European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E128056
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der drittbeklagten Partei die mit 2.574,41 EUR (darin enthalten 429,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Kläger betreiben eine Rinderzucht mit ständig 25 bis 30 Milchkühen sowie 20 bis 30 Tieren an weiblicher Nachzucht. Für die Fütterung kaufen sie jährlich etwa 12 bis 15 t Körnermais dazu.
Im Jahr 2015 errichteten die Kläger auf ihrem Anwesen einen neuen Blechsilo, in dem der zugekaufte Körnermais abgelagert werden sollte. An der Seite ist ein Sichtfenster angebracht; die Temperatur kann bei diesem Silo nicht kontrolliert werden.
Bezüglich Futtermittel wurden die Kläger jahrelang von einem Mitarbeiter eines Lagerhauses (im Folgenden: Lagerhausmitarbeiter) betreut, der seit 2014 bei der erstbeklagten Kommanditgesellschaft in der Landesprodukten-Abteilung für den Verkauf und Einkauf in allen Bereichen der Landwirtschaft (somit auch von Futter) tätig ist. Die Zweitbeklagte ist die unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten.
Der Erstkläger nahm Ende Juli 2015 Kontakt mit dem Lagerhausmitarbeiter auf, um Körnermais der Ernte 2014 in einer Menge von ca 10 t zu bestellen. Es sollte dies Mais der üblichen Qualität, dh frei von Schädlingen und mit einem Feuchtigkeitsgehalt von maximal 14,5 % sein. Der Lagerhausmitarbeiter sagte dem Erstkläger die Lieferung solchen Maises zu. Er kontaktierte seinerseits den Geschäftsführer der Drittbeklagten, der ebenfalls die Lieferung des gewünschten Qualitätsmaises zusicherte. Der Lagerhausmitarbeiter bestellte bei der Drittbeklagten eine Gesamtmenge von ca 25 t (gesamter Silo-LKW-Sattelzug). Den nach der Lieferung an die Kläger verbleibenden Rest von ca 15 t wollte er zum Weiterverkauf bei der Erstbeklagten auf Lager legen.
Die Drittbeklagte ist ausschließlich als Getreidehändlerin tätig und nicht als Produzentin. Sie bezieht Mais von diversen Landwirten, unter anderem auch vom Nebenintervenienten.
Im Jahr 2015 verkaufte der Nebenintervenient an die Drittbeklagte insgesamt 500 t Futtermais des Erntejahrs 2014 lose in der Qualität „gesund und handelsüblich, frei von lebenden Tieren und Schädlingen, maximal 2 % Besatz, maximal 5 % Bruch, maximal 14 % H2O“. Als Lieferzeit wurde Juni/Juli 2015 vereinbart. Die Gesamtmenge sollte vom Lager des Nebenintervenienten weg lose verkauft bzw abtransportiert werden.
Die Drittbeklagte veranlasste die Abholung der von der Erstbeklagten bestellten Gesamtmenge von ca 25 t von der Lagerstätte des Nebenintervenienten. Die Erstbeklagte beauftragte zu diesem Zweck ein Transportunternehmen, das die gesamte Maismenge mit einem Silowagen transportieren sollte.
Beim Laden des Maises an der Lagerstätte des Nebenintervenienten wurde von der Drittbeklagten keine Getreideprobe in Form eines Rückstellmusters gezogen.
Der Transportunternehmer lieferte die gesamte Maismenge zur Erstbeklagten. Dort wurde eine Gesamtmenge von 15 t abgeladen. Von dieser Menge wurden mit Musterstechern in allen LKW-Kammern Proben zur Herstellung eines Rückstellmusters entnommen. Ob darüber hinaus von den Lagerarbeitern der Erstbeklagten eine optische Kontrolle sowie auch eine Siebkontrolle durchgeführt wurde, konnte nicht festgestellt werden. Ein Befall mit dem Kornkäfer kann sowohl durch eine optische Kontrolle als auch durch eine Siebkontrolle erkannt werden. Bei dem zur Herstellung eines Rückstellmusters durch die Mitarbeiter der Erstbeklagten gezogenen Proben war ein Kornkäfer-Befall gegeben. Auch die restliche für die Kläger bestimmte Menge von ca 10 t war mit dem Kornkäfer befallen. Dieser Kornkäfer-Befall stammte von der Lagerstätte des Nebenintervenienten.
