OGH 8Ob57/17s

OGH8Ob57/17s28.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) E* M*, und 2) A* N*, ebendort, beide vertreten durch die Rechtsanwälte Pieler & Pieler & Partner KG in Wien, und der Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Parteien 1) A* GmbH, *, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, und 2) S*, vertreten durch Dr. Georg Angermaier, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1) B* GmbH, *, und 2) S* B*, ebendort, beide vertreten durch Dr. Ronald Rast & Dr. Thomas Rast, Rechtsanwälte in Wien, wegen 224.131,23 EUR sA und Feststellung (Gesamtstreitwert 290.131,23 EUR), über die außerordentlichen Revisionen sowohl der klagenden Parteien als auch der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. März 2017, GZ 3 R 62/16h‑92, mit dem das Teil‑ und Zwischenurteil des Handelsgerichts Wien vom 5. August 2016, GZ 10 Cg 68/14a‑79, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E119729

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Den Revisionen der klagenden Parteien und der erstbeklagten Partei wird teilweise Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Teil‑ und Zwischenurteil des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass es lautet:

„1. Das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen 224.131,23 EUR sA zu bezahlen, besteht dem Grunde nach im Ausmaß von 2/3 zu Recht.

2. Die eingewendete Gegenforderung besteht nicht zu Recht.

3. Es wird zwischen den klagenden Parteien und den beklagten Parteien festgestellt, dass die beklagten Parteien den klagenden Parteien zur ungeteilten Hand im Ausmaß von 2/3 für alle zukünftigen Schäden aus der Hangrutschung vom 25. 10. 2012 auf der Liegenschaft GSt * in EZ * GB * zu haften haben.

4. Das Mehrbegehren, wonach das Zahlungsbegehren dem Grunde nach sowie das Feststellungsbegehren für künftige Schäden im Ausmaß von einem weiteren Drittel zu Recht bestehe, wird abgewiesen.“

Die Kostenentscheidung in Bezug auf alle drei Instanzen bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind jeweils zur Hälfte Eigentümer eines Kleingartens in Wien. Im Jahr 2012 beauftragten sie die Erstbeklagte mit dem Aushub einer Baugrube. Dem Auftrag lag das Angebot der Erstbeklagten vom 23. 4. 2012 zugrunde, das auf dem von den Klägern zur Verfügung gestellten Einreichplan und einem baugeologischen Gutachten basierte. Nach dem baugeologischen Gutachten waren für den Aushub der Baugrube keine Stützmaßnahmen erforderlich. Diese Schlussfolgerungen waren, wie sich im vorliegenden Verfahren herausstellte, unrichtig. Für eine fachgerechte Begutachtung hätten Kernbohrungen durchgeführt werden müssen. Zur Sicherung der Baugrubenwände wäre aufgrund der Gegebenheiten eine Spritzbetonierung der Aushubwand vorzunehmen gewesen. Der Umstand, dass der angetroffene Baugrund nicht mit dem im Gutachten beschriebenen Baugrund übereinstimmt, wäre auch für einen geotechnisch ungebildeten Unternehmer erkennbar gewesen. Seitens der Beklagten wurden die Kläger zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen, dass die Baugrube abzusichern sei.

Am 16. 10. 2012 – die Aushubarbeiten der Erstbeklagten waren noch nicht abgeschlossen – kam es zu einer Intervention der Baupolizei. Aufgrund dieser Intervention wandte sich die Bauunternehmerin, die das Kleingartenhaus errichten sollte und vom Einschreiten der Baupolizei Kenntnis erlangte, an die Erstbeklagte und teilte dieser mit, dass laut Baupolizei eine Sicherung der Baugrube vorzunehmen sei. Schon vor dem 16. 10. 2012 machte sie einen derartigen Hinweis. Diese Erklärungen waren den Klägern bekannt. Aus Anlass der Intervention der Baupolizei übermittelte der Zweitkläger das baugeologische Gutachten. Daraufhin erklärte die Baupolizei, es sei davon auszugehen, dass Absicherungsmaßnahmen in der Baugrube nicht notwendig seien; an deren Rändern müssten aber Absperrungsbänder angebracht werden.

Am 25. 10. 2012 kam es auf der Liegenschaft der Kläger zu einer Hangrutschung, worauf die Baupolizei Wien die Baugrube mit Beton verfüllen ließ. Dafür sowie zur Wiederherstellung des Bauplatzes entstanden den Klägern diverse Kosten, die zum großen Teil von der Bauherrenversicherung der Kläger getragen wurden. Der Versicherer trat die Ansprüche zur Geltendmachung an die Kläger ab. Künftige Schäden können nicht ausgeschlossen werden.

Die Erstbeklagte verfügt über die Gewerbeberechtigung „Deichgräber“ (Erdbewegungsarbeiten). Ein Deichgräber (Erdbeweger) darf keine Erdarbeiten ausführen, für die statische Kenntnisse erforderlich sind. Der Zweitbeklagte ist der gewerberechtliche (und gleichzeitig handelsrechtliche) Geschäftsführer der Erstbeklagten.

Die Kläger erhoben gegen die beiden Beklagten ein Zahlungsbegehren letztlich über 224.131,23 EUR sA; zudem stellten sie ein Feststellungsbegehren in Bezug auf künftige Schäden. Die Hangrutschung sei dadurch verursacht worden, dass die Erstbeklagte Sicherungsmaßnahmen an der Baugrube unterlassen habe. Die Beklagten hätten die Kläger nie gewarnt. Die Durchführung von Sicherungsmaßnahmen sei von den Klägern nie abgelehnt worden. Der Zweitbeklagte hafte als gewerberechtlicher Geschäftsführer; außerdem habe er die Kläger über das Vorliegen der gewerberechtlichen Befugnis getäuscht.

Die Beklagten entgegneten, dass das von den Klägern eingeholte baugeologische Gutachten Grundlage für den Auftrag gewesen sei. Dennoch hätten die Beklagten vor Beginn der Grabungsarbeiten die Kläger auf die Notwendigkeit der Errichtung einer Stützmauer hingewiesen. Diese Hinweise seien nach einem Baustopp am 16. 10. 2012 wiederholt worden. Die Kläger treffe wegen des falschen Gutachtens sowie wegen Unterlassung der Einsetzung eines Baustellenkoordinators das Alleinverschulden bzw jedenfalls ein Mitverschulden. Die mangelnde Gewerbeberechtigung sei für den Schaden nicht kausal gewesen. Das Feststellungsbegehren sei nicht berechtigt. Schließlich bestritten die Beklagten auch die Höhe des Klagebegehrens.

Das Erstgericht sprach mit Teil‑ und Zwischenurteil aus, dass die Klagsforderung dem Grunde nach mit zwei Drittel zu Recht, die eingewendete Gegenforderung hingegen nicht zu Recht bestehe, weshalb die beklagten Parteien den klagenden Parteien zur ungeteilten Hand im Ausmaß von zwei Drittel für alle (künftigen) Schäden aus der Hangrutschung vom 25. 10. 2012 auf ihrer Liegenschaft hafteten. Das Mehrbegehren auf Feststellung der Haftung der Beklagten zu einem weiteren Drittel wurde abgewiesen. Die Erstbeklagte habe in doppelter Hinsicht eine Prüf‑ und Hinweispflicht getroffen. Einerseits hätte sie als Deichgräberin erkennen können, dass die Bodenbeschaffenheit nicht der im baugeologischen Gutachten angeführten Beschaffenheit entspreche. Andererseits wäre erkennbar gewesen, dass die im Gutachten vorgesehenen Maßnahmen zur Hangsicherung nicht ausreichten. Dies begründe die Haftung der Erstbeklagten. Der Zweitbeklagte hafte, weil er über die mangelnde Gewerbeberechtigung nicht aufgeklärt habe. Die Kläger treffe jedoch ein Mitverschulden im Ausmaß von einem Drittel. Ihnen sei zwar nicht vorzuwerfen, dass sie auf das baugeologische Gutachten vertraut hätten. Allerdings hätten sie von den Bedenken des Bauunternehmers gewusst. Aus diesem Grund hätten sie zur Abklärung noch einmal mit dem Privatgutachter Kontakt aufnehmen müssen.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es aussprach, dass das Zahlungsbegehren gegenüber der Erstbeklagten dem Grunde nach (zur Gänze) zu Recht bestehe; zudem stellte es fest, dass die Erstbeklagte den Klägern für alle zukünftigen Schäden aus der Hangrutschung vom 25. 10. 2012 hafte. Das Zahlungs- und Feststellungsbegehren gegenüber dem Zweitbeklagten wies es hingegen ab. Die Erstbeklagte hätte erkennen können, dass der angetroffene Baugrund nicht mit dem im Gutachten beschriebenen Baugrund übereinstimme. Aus diesem Grund hätte die Erstbeklagte die Kläger warnen müssen. Wenn die Beklagten Sicherungsmaßnahmen verlangt hätten, so wären solche auch in Auftrag gegeben worden. Der Zweitbeklagte hafte allerdings nicht. In Bezug auf § 39 GewO fehle es am Rechtswidrigkeitszusammenhang, weil die Gewerbeordnung keine Bestimmung enthalte, die den Gewerbeinhaber verpflichte, Aufträge fachgerecht auszuführen. Die Haftung des Zweitbeklagten könne auch nicht aus der mangelnden Aufklärung über die Gewerbeberechtigung abgeleitet werden. Die Kläger hätten im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgebracht, dass sie in diesem Fall den Auftrag nicht an die Erstbeklagte erteilt hätten. Ein Mitverschulden könne den Klägern allerdings nicht angelastet werden. Die Beklagten hätten nicht vorgebracht, wie sich das Geschehen entwickelt hätte, wenn die Kläger nochmals mit dem Privatgutachter Kontakt aufgenommen hätten. Daraus könne ein Mitverschulden nicht abgeleitet werden. Den Klägern könne auch nicht angelastet werden, dass sie die Unrichtigkeit des von ihnen eingeholten Privatgutachtens nicht erkannt hätten. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen gewesen seien.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen der Kläger sowie der Erstbeklagten. Die Kläger beantragen, dem Klagebegehren auch gegenüber dem Zweitbeklagten stattzugeben. Die Erstbeklagte begehrt, das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen, in eventu auszusprechen, dass dieses dem Grunde nach nur im Ausmaß von einem Sechstel zu Recht bestehe.

Mit ihren – durch den Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsbeantwortungen beantragen der Zweitbeklagte einerseits bzw die Kläger und die Zweitnebenintervenientin andererseits, das Rechtsmittel jeweils der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision zulässig, weil sich die Beurteilung des Berufungsgerichts zur Haftung des Zweitbeklagten sowie zum Mitverschulden der Kläger als korrekturbedürftig erweist. Die Revisionen sind dementsprechend auch teilweise berechtigt.

I. Zur Revision der Kläger:

1. Die behauptete Nichtigkeit, die geltend gemachten Verfahrens‑ und sekundären Feststellungsmängel sowie die behauptete Aktenwidrigkeit liegen – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor. Die zugrunde liegenden Ausführungen der Kläger beziehen sich auf das Erfordernis eines Vorbringens zur Vorgangsweise der Kläger im Fall der Aufklärung durch den Zweitbeklagten über das Fehlen der erforderlichen Gewerbeberechtigung. Abgesehen von der unrichtigen Argumentation in der Revision kommt dieser Frage keine Bedeutung zu. Die in der Revision enthaltene Beweisrüge ist unzulässig, weil Feststellungen in dritter Instanz nicht bekämpft werden können.

2. Rechtlich stehen die Kläger auf dem Standpunkt, dass der Zweitbeklagte als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Erstbeklagten für die entstandenen Schäden persönlich hafte.

3.1 Es stellt sich damit die Frage, ob § 39 GewO iVm den (Straf-)Bestimmungen der § 366 Abs 1 Z 1 (iVm § 99 Abs 1 Z 3) und § 370 GewO ein Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB darstellt.

Der Deichgräber (Erdbeweger) darf keine Erdarbeiten ausführen, für die statische Kenntnisse erforderlich sind. Dazu zählen jedenfalls Aushubarbeiten mit mehr als 1,25 m Tiefe (siehe dazu § 48 Bauarbeiterschutz‑VO; vgl auch 9 ObA 104/08x). Im Anlassfall liegt demnach eine Überschreitung der Gewerbeberechtigung vor.

3.2 Gemäß § 39 Abs 1 GewO ist der gewerberechtliche Geschäftsführer der Behörde gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften und dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes verantwortlich. Inhaltlich betrifft auch diese zweite Anordnung die Pflicht, den fachlichen Bereich des Unternehmens so zu führen, dass die gewerberechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Zu den relevanten Vorschriften gehören all jene, die auf dem Kompetenztatbestand „Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie“ nach Art 10 Abs 1 Z 8 B‑VG beruhen, also jene der Gewerbeordnung oder von Durchführungsverordnungen sowie von gewerberechtlichen Nebengesetzen (vgl dazu auch Unterweger/Potakowskyj, Zur Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers nach der Gewerberechtsnovelle 1988, GesRZ 1991, 93). Zum Pflichtenkreis der Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften zählt auch die Verantwortung für die unbefugte Ausübung eines anderen Gewerbes, das im sachlichen Zusammenhang mit dem eigenen Gewerbe steht (siehe dazu Hanusch, Kommentar zur Gewerbeordnung § 39 Rz 23 und 26; Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO, § 39 Rz 6). Dementsprechend liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dann, wenn eine gewerberechtlich nicht gedeckte Tätigkeit im sachlichen Zusammenhang mit einer durch eine vorhandene Gewerbeberechtigung gedeckten Tätigkeit steht, eine unbefugte Gewerbetätigkeit vor, für die den gewerberechtlichen Geschäftsführer die (verwaltungs-rechtliche) Verantwortung trifft (VwGH Ra 2016/04/0055 mwN). In der verwaltungsstrafgerichtlichen Praxis sind vor allem Verstöße gegen das Betriebsanlagenrecht sowie unbefugte Gewerbeausübung relevant (Filzmoser, Die Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers, RdW 1992, 98).

3.3 In der gewerberechtlichen Literatur ist anerkannt, dass – aufgrund der Anordnungsbefugnis des gewerberechtlichen Geschäftsführers – aus § 39 GewO auch dessen zivilrechtliche Haftung für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften resultiert. Diese besteht nach dem ausdrücklichen Regelungsgehalt des § 39 GewO zunächst jedenfalls gegenüber dem Gewerbeinhaber (Hanusch, aaO, Rz 27). Der gewerberechtliche Geschäftsführer muss daher bei Ausübung der gewerblichen Tätigkeiten durch Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften sicherstellen, dass dem Gewerbeinhaber kein Schaden entsteht. Diese Verantwortlichkeit des gewerberechtlichen Geschäftsführers ist zivilrechtlich durchzusetzen (Grabler/Stolzlechner/Wendl, aaO, Rz 5; Filzmoser, aaO, 100).

3.4 Fraglich ist nun, ob diese zivilrechtliche Haftung auf geschädigte Dritte zu erstrecken ist. Dies ist zu bejahen.

Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB sind objektiv abstrakte Gefährdungsverbote, die dazu bestimmt sind, die Mitglieder eines Personenkreises gegen die Verletzung von Rechtsgütern zu schützen (RIS‑Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0027710&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False; http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&GZ=6Ob197/08a&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True ). Sie sind konkrete Verhaltensvorschriften, die einerseits durch die Gefahren, die vermieden werden sollen, und andererseits durch die Personen, die geschützt werden sollen, begrenzt sind (vgl Karollus, Funktion und Dogmatik der Haftung aus Schutzgesetzverletzung 346). Die Strafsanktionierung bildet dabei ein Indiz für die Qualifikation als Schutzgesetz. Die Normzweckprüfung ist teleologisch ausgerichtet und stellt primär darauf ab, welcher Zweck mit der in ihrem primären Normgehalt feststehenden Anordnung verfolgt wird (http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&GZ=1Ob97/07g&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True ). Maßgeblich ist, dass der Schutz des Einzelnen im beabsichtigten Aufgabenbereich der Norm gelegen ist. Ist die Norm in diesem Sinn auf den Schutz des Einzelnen ausgerichtet, so schadet es nicht, wenn primär der Schutz allgemeiner Interessen bezweckt wird. Nicht ausreichend ist aber, dass der Individualschutz durch die Befolgung der Norm nur objektiv gleichsam als Reflex erreicht wird (8 Ob 145/09w; 8 Ob 104/12w).

Aus § 39 Abs 1 GewO iVm § 366 Abs 1 Z 1 (iVm § 99 Abs 1 Z 3) und § 370 GewO folgt im gegebenen Zusammenhang, dass der gewerberechtliche Geschäftsführer sicherstellen muss, dass die Grenzen der Gewerbeberechtigung nicht überschritten werden. Unbefugte, von der Gewerbeberechtigung nicht gedeckte Tätigkeiten, die ein fremdes Gewerbe betreffen, müssen unterbleiben. Dabei handelt es sich um eine konkrete Verhaltensanordnung, deren Verletzung verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert ist.

Das Gebot der Einhaltung der Grenzen der Gewerbeberechtigung soll nach seinem klar erkennbaren Zweck sicherstellen, dass für die Ausübung des Gewerbes die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vorliegen und auf mangelnde Sachkunde zurückzuführende Gefahren daher vermieden werden. Das in Rede stehende Gebot dient damit der Gefahrenabwehr, weshalb § 39 Abs 1 GewO in Verbindung mit den Strafnormen auch als Gefährdungsverbot zu verstehen ist.

3.5 Der Verstoß gegen ein Schutzgesetz begründet eine Haftung für jene Schäden, die die Schutznorm verhindern sollte. Im Einzelfall ist daher zu prüfen, ob das Gesetz den Schutz Einzelner bezweckt, ob es gerade den entstandenen Schaden verhindern wollte und ob jene Interessen verletzt wurden, deren Schutz im Zweckbereich der Norm liegt (4 Ob 173/12p).

Das hier zu beurteilende Gebot zur Gefahrenabwehr ist nicht Selbstzweck, sondern soll gerade den von der Gewerbeausübung unmittelbar Betroffenen, in der Regel also den Kunden vor Schäden schützen. Die in Rede stehende Bestimmung dient damit dem Schutz des Einzelnen und ist als drittschützende Bestimmung anzusehen.

3.6 Damit sind alle Voraussetzungen für die Qualifikation von § 39 Abs 1 GewO in Verbindung mit den Strafnormen als Schutzgesetz zugunsten des Bestellers gegeben. Die Kläger können sich gegenüber dem Zweitbeklagten daher auf eine Schutzgesetzverletzung berufen.

3.7 Bei Verletzung eines Schutzgesetzes haftet der Beklagte für alle Nachteile, die bei Einhaltung des Schutzgesetzes nicht eingetreten wären. Der Geschädigte hat den Eintritt des Schadens, dessen Höhe und die Normverletzung zu beweisen. Es bedarf hingegen von seiner Seite keines strikten Nachweises des Kausalzusammenhangs, weil die Kausalität der in der Missachtung der Norm liegenden Pflichtwidrigkeit für die Schadensfolgen, deren Eintritt das Schutzgesetz gerade zu verhindern bestimmt ist, vermutet wird. Steht die Übertretung des Schutzgesetzes fest, so kann sich der Schädiger von seiner Haftung nur dadurch befreien, dass er mangelndes Verschulden seiner Leute nachweist oder die Kausalität der Pflichtwidrigkeit – durch Außerkraftsetzung des ihn belastenden Anscheinsbeweises – ernstlich zweifelhaft macht (siehe dazu RIS‑Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0022561&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False; http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&GZ=6Ob250/11z&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True; 8 Ob 104/12w).

Hätte der Zweitbeklagte seine aus § 39 Abs 1 GewO resultierende Verpflichtungen eingehalten, so hätte der Aushub der Baugrube durch die Erstbeklagte unterbleiben müssen. In der Folge wäre ein befugter Gewerbeberechtigter (Baumeister) beigezogen worden, sodass die hier zu beurteilenden Schäden vermieden worden wären. Die dem Zweitbeklagten vorwerfbare schädigende Handlung bestand nicht etwa in der Unterlassung einer Warnung, sondern im Zulassen der Weiterarbeit trotz ersichtlicher Überschreitung der eigenen Fähigkeiten und Befugnisse.

3.8 Die Haftung aus einer Schutzgesetzverletzung ist eine Verschuldenshaftung und keine Erfolgshaftung. Es obliegt allerdings dem Schädiger der Beweis, dass ihn an der Übertretung des Schutzgesetzes keine subjektive Sorgfaltswidrigkeit trifft, er das Schutzgesetz also unverschuldet übertreten hat (RIS‑Justiz RS0112234 [T5]).

Der Zweitbeklagte wusste nicht nur von den von der Erstbeklagten übernommenen Arbeiten, sondern führte vielmehr die Gespräche mit dem Zweitkläger und war somit in das Bauvorhaben unmittelbar involviert.

4.1 Das hier erzielte Ergebnis entspricht sowohl der bisherigen Judikatur als auch dem Meinungsstand im Schrifttum.

In dem der Entscheidung 4 Ob 236/02p zugrunde liegenden Fall wurde der gewerberechtliche Geschäftsführer eines Spenglerbetriebs vom Besteller aus dem Titel des Schadenersatzes für mangelhafte Dachdecker‑ und Spenglerarbeiten in Anspruch genommen. Die Klägerin stützte sich auf die Verletzung eines Schutzgesetzes, konkret des § 39 GewO. Die Entscheidung betraf somit (bloß) die mangelhafte Erfüllung des Werkvertrags; die dem Unternehmen erteilte Gewerbeberechtigung wurde nicht überschritten, deren Grenzen also eingehalten. Das Klagebegehren wurde abgewiesen. Der Oberste Gerichtshof führte in seiner (bestätigenden) Entscheidung aus:

„Im vorliegenden Fall geht es um die Auslegung des § 39 GewO. Nach Abs 1 dieser Bestimmung kann der Gewerbeinhaber einen gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellen, der ihm für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist; er muss einen gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellen, wenn er (ua) den Befähigungsnachweis nicht erbringen und keine Nachsicht von diesem Erfordernis erlangen kann. […] Das Gesetz normiert damit die Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers sowohl gegenüber dem Gewerbeinhaber als auch gegenüber der Behörde. Eine Haftung gegenüber den Auftraggebern des Gewerbeinhabers sieht das Gesetz nicht vor. Zu prüfen bleibt, ob ihr Schutz von der Haftung gegenüber dem Gewerbeinhaber und gegenüber der Behörde mitumfasst ist. Dazu muss untersucht werden, was unter 'fachlich einwandfreier Ausübung des Gewerbes' zu verstehen ist. Das Gesetz definiert den Begriff nicht näher. Ausgehend davon, dass die Gewerbeordnung nur Regelungen für den Kompetenzbereich des Art 10 Abs 1 Z 8 B‑VG (Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie) treffen kann und dieser Kompetenztatbestand Maßnahmen typisch gewerberechtlicher Art umfasst (Mayer, B‑VG², 33 mwN), versteht die herrschende Auffassung darunter jene Bereiche, die von den gewerberechtlichen Vorschriften erfasst werden (Rebhahn, Der gewerberechtliche Geschäftsführer 13; ders, Der gewerberechtliche Geschäftsführer, in Korinek, Gewerberecht Grundfragen der GewO 1994 in Einzelbeiträgen, 197 [222]; Gerscha/Steuer, Kommentar zur Gewerbeordnung § 39 Rz 26 mwN; s auch Filzmoser, Die Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers, RdW 1992, 98 [98]; Unterweger/Potakowskyj, Zur Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers nach der GewRNov 1988, GesRZ 1991, 93). Da sich auch die Haftung gegenüber der Behörde auf die gewerberechtlichen Vorschriften bezieht, kann die Norm nur den Schutz vor Schäden bezwecken, die aus der Verletzung gewerberechtlicher Vorschriften folgen (s 4 Ob 103/89 ÖBl 1990, 124 – Gemeinschaftswerbung mwN, wonach für den gewerberechtlichen Geschäftsführer nur eine Haftung für die nach der Gewerbeordnung zu bestrafenden Verstöße der Gesellschaft in Betracht kommt). Insoweit ist naturgemäß ein Schutz Dritter denkbar (Rebhahn, Der gewerberechtliche Geschäftsführer 103 ff). Der Anspruch der Klägerin scheitert demnach nicht daran, dass § 39 GewO kein Schutzgesetz wäre, sondern am fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Gewerbeordnung enthält nämlich keine Bestimmung, die den Gewerbeinhaber verpflichtete, Aufträge fachgerecht auszuführen. Aus ihr kann daher auch nicht eine Verpflichtung des gewerberechtlichen Geschäftsführers abgeleitet werden, die fachgerechte Ausführung von Aufträgen zu überwachen. Damit entfällt aber auch jede Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers für Schäden, die der Auftraggeber des Gewerbeinhabers dadurch erleidet, dass der Gewerbeinhaber den Auftrag nicht fachgerecht ausführt.“

Richtig ist, dass diese Entscheidung in erster Linie den Rechtswidrigkeitszusammenhang auf der Grundlage des § 39 GewO betrifft. Es kann aber nicht gesagt werden, diese Entscheidung lasse die Frage nach dem Schutzgesetzcharakter offen. Sie spricht den Schutzgesetzcharakter und die daraus resultierende Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers gegenüber den Auftraggebern vielmehr ausdrücklich an und bezieht die Haftung auf die Verletzung gewerberechtlicher Vorschriften. Der Entscheidung ist demnach der Grundsatz zu entnehmen, dass der gewerberechtliche Geschäftsführer den Auftraggebern gegenüber nicht für die Ausführung (Erfüllung) von Verträgen, aber sehr wohl für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften haftet.

In diesem Sinn wird auch in der Entscheidung 4 Ob 173/12p das Ergebnis zu 4 Ob 236/02p wie folgt zusammengefasst: „Haftet der gewerberechtliche Geschäftsführer seinem Vertragspartner [Gewerbeinhaber] nur für die Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften, so können auch gegenüber Dritten Schutzpflichten nur in diesem Bereich bestehen.“

4.2 In der Entscheidung 4 Ob 173/12p wurde– unter Bezugnahme auf 4 Ob 236/02p – ausgeführt:

„Gemäß § 39 Abs 1 GewO ist der vom Gewerbeinhaber bestellte gewerberechtliche Geschäftsführer dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde gegenüber für die Einhaltung der Vorschriften verantwortlich. Seine Aufgabe ist es demnach (nur), auf die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften zu achten. Sein Verantwortungsbereich ist dabei auf die gewerberechtlichen Vorschriften begrenzt, die die Ausübung des Gewerbes betreffen. Eine Haftung gegenüber Dritten kommt nur dann in Betracht, wenn eine drittschützende gewerberechtliche Vorschrift verletzt wird (Koppensteiner in Koppensteiner/Rüffler, GmbHG 3 § 15 Rz 4).“

Diese Entscheidung geht ebenfalls vom Schutzgesetzcharakter der in Rede stehenden Bestimmung aus.

4.4 In der Literatur hat sich mit der Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers gegenüber Dritten Rebhahn (Der gewerberechtliche Geschäftsführer: Verwaltungs- und privatrechtliche Fragen zu einem verantwortlichen Beauftragten 102 ff) näher auseinandergesetzt. Da die Gewerbeordnung dazu keine spezifischen Vorschriften enthält, legt er seiner Untersuchung die allgemeinen Normen des Schadenersatzrechts zugrunde. Dazu führt er aus:

„Eine Haftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten kann sich aus dessen öffentlichrechtlicher Stellung ergeben: Er ist für das Einhalten der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich. Hervorzuheben ist, dass die Anwendbarkeit dieser allgemeinen Norm durch § 39 Abs 1 GewO in keiner Weise eingeschränkt wird. § 39 Abs 1 begründet bzw betont nur die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers dem Gewerbetreibenden und der Behörde gegenüber, schließt eine Haftung gegenüber Dritten aber nicht aus. […] Die Eigenschaft als Schutzgesetz im schadenersatzrechtlichen Sinn kann insbesondere bei gewerberechtlichen Vorschriften zum Schutz der Gesundheit von Kunden oder sonstigen Dritten ohne weiteres bejaht werden. […] Unabhängig von einer Haftung des Unternehmers stellt sich dann die Frage nach der persönlichen Haftung des Geschäftsführers. Folgt aus der Verlagerung der verwaltungsrechtlichen Verantwortlichkeit für die Einhaltung der auch drittschützenden gewerberechtlichen Vorschriften auf den Geschäftsführer, dass der Geschäftsführer auch diesen Dritten gegenüber zu normgemäßem Handeln verpflichtet ist? Denn die öffentlichrechtliche Pflicht (auch die des Geschäftsführers), sich um die Einhaltung der gewerberechtlichen Normen zu kümmern, besteht gerade auch im Interesse der Dritten, etwa der Treppenbenützer. […] Der Geschäftsführer haftet daher mE Dritten für Schäden, die bei sorgfältigem Bemühen um die Einhaltung des Gewerberechts nicht eingetreten wären, wenn die verletzte Norm den Dritten im Verhältnis zum Unternehmer schützt (zB kundenschützende Normen des Betriebsanlagenrechts). […] Hingewiesen sei auch auf den Fall unbefugter Gewerbeausübung. Der Geschäftsführer ist der Behörde auch für das Unterlassen unbefugter Gewerbetätigkeit im Zusammenhang mit 'seinem' Gewerbe verantwortlich. Wird nun ein Dritter durch diese unbefugte Gewerbeausübung geschädigt, so haften Unternehmer und Geschäftsführer jedenfalls dann, wenn die Arbeiten nicht mit der für das fremde Gewerbe erforderlichen Sorgfalt (§ 1299 ABGB) ausgeführt wurden.“

Rebhahn bejaht damit die Haftung des schuldhaft handelnden gewerberechtlichen Geschäftsführers für Schäden, die einem Dritten aus der Nichteinhaltung drittschützender gewerberechtlicher Vorschriften entstehen. Dies gilt auch für die unbefugte Gewerbeausübung. Zur Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften gehört damit gerade die Einhaltung der Grenzen der Gewerbeberechtigung.

4.5 Mit der Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers gegenüber Dritten gemäß § 39 GewO beschäftigen sich auch Novotny/Jünger (in FS Wundsam, Wirtschaft, Steuer Recht: Interdisziplinäre Beratung überzeugt 553 ff). Sie führen zunächst aus, dass – nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs – die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die unbefugte Tätigkeit den gewerberechtlichen Geschäftsführer trifft, wenn eine gewerberechtlich nicht gedeckte Tätigkeit im sachlichen Zusammenhang mit einer durch eine vorhandene Gewerbeberechtigung gedeckte Tätigkeit steht. Die Autoren gehen also davon aus, dass die Einhaltung der Grenzen der Gewerbeberechtigung zur Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften zählt.

Zur Haftungsfrage führen sie unter Bezugnahme auf 4 Ob 236/02p aus:

„Wie der Oberste Gerichtshof ausführt, stellt sich § 39 GewO als Schutzgesetz dar, aus welchem eine Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers gegenüber den Auftraggebern des Gewerbeinhabers abzuleiten ist. […] Ein Schutz Dritter ist daher insoweit denkbar, als sich die gewerberechtlichen Vorschriften als Schutzgesetz darstellen. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, inwieweit eine gewerberechtliche Vorschrift Schutzgesetz sein kann, aus welchem sich Ansprüche gegenüber dem gewerberechtlichen Geschäftsführer für Dritte ableiten lassen. […] Erforderlich für die Haftung ist unter anderem der Rechtswidrigkeitszusammenhang. […] Dabei kann durchaus eine Untersuchung des Schutzzwecks von gewerberechtlichen Vorschriften zum Ergebnis führen, dass sich über den Schutzzweck der Norm keine Haftung aus einer gewerberechtlichen Vorschrift ergibt. Andererseits kann sich nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ein sehr breiter Haftungsbereich aus dem Schutzzweck der Norm gegenüber Dritten auch für den gewerberechtlichen Geschäftsführer ergeben.“

Die von Novotny/Jünger vertretene Ansicht entspricht jener von Rebhahn.

4.6 Kein Widerspruch zur Ansicht von Rebhahn ist auch die Aussage von Fritz (Die Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers, SWK 2008, W 97), wonach – weil ex lege eine Haftung nur gegenüber dem Gewerbeinhaber bestehe – eine Ersatzpflicht gegenüber Dritten nur dann vorstellbar sei, wenn durch Verstöße gegen gewerberechtliche Vorschriften bei einem Dritten ein Schaden eingetreten sei (deliktische Haftung) und den gewerberechtlichen Geschäftsführer ein Verschulden an der Pflichtverletzung treffe, eine zivilrechtliche Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers wegen fachlich nicht einwandfreier Gewerbeausübung gegenüber Dritten hingegen nicht bestehe. Dieser Autor verweist ebenfalls (nur) auf 4 Ob 236/02p und versteht die einwandfreie Gewerbeausübung somit nur im Sinn einer fachgerechten (mangelfreien) Ausführung von Aufträgen.

4.7 Schließlich bestätigt auch Koppensteiner (in Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 15 Rz 4), dass gewerberechtliche Geschäftsführer für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sind, der Gesellschaft gegenüber auch zivilrechtlich haften und eine Haftung gegenüber Dritten dann in Betracht kommt, wenn eine drittschützende gewerberechtliche Vorschrift verletzt wird. Dazu zitiert auch dieser Autor die Entscheidung 4 Ob 236/02p.

5.1  Köhler (in Ennöckl/Raschauer/Wessely, Kommentar zur Gewerbeordnung 1994 § 39 Rz 7) führt aus, dass sich eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Geschäftsführers Dritten gegenüber, etwa Kunden des Gewerbeinhabers für mangelhafte Leistungen, aus der Gewerbeordnung nicht ergebe und zivilrechtliche Ansprüche Dritter somit gegen den Gewerbeinhaber zu richten seien. Dazu zitiert Köhler lediglich die Entscheidung 4 Ob 236/02p.

Bei dieser Aussage handelt es sich um keine eigene Kommentierung des Autors, sondern um einen Hinweis auf die zitierte Entscheidung. Der erwähnte Beispielsfall (mangelhafte Leistungen) ist zwar korrekt, die darüber hinausgehende allgemeine Aussage entspricht aber nicht der zitierten Entscheidung. Diese Kommentarstelle ist damit kein Beleg für eine Gegenmeinung zu Rebhahn.

5.2 Gleiches gilt auch für die Kommentarstelle von Stöger (in Straube, Wiener Kommentar zum GmbH-Gesetz § 15 Rz 106), wonach der Oberste Gerichtshof eine zivilrechtliche Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers wegen fachlich nicht einwandfreier Gewerbeausübung gegenüber Dritten ebenso verneint habe, wie im Fall, wenn der Gewerbeinhaber von der Gewerbeberechtigung nicht mehr erfasste Tätigkeiten anbiete. Auch dabei handelt es sich nur um die Wiedergabe des (vermeintlichen) Ergebnisses der Entscheidungen 4 Ob 236/02p und 4 Ob 137/06k.

5.3  Filzmoser (Die Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers, RdW 1992, 98) bestätigt zunächst, dass in § 39 GewO auch eine zivilrechtliche Haftung des gewerberechtlichen Geschäftsführers begründet wird. Seine weitere Schlussfolgerung, wonach „direkte Ansprüche etwa von Kunden oder sonst wie Geschädigten grundsätzlich ausscheiden, weil die Haftung nur dem Gewerbetreibenden gegenüber normiert ist“, nimmt auf die Qualifikation als Schutzgesetz nicht Bedacht.

5.4 Die zuletzt erwähnte Entscheidung 4 Ob 137/06k betrifft eine lauterkeitsrechtliche Unterlassungsklage (auch) gegen den gewerberechtlichen Geschäftsführer (diesem gegenüber) auf der Grundlage der Unternehmerhaftung des § 18 UWG. Die Klage gegen den gewerberechtlichen Geschäftsführer wurde abgewiesen, weil der Geschäftsführer einer GmbH nicht Inhaber des Unternehmens ist und ihn die Unternehmerhaftung des § 18 UWG daher nicht treffen kann. Seine Haftung für Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft wäre nur dann zu bejahen, wenn er selbst Mittäter oder Beitragstäter wäre.

Diese Entscheidung enthält in Pkt 3 folgende Aussage: „Der vom Gewerbeinhaber bestellte gewerberechtliche Geschäftsführer ist gemäß § 39 Abs 1 GewO dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich. Seine Aufgabe ist es demnach (nur), auf die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften zu achten (RIS‑Justiz RS0049461). Sein Verantwortungsbereich ist dabei auf die gewerberechtlichen Vorschriften begrenzt, die die Ausübung des Gewerbes betreffen. Eine Überschreitung der Befugnisse des Gewerbeinhabers durch das Angebot und die Erbringung von Dienstleistungen, die eine weitere Gewerbeberechtigung voraussetzen, fällt nicht darunter. Sie hat mit der – durch den vom gewerberechtlichen Geschäftsführer zu erbringenden Befähigungsnachweis sichergestellten – fachlich einwandfreien Ausübung des Gewerbes nichts zu tun.“

Diese Entscheidung geht somit davon aus, dass die Überschreitung der Grenzen der Gewerbeberechtigung nicht die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften betreffe. Diese nicht näher begründete Aussage steht allerdings im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Bei der Einhaltung der Grenzen der Gewerbeberechtigung handelt es sich gerade um die „Grundnorm“ in Bezug auf die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften.

6. Insgesamt gelangt der Oberste Gerichtshof zum Ergebnis, dass im Anlassfall die Voraussetzungen für die Schadenshaftung des Zweitbeklagten aus einer Schutzgesetzverletzung gegeben sind. Der Zweitbeklagte ist für die Überschreitung der gewerberechtlichen Befugnis verantwortlich und haftet den Klägern dafür persönlich. Dies bewirkt eine solidarische Haftung gemeinsam mit der Erstbeklagten.

Die diesem Ergebnis entgegenstehenden Literaturmeinungen und gerichtlichen Entscheidungen werden abgelehnt.

II. Zur Revision der Erstbeklagten:

1. Die behaupteten Verfahrensmängel sowie die geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen– wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor. Das Erstgericht hat keine dislozierten Feststellungen getroffen. Vielmehr handelt es sich bei den von der Erstbeklagten zitierten Passagen um Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung.

2. In rechtlicher Hinsicht wendet sich die Erstbeklagte gegen die ihr angelastete Warnpflichtverletzung. Außerdem treffe die Kläger ein Mitverschulden, und zwar im Ausmaß von fünf Sechstel.

3.1 Nach § 1168a ABGB ist der Werkunternehmer für den Schaden verantwortlich, wenn das Werk infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffes oder offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers misslingt und er den Besteller nicht gewarnt hat. „Offenbar“ im zitierten Sinn ist alles, was vom Unternehmer bei der von ihm vorausgesetzten Sachkenntnis erkannt werden muss, wobei der Unternehmer für die Anwendung der in seinem Beruf üblichen Sorgfalt regelmäßig als Sachverständiger nach § 1299 ABGB anzusehen ist, sodass er die üblichen Branchenkenntnisse zu gewährleisten hat (5 Ob 16/13h mwN; siehe auch 8 Ob 75/13g; 8 Ob 97/15w).

Nach den Feststellungen war auch für einen geotechnisch ungebildeten Unternehmer (hier die Erstbeklagte) erkennbar, dass der angetroffene Baugrund mit dem im baugeologischen Gutachten beschriebenen Baugrund nicht übereinstimmt. Die Unrichtigkeit des Gutachtens in Bezug auf die Bodenbeschaffenheit bewirkte die Fehleinschätzung zu den erforderlichen Sicherungsmaßnahmen. Davon ausgehend traf die Erstbeklagte eine Warnpflicht.

3.2 Richtig ist, dass in Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs der Rechtssatz wiedergegeben wird, dass eine Warnpflicht entfalle, wenn der Werkbesteller die erforderlichen Kenntnisse (zB über die Bodenbeschaffenheit) bereits durch einen Dritten erlangt habe (RIS‑Justiz RS0110849; 3 Ob 126/11t). Auch in diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass die erforderliche Warnung jedenfalls erkennen lassen muss, dass das Werk allenfalls misslingen könnte. Daher ist zu prüfen, ob die von einem Dritten ausgesprochene Warnung als solche erkennbar und inhaltlich ausreichend war (vgl 1 Ob 137/04k).

Das Erstgericht hat festgestellt, dass die von der Bauunternehmerin – die mit ihren Arbeiten noch gar nicht begonnen hatte – gegenüber der Erstbeklagten ausgesprochene Warnung und das Schreiben der Bauunternehmerin an die Erstbeklagte den Klägern bekannt waren. Im erwähnten Schreiben bezog sich die Bauunternehmerin auf angebliche Auflagen der Baupolizei. Nach den Feststellungen bestand die Anordnung der Baupolizei letztlich aber nur darin, an den Rändern der Baugrube Absperrungsbänder anzubringen. Als sich der Zweitbeklagte nach dem Schreiben beim Zweitkläger informierte, wurde auch besprochen, dass die Baupolizei keine Sicherungsmaßnahmen angeordnet hat. Der mündliche Hinweis der Bauunternehmerin gegenüber der Erstbeklagten, dass die Baugrube abzusichern wäre, erfolgte bereits vor dem genannten Schreiben vom 16. 10. 2012. Dies gilt im Übrigen auch für die von der Erstbeklagten (unter Geltendmachung eines sekundären Feststellungsmangels) ins Treffen geführten Äußerungen „anderer Baufirmen“.

Bei dieser Sachlage ist noch nicht von einer inhaltlich ausreichenden Warnung der Kläger für einen Entfall der Warnpflicht der Erstbeklagten auszugehen, weil die Baupolizei ihre Meinung geändert hatte. Die Kläger konnten der Meinung sein, dass die Bedenken der Bauunternehmerin nach Prüfung durch die Baupolizei entkräftet wurden.

3.3 Die Warnpflicht der Erstbeklagten blieb daher ungeachtet der Äußerungen der Bauunternehmerin bestehen. Da die Kläger seitens der Beklagten zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen wurden, dass die Baugrube abzusichern sei, liegt eine schuldhafte Warnpflichtverletzung der Erstbeklagten vor.

3.4 Im Fall der Warnung durch die Erstbeklagte hätten die Kläger auch reagiert und Sicherungsmaßnahmen beauftragt. Die Feststellung des Erstgerichts, wonach die Kläger Sicherungsmaßnahmen beauftragt hätten, wenn die Erstbeklagte „darauf bestanden hätte“, ist zwar etwas unglücklich formuliert. Die Feststellungen sind allerdings im Gesamtzusammenhang zu sehen und nicht haarspalterisch auf ihren Wortkern zu reduzieren. In der Beweiswürdigung des Erstgerichts ist davon die Rede, dass die Kläger die Sicherungsmaßnahmen in Auftrag gegeben hätten, wenn die Erstbeklagte solche für notwendig erachtet hätte. Bei vernünftiger Betrachtungsweise sind diese Ausführungen des Erstgerichts dahin zu verstehen, dass die Kläger im Fall einer Warnung durch die Erstbeklagte auch entsprechend reagiert hätten.

4.1 Nach der Rechtsprechung besteht eine Warnpflicht grundsätzlich auch gegenüber dem sachkundigen oder sachverständig beratenen Besteller (RIS‑Justiz RS0021906; 2 Ob 223/14d). In einem solchen Fall kommt jedoch ein Mitverschulden des Bestellers in Betracht. Trotz teilweiser Kritik im Schrifttum wurde dem Besteller ein Fehlverhalten von Vorunternehmen, die Pläne, Gutachten und Beratung bereitgestellt haben, als Mitverschulden zugerechnet (RIS‑Justiz RS0028751; RS0021646). Dies ist von der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dahin eingeschränkt worden, dass sich ein Werkbesteller nicht jedes mitwirkende Verschulden eines von ihm beigezogenen sachverständigen Gehilfen anrechnen lassen muss. Ein Mitverschulden kommt aber dann in Betracht, wenn der Werkbesteller Pflichten oder Obliegenheiten verletzt, die aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung oder nach der Verkehrsübung den Werkbesteller selbst treffen oder die er nachträglich übernommen hat (RIS‑Justiz RS0021766; 4 Ob 137/11t; 5 Ob 16/13h mwN). In diesem Zusammenhang wird in der Judikatur von qualifizierten vertraglichen Mitwirkungspflichten gesprochen.

Treffen den Werkbesteller solche qualifizierten Mitwirkungspflichten, so muss er sich auch Fehler jener fachkundigen Vorunternehmer anrechnen lassen, die ihm untauglichen Stoff oder unrichtige Pläne oder Gutachten geliefert haben (§ 1313a ABGB). Die Beiziehung eines fachkundigen Gehilfen führt daher für sich allein noch nicht zum Entstehen weiterer Pflichten oder Obliegenheiten des Werkbestellers. Entscheidend ist vielmehr, ob ihn diese Pflichten oder Obliegenheiten persönlich, also unabhängig vom Beiziehen des Gehilfen getroffen haben. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Besteller die Herstellungsmethode bzw die Art der Ausführung vorgibt, ohne dem Werkunternehmer zu erkennen zu geben, an seiner fachlichen Ansicht oder Kritik an der Ausführungsart interessiert zu sein (vgl 5 Ob 16/13h).

4.2 Nach den Feststellungen wies der Zweitkläger den Zweitbeklagten schon beim ersten Gespräch darauf hin, dass er (der Zweitkläger) ein baugeologisches Gutachten einhole. Dieses Gutachten sollte dem Angebot für den Baugrubenaushub zugrunde gelegt werden.

In dieser Konstellation haben die Kläger nicht einfach nur ein Gutachten eingeholt und dieses dem Werkunternehmer zur Verfügung gestellt. Vielmehr wurde verabredet, dass der Werkunternehmer seine Leistungen an die Vorgaben im baugeologischen Gutachten anzupassen hat. Demnach ist die Übernahme einer qualifizierten Mitwirkungspflicht der Kläger zu bejahen, weshalb ihnen die Unrichtigkeit des baugeologischen Gutachtens zuzurechnen ist. Sie haben daher für die von ihrem Gehilfen verschuldete Fehlerhaftigkeit ihrer Anweisung als Mitverschulden einzustehen.

4.3 Es ergibt sich somit, dass der Erstbeklagten eine schuldhafte Warnpflichtverletzung anzulasten ist, an der die Kläger durch Zurechenbarkeit des unrichtigen baugeologischen Gutachtens ein Mitverschulden trifft. Bei Ausmessung des Mitverschuldens kommt diesem im Verhältnis zur Warnpflichtverletzung durch die Beklagte geringere Bedeutung zu, weil Letztere als Werkunternehmerin, die einen rechtlichen Erfolg schuldet, die Hauptlast am Misslingen des Werkes trägt. Die Abwägung führt zu einer Bemessung im Verhältnis von 2:1 zu Lasten der Beklagten.

5. Insgesamt hält die Entscheidung des Berufungsgerichts einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht Stand. Der Revision der Kläger war insoweit stattzugeben, dass auch der Zweitbeklagte für die entstandenen Schäden zu haften hat. Die Revision der Erstbeklagten war hinsichtlich des Mitverschuldens der Kläger erfolgreich, das allerdings nur ein Drittel beträgt.

In teilweiser Stattgebung beider Revisionen war die Entscheidung des Berufungsgerichts entsprechend abzuändern. Dies führt – in Form einerMaßgabenbestätigung – zur Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf §§ 50, 52 ZPO.

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