OGH 1Ob103/24i

OGH1Ob103/24i19.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekurs- und Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Pfurtscheller als weitere Richterinnen und Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*-Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Haymo Modelhart ua, Rechtsanwälte in Linz, und der auf Seite der klagenden Partei beigetretenen Nebenintervenientinnen 1. P* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch die Putz-Haas & Riehs-Hilbert Rechtsanwälte OG in Wien, 2. S* GmbH, *, vertreten durch Dr. Martin Schloßgangl, Rechtsanwalt in Steyr, und 3. Gemeinde *, vertreten durch die Hoffmann & Sykora Rechtsanwälte KG in Tulln an der Donau, gegen die beklagte Partei W*,Rauchfangkehrermeister, *, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 253.447,04 EUR sA, über die (richtig) außerordentlichen Revisionsrekurse und die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei sowie der ersten Nebenintervenientin gegen den Beschluss und das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Rekurs- und Berufungsgericht vom 15. Mai 2024, GZ 11 R 70/24f-69, mit denen der Beschluss und das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 28. März 2024, GZ 3 Cg 31/23m-54, teilweise abgeändert wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00103.24I.1119.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

I. Beide Revisionsrekurse werden gemäß § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

II. Beiden Revisionen wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben, und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist Feuerversicherer eines in Niederösterreich gelegenen Einfamilienhauses, in dem im April 2021 ein Brand ausbrach. Der Beklagte ist Rauchfangkehrer. Er betreute das Haus seit vielen Jahren und hatte am 5. 4. 2007 für einen von den Hauseigentümern (Versicherungsnehmer der Klägerin; nachfolgend kurz „Versicherte“) neu errichteten Pellets-Heizkessel einen Befund ausgestellt, in dem er ua die Eignung des Rauchfangs für diesen Kessel bestätigte. Am 17. 2. 2021 wurde dieser (erste) Pellets-Heizkessel durch einen anderen (zweiten) solchen Heizkessel ersetzt. Der Austausch erfolgte durch die Erstnebenintervenientin, welche die Zweitnebenintervenientin als Subunternehmerin beizog. Die Drittnebenintervenientin ist die Gemeinde, in der sich das Haus der Versicherten befindet.

[2] Die Klägerin begehrt den Ersatz der von ihr erbrachten Versicherungsleistung von 241.849,04 EUR sowie von Kosten für ein im Zuge der Schadensabwicklung eingeholtes Sachverständigengutachten von 11.598 EUR.

[3] Sie stützt sich darauf, dass der Brand durch den 2021 neu angeschlossenen zweiten Pellets-Heizkessel verursacht worden sei, weil die Luftzufuhr zum Kessel – der über keine ausreichenden Belüftungsöffnungen verfügt habe – über den bestehenden Rauchfang unzureichend gewesen sei. Dadurch sei es zu einer unvollständigen Verbrennung, einem Rückstau von Verbrennungsgasen und letztlich zum Brand gekommen.

[4] Bereits der erste (2007 angeschlossene) Heizkessel hätte aus diesem Grund – also wegen unzureichender Luftzufuhr – nicht an den Rauchfang angeschlossen werden dürfen. Dieser sei für einen Pellets‑Heizkessel generell ungeeignet gewesen.

[5] Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, bereits für den ersten Pellets-Heizkessel einen unrichtigen Eignungsbefund erstellt und pflichtwidrig nicht darauf hingewiesen zu haben, dass dieser – schon seiner Art nach – nicht an den bestehenden Rauchfang angeschlossen werden hätte dürfen. Außerdem habe er zu Unrecht noch am 25. 6. 2021 – sohin nach dem Brand – die Eignung des Rauchfangs für den baugleichen (und tatsächlich brandursächlichen) zweiten Heizkessel bestätigt.

[6] Die Versicherten hätten beide Heizkessel im Vertrauen auf die Richtigkeit des ersten Eignungsbefundes angeschlossen und in Betrieb genommen. Da beide Kessel die gleiche Bauart aufgewiesen hätten, hätten sie auch bei Anschluss und Inbetriebnahme des zweiten Kessels – durch den es zum Brand gekommen sei – davon ausgehen dürfen, dass dieser gefahrlos an den bestehenden (bereits für den ersten Kessel verwendeten) Rauchfang angeschlossen werden könne. Tatsächlich hätte mit diesem aber gar kein mit Pellets befeuerter Heizkessel betrieben werden dürfen. Da für den Anschluss des zweiten (baugleichen) Heizkessels – also für den Kesseltausch – keine gesetzliche Pflicht zur Einholung eines weiteren Eignungsbefundes bestanden habe, hätten die Versicherten berechtigt darauf vertraut, dass auch dieser aufgrund des ursprünglichen Befundes aus 2007 gefahrlos angeschlossen und betrieben werden könne. Da dieser Befund unrichtig gewesen sei, hafte der Beklagte für den dadurch verursachten Schaden.

[7] Er habe einerseits (auch nachvertragliche) Pflichten jenes Werkvertrags verletzt, mit dem er mit der ersten Befunderstellung beauftragt worden sei. Andererseits habe er die Versicherten anlässlich seiner laufenden periodischen Kehrungen pflichtwidrig nicht darauf hingewiesen, dass an den bestehenden Rauchfang kein Pellets‑Heizkessel angeschlossen werden dürfe.

[8] Die Erst- und Zweitnebenintervenientinnen schlossen sich dem Klagevorbringen an und wiesen darauf hin, dass der von ihnen montierte (zweite) Heizkessel mängelfrei gewesen und fehlerfrei installiert worden sei.

[9] Die dritte Nebenintervenientin trat dem Verfahren erst im Berufungsverfahren bei.

[10] Der Beklagte wandte insoweit die Unzulässigkeit des Rechtswegs nach § 9 Abs 5 AHG ein, als seine Haftung aus der Verletzung von Aufklärungspflichten im Rahmen der periodischen Überprüfung und Reinigung des Kehrgegenstands abgeleitet werde. Er sei bei dieser Tätigkeit in Erfüllung feuerpolizeilicher Aufgaben und somit hoheitlich als Organ tätig geworden. Für damit im Zusammenhang stehende Schädigungen hafte er nicht persönlich, vielmehr habe sich die Klägerin im Wege der Amtshaftung an den zuständigen Rechtsträger (also die als Drittnebenintervenientin beigetretene Gemeinde) zu halten.

[11] In der Sache selbst brachte der Beklagte ua vor, dass die von ihm erstellten Eignungsbefunde richtig gewesen seien. Insbesondere habe er auf das Erfordernis einer ausreichenden Belüftung hingewiesen. Für einen Ersatzanspruch fehle es auch am Kausal- und Rechtswidrigkeitszusammenhang. Der erste Befund (aus 2007) habe nur den ersten Heizkessel betroffen, der aber nicht zum Brand geführt habe. Die Versicherten hätten nicht davon ausgehen dürfen, dass diesem Befund auch für den 2021 erfolgten Kesseltausch Bedeutung zukäme und dafür kein neuer Befund einzuholen sei. Der Befund aus 2021 für den zweiten Heizkessel sei erst nach dem Brand erstellt worden und könne für diesen daher nicht ursächlich gewesen sein.

[12] Das Erstgericht wies das Klagebegehren im Umfang von 11.598 EUR wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück, weil damit ein Ersatz vorprozessualer Kosten angestrebt werde, der aber nicht selbständig geltend gemacht werden könne.

[13] Das verbleibende Zahlungsbegehren in Höhe von 241.849,04 EUR wies es insoweit wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs gemäß § 9 Abs 5 AHG zurück, als es „auf eine rechtswidrige und schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten im Zuge seiner (periodischen) Kehrtätigkeit gestützt worden sei“. Die darüber hinausgehende Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs wies es ab.

[14] Im Übrigen – soweit das Zahlungsbegehren von 241.849,04 EUR sA aus einer unrichtigen Befunderstellung durch den Beklagten abgeleitet werde – wies das Erstgericht die Klage mit folgender Begründung als unschlüssig ab:

[15] Der Eignungsbefund für den zweiten Heizkessel sei vom Beklagten erst nach dem Brand erstellt worden und könne für diesen daher nicht ursächlich gewesen sein. Der erste Heizkessel, für den bereits 2007 ein Befund erstellt worden sei, habe den Brand nicht verursacht. Darauf, dass sich der letztgenannte (erste) Befund auch auf den neu angeschlossenen zweiten Kessel bezogen habe, hätten die Versicherten nicht vertrauen dürfen. Für den zweiten Heizkessel (also den Kesseltausch) sei nach den maßgeblichen Bauvorschriften selbst dann ein eigener Befund erforderlich gewesen, wenn der verwendete Brennstoff, die Bauart und die Art der Abgasführung gleich geblieben wäre. Der Schaden, den die Klägerin daraus ableite, dass die Versicherten aufgrund des 2007 für den ersten Heizkessel erstellten Befundes darauf vertraut hätten, dass auch ein baugleicher neuer Heizkessel an den bestehenden Rauchfang angeschlossen werden dürfe, stehe daher in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Pflicht zur richtigen Erstellung dieses (ersten) Befundes.

[16] Das von der Klägerin sowie den Erst- und Zweitnebenintervenientinnen angerufene Berufungsgericht hob (als Rekursgericht) den Beschluss über die Zurückweisung des Zahlungsbegehrens von 11.598 EUR auf, weil die damit geltend gemachten Kosten des Gutachtens zum Brandschaden nicht primär der Vorbereitung der Prozessführung gedient hätten und deren Ersatz daher neben dem Hauptanspruch begehrt werden könne.

[17] Im Übrigen bestätigte es die Zurückweisung des Klagebegehrens wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs nach § 9 Abs 5 AHG, soweit dieses auf eine Pflichtverletzung des Beklagten im Zusammenhang mit seiner laufenden hoheitlichen Überprüfungs- und Kehrtätigkeit gestützt worden sei. Auch für das Begehren auf Zahlung von 11.598 EUR sei der Rechtsweg aus diesem Grund, soweit auch dieser Teilforderung eine solche Anspruchsgrundlage zugrunde liege, unzulässig.

[18] Soweit die Haftung des Beklagten nicht aus seiner hoheitlichen (Überprüfungs- und Kehr-)Tätigkeit, sondern aus dem behaupteten unrichtigen (ersten) Eignungsbefund abgeleitet werde, bestätigte es das klageabweisende Ersturteil und wies auch das vom Erstgericht zurückgewiesene Teilbegehren von 11.598 EUR ab.

[19] Es ging – ebenso wie das Erstgericht – davon aus, dass die Versicherten nicht darauf vertrauen durften, dass dem 2007 für den ersten Heizkessel erstellten Befund auch für den 2021 angeschlossenen neuen Kessel „irgendeine Relevanz“ zukäme. Da der Kesseltausch der Baubehörde nach den maßgeblichen Vorschriften der NÖ BauO zu melden und dabei ein aktueller Eignungsbefund zum neuen Kessel vorzulegen gewesen wäre, habe den Versicherten bewusst sein müssen, dass der für den alten Kessel erstellte Befund nicht mehr „maßgeblich“ sei. Der durch den neuen Kessel verursachte Schaden stehe daher in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem behaupteten unrichtigen Befund aus dem Jahr 2007. Das Klagebegehren sei somit – soweit für dieses nach § 9 Abs 5 AHG der Rechtsweg zulässig sei – schon nach dem zu seiner Begründung erstatteten Vorbringen abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

[20] Der ordentliche Revisionsrekurs und die ordentliche Revision seien mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 und § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

I. Zu Punkt I:

[21] Die (richtig) außerordentlichen Revisionsrekurse der Klägerin und der ersten Nebenintervenientin sind mangels erheblicher Rechtsfrage gemäß § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Aufgrund ihres engen inhaltlichen Zusammenhangs werden beide Rechtsmittel gemeinsam behandelt:

[22] 1. Ist eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, sind alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als hoheitlich erfolgt anzusehen, wenn sie mit dieser Aufgabe in einem hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang stehen (RS0049948).

[23] 2. Landesrechtliche Feuerpolizeivorschriften übertragen behördlich konzessionierten Rauchfangkehrern sicherheitsrelevante Aufgaben, die sonst von Gemeindeorganen zu erfüllen wären. Der Rauchfangkehrer dient dabei öffentlichen Interessen. Typische Aufgaben im Rahmen der hoheitlichen Feuerpolizei sind neben der Feuerbeschau, der Verhängung von Heizverboten und der Verständigung der Behörde von einer unmittelbaren Feuergefahr vor allem auch regelmäßig wiederkehrende (periodisch vorzunehmende) Überprüfungen und Kehrung nach den landesgesetzlichen Feuerpolizeivorschriften (in jüngerer Zeit etwa 1 Ob 124/23a; 1 Ob 62/24k, je mwN).

[24] 3. Die Zulässigkeit des Rechtswegs ist – auch für § 9 Abs 5 AHG – anhand der Behauptungen der klagenden Partei zu beurteilen (1 Ob 124/23a mwN). Im vorliegenden Fall leitete die Klägerin die Haftung des Beklagten auch daraus ab, dass er es unterlassen habe, anlässlich seiner periodischen Kehrungen im Haus der Versicherten darauf hinzuweisen, dass der bestehende Rauchfang für den daran angeschlossenen Pellets-Heizkessel (bzw generell für jeden solchen Heizkessel) ungeeignet sei. Insoweit behauptete sie zweifellos eine Schädigung im Zusammenhang mit der hoheitlichen (Überprüfungs- und Kehr-)Tätigkeit des Rauchfangkehrers. Dass die Vorinstanzen das Klagebegehren insoweit nach § 9 Abs 5 AHG zurückwiesen, als es auf eine solche Anspruchsgrundlage (also auf die Verletzung von Pflichten im Rahmen der hoheitlichen Kehrtätigkeit) gestützt wurde, begegnet daher keinen Bedenken.

[25] 4. Die (richtig) außerordentlichen Revisionsrekurse der Klägerin und der Erstnebenintervenientin sind daher zurückzuweisen.

II. Zu Punkt II:

[26] Die außerordentlichen Revisionen der Klägerin und der Erstnebenintervenientin sind zulässig, weil die Vorinstanzen den Rechtswidrigkeitszusammenhang mit unzutreffender Begründung verneint haben. Sie sind mit ihren hilfsweisen Aufhebungsanträgen auch berechtigt:

[27] 1. Vorauszuschicken ist, dass die Vorinstanzen die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs nach § 9 Abs 5 AHG insoweit, als das Klagebegehren auf eine unrichtige Befunderstellung durch den Beklagten (für den ersten Heizkessel) gestützt wurde, rechtskräftig verworfen haben (vgl 4 Ob 59/24s). Dessen ungeachtet kommt es aber auch für die materiell-rechtliche Beurteilung nach § 1 Abs 1 letzter Halbsatz AHG darauf an, ob der Beklagte – nach dem für die Schlüssigkeitsprüfung maßgeblichen Klagevorbringen – insoweit aus einer hoheitlichen Tätigkeit in Anspruch genommen wird (1 Ob 62/24k). Dies ist aber zu verneinen, weil die vertragliche Verpflichtung zur Erstellung eines Eignungsbefundes für den Anschluss des (ersten) Heizkessels (hier nach der NÖ BauO 1996; siehe dazu im Detail weiter unten) – im Unterschied zur periodischen Kehrung und Überprüfung der Feuerstelle nach dem NÖ FeuerwehrG – keine feuerpolizeiliche und daher hoheitliche Aufgabe darstellte (vgl 1 Ob 108/04w zum „Baubefund“ eines Rauchfangkehrers nach der NÖ BauO 1974).

[28] 2. Beide Revisionswerber argumentieren, dass der 2007 zum ersten Heizkessel erstellte Eignungsbefund, in dem zu Unrecht bestätigt worden sei, dass der bestehende (Rauch-)Fang für diesen geeignet sei, auch die Grundlage für den Anschluss und die Inbetriebnahme des baugleichen neuen Heizkessels im Jahr 2021 gewesen sei. Die Versicherten hätten bei diesem Kesseltausch darauf vertrauen dürfen, dass der neue Heizkessel – wie der Beklagte im ersten Eignungsbefund ganz allgemein für Heizkessel der betroffenen Bauart bestätigt habe – gefahrlos angeschlossen werden könne. Der im Vertrauen auf den unrichtigen ersten Befund entstandene Schaden (durch den neuen Heizkessel) liege im Schutzbereich der verletzten Vertragspflicht, die eine richtige Befunderstellung geboten hätte. Darauf, ob für den zweiten Heizkessel nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften ein neuer Befund erforderlich gewesen wäre, komme es für die Beurteilung der Pflichten des Beklagten bei Erstellung des ersten Eignungsbefundes nicht an.

[29] 3. Das Rechtsmittelgericht hat, wenn es – wie hier – mit gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge angerufen wird, die materiell‑rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen hin zu prüfen (RS0043352). Dieser Prüfung halten die Entscheidungen der Vorinstanzen, welche das Klagebegehren – soweit für dieses der Rechtsweg offen steht – als unschlüssig abwiesen, nicht stand.

[30] 4. Wer eine Vertragspflicht verletzt, haftet seinem Vertragspartner für daraus entstehende Schäden, soweit die geschädigten Interessen in der Richtung der übernommenen Pflichten liegen. Es müssen gerade jene Interessen verletzt worden sein, deren Schutz die übernommene Vertragspflicht (zumindest mit-)bezweckte (RS0023150). Der eingetretene Schaden muss also vom Schutzzweck der verletzten Vertragspflicht umfasst sein. Die konkret geschützten Interessen sind aus Sinn und Zweck des Vertrags im Wege der Auslegung zu ermitteln (RS0023150 [T1]; RS0022933 [T3]). Dabei ist auch zu beachten, mit welchen Schäden aufgrund der Verletzung bestimmter Vertragspflichten zu rechnen ist (RS0017850 [T11, T13]). Insoweit kommt es auch auf die objektive Erkennbarkeit des Risikos für den Schuldner an (RS0017850 [T12, T22]).

[31] 5. Dass die vertragliche Pflicht zur Erstellung eines (richtigen) Befundes zur Frage, ob ein Rauchfang für den Anschluss einer Feuerstätte geeignet ist, gerade vor jenen Gefahren schützen soll, die sich aus einer mangelnden solchen Eignung ergeben, zieht auch der Beklagte nicht in Zweifel. Im vorliegenden Fall stellt sich aber die Frage, ob der Beklagte mit seinem ersten Eignungsbefund (aus 2007) – nach dem Willen der Vertragsparteien – nur den konkret angeschlossenen Heizkessel beurteilen sollte, oder ob sich sein (Prüf-)Auftrag auch darauf bezog, generell die Kompatibilität von Pellets-Heizkesseln in der Art des von ihm begutachteten Kessels mit dem vorhandenen Rauchfang zu prüfen. Für die Prüfung des ersten (nicht schadenskausalen) Heizkessels kommt dieser Unterscheidung zwar keine Bedeutung zu, weil ein positiver Eignungsbefund für diesen Kessel unabhängig davon nicht erstellt werden hätte dürfen, ob er „seiner Art nach“ oder aufgrund individueller Eigenschaften für den bestehenden Rauchfang (oder umgekehrt dieser für den Heizkessel) ungeeignet gewesen wäre. Für die – hier zu beurteilende – Frage, ob die Versicherten aufgrund des zum ersten Heizkessel erstellten Befundes darauf vertrauen durften, dass dieser gefahrlos gegen einen anderen, baugleichen Kessel ausgetauscht werden könne, kommt es aber maßgeblich darauf an, ob sich der erste Befund nach dem Willen der Vertragsparteien nur auf den konkret angeschlossenen (individuellen) Heizkessel oder darüber hinaus auch auf dessen (Bau-)Art bezog.

[32] 6. Welchen Inhalt – und damit Schutzzweck – ein Vertrag (hier zur Erstellung des Befundes für den ersten Heizkessel im Jahr 2007) hat, hängt von der konkreten Vereinbarung ab. Da die Klage von den Vorinstanzen mangels Schlüssigkeit abgewiesen wurde, ist dazu auf die Klagebehauptungen abzustellen.

[33] 6.1. Bei Auslegung einer Willenserklärung nach den §§ 914 ff ABGB ist der Wille der Parteien, also die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen. Dabei ist zunächst vom allgemeinen Wortsinn der Erklärungen auszugehen, Es kommt darauf an, wie eine Erklärung bei objektiver Beurteilung für einen redlichen und verständigen Vertragspartner zu verstehen war (RS0113932). Bei der Vertragsauslegung kommt auch dem nach der Übung des redlichen Verkehrs anzunehmenden Geschäftszweck und der jeweiligen Interessenlage der Parteien Bedeutung zu (RS0017902; RS0017915 [T32]). Treten nach Abschluss einer Vereinbarung Problemfälle auf, die von den Parteien nicht bedacht und daher nicht geregelt wurden, ist im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung unter Berücksichtigung des von den Parteien verfolgten Zwecks zu prüfen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien getroffen hätten (RS0113932).

[34] 6.2. Im vorliegenden Fall enthielt der Vertrag über die Erstellung des ersten Eignungsbefundes nach den Klagebehauptungen keine Regelung zur Frage, ob sich dieser Befund nur auf den individuellen Heizkessel oder generell auf Heizkessel solcher (Bau-)Art beziehen sollte. Die Klägerin behauptete auch nicht, dass darüber gesprochen worden sei. Ihr Vorbringen, es wäre Sache des Beklagten gewesen, darauf hinzuweisen, dass der bestehende Rauchfang für Heizkessel mit Festbrennstoffen (hier: Pellets) generell ungeeignet sei, lässt keinen Schluss auf den konkreten Vereinbarungsinhalt zu.

[35] 6.3. Die von den Vertragsparteien somit (nach dem Klagevorbringen) nicht bedachte Frage, ob sich der erste Befund ganz allgemein auch auf die Bauart des angeschlossenen Heizkessels beziehen sollte, und ob die Pflicht des Beklagten zur Erstellung eines richtigen Befundes daher auch vor Gefahren schützen sollte, die sich aus einem Austausch des konkret begutachteten Kessels gegen einen baugleichen anderen Kessel ergäben, ist daher im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung nach dem Verständnis redlicher und verständlicher Parteien unter Berücksichtigung des von den Parteien verfolgten Zwecks zu beantworten.

[36] 6.4. Zum Zweck des Vertrags (über die Erstellung des ersten Eignungsbefundes) behauptete die Klägerin in erster Instanz, dass dieser Befund deshalb eingeholt worden sei, um den (ersten) Pellets-Heizkessel in Betrieb nehmen zu können (dürfen). Damit stellte sie erkennbar auf eine gesetzliche Pflicht zu dessen Einholung als Grundlage der vertraglichen Vereinbarung mit dem Beklagten ab. Dass es für die Bestimmung des bei der Vertragsauslegung maßgeblichen Geschäftszwecks auch auf die rechtlichen Rahmenbedingungen der zu beurteilenden Vereinbarung ankommen kann, ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl etwa 1 Ob 600/93, wonach öffentlich‑rechtlichen Pflichten Bedeutung für die Abgrenzung der vom Vertragspartner erwartbaren Vertragspflichten zukommt). Für die Auslegung des vorliegenden Vertrags über die Erstellung des nach dem Klagevorbringen gesetzlich vorgesehenen ersten Eignungsbefundes – und somit auch für den Schutzzweck der damit vom Beklagten übernommenen Vertragspflichten – sind daher (worauf auch der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung abstellt) die gesetzlichen Anforderungen an einen solchen Befund und dessen gesetzlich vorgesehene Wirkungen zu beachten.

[37] 7. Das Berufungsgericht berücksichtigte demnach zu Recht die Vorgaben der NÖ BauO für die Überprüfung des Anschlusses von Heizkesseln. Es ging dabei aber von einer unrichtigen Rechtslage aus:

[38] 7.1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ergab sich aus § 16 Abs 1 Z 3a der NÖ BauO 2014 die Pflicht, der Baubehörde innerhalb von vier Wochen den Austausch eines Heizkessels mit einer – wie hier (nach den Klagebehauptungen) – Nennwärmeleistung von nicht mehr als 400 kW schriftlich zu melden, (auch) wenn der eingesetzte Brennstoff und die Bauart gleich bleiben, die Nennwärmeleistung gleich oder geringer ist und die Art der Abgasführung beibehalten wird. Dieser Meldung sei gemäß § 16 Abs 2a leg cit eine Bescheinigung über die fachgerechte Aufstellung sowie ein Befund einer befugten Fachperson über die Eignung der Abgasführung für den neu angeschlossenen Heizkessel beizulegen gewesen. Daraus, dass der Gesetzgeber auch für den Austausch eines Heizkessels durch ein gleichartiges neues Gerät einen Eignungsbefund fordere, hätten die Versicherten schließen müssen, dass dem vom Beklagten im Jahr 2007 erstellten Eignungsbefund für den 2021 montierten neuen Kessel keine „Relevanz“ zukomme.

[39] 7.2. Die vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Rechtslage war zum Zeitpunkt des am 17. 2. 2021 erfolgten Kesseltauschs aber noch nicht anwendbar.

[40] § 16 Abs 1 Z 3a und Abs 2a NÖ BauO 2014 in der vom Berufungsgericht herangezogenen Fassung lauteten:

„(1) Folgende Vorhaben sind der Baubehörde innerhalb von 4 Wochen nach Fertigstellung des Vorhabens schriftlich zu melden: […]

3.a. der Austausch von Heizkesseln mit einer Nennwärmeleistung von nicht mehr als 400 kW, wenn der eingesetzte Brennstoff und die Bauart gleich bleiben, die Nennwärmeleistung gleich oder geringer ist und die Art der Abgasführung beibehalten wird. […]

(2a) Der Meldung für ein Vorhaben nach Abs. 1 Z […] 3a (Heizkessel) ist eine Bescheinigung über die fachgerechte Aufstellung […] sowie ein Befund über die Eignung der Abgasführung für den angeschlossenen Heizkessel beizulegen. Diese Bescheinigungen und Befunde sind von befugten Fachleuten (§ 25 Abs. 1) auszustellen.“

[41] Diese Bestimmung wurde durch das LG NÖ LGBl 32/2021 eingefügt. Gemäß § 70 Abs 14 NÖ BauO 2014 trat diese Novelle erst mit 1. 7. 2021 – also mehrere Monate nach dem Einbau des neuen Kessels – in Kraft.

[42] 7.3. Damit ist der Begründung der zweiten Instanz, wonach die Versicherten aufgrund der NÖ BauO 2014 nicht davon ausgehen durften, dass dem für den ersten Heizkessel erstellten Eignungsbefund auch für den Kesseltausch „Relevanz zukomme“, schon aus diesem Grund der Boden entzogen.

[43] 8. Der geltend gemachte Schaden wäre jedenfalls dann nicht vom Schutzzweck des Vertrags erfasst, wenn schon im Zeitpunkt von dessen Abschluss im Fall eines Kesseltausches ein neuer Befund erforderlich gewesen wäre. Das trifft aber nicht zu:

[44] 8.1. § 15 Abs 1 Z 3 NÖ BauO 1996 in der 2007 geltenden Fassung lautete:

„§ 15 Anzeigepflichtige Vorhaben

(1) Folgende Vorhaben sind mindestens 8 Wochen vor dem Beginn ihrer Ausführung der Baubehörde schriftlich anzuzeigen: […]

3. die Aufstellung von Wärmeerzeugern (Kleinfeuerungsanlagen nach § 59 Abs 1) von Zentralheizungsanlagen;“

[45] § 30 Abs 4 erster Fall NÖ BauO 1996 in dieser Fasssung lautete:

„§ 30 Fertigstellung […]

(4) Wird ein anzeigepflichtiges Vorhaben nach § 15 Abs. 1 Z. 3 (Wärmeerzeuger) […] fertiggestellt, sind der Baubehörde vorzulegen:

- bei einer Anlage nach § 15 Abs. 1 Z. 3 eine Bescheinigung des Heizungsinstallateurs über die vorschriftsmäßige Aufstellung des Wäremeerzeugers und ein Befund eines Rauchfangkehrers über den vorschriftsmäßigen Anschluss dieser Anlage an den Schornstein“

[46] 8.2. Nach dieser bei Abschluss des Vertrags über die Erstellung des ersten Eignungsbefundes geltenden Rechtslage war für das Aufstellen eines Heizkessels (Kleinfeuerungsanlage einer Zentralheizungsanlage) also eine Anzeige an die Baubehörde erforderlich, der insbesondere ein Befund eines Rauchfangkehrers über den vorschriftsmäßigen Anschluss an den Schornstein vorzulegen war, was zweifellos auch eine – im vorliegenden Fall erfolgte – Beurteilung der Eignung des Schornsteins für die angeschlossene Feuerungsanlage erforderte.

[47] 8.3. Dass eine Anzeigepflicht samt Pflicht zur Vorlage des genannten Befundes – wie dies nunmehr § 16 Abs 1 Z 3a iVm Abs 2a NÖ BauO 2014 in der Fassung NÖ LGBl 32/2021 vorsieht – auch für den Austausch von Kleinfeuerungsanlagen bestanden hätte, kann der NÖ BauO 1996 hingegen nicht entnommen werden.

[48] Das Fehlen einer solchen Pflicht ergibt sich insbesondere aus § 17 Abs 2 NÖ BauO 1996 in der 2007 geltenden Fassung, wonach (Bau-)Vorhaben, die – wie eben der Austausch eines Wärmeerzeugers einer Kleinfeuerungsanlage – nicht unter die §§ 14 bis 16 leg cit fallen, bewilligungs- und anzeigefrei waren; außerdem (e contrario) vor allem auch daraus, dass der „Austausch von Maschinen und Geräten“ in § 15 Abs 1 Z 4 NÖ BauO 1996, „wenn deren Verwendungszweck gleich bleibt und die zu erwartenden Auswirkungen gleichartig oder geringer sind als die der bisher verwendeten“ ausdrücklich als anzeigepflichtiges Vorhaben genannt wurde, wohingegen Vergleichbares für bestimmte „Wärmeerzeuger“ zwar zunächst im Entwurf der NÖ BauO 1996 (in § 15 Abs 1 Z 4; siehe den Gesetzesentwurf zu Ltg.-400/B-23-1995) vorgesehen war, dann aber nicht in den vom Landtag beschlossenen Gesetzestext übernommen wurde.

[49] 8.4. Auch aus dem NÖ Feuer-, Gefahrenpolizei- und Feuerwehrgesetz (Stammfassung LGBl 142/74; seit der Novelle durch NÖ LGBl 99/2000: NÖ Feuerwehrgesetz) in der bei Beauftragung des Beklagten mit der Erstellung des ersten Eignungsbefundes geltenden Fassung ergaben sich keine Prüfpflichten für den Fall eines Austauschs eines Heizkessels.

[50] Dessen § 15 Abs 4 lautete:

„(4) Neu gebaute Rauchfänge sind vom Rauchfangkehrer geschoßweise zu untersuchen, abzuziehen und zu bezeichnen. Über das Ergebnis der Untersuchung ist ein schriftlicher Befund auszustellen, der der Baubehörde unverzüglich vorzulegen ist.“

[51] Diese Verpflichtung zur Erstellung eines Befundes betraf einerseits nur Rauchfänge aus Ziegeln (siehe Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht7 [2006] § 27 BO Anm 1; ein solcher bestand hier nach dem Klagevorbringen [„Systemkamin“] aber nicht) und stellte andererseits nur auf eine – hier nicht erfolgte – Neuerrichtung eines Rauchfangs ab.

[52] 8.5. Als Zwischenergebnis ergibt sich somit, dass für einen Austausch des bestehenden gegen einen neuen Heizkessel nach den bei Abschluss des Vertrags über die Erstellung des ersten Eignungsbefundes geltenden Vorschriften (insbesondere der NÖ BauO 1996) kein neuer solcher Befund erforderlich war. Ob dies unbeschränkt für jede Art von Kesseltausch (also für jede Art von neuem Kessel) galt, kann dahingestellt bleiben, weil nach dem Klagevorbringen nur ein Tausch gegen einen bau‑(art‑)gleichen Kessel zu beurteilen ist, für den nach der damals geltenden Rechtslage wohl jedenfalls kein solcher (neuer) Befund erforderlich war.

[53] 9. Für die Beurteilung des Schutzzwecks des Vertrags über die Erstellung des ersten Eignungsbefundes kommt es aber im Rahmen ergänzender Vertragsauslegung auch darauf an, ob sich die Rechtslage zum fehlenden Erfordernis einer (gesonderten) Befunderstellung für einen Heizkesseltausch zwischen dem Abschluss dieses Vertrags und dem tatsächlich erfolgten Kesseltausch geändert hat.

[54] 9.1. Zwar bestimmt sich der Vertragsinhalt und damit auch der Zweck eines Vertrags nach den maßgeblichen Umständen bei Vertragsschluss (1 Ob 241/14v; vgl auch 8 Ob 11/11t, wonach sich die Haftungsfolgen bei einer Vertragsverletzung nach den bei Vertragsschluss bekannten oder erkennbaren Umständen richten). Ändern sich diese, muss aber im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung gefragt werden, welche Vereinbarung redliche und vernünftige Parteien für diesen (von ihnen nicht bedachten) Fall unter Berücksichtigung des mit dem Vertrag verfolgten Zwecks bei Kenntnis der geänderten Umstände getroffen hätten. Zwar besteht kein allgemeiner Grundsatz, wonach jeder Vertrag unter einer „Umstandsklausel“ (clausula rebus sic stantibus) abgeschlossen wird (RS0018849). Eine durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließende Vertragslücke (vgl RS0017829) kann sich aber auch aus erst nach Vertragsabschluss eintretenden – nach dem Parteiwillen beachtlichen (6 Ob 650/86) – Entwicklungen ergeben (6 Ob 56/06p; 4 Ob 52/20f), wobei eine Änderung solcher bei Vertragsabschluss maßgeblicher Umstände auch aus einer nachträglichen Änderung der Rechtslage resultieren kann (etwa 1 Ob 136/07t; 4 Ob 220/14b).

[55] 9.2. Der – bei Abschluss des Vertrags über die erste Befunderstellung geltenden – NÖ BauO 1996 konnte zwar auch nach Vertragsabschluss keine dahingehende Änderung (Novellierung) entnommen werden, dass für einen Kesseltausch ein neuerlicher Befund erforderlich gewesen wäre. Gleiches galt zunächst auch für die mit 1. 2. 2015 in Kraft getretene NÖ BauO 2014 (NÖ LGBl 1/2015). Mit dem LG NÖ LGBl 37/2016 wurde allerdings folgender Abs 7a in § 17 NÖ BauO 2014 eingefügt:

„§ 17 Bewilligungs-, anzeige- und meldefreie

Vorhaben

Bewilligungs-, anzeige- und meldefreie Vorhaben sind jedenfalls:

7a. der Austausch von Heizkesseln mit einer Nennwärmeleistung von nicht mehr als 400 kW, wenn der eingesetzte Brennstoff und die Bauart gleich bleiben und die Nennwärmeleistung gleich oder geringer ist;“

[56] Diese Bestimmung galt auch (noch) zum Zeitpunkt des am 17. 2. 2021 erfolgten Kesseltausches durch die Versicherten. Sie trat erst mit der Novellierung der NÖ BauO 2014 durch das LG NÖ LGBl 32/2021 (mit Wirksamkeit vom 1. 7. 2021; siehe § 70 Abs 14 NÖ BauO 2014) außer Kraft (vgl Punkt 47. dieser Novelle).

[57] 9.3. § 17 Abs 7a NÖ BauO 2014 ordnete somit für den Austausch von Heizkesseln eine Bewilligungs-, Anzeige- und Meldefreiheit nur bei einer Nennwärmeleistung von nicht mehr als 400 kW und nur dann an, wenn der eingesetzte Brennstoff und die Bauart gleich bleiben und die Nennwärmeleistung gleich oder geringer ist. Daraus ist e contrario zu schließen, dass der Austausch eines Heizkessels, auf den die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen nicht zutreffen, von dieser Befreiung eben nicht umfasst sein sollte.

[58] Damit ist aus der Einfügung des Abs 7a in § 17 NÖ BauO 2014 aber auch abzuleiten, dass nach dieser neuen Gesetzeslage für einen den Anforderungen dieser Bestimmung nicht entsprechenden Kesseltausch eine Anzeigepflicht nach § 15 Abs 1 Z 4 NÖ BauO 2014 (in der Fassung NÖ LGBl 1/2015) bestehen und nach Fertigstellung „des Vorhabens“ gemäß Abs 8 erster Fall leg cit eine Bescheinigung über die fachgerechte Aufstellung und ein Befund über die Eignung der Abgasführung für den neu angeschlossenen (also ausgetauschten) Heizkessel vorzulegen sein sollte (dass dies bereits zuvor gegolten hätte, ist entgegen der unbegründeten Behauptung von Kienastberger/Stellner-Bichler,NÖ Baurecht³ [2022] § 16 NÖ BauO Anm zu Abs 1 Z 3 und 4 nicht ersichtlich).

[59] Diese Rechtslage wurde durch die Novellierung der NÖ BauO 2014 durch das LG NÖ LGBl 50/2017 (bloß) dahin geändert, dass das Aufstellen (und aufgrund von § 17 Abs 7a NÖ BauO 2014 eben auch der Austausch bei Nichtvorliegen der dort genannten Voraussetzungen) von Heizkesseln mit einer Nennwärmeleistung von mehr als 50 kW (nach dem novellierten § 14 Z 4 NÖ BauO 2014) bewilligungspflichtig und bei einer geringeren Nennwärmeleistung (nach dem novellierten § 16 Abs 1 Z 3 NÖ BauO) eine bloße Meldepflicht vorgesehen wurde.

[60] 9.4. Aufgrund dieser im Vergleich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geänderten Rechtslage ist zu beurteilen, ob der am 17. 2. 2021 erfolgte Kesseltausch die Voraussetzungen des § 17 Abs 7a NÖ BauO 2014 erfüllte und daher kein weiterer Befund erforderlich war.

[61] Wäre dies der Fall gewesen, bliebe es dabei, dass die Vertragsparteien bei Erstellung des ersten Eignungsbefundes davon ausgehen durften (und mussten), dass dieser auch den Austausch des Heizkessels und das sich daraus ergebende Risiko abdecke, sodass der Zweck der Pflicht zur Erstellung eines richtigen Befundes auch Schäden erfasse, die durch den im Vertrauen auf dessen Richtigkeit zulässigerweise erfolgten Kesseltausch verursacht worden wären. Da bei Beibehaltung des Brennstoffs und der Bauart sowie zumindest gleichbleibender oder geringerer Nennwärmeleistung nach § 17 Abs 7a NÖ BauO 2014 kein (neuer) Eignungsbefund für den Kesseltausch notwendig gewesen wäre, hätte sich für einen diesen Voraussetzungen entsprechenden Kesseltausch nichts an den dem Vertrag zugrundeliegenden und für die Auslegung des Vertragszwecks maßgeblichen rechtlichen Rahmenbedingungen geändert. Redliche und verständige Parteien, welche die Regelung des § 17 Abs 7a NÖ BauO 2014 bedacht hätten, wären dann davon ausgegangen, dass für den Fall eines den dort normierten Voraussetzungen entsprechenden Kesseltausches – für den (nach wie vor) kein neuer Befund erforderlich wäre – weiter der bisherige Befund (für den bestehenden Kessel) maßgeblich sei.

[62] Hätte nach dieser Bestimmung hingegen die Pflicht zur Erstellung eines neuen Befundes bestanden, weil die dort genannten Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen wären, wäre im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung zu fragen, welche Regelung redliche und vernünftige Parteien für den von ihnen nicht bedachten Fall getroffen hätten, dass für einen solchen Kesseltausch ein weiterer Eignungsbefund erforderlich gewesen wäre. Konkret würde sich die Frage stellen, ob redliche Parteien in diesem Fall davon ausgegangen wären, dass die Pflicht des Beklagten zur Erstellung eines richtigen (ersten) Befundes nur vor Gefahren durch den Anschluss des ursprünglichen (ersten) Heizkessels oder auch vor Gefahren im Zusammenhang mit dem – einer neuerlichen Begutachtung unterliegenden – Kesseltausch (also für den neuen Kessel) schützen sollte. Nach den bisherigen Ausführungen zum Schutzzweck des Vertrags ist nach Ansicht des Senats zweifellos ersteres anzunehmen, weil die Parteien ja nur deshalb davon ausgehen durften und mussten, dass sich der ursprüngliche Befund auch auf einen Kesseltausch (also den neuen Kessel) erstrecke, weil dafür nach der bei Vertragsabschluss geltenden Rechtslage gerade kein neuer Befund erforderlich gewesen wäre.

[63] 9.5. Ob der am 17. 2. 2021 erfolgte Austausch des Heizkessels die Voraussetzungen des § 17 Abs 7a NÖ BauO 2014 erfüllt habe und für diesen daher kein neuer Befund zu erstellen gewesen sei, kann dem Klagevorbringen nicht entnommen werden. Die Klägerin behauptete in erster Instanz nur, dass der zweite Kessel im Vergleich zum ursprünglichen (ersten) Kessel keine „relevanten Unterschiede“ aufgewiesen habe, „soweit relevant völlig unverändert“ geblieben sei und die „selbe Bauart“ aufgewiesen habe. Dies lässt aber offen, ob beim Kesseltausch die Voraussetzungen des § 17 Abs 7a NÖ BauO 2014 gegeben waren, insbesondere ob die Nennwärmeleistung des neuen (zweiten) Kessels gleich oder geringer war als jene des früheren Kessels. Damit blieb das Klagevorbringen insoweit unschlüssig.

[64] 10. Da die rechtliche Relevanz dieser Beurteilung bisher nicht erörtert wurde und auch der Oberste Gerichtshof die Parteien nicht mit einer Rechtsansicht überraschen darf, die sie bisher nicht beachtet haben (RS0037300 [T9, T60]), ist trotz Unschlüssigkeit des Vorbringens keine abschließende Erledigung möglich. Vielmehr sind die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben, und die Rechtssache ist zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Der Klägerin wird Gelegenheit zu geben sein, ihr Vorbringen zum Kesselaustausch insoweit klarzustellen, als konkrete Behauptungen dazu erstattet werden, ob bei diesem die Voraussetzungen des § 17 Abs 7a NÖ BauO 2014 vorlagen, insbesondere ob der neue (zweite) Kessel keine höhere Nennwärmeleistung als der bestehende (erste) Kessel aufgewiesen hat. Nur in diesem Fall wären weitere Beweise aufzunehmen, sonst wäre das Begehren abzuweisen.

[65] 11. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte