OGH 1Ob35/20h

OGH1Ob35/20h1.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. R*****, gegen die beklagte Partei Mag. O*****, vertreten durch Mag. Liane Hirschbrich, Rechtsanwältin in Wien, wegen 150.142,45 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Dezember 2019, GZ 12 R 73/19x‑36, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Mai 2019, GZ 17 Cg 20/18p‑29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00035.20H.0401.000

 

Spruch:

I. Die außerordentliche Revision wird hinsichtlich eines Betrags von 4.490,50 EUR sA (Honorar für die Vertretung im Verfahren AZ 18 Cg 55/16i des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien) als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.

II. Im Übrigen wird die außerordentliche Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

I.1. Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, insgesamt 5.000 EUR nicht übersteigt. Hat das Berufungsgericht über mehrere Entscheidungsgegenstände entschieden, deren Werte nicht zusammenzurechnen sind, ist die Revisionszulässigkeit für jeden einzelnen Entscheidungsgegenstand gesondert zu beurteilen (§ 55 Abs 4 JN). Eine Zusammenrechnung der einzelnen Ansprüche gemäß § 55 Abs 1 Z 1 JN kommt nur in Frage, wenn diese in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0042741). Dabei ist vom Vorbringen des Klägers auszugehen (RS0042741; RS0106759). Gegenforderungen sind irrelevant (vgl RS0042639 [T5]).

Ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang liegt nur vor, wenn jeder der mehreren Ansprüche für sich und unabhängig von den anderen nicht bestehen kann oder wenn die Forderungen aus einer gemeinsamen Tatsache oder einem gemeinsamen Rechtsgrund entstanden sind (RS0037905). Der tatsächliche oder rechtliche Zusammenhang wird nicht allein durch den Umstand hergestellt, dass es sich um gleichartige Leistungen des Anspruchsberechtigten handelt oder dass mehrere Ansprüche einer Person gegen ein und denselben Gegner bestehen; Honoraransprüche eines Rechtsanwalts stehen dann in einem Zusammenhang, wenn die Leistungen aufgrund eines einheitlichen Auftrags erfolgten oder eine Gesamtzahlungsverpflichtung vorliegt. Es kommt darauf an, ob dem beauftragten Rechtsanwalt mehrere Aufträge erteilt wurden und nicht darauf, ob diesen Aufträgen eine oder mehrere Vollmachten zugrunde liegen (RS0110872).

2. Anhaltspunkte für einen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang lassen sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen. Bei den mit der Klage begehrten Beträgen handelt es sich um das Honorar des klagenden Rechtsanwalts gegenüber seinem früheren Mandaten für die Vertretung in zwei verschiedenen Gerichtsverfahren. Das Mandat für die Vertretung in dem vor dem Handelsgericht Wien geführten Aktivprozess war dem Kläger vom Beklagten im Jahr 2013 erteilt worden. Die Vertretung in dem gegen den Beklagten angestrengten Verfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien erfolgte aufgrund eines anderen und erst im Jahr 2016 erteilten Auftrags. Der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts für das zuletzt genannte Verfahren übersteigt 5.000 EUR nicht.

Die außerordentliche Revision ist daher insoweit gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

II.1. Der Entscheidungsgegenstand, über den das Berufungsgericht betreffend das Honorar für die Vertretung im vor dem Handelsgericht Wien geführten Verfahren zu entscheiden hatte, übersteigt zwar 30.000 EUR, weshalb dem Obersten Gerichtshof insofern die Entscheidungsbefugnis über die außerordentliche Revision zukommt (§ 502 Abs 3 ZPO), jedoch zeigt der Beklagte in seiner Revision keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

2. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Das Berufungsgericht hielt jene Feststellungen, derentwegen der Beklagte eine Verfahrensergänzung für notwendig hielt, aufgrund seiner rechtlichen Beurteilung für nicht entscheidungserheblich. In einem solchen Fall könnte allenfalls ein der Rechtsrüge zuzuordnender „sekundärer Verfahrensmangel“ vorliegen.

3. Seinen Überlegungen zur angeblich unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Klageforderung legt der Beklagte zugrunde, dass das Vertragsverhältnis zwischen ihm und seinem Rechtsvertreter „nach Werkvertragsregeln“ zu beurteilen sei. Darauf aufbauend spricht er „Preisminderungsansprüche“ an. Er kann aber auf Basis der von ihm angestellten Überlegungen zur Vereinbarung einer besonderen und zur vereinbarten Honorierung nach dem RATG hinzutretenden Vergütung (die das Erstgericht nicht zuerkannte) nicht nachvollziehbar machen, warum allein deswegen das Mandat zur Prozessführung als Werkvertrag zu beurteilen sein sollte oder „analog Werkvertragsregeln“ zur Anwendung gelangen könnten. Damit erschließt sich nicht, warum ein – in erster Instanz gar nicht geltend gemachter – „berechtigter Preisminderungsanspruch“ bestehen oder der Anspruch des Klägers nicht fällig sein sollte.

Wenn nach der Rechtsprechung des Höchstgerichts das Verbot der quota litis dazu führt, dass mangels erlaubter Vereinbarung nur tarifmäßige Vertretungskosten begehrt werden dürfen (RS0038729), liegt darin, dass die Vorinstanzen die hier sogar festgestellte (Grund‑)Vereinbarung einer Abrechnung nach RATG aufrecht hielten (zu der allenfalls abhängig vom Prozesserfolg ein weiterer Betrag als „Bonus“ hätte hinzutreten sollen), keinesfalls eine erhebliche Rechtsfrage. Schon gar nicht ist nachvollziehbar, warum das gesamte Vertragsverhältnis nichtig sein sollte.

4. Auch die Beurteilung, dass es zu den Gegenforderungen keiner Beweisaufnahme bedarf, begegnet keinen Bedenken. Der Beklagte trägt in der Revision (deren Gegenstand Fehler des Berufungsgerichts sein sollten) vor, es habe das Erstgericht nicht erkannt, dass durch die Vertretungsmängel des Klägers „in den aufgezeigten Punkten ein Schaden bereits realisiert“ worden sei und verweist dazu auf seine (an früherer Stelle im Rechtsmittel enthaltenen) Ausführungen zur (angeblichen) Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens. Dort zitiert er aber zuerst bloß aus der Berufung, die sich denknotwendig – und hier auch ausdrücklich – nur auf die Unrichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens oder der Entscheidung des Erstgerichts bezieht. Daran schließt ein pauschaler Vorwurf der Unrichtigkeit des Berufungsurteils unter Verwendung lediglich floskelhafter Formulierungen ohne konkrete Ausführungen an. Mit derart pauschalen Vorwürfen ist die Rechtsrüge aber nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RS0043605 [T5]).

Für eine Befassung mit dem als Gegenforderung eingewendeten Schaden(‑steil), der aus mehreren Unterlassungen des Klägers im Prozess vor dem Handelsgericht Wien resultieren und bereits entstanden sein soll (fehlendes Feststellungsbegehren, verspätete Ausdehnung, unterbliebene Einforderung des angeblich tatsächlich noch höheren [Schadens-]Betrags), hätte es insbesondere auf konkretem Sachsubstrat beruhender Behauptungen bedurft, aufgrund welcher konkreter Umstände für den Kläger (damals) das Bestehen eines rechtlichen Interesses an der Feststellung neben einer Leistungsklage (zu der sie in der Regel subsidiär ist RS0038849 [T5]; 7 Ob 83/17g mwN) ersichtlich gewesen wäre. Ein Verschulden an einer verspäteten Ausdehnung oder einer zu niedrigen Bezifferung der Klageforderung (den höheren Betrag führt der Beklagte auf ein zwei Gerichtsgutachten nachfolgendes und erst nach der Mandatsauflösung eingeholtes Privatgutachten zurück) könnte dem Kläger nur dann zur Last gelegt werden, wenn mit Sachsubstrat unterlegt vorgetragen (und bewiesen) worden wäre, aus welchen Gründen ihm (überhaupt oder früher) das Bestehen (oder der künftige Eintritt) eines höheren Schadens bekannt oder zumindest absehbar gewesen war oder hätte sein können. Da der Revisionswerber insoweit jede Konkretisierung unterlässt, vermag er nicht aufzuzeigen, dass ihm durch eine bereits eingetretene Verjährung – unabhängig vom Ausgang des Verfahrens – bereits ein vom Kläger verschuldeter Schaden entstanden wäre. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass im Übrigen in Ansehung der Begehren der beiden bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung noch nicht abgeschlossenen Prozesse mangels Entscheidung darüber noch kein Schaden eingetreten sein kann, kann der Revisionswerber mit seinen unkonkreten Ausführungen nicht entkräften.

Die Behauptung, es liege im Verfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien bereits ein (nicht näher umschriebenes) rechtskräftiges Teilurteil vor, ist als im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung unbeachtlich (§ 504 Abs 2 ZPO). Sollte mit dem Ausdruck „rechtskräftiges Teilurteil“ die zu 5 Ob 50/18s beschlossene Zurückweisung seines (von seiner nunmehrigen Rechtsvertreterin erhobenen) Rekurses gegen den Beschluss des Berufungsgerichts über die teilweise Aufhebung des Ersturteils gemeint sein, worauf er sich schon im Verfahren erster Instanz (mit der Behauptung, dadurch stünde bereits ein Schaden fest) bezogen hat, ist dieser Einwand nicht nachvollziehbar. In Bezug auf den vom Beklagten allein relevierten Wohnungseigentumsvertrag ist, wie sich aus der Entscheidung des fünften Senats ergibt, lediglich die (vom Berufungsgericht mit Teilurteil bestätigte) Abweisung des Hauptbegehrens rechtskräftig. Insoweit war der Beklagte im Prozess ohnehin erfolgreich. Dass er in der Folge aufgrund eines Endurteils über das (erst zu prüfende) Eventualbegehren, eine darin genannte (konkrete und bereits existente) Urkunde (nämlich den ihm angeblich nachteiligen Wohnungseigentumsvertrag) überhaupt wird unterfertigen müssen, steht wiederum noch nicht fest. Wenn er – wegen der anderen von ihm im Verfahren gegen die Unterfertigung dieses konkreten Vertrags erhobenen Einwände – nicht urteilsmäßig zur Unterfertigung dieser konkreten Urkunde verpflichtet werden sollte, mag allenfalls zwar zutreffen, dass er – letztendlich – (irgend‑)einen anderen Wohnungseigentumsvertrag wird unterschreiben müssen. Warum er aber dann einer (auch) in dieser „neuen“ Urkunde enthaltenen, von ihm als nachteilig angesehenen bestimmten Klausel (19.1.) konkrete Einwände nicht mehr entgegenhalten können sollte, erschließt sich nicht. Der Umstand, dass er mangels konkretem Vorbringen zu dieser Klausel im Verfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien die Unterfertigung dieser konkreten (verfahrensgegenständlichen) Urkunde nicht (allein darauf gestützt) verweigern kann, bedeutet noch nicht zwingend, dass er einer neu errichteten, anderen Urkunde nicht auf konkretem Sachvorbringen beruhende Einwände zur „Nichtigkeit“ einzelner Klauseln entgegenhalten könnte.

5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte