OGH 6Ob650/86

OGH6Ob650/8623.10.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Schobel, Dr.Schlosser und Mag.Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermine K***, Diplomkrankenschwester, Graz, Bauernfeldstraße 34, vertreten durch Dr.Egon Jaufer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien

1.) Harald K***, Koch, Graz, Hessgasse 42, und 2.) Sigrid P***, geborene K***, Bankangestellte, Graz, Heinrichstraße 55/1, beide vertreten durch Dr. Franz und Dr. Gertrud Wiesner, Rechtsanwälte in Graz, wegen Einwilligung zur grundbücherlichen Löschung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 22.Mai 1986, GZ 3 R 73/86-12, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 4.Februar 1986, GZ 11 Cg 153/85-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Klägerin auf Zuspruch von Kosten für ihre Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hälfteanteiles einer Liegenschaft, deren anderer Hälfteanteil im Eigentum ihres geschiedenen Ehemannes steht. Der erste Beklagte ist der 1961 geborene Sohn, die zweite Beklagte die am 27.Januar 1964 geborene Tochter der beiden Liegenschaftsmiteigentümer. Im Zusammenhang mit der Scheidung ihrer Ehe erklärten die Klägerin und ihr Ehemann am 2. Dezember 1968 vor dem Pfegschaftsgericht, es sei ihr Wille, den beiden Kindern das Elternhaus (auf der im gemeinschaftlichen Eigentum der Ehegatten stehenden Liegenschaft) bis zur Erlangung der Eigenberechtigung der Kinder zu erhalten. In dieser erklärten Absicht schlossen sie mit ihren durch einen Widerstreitsachwalter vertretenen Kindern eine zu gerichtlichem Protokoll genommene Vereinbarung. Die Vereinbarung wurde als Vergleich überschrieben. Ihr erster Punkt betrifft die Elternrechte. Die Punkte 2 bis 6 haben folgenden Wortlaut:

2. .. (Beide Elternteile) ... "verpflichten sich hiemit, ihre

Liegenschaftshälften der EZ... mit dem Haus... zugunsten ihrer

beiden Kinder ... weder zu belasten noch zu veräußern.

3. Die Widerstreitsachwalterin ... nimmt namens der beiden mj.

Kinder diese Verpflichtungserklärung ausdrücklich an.

4. Weiters erklären ..." (beide Elternteile) "als Hälfteeigentümer der Liegenschaft ..., die Gemeinschaft bezüglich dieser Liegenschaft fortsetzen zu wollen, das heißt auf ihr Recht auf Aufhebung der Gemeinschaft (Natural- oder Zivilteilung) zu verzichten. Diese Verpflichtungserklärung wird sowohl zwischen den Ehegatten untereinander erklärt als auch zugunsten der beiden mj.

Kinder ... und zu deren Gunsten von der Widerstreitsachwalterin ...

an- und zur Kenntnis genommen.

5. Das Belastungs- und Veräußerungsverbot sowie der Verzicht auf

die Geltendmachung des Rechtes auf Aufhebung der

Eigentumsgemeinschaft hinsichtlich der Liegenschaft EZ... im Sinne

dieser Vereinbarung dauert solange, bis das am 27.1.1964 geborene

Kind ... das 21.Lebensjahr vollendet hat, und zwar unbeschadet

allfälliger früherer Erlangung der Eigenberechtigung.

6. Es bewilligen sohin ..." (beide Elternteile), "daß bei ihren

Liegenschaftshälften EZ... im Grundbuche des BG. ... folgende

Eintragungen vorgenommen werden:

Die Anmerkung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes für die

mj. Kinder ... im Sinne der Punkte 2., 3. und 5. dieser Vereinbarung

wird bewilligt."

Das Pflegschaftsgericht genehmigte in Ansehung der beiden Kinder diese Vereinbarung.

Als Grundbuchsgericht bewilligte es die bücherliche Anmerkung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes für die beiden mj. Kinder "im Sinne der Punkte 2, 3 und 5 des Vergleiches vom 2.Dezember 1968". In Vollziehung dieses Grundbuchsbeschlusses ist in Ansehung der eingangs erwähnten Liegenschaft unter COZ 2 das Belastungs- und Veräußerungsverbot gemäß Punkt 2., 3. und 5. des Vergleiches

1968-12-02 zugunsten a... (des Erstbeklagten) ...., geb. 1961-03-22

b... (der Zweitbeklagten) ..., geb. 1964-01-27 eingetragen.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am 13.Mai 1985 - also nachdem das jüngere ihrer beiden Kinder das 21.Lebensjahr vollendet hatte - eingebrachten Klage die Verurteilung der Beklagten zur Einwilligung in die Löschung der Verbotsrechte in Ansehung des Hälfteanteiles der Klägerin.

Die Beklagten widersetzten sich diesem Löschungsbegehren mit der Begründung, der 1968 geschlossenen Vereinbarung sei die Absicht zugrunde gelegt worden, den Kindern das Familienvermögen zu erhalten, in ihr sei "daher die Umstandsklausel zwingend enthalten", deshalb bestünden auch über den vertraglich festgelegten Endtermin hinaus die Verbotsrechte weiterhin aufrecht.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt; weiters sprach das Berufungsgericht aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, das von der Klägerin den Beklagten unter Setzung eines Endzeitpunktes vertraglich eingeräumte und grundbücherlich eingetragene Belastungs- und Veräußerungsverbot sei infolge Zeitablaufes erloschen, die niederschriftlich festgehaltene übereinstimmende Absicht, den Kindern bis zur Erlangung ihrer Eigenberechtigung das Elternhaus zu erhalten, schließe jede zeitliche Ausdehnung der Verbotsrechte über den vertraglich festgelegten Endzeitpunkt, sei es durch Anpassung im Sinne einer dem Vertragswillen zu unterstellenden Umstandsklausel, sei es infolge Berücksichtigung einer geänderten Geschäftsgrundlage, aus. Die beiden Beklagten seien verpflichtet, in die Löschung ihrer durch Zeitablauf erloschenen Rechