OGH 3Ob213/12p

OGH3Ob213/12p19.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Neumayr, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Harald Vill und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die verpflichtete Partei Verlassenschaft nach dem am 24. Oktober 2007 verstorbenen A*****, zuletzt wohnhaft in *****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Hans Exner, Rechtsanwalt in Judenburg, Einschreiterin: N*****, vertreten durch Mag. Werner Seifried, Rechtsanwalt in Judenburg, wegen Exekution nach § 354 EO (Streitwert 10.170 EUR), über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 22. August 2012, GZ 32 R 62/12f‑6, womit infolge Rekurses der Einschreiterin der Beschluss des Bezirksgerichts Judenburg vom 2. Juli 2012, GZ 11 E 28/12k‑2, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei ist schuldig, der Einschreiterin die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die betreibende Partei ist die Witwe nach dem am 24. Oktober 2007 verstorbenen A*****. Der Verstorbene hinterließ ein Testament, in dem er die betreibende Partei überging und die Einschreiterin, seine Lebensgefährtin, zur Alleinerbin einsetzte. Mit Beschluss vom 25. April 2008 wurde der Nachlass der Einschreiterin an Zahlungs statt überlassen.

Mit rechtskräftigem und vollstreckbaren Teilurteil des Landesgerichts Leoben vom 3. Oktober 2011 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 6. Dezember 2011, wurde die Verlassenschaft verpflichtet, binnen acht Wochen das Vermögen des Verstorbenen zum Todestag anzugeben und einen Eid dahin zu leisten, dass diese Angaben richtig und vollständig sind.

Am 24. Februar 2012 stellte die betreibende Partei den Antrag, zur Erwirkung der im Teilurteil festgelegten Angabe und Eidesleistung die Bewilligung der Exekution gemäß § 354 EO und stellte den Antrag, das Exekutionsgericht möge der Einschreiterin auftragen, die entsprechenden Angaben binnen 14 Tagen ab Zustellung der Exekutionsbewilligung zu tätigen.

Das Erstgericht bewilligte die Exekution und ordnete an, dass für die verpflichtete Partei (die Verlassenschaft) der Einschreiterin zur Befolgung des Auftrags zur Angabe des Vermögens und eidlichen Bekräftigung eine Frist von 14 Tagen gesetzt wird. Gleichzeitig wurde der verpflichteten Partei eine Geldstrafe angedroht.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Einschreiterin dahin Folge, dass es im erstgerichtlichen Beschluss die auf eine Verpflichtung der Einschreiterin (für die verpflichtete Partei) bezogene Wortfolge entfallen ließ.

Werde der Nachlass an Zahlungs statt überlassen, dauere der Zustand des ruhenden Nachlasses fort, weshalb der (Not‑)Erbe sein Manifestationsbegehren gegen den ruhenden Nachlass geltend machen müsse. Im Anlassfall sei die Einschreiterin testamentarische Alleinerbin; allerdings habe sie ‑ ausgehend von den Behauptungen der betreibenden Partei ‑ offensichtlich keine Erbantrittserklärung abgegeben. Damit komme ‑ in der Person des Verlassenschaftskurators ‑ nur eine mögliche Person in Betracht, die zur Eidesleistung im Namen der Verlassenschaft verpflichtet sei. Eine Benennung der eidespflichtigen Person durch die betreibende Partei könne nur erwogen werden, wenn von vornherein mehrere Personen für die geschuldeten Angaben und die Eidesleistung denkbar seien.

Abgesehen davon sei es ganz allgemein nicht Sache der betreibenden Partei, die für die verpflichtete juristische Person handelnde natürliche Person oder überhaupt einen beliebigen Dritten, der möglicherweise über Informationen verfüge, im Exekutionsantrag als diejenige Person zu bezeichnen, die die geschuldeten Angaben machen und den Eid leisten müsse. Im Exekutionsantrag bleibe im Dunkeln, inwiefern die verpflichtete Partei Einfluss auf die Einschreiterin habe; es gebe auch keine Hinweise, dass die verpflichtete Partei Anspruch auf Mitwirkung durch die Einschreiterin habe. Eine gesetzliche Grundlage dafür, dass die Einschreiterin zur Angabe des Vermögens und zur Eidesleistung verpflichtet sei, fehle. Solange nicht der in § 10 EO vorgezeichnete Weg beschritten worden sei, könne ausschließlich die verpflichtete Partei, nicht aber die Einschreiterin zur geschuldeten Leistung verhalten werden.

Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, nicht aber mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs mit der Begründung zu, es fehle an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, ob es der betreibenden Partei frei stehe, ohne vorangehende Titelergänzungsklage im Exekutionsantrag eine Person, die keine Erbantrittserklärung abgegeben habe, als die zur Auskunftsleistung verpflichtete Person zu benennen, weil sie den Nachlass verwalte und am ehesten über dessen Umfang unterrichtet sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der betreibenden Partei aus dem Revisionsrekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die Einschreiterin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Die Revisionsrekursausführungen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Aufgrund des Verhaltens der Einschreiterin im Verlassenschaftsverfahren sei der Schluss zu ziehen, dass sie als einzige Person Auskunft über das Vermögen der Verlassenschaft tätigen könne; da ihr die Verlassenschaft an Zahlungs statt überlassen worden sei, sei sie auch Verwalterin der Verlassenschaft. Die betreibende Partei habe diejenige Person, die den Eid abzulegen habe, im Exekutionsantrag namhaft zu machen, und zwar auch dann, wenn das Eidesverfahren gegen eine Verlassenschaft gerichtet sei. Dabei sei es keinesfalls notwendig, diejenige natürliche Person zu treffen, die zur Vertretung nach außen berufen sei. Vielmehr treffe jede Person, der das Erbrecht zustehe, unabhängig von der Abgabe einer Erbantrittserklärung eine Auskunftspflicht gegenüber den Noterben, woraus folge, dass eine solche Person von der betreibenden Partei als Auskunftsperson namhaft gemacht werden könne. Eine Titelergänzungsklage, die dem Rekursgericht vorschwebe, sei weder nötig noch möglich.

Dazu wurde erwogen:

1. Eine Verpflichtung zur Vermögensangabe und Eidesleistung (Art XLII Abs 1 EGZPO) ist typischerweise ‑ wie auch hier von der betreibenden Partei begehrt ‑ nach § 354 EO zu erzwingen (RIS‑Justiz RS0004403 [T1], RS0004487; vgl auch 3 Ob 1/87 = RIS‑Justiz RS0004478). In Betracht käme allenfalls auch eine Vollstreckung nach § 346 EO (RIS‑Justiz RS0004403 [T2]), § 353 EO oder nach § 355 EO (Konecny in Fasching/Konecny 2 II/1 Art XLII EGZPO Rz 125 mwN).

2. Im vorliegenden Fall liegt ein Titel gegen die Verlassenschaft vor, nicht gegen die Einschreiterin. Nach dem Titel ist die Verlassenschaft schuldig, der nunmehr betreibenden Partei das Vermögen des Verstorbenen zum Todestag anzugeben und einen Eid zu leisten, dass diese Angaben richtig und vollständig sind.

Im Folgenden ist klar zu unterscheiden zwischen der Schaffung eines Titels, der zur eidlichen Vermögensangabe verpflichtet (dazu etwa RIS‑Justiz RS0035013 und 6 Ob 206/02s = SZ 2002/150), einerseits und der Durchsetzung eines solchen Titels andererseits.

3. In dem in concreto durchzusetzenden Teilurteil ist ‑ entsprechend der herrschenden Rechtsprechung (6 Ob 206/74 = SZ 48/19; RIS‑Justiz RS0001972) ‑ noch nicht festgelegt, welche natürliche Person für die verpflichtete Verlassenschaft die geschuldeten Informationen zu geben hat. In der in einem Erkenntnisverfahren ergangenen Entscheidung 6 Ob 206/74 war beispielsweise noch offen, wer die Verlassenschaft im Zusammenhang mit der eidlichen Vermögensangabe zu vertreten hat. In diesem Kontext ist auch die Entscheidung 3 Ob 87/69 = SZ 42/114 (RIS‑Justiz RS0001804) zu sehen: Demnach obliegt es bei einer Mehrheit von in Frage kommenden Vertretern einer verpflichteten juristischen Person dem betreibenden Gläubiger, diejenige natürliche Person zu bezeichnen, die den Eid für die juristische Person leistet (ebenso Heller/Berger/Stix, EO4 I 583 zum Offenbarungseid).

Eine Auswahl („Bezeichnung“) dieser Art ist nicht nötig, wenn nur eine Person als Vertreter der juristischen Person in Betracht kommt. Bei der Verlassenschaft ist bis zu einer Einantwortung diejenige Person zur eidlichen Vermögensangabe ‑ für die Verlassenschaft ‑ verpflichtet, die den ruhenden Nachlass vertritt (ebenso Heller/Berger/Stix, EO4 I 584 zum Offenbarungseid). Im konkreten Fall ist dies der Verlassenschaftskurator.

4. Die betreibende Partei (als Noterbin) will erreichen, dass anstelle des Verlassenschaftskurators die Testamentserbin, die keine Erbantrittserklärung abgegeben hat, der aber der Nachlass an Zahlungs statt überlassen wurde, die eidliche Vermögensangabe für die Verlassenschaft vorzunehmen hat; sie verweist in diesem Zusammenhang auf die Definitionen in § 532 ABGB. Dabei lässt sie aber außer Betracht, dass im Fall der Überlassung an Zahlungs statt (§ 154 AußStrG) ‑ ebenso wie in den beiden Fällen des § 153 AußStrG ‑ der Zustand des ruhenden Nachlasses andauert (6 Ob 716/85 = SZ 59/13; RIS‑Justiz RS0007687) und eine Erbin, die keine Erbantrittserklärung abgegeben hat, (ohne Bestellungsakt) nicht für die Verlassenschaft auftreten darf (§ 810 ABGB).

5. Wäre eine eidliche Vermögensangabe durch die verpflichtete Verlassenschaft ‑ wie die betreibende Partei andeutet ‑ gar nicht möglich, weil nur eine dritte Person über die erforderlichen Informationen verfügt, müsste überhaupt bezweifelt werden, ob der Titel im Wege des § 354 EO durchzusetzen ist (RIS‑Justiz RS0004396).

6. Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Ungeachtet der grundsätzlichen Einseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens in Exekutionssachen ist es im Hinblick auf die Einbeziehung einer dritten Person in das Verfahren gerechtfertigt, der obsiegenden Revisionsrekursgegnerin Kostenersatz zuzusprechen.

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