Bei der Befüllung des für den Mais vorgesehenen Silos im Betrieb der Kläger war der Kornkäfer-Befall nicht erkennbar. Über das im Silo eingebaute Sichtfenster konnte man keine Käfer erkennen. Die Kläger führen für den gelagerten zugekauften Körnermais keine Temperaturmessungen durch. Auch bei ca ein Jahr lang gelagertem Mais sind derartige Temperaturmessungen nicht erforderlich, da ein Feuchtigkeitsanstieg ohne äußere Einflüsse nicht möglich ist.
Durch die Kontaminierung des Maises mit dem Kornkäfer kam es zu einer Verschimmelung des Maises und dabei zum übermäßigen Entstehen von Bakterien und Lagerpilzen. Dadurch wurde der Grenzwert sowohl für die Bakterienkeime (Bazillus, Staphylokokken und sonstige Bakterien) sowie von Schimmelpilzen (Aspergillus flavus, Aspergillus glaucus, Penicillin) als auch für Hefekeime um ein Vielfaches überstiegen. Der Körnermais war daher bereits zu Beginn der Verfütterung an die Tiere der Kläger verdorben und gesundheitsschädlich. Bei und nach Herstellung der Futtermischung war diese Verschimmelung des verwendeten Körnermaises weder optisch noch sensorisch erkennbar.
Nach Beginn der Verfütterung dieses Körnermaises hatten Kühe erstmals Ende Dezember 2015 Anzeichen von gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Verenden einer Kuh nach dem Kalben). Im Anschluss daran zeigten mehrere Kühe ab Jänner 2016 verschiedene Erkrankungen wie Klauenrehe, Ketose, akute Mastitis, Festlegen bei der Geburt, Apathie und ähnliches. Sämtliche Krankheitssymptome weisen auf eine Vergiftung hin. Ausschließliche Ursache dieser aufgetretenen Krankheitssymptome war die durch den Kornkäfer-Befall entstandene Verschimmelung des dem Futtermittel zugegebenen Körnermaises.
Der Kornkäfer-Befall hätte bei Entnahme einer Probe zur Herstellung eines Rückstellmusters und entsprechender optischer Kontrolle bei der Lagerstelle des Nebenintervenienten durch die Drittbeklagte erkannt werden können, ebenso bei entsprechend sorgfältig durchgeführter optischer Kontrolle durch die Mitarbeiter der Erstbeklagten. Im Betrieb der Kläger wäre der Befall durch Kornkäfer ausschließlich bei einer optischen Kontrolle der Maisoberfläche erkannt worden. Dafür hätte man in den inneren Bereich des Blechsilos hinauf- und hinunterklettern müssen.
Die Kläger bemerkten die Verschimmelung des gelagerten Körnermaises zufällig erstmals Ende Juni 2016. Erst ab diesem Zeitpunkt war auch für die Kläger ein Zusammenhang zwischen den aufgetretenen Krankheitsfällen und der Verschimmelung des Körnermaises erkennbar.
Die Kläger begehren von den Beklagten Zahlung von 89.229,76 EUR sA zur ungeteilten Hand als Schadenersatz für die frustrierten Futtermittelkosten und für Mangelfolgeschäden (verendete bzw krankheitsbedingt geschlachtete Tiere) sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche künftigen Schäden aus dem verunreinigten Futter zur ungeteilten Hand. Sie stützen die Haftung gegen die Erstbeklagte auf eine Verletzung der Pflichten aus dem Kaufvertrag und gegen alle Beklagten (auch) auf eine Übertretung des § 3 Futtermittelgesetz (in der Folge FMG). Die Erst- und die Drittbeklagte hätten ihre Pflicht verletzt, das Futtermittel auf den Befall mit Schädlingen zu untersuchen.
Die Drittbeklagte (alleinige Revisionsgegnerin) wendete ein, sie habe lediglich als Händlerin fungiert und an die Erstbeklagte im August 2015 einen LKW voll Futtermais (insgesamt 25.680 kg) ab Station (FCA) geliefert, der bei dem Nebenintervenienten geladen worden sei. Sie habe keinen Schaden verursacht. Obwohl die Drittbeklagte im Juli und August 2015 vom Nebenintervenienten bereits insgesamt ca 500 t Futtermais bezogen und an verschiedene Abnehmer geliefert habe, sei es bei keiner dieser Lieferungen zu Beanstandungen gekommen.
Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, das Zahlungsbegehren gegen alle Beklagten bestehe dem Grunde nach zu Recht. Über das Feststellungsbegehren sprach es vorerst nicht ab.
Das Erstgericht traf im Wesentlichen die wiedergegebenen Feststellungen und führte zur Haftung der Drittbeklagten in rechtlicher Hinsicht aus, aufgrund der vorliegenden Vertragskette kämen nur deliktische Schadenersatzansprüche der Kläger gegenüber der Drittbeklagten in Betracht. Dass der Vertrag zwischen der Drittbeklagten und der Erstbeklagten Schutzwirkungen zugunsten der Kläger entfalten würde, hätten diese nicht behauptet. § 3 FMG (Vorschrift über Herstellung, Inverkehrbringen und Verfütterung von Futtermitteln) sei ein Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB. Nach dieser Bestimmung sei auch die Verordnung (EG) Nr 183/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Jänner 2005 mit Vorschriften für die Futtermittelhygiene (im Folgenden auch nur „VO“) anzuwenden. Danach seien sämtliche Futtermittelunternehmen verpflichtet, zur Rückverfolgbarkeit der Erzeugnisse entsprechende Proben der Bestandteile zu entnehmen (Rückstellungsmuster). Die Drittbeklagte habe gegen diese Verpflichtung verstoßen, weshalb auch sie hafte. Die Kläger treffe kein Mitverschulden.
Das Berufungsgericht bestätigte das – insoweit rechtskräftige – Zwischenurteil hinsichtlich der Erst- und Zweitbeklagten und wies mit Teilurteil das Zahlungsbegehren gegen die Drittbeklagte ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Zu seinem Teilurteil führte das Berufungsgericht aus, die Drittbeklagte habe den Verbotstatbestand nach § 3 Abs 2 Z 1 FMG objektiv erfüllt. Ihr sei jedoch der Beweis gelungen, dass sie an der Übertretung des Schutzgesetzes keine subjektive Sorglosigkeit treffe. Ein (im Rechtswidrigkeitszusammenhang stehender) Verstoß gegen Art 5 VO im Zusammenhang mit deren Anhang II (HERSTELLUNG Z 6) liege nicht vor, weil der Zweck dieser Norm die Rückverfolgbarkeit der Erzeugnisse sei. Diese sei aber ohnehin gegeben. Weitere im Anhang II der VO festgelegte Pflichten träfen die Drittbeklagte nicht, weil sich die Futtermittel nie auf ihrem Betriebsgelände befunden hätten oder weil diese Pflichten (nur) dem Hersteller auferlegt seien. Zwischenhändler seien im Allgemeinen nicht verpflichtet, eigene kostspielige Versuche zur Prüfung der Tauglichkeit einer Ware vorzunehmen und dürften sich insoweit regelmäßig auf die Hinweise der Produzenten verlassen, sofern ihnen nicht aufgrund bereits bekannt gewordener Schadensfälle Zweifel kommen müssten. Die Entscheidungen 6 Ob 566/92 und 8 Ob 12/05f seien nicht einschlägig, weil darin – anders als hier – jeweils die Haftung eines mit den Geschädigten vertraglich verbundenen Endhändlers zu beurteilen gewesen sei. Insgesamt fehlten daher Anhaltspunkte dafür, dass es der Drittbeklagten hätte auffallen müssen, dass das gelieferte Futtermittel von einem Schädling befallen gewesen sei, was aber für einen Verschuldensvorwurf erforderlich wäre.
Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Kläger mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Zwischenurteils auch hinsichtlich der Drittbeklagten; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Drittbeklagte beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil zur Auslegung der einschlägigen Normen des Futtermittelgesetzes im Zusammenhang mit der Verordnung (EG) Nr 183/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Jänner 2005 mit Vorschriften für die Futtermittelhygiene keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt; die Revision ist aber nicht berechtigt.
Die Revisionswerber machen zusammengefasst geltend, das Berufungsgericht sei von den Entscheidungen 6 Ob 566/92 und 8 Ob 12/05f sowie von der Rechtsprechung zum Entlastungsbeweis bei deliktischer Haftung wegen Verletzung der Schutznorm des § 3 Abs 2 FMG abgewichen. Es fehle an Feststellungen, ob am Betriebsgelände der Drittbeklagten jemals Futtermittel gelagert worden seien. Die Pflichten eines Futtermittelhändlers seien im Anhang II der VO nicht abschließend geregelt. Besondere Sorgfaltspflichten ergäben sich aus § 18 Abs 4 erster Satz FMG („Eigenkontrolle“) und Art 6 VO („HACCP-Monitoring“). Die Drittbeklagte habe nicht einmal behauptet, dass sie diese Vorschriften eingehalten habe.
Hierzu wurde erwogen:
1. Die behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens liegen nicht vor, was keiner Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
2. Zum behaupteten sekundären Feststellungsmangel:
Die Drittbeklagte hat in erster Instanz zweimal vorgetragen, eine Zwischenlagerung der Futtermittel bei ihr sei nicht erfolgt (ON 11, S 3; ON 17, S 4). Dem haben die Kläger niemals substanziiert widersprochen.
Im Übrigen ergibt sich bereits aus dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt die Richtigkeit der Behauptung der Drittbeklagten: Anders ist nämlich die Feststellung des Erstgerichts, wonach das von der Erstbeklagten beauftragte Transportunternehmen die gesamte Maismenge von der Lagerstätte des Nebenintervenienten zur Erstbeklagten lieferte, nicht zu verstehen.
3. Relevante Normen:
3.1. Futtermittelgesetz (FMG) 1999
„Anwendungsbereich
§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermitteln, Vormischungen und Zusatzstoffen zur Tierernährung.
…
Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind:
…
10. 'Inverkehrbringen': Vorrätighalten zum Verkauf, Anbieten, Feilhalten, Verkaufen und jedes sonstige entgeltliche oder unentgeltliche Überlassen im geschäftlichen Verkehr – einschließlich der Abgabe in Genossenschaften, Vereinen oder sonstigen Vereinigungen an deren Mitglieder – sowie die Einfuhr aus Drittländern;
…
19. 'Betriebe': Betriebe, die Futtermittel, Vormischungen oder Zusatzstoffe herstellen oder in Verkehr bringen; als Betriebe gelten auch Personen, die in einer Zwischenstufe zwischen Erzeugung und Verwendung Futtermittel, Vormischungen oder Zusatzstoffe besitzen.
…
Allgemeine Anforderungen
§ 3. (1) Futtermittel, Vormischungen und Zusatzstoffe dürfen nur hergestellt, in Verkehr gebracht und an Nutztiere verfüttert werden, wenn sie den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und den darauf beruhenden Verordnungen sowie den Rechtsvorschriften der Europäischen Union (§ 23) entsprechen.
(2) Es ist verboten, Futtermittel, Vormischungen oder Zusatzstoffe herzustellen, in Verkehr zu bringen oder an Nutztiere zu verfüttern, die
1. dazu geeignet sind, die Qualität der von Nutztieren gewonnenen Erzeugnisse, insbesondere im Hinblick auf ihre Unbedenklichkeit für die menschliche Gesundheit, nachteilig zu beeinflussen oder die Gesundheit von Tieren zu schädigen,
…
4. verdorben oder in ihrem Wert oder ihrer Brauchbarkeit erheblich gemindert sind.
…
Pflichten der Betriebsinhaber
§ 18.
...
(4) Die Betriebsinhaber haben – abhängig davon, auf welcher Stufe sich der Betrieb in der Futtermittelkette befindet – durch Eigenkontrollen die Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der darauf beruhenden Verordnungen regelmäßig zu überprüfen. […]
…
Bezugnahme auf Rechtsvorschriften
§ 23.
…
(3) Folgende unmittelbar anwendbare Rechtsvorschriften sind, soweit sie den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes betreffen, im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu vollziehen:
…
6. Verordnung (EG) Nr. 183/2005 mit Vor-schriften über die Futtermittelhygiene, ABl. Nr. L 35 vom 8. 2. 2005 S 1;
...“
3.2. Verordnung (EG) Nr 183/2005 des Euro-päischen Parlaments und des Rates vom 12. Jänner 2005 mit Vorschriften für die Futtermittelhygiene
„…
Artikel 5
Spezifische Verpflichtungen
(1) Hinsichtlich der Tätigkeiten auf der Stufe der Futtermittelprimärproduktion und der nachstehenden damit zusammenhängenden Tätigkeiten:
a) Transport, Lagerung und Handhabung von Primärerzeugnissen am Ort der Erzeugung;
b) Transportvorgänge zur Lieferung von Primärerzeugnissen vom Ort der Erzeugung zu einem Betrieb;
c) Mischen von ausschließlich für den Bedarf des eigenen landwirtschaftlichen Betriebs bestimmten Futtermitteln ohne Verwendung von Zusatzstoffen oder von Zusatzstoffe enthaltenden Vormischungen mit Ausnahme von Silierzusatzstoffen;
erfüllen die Futtermittelunternehmer die Bestimmungen des Anhangs I, soweit diese die genannten Tätigkeiten betreffen.
(2) Hinsichtlich anderer als der in Absatz 1 genannten Vorgänge, einschließlich des Mischens von ausschließlich für den Bedarf des eigenen landwirtschaftlichen Betriebs bestimmten Futtermitteln unter Verwendung von Zusatzstoffen oder Zusatzstoffe enthaltenden Vormischungen mit Ausnahme von Silierzusatzstoffen, erfüllen die Futtermittelunternehmer die Bestimmungen des Anhangs II, soweit diese die genannten Vorgänge betreffen.
…
Artikel 6
System der Gefahrenanalyse und kritischen Kontrollpunkte (HACCP)
(1) Futtermittelunternehmer, die sich mit anderen als den in Artikel 5 Absatz 1 genannten Tätigkeiten befassen, müssen ein schriftliches Verfahren oder Verfahren, die auf den HACCP-Grundsätzen beruhen, einrichten, durchführen und aufrechterhalten:
(2) Die in Absatz 1 genannten Grundsätze sind die Folgenden:
a) Ermittlung von Gefahren, die vermieden, ausgeschaltet oder auf ein annehmbares Maß reduziert werden müssen;
b) Bestimmung der kritischen Kontrollpunkte auf der (den) Prozessstufe(n), auf der (denen) eine Kontrolle notwendig ist, um eine Gefahr zu vermeiden, auszuschalten oder auf ein annehmbares Maß zu reduzieren;
c) Festlegung von Grenzwerten für diese kritischen Kontrollpunkte, anhand deren im Hinblick auf die Vermeidung, Ausschaltung oder Reduzierung ermittelter Gefahren zwischen akzeptablen und nicht akzeptablen Werten unterschieden wird;
d) Festlegung und Durchführung effizienter Verfahren zur Überwachung der kritischen Kontrollpunkte;
e) Festlegung von Korrekturmaßnahmen für den Fall, dass die Überwachung zeigt, dass ein kritischer Kontrollpunkt nicht unter Kontrolle ist;
f) Festlegung von Verifizierungsverfahren, um festzustellen, ob die in den Buchstaben a) bis e) genannten Maßnahmen vollständig sind und wirksam funktionieren. Die Verifizierungsverfahren werden regelmäßig angewandt;
…
ANHANG II
ANFORDERUNGEN AN DIE FUTTER-MITTELUNTERNEHMEN, DIE SICH NICHT AUF DER IN ARTIKEL 5 ABSATZ 1 ERWÄHNTEN STUFE DER FUTTERMITTELPRIMÄRPRODUKTION BEFINDEN
…
HERSTELLUNG
…
6. Die Futtermittelunternehmer müssen durch angemessene Maßnahmen gewährleisten, dass die Erzeugnisse auf jeden Fall zurückverfolgt werden können.
…
DOKUMENTATION
1. Alle Futtermittelunternehmer, auch wenn sie ausschließlich als Händler tätig sind, ohne dass sich die Erzeugnisse jemals auf ihrem Betriebsgelände befinden, müssen in einem Register Aufzeichnungen führen, die entsprechende Daten einschließlich von Angaben über Ankauf, Herstellung und Verkauf für eine wirksame Rückverfolgung von Erhalt und Auslieferung einschließlich Ausfuhr bis zum Endverbraucher enthalten.
2. Die Futtermittelunternehmer, mit Ausnahme derjenigen, die nur als Händler tätig waren, ohne dass sich die Erzeugnisse jemals auf ihrem Betriebsgelände befinden, müssen in einem Register Folgendes aufbewahren:
(a) Unterlagen über das Herstellungsverfahren und Kontrollen
[…] Diese Unterlagen müssen aufbewahrt werden, damit der Werdegang einer jeden in Verkehr gebrachten Partie des Erzeugnisses zurückverfolgt und damit bei Beschwerden festgestellt werden kann, wer die Verantwortung getragen hat.
...“
4. Schutzgesetzcharakter von § 3 Abs 1 und 2 Z 1 und 4 FMG:
4.1. Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB sind abstrakte Gefährdungsverbote, die dazu bestimmt sind, die Mitglieder eines Personenkreises gegen die Verletzung von Rechtsgütern zu schützen (RS0027710). In einem Schutzgesetz ist eine konkrete, eine detaillierte Verhaltensnorm zu sehen, die das gebotene und verbotene Verhalten genauer umschreibt. Schutzgesetze haben eine „Verdeutlichungsfunktion“ (RS0027367). Allgemein gehaltene Bestimmungen, die keine konkreten Verpflichtungen normieren, sind keine Schutzgesetze (vgl etwa 1 Ob 16/17k: Die in ganz allgemeiner Formulierung gehaltene Anordnung der Vertretung der fachlichen Interessen der Mitglieder im Zusammenhang mit bestimmten Zielen in § 43 Abs 3 WKG; 4 Ob 227/18p: Allgemeiner Verweis auf den einzuhaltenden technischen Sicherheitsstandard in § 1 Abs 1 Z 3 Salzburger Bautechnikgesetz; 8 Ob 96/19d: Festlegung des gesetzlichen Sorgfaltsmaßstabs in § 19 Abs 1 Tierärztegesetz). § 1311 ABGB wäre nicht vollziehbar, könnte nicht zwischen Schutzgesetzverletzungen und Verletzungen anderer, nicht konkret umschriebener Verhaltensgebote unterschieden werden (RS0027567).
4.2. § 3 Abs 1 FMG verweist lediglich auf die übrigen Normen des FMG und die einschlägigen Verordnungen auf europäischer Ebene und hat insoweit nur programmatischen Charakter. Nach den unter 4.1. angeführten Kriterien ist diese Norm kein Schutzgesetz.
4.3. Dem gegenüber enthält § 3 Abs 2 Z 1 und 4 FMG konkrete Verhaltensverbote. Verstöße dagegen stehen gemäß § 21 Abs 1 FMG unter Strafsanktion, was ein weiteres Indiz für die Qualifikation als Schutzgesetz ist (vgl 8 Ob 57/17s). Dass die hier gegenständlichen Verbote dem Schutz der tierischen und menschlichen Gesundheit dienen, ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut.
Bei den zitierten Tatbeständen des § 3 Abs 2 FMG handelt es sich somit um Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB.
5. Verstoß der Drittbeklagten gegen § 3 Abs 2 Z 1 und 4 FMG?
5.1. Nach dem Wortlaut der Bestimmung hat die Drittbeklagte gegen § 3 Abs 2 Z 1 und 4 FMG verstoßen, weil sie die verdorbenen Futtermittel (an die Erstbeklagte) „verkauft“ hat, was eine der Möglichkeiten des „Inverkehrbringens“ nach § 2 Z 10 FMG darstellt.
5.2. Es ist jedoch der Gesamtzusammenhang der Normen des FMG zu beachten:
Die Drittbeklagte verkaufte Körnermais an die Erstbeklagte, wodurch sie ihn – wie erwähnt – nach der Definition des § 2 Z 10 FMG in Verkehr gebracht hat. Im Sinn der weiteren Begriffsbestimmung des § 2 Z 19 FMG ist daher auch die Drittbeklagte ein „Betriebsinhaber“ iSd § 18 Abs 4 FMG.
Diese mit der Novelle BGBl I 2002/110 neu eingeführte Bestimmung verpflichtet die Betriebsinhaber zu „Eigenkontrollen“. Die Materialien führen dazu Folgendes aus (ErläutRV 1133 BlgNR 21. GP 24):
„Die Betriebsinhaber haben auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen in den ihrer Kontrolle unterstehenden Betrieben dafür zu sorgen, dass die Futtermittel die Anforderungen des Futtermittelrechts erfüllen; dazu haben sie die Einhaltung dieser Anforderungen zu überprüfen.“
Sowohl aus dem Gesetzeswortlaut als auch aus dem zitierten Satz der Materialien ergibt sich, dass der Gesetzgeber nur an diejenigen Betriebsinhaber gedacht hat, die in der „Futtermittelkette“ auch zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem jeweiligen Betrieb die tatsächliche Gewahrsame an den Futtermitteln haben, nicht aber an Zwischenhändler, die im Streckengeschäft zwar Teil der Vertragskette, aber nicht der „Futtermittelkette“ sind, wie dies hier auf die Drittbeklagte zutrifft. Denn Zwischenhändler, die niemals die tatsächliche Gewahrsame an den Futtermitteln haben, können keine „Eigenkontrollen“ „in den ihrer Kontrolle unterstehenden Betrieben“ durchführen, denn weder der Betrieb, von dem sie die Futtermittel kaufen, noch derjenige, dem sie es weiterverkaufen, untersteht ihrer Kontrolle. Dazu kommt, dass ja die beiden Vertragspartner des Zwischenhändlers in ihren Betrieben ohnehin zu der entsprechenden Sorgfalt und den vorgeschriebenen Kontrollen verpflichtet sind, sodass eine zusätzliche Prüfung durch den Zwischenhändler beim Streckengeschäft keinen ersichtlichen Mehrwert böte (vgl in diesem Sinn auch 6 Ob 521/81 SZ 54/116; RS0026094).
Daraus ergibt sich, dass nach dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck Adressat sowohl der Pflichten des § 18 Abs 4 FMG, aber – damit zusammenhängend – auch der Verbote des § 3 Abs 2 Z 1 und 4 FMG nicht auch Zwischenhändler im Streckengeschäft sind, die zu keinem Zeitpunkt Gewahrsame an den Futtermitteln haben und somit nicht Teil der „Futtermittelkette“ sind. Insoweit sind die genannten Bestimmungen in Bezug auf den Begriff des Inverkehrbringens durch „Verkaufen“ teleologisch zu reduzieren.
5.3. Da die Drittbeklagte eben diese Voraussetzung eines reinen Zwischenhändlers im Streckengeschäft, ohne jemals Teil der Futtermittelkette gewesen zu sein, erfüllt, sind nach dem unter 5.2. Gesagten die Verbote des § 3 Abs 2 Z 1 und 4 FMG auf sie nicht anzuwenden.
Es kann daher der geltend gemachte Anspruch gegen die Drittbeklagte nicht auf eine Verletzung dieser Schutznormen gestützt werden.
6. Art 5 VO in Zusammenhang mit deren Anhang II (HERSTELLUNG Z 6 und DOKUMENTATION Z 1 und 2):
Hierzu kann auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils verwiesen werden, wonach diese Normen (nur) die Rückverfolgbarkeit der Erzeugnisse bezweckt und es bei einem allfälligen Verstoß der Drittbeklagten dagegen am Rechtswidrigkeitszusammenhang mangelt.
7. Art 6 VO (System der Gefahrenanalyse und kritischen Kontrollpunkte [HACCP]):
Die Revisionswerber haben in erster Instanz einen Verstoß der Drittbeklagten gegen die zitierte Norm nicht behauptet. Sie haben kein Tatsachenvorbringen dahingehend erstattet, die Beklagte habe das in Art 6 VO vorgesehene schriftliche Verfahren oder Verfahren, die auf den HACCP‑Grundsätzen beruhen, nicht eingerichtet, durchgeführt und aufrechterhalten. Das erstmalige Vorbringen in der Revision verstößt somit gegen das Neuerungsverbot des § 504 Abs 2 ZPO.
8. Behauptetes Abweichen von den Entscheidungen 6 Ob 566/92 und 8 Ob 12/05f:
Die letztgenannte Entscheidung enthält folgende Aussage:
„Die – richtige – Aussage insbesondere in der Entscheidung SZ 54/116 = JBl 1982, 534, dass es wirtschaftlich sinnlos wäre, wenn nicht nur der Fabrikationsbetrieb, sondern jeder einzelne Zwischenhändler kostspielige Maßnahmen zur Kontrolle der Produkte treffen müsste, trifft aber gerade auf den hier zu beurteilenden Fall des Handels mit aus im Regelfall von bäuerlichen Betrieben stammenden Futtermitteln (hier: Hafer) nicht zu.“
Daraus ist für die Kläger aber nichts gewonnen, weil sich der dort und auch der in der erstgenannten Entscheidung beurteilte Sachverhalt vom vorliegenden Fall maßgeblich unterscheidet:
8.1. In beiden Fällen bestand zwischen den geschädigten Klägern und den das kontaminierte Futter liefernden Beklagten ein Vertragsverhältnis. Somit stand bereits die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten fest, hatten sie doch gegen ihre vertragliche Pflicht, einwandfreies Futter zu liefern, verstoßen. Weiters kam im Vertragsverhältnis die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB betreffend das Verschulden der Beklagten zum Tragen.
Im vorliegenden Fall besteht aber zwischen den Klägern und der Drittbeklagten kein Vertrag, sodass die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens der Drittbeklagten nicht aus einer Vertragsverletzung abgeleitet werden kann. Dass der Drittbeklagten auch sonst kein rechtswidriges Verhalten (zumindest kein solches, für das der Rechtswidrigkeitszusammenhang vorliegt) vorgeworfen werden kann, wurde bereits dargestellt.
8.2. Beide Fälle unterscheiden sich vom vorliegenden Fall weiters dadurch, dass nach den in den Entscheidungen wiedergegebenen Sachverhalten der beklagte Futterlieferant offenbar zumindest zu irgendeinem Zeitpunkt die tatsächliche Gewahrsame am Futter innegehabt hatte:
6 Ob 566/92: „Der Beklagte untersuchte den angekauften Bruchmais im Zuge einer internen Qualitätskontrolle ...“
8 Ob 12/05f: „Die Lagerung der von der Beklagten gelieferten Ware ...“
Aus beiden Entscheidungen ergibt sich jedenfalls kein Anhaltspunkt dahingehend, die jeweilige Beklagte sei lediglich Zwischenhändlerin in einem Streckengeschäft gewesen, weshalb sie mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar sind.
9. Somit erweist sich die Revision als nicht berechtigt, weshalb ihr nicht Folge zu geben ist.
10. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO. Da das Feststellungsbegehren nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens war, beträgt die Bemessungsgrundlage nur 89.229,76 EUR. Da der Drittbeklagten nur die beiden Kläger gegenüberstehen, nicht aber auch die Erst- und Zweitbeklagte, beträgt der Streitgenossenzuschlag nur 10 % (§ 15 RATG).
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