betroffenen Feststellung einen sekundären Mangel des Berufungsverfahrens an, der mit dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend zu machen ist und daher bei einer gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge auch von Amts wegen wahrzunehmen wäre (3 Ob 153/16w [Punkt 3.5.]; 10 ObS 20/95; 10 ObS 200/93; ähnlich 1 Ob 35/20h; 8 ObA 60/19k; für Behandlung im Rahmen der Rechtsrüge auch Lovrek in Fasching/Konecny 3 § 503 Rz 84).
[27] 2.3. Im vorliegenden Fall hat die Erstbeklagte erkennbar einen Mangel des Berufungsverfahrens gerügt. Damit kann offen bleiben, ob eine solche Rüge – wegen Einordnung der Frage in den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO – überhaupt erforderlich ist. Es ist daher zu prüfen, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, dass auch völlige Demenz der Erstbeklagten nicht zur Unmöglichkeit der Erfüllung des Auskunftsanspruchs führe. In diesem Fall käme es auf den behaupteten Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens tatsächlich nicht an. Sonst wäre die Sache zur Erledigung der Mängelrüge an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
[28] 2.4. Soweit die Erstbeklagte eine Nichtigkeit wegen Gehörverletzung geltend macht, ist sie darauf zu verweisen, dass sie (auch) im Berufungsverfahren durch einen Erwachsenenvertreter gesetzlich vertreten war. Die weiteren unter der Überschrift „Nichtigkeit gemäß § 503 Z 1 ZPO“ angestellten Überlegungen sind offenbar die Ausführung der nicht eigens gekennzeichneten Rechtsrüge und als solche in den folgenden Punkten zu behandeln.
[29] 3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Erfüllung des Auskunftsanspruchs auch bei vollständiger Demenz der Erstbeklagten nicht als unmöglich anzusehen ist, trifft im Ergebnis zu.
[30] 3.1. Unmöglichkeit der Leistung liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn dem Schuldner die Bewirkung der versprochenen Leistung physisch oder rechtlich dauernd (endgültig) unmöglich ist (RS0018391). Dies ist dann der Fall, wenn der Leistung ein dauerhaftes Hindernis entgegensteht. Ein solches ist anzunehmen, wenn nach der Verkehrsauffassung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Leistung auch in Zukunft nicht mehr erbracht werden kann (RS0109496). Die Unmöglichkeit ist von demjenigen zu beweisen, der sich auf sie beruft (RS0034223).
[31] 3.2. Der hier strittige Auskunftsanspruch ist jedenfalls nicht auf Umstände beschränkt, die dem Verpflichteten tatsächlich bekannt sind. Das folgt schon daraus, dass der Anspruch (auch nach § 786 ABGB nF) vor der Einantwortung gegen den Nachlass besteht und daher zwingend durch einen Vertreter des eigentlich Verpflichteten zu erfüllen ist. Dieser hat zu diesem Zweck zumutbare Erhebungen anzustellen, wozu jedenfalls das Durchsehen der Belege zu den Konten und Depots des Erblassers und das Stellen von Auskunftsersuchen an Banken oder an mögliche Beschenkte gehören (2 Ob 142/19z mwN; dazu Dukic, Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten über das Verlassenschaftsvermögen und Schenkungen, NZ 2021, 170 [174 f]).
[32] Eine titulierte Verpflichtung würde in diesem Fall – wie bei jeder Rechnungslegungspflicht einer juristischen Person – grundsätzlich nach § 354 EO vollstreckt (RS0004403; speziell zum Anspruch gegen den Nachlass 3 Ob 213/12p). Erteilt daher der Vertreter trotz Androhung einer Beugestrafe keine Auskunft, würde die Strafe gegen den Verpflichteten (hier also den Nachlass) verhängt (3 Ob 48/11x mwN). Ob auch eine Beugehaft gegen dessen Vertreter möglich wäre, kann hier offen bleiben (bejahend für den Geschäftsführer einer GmbH 3 Ob 48/11x).
[33] 3.3. Es kann offen bleiben, ob sich diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall übertragen lässt.
[34] (a) Die Vollstreckung nach § 354 EO setzte (bei völliger Demenz der Erstbeklagten) voraus, dass ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter nicht nur zur Vertretung im Exekutionsverfahren, sondern auch zur Erfüllung des Anspruchs bestellt würde. Eine solche Bestellung könnte aber nach § 271 Z 1 ABGB nur dann erfolgen, wenn der Betroffene eine bestimmte Angelegenheit – hier also die Auskunftserteilung – nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann. Anderen Personen drohende Nachteile sind daher ohne Belang (Stefula in KBB6 § 271 Rz 1 iVm § 268 Rz 3; Weitzenböck in Schwimann/Kodek 5 § 271 Rz 4; zum alten Recht 5 Ob 204/15h). Auch eine Vertretung durch einen gesetzlichen Erwachsenenvertreter ist nach § 268 Abs 1 Z 1 ABGB nur unter der Voraussetzung eines sonst drohenden Nachteils für den Betroffenen zulässig.
[35] (b) Ein solcher Nachteil droht der Erstbeklagten bei Nichterfüllung der Auskunftspflicht allerdings nicht. Vielmehr ist es gerade umgekehrt: Durch die Bekanntgabe weiterer Schenkungen erhöhte sich der Pflichtteilsanspruch der Kläger. Damit wäre die Erweiterung des Aufgabenbereichs des Erwachsenenvertreters auf die Erfüllung des Auskunftsanspruchs (durch zumutbare Erhebungen im Namen der Erstbeklagten) wohl nicht zulässig. Das könnte dafür sprechen, dass die Erstbeklagte den Anspruch auf Auskunftserteilung derzeit nicht erfüllen könnte, wenn sie persönlich dazu (wie von ihr behauptet) aufgrund vollständiger Demenz nicht in der Lage wäre.
[36] 3.4. Ob das zutrifft, kann aber aus zwei Gründen offen bleiben.
[37] (a) Eine Verpflichtung zur Vermögensangabe ist zwar typischerweise nach § 354 EO zu erzwingen (RS0004403 [T1], RS0004487), weil in der Regel ein Mitwirken des Verpflichteten (oder dessen organschaftlichen Vertreters) erforderlich ist (Konecny in Fasching/Konecny 3 Art XLII EGZPO Rz 125). Wenn aber auch ein Dritter die Informationen aufgrund von Unterlagen ohne Mitwirkung des Verpflichteten erteilen kann, ist auch die Exekution zur Bewirkung vertretbarer Handlungen möglich (3 Ob 176/78 EvBl 1979/140; 3 Ob 50/02b; vgl auch 3 Ob 213/12p). Umso mehr muss das gelten, wenn die Exekution nach § 354 EO an rechtlichen Erwägungen (keine Bestellung eines Erwachsenenvertreters für die Erfüllung dieser Verpflichtung) scheitern sollte. Der Erstkläger könnte daher den Antrag stellen, ihn zu jenen Erhebungen (zB Anfragen bei Banken) zu ermächtigen, zu denen sonst die Erstbeklagte als Erbin verpflichtet wäre.
[38] Damit ist der vorliegende Fall mit anderen vergleichbar, in denen ein Schuldner aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung nicht (mehr) in der Lage ist, eine materiell bestehende Verpflichtung (etwa zur Übergabe einer Sache oder zur Zahlung einer Schuld) durch eigenes Handeln zu erfüllen. Die in solchen Fällen dennoch mögliche exekutive Durchsetzung schließt es aus, Unmöglichkeit anzunehmen und mit dieser Begründung das Klagebegehren abzuweisen. Das trifft auch auf die hier strittige Pflicht zur Auskunftserteilung zu, soweit sie aufgrund zumutbarer Erhebungen erfüllt werden kann.
[39] (b) Hingegen könnte die Verpflichtung zur Eidesleistung zwar tatsächlich nur nach § 354 EO durchgesetzt werden (RS0004487), was aus den oben dargestellten Gründen scheitern könnte. Auch das berechtigt aber (zumindest im konkreten Fall) nicht zur Annahme dauerhafter Unmöglichkeit:
[40] Die Auskunftspflicht – und damit auch die Pflicht zur Eidesleistung – hat wie jede Rechnungslegungspflicht vermögensrechtlichen Charakter (9 Ob 243/99x; 3 Ob 152/08m). Sie geht daher nach dem Tod des Verpflichteten auf dessen Nachlass über. Das gilt auch für die hier strittige Auskunfts- und Eidespflicht der Erstbeklagten, die nach ihrem Tod zunächst von ihrem Nachlass und dann von ihren Erben zu erfüllen wäre. Der Vertreter des Nachlasses und die Erben wären daher zu zumutbaren Erhebungen und zur Eidesleistung über deren Ergebnis verpflichtet.
[41] Damit ist aber die Erfüllung des Anspruchs auch aus diesem Grund nicht dauerhaft (oben 3.1.) unmöglich, wobei dieser Grund (anders als die Möglichkeit der Exekution nach § 353 EO) auch die Eidespflicht erfasst. Das gilt jedenfalls im konkreten Fall angesichts des hohen Alters der 1924 geborenen Erstbeklagten.
[42] Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass die Verpflichtung zur Eidesleistung bei Eidesunfähigkeit der Erstbeklagten derzeit nicht durchsetzbar ist, weil der Tätigkeitsbereich des Erwachsenenvertreters unter Umständen nicht auf die Erfüllung dieses Anspruchs erweitert werden kann und eine Exekution nach § 354 EO in diesem Fall mangels Möglichkeit einer Willensbeugung nicht zulässig wäre (oben 3.3.). Da der Anspruch aber materiell‑rechtlich besteht, weil keine dauerhafte Unmöglichkeit vorliegt, kann das die Schaffung des Titels nicht hindern.
[43] 3.5. All das gilt auch in Bezug auf die Auskunft über Schenkungen an die Zweitbeklagte. Zwar hat der Erstkläger diese Auskunft (nur) „soweit ihr [dh der Erstbeklagten] bekannt“ begehrt. Diese Formulierung kann aber im Hinblick auf die Verpflichtung zu zumutbaren Erhebungen nicht dahin verstanden werden, dass der Erstkläger ausschließlich auf den konkreten Kenntnisstand der Erstbeklagten abstellen wollte; eine solche Einschränkung lässt sich seinem Vorbringen in keiner Weise entnehmen. Maßgebend ist daher auch hier die durch zumutbare Erhebungen erworbene Kenntnis.
[44] 4. Aus diesen Gründen liegt keine dauerhafte Unmöglichkeit vor, weswegen die Verpflichtung der Erstbeklagten zur Auskunft und Eidesleistung zu bestätigen ist. Fragen der exekutiven Durchsetzung, die zu Lebzeiten der Erstbeklagten (jedenfalls) nach § 353 EO möglich ist, müssen hier nicht abschließend geklärt werden.
[45] 5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Die Erstbeklagte hat dem Erstkläger die anteiligen Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
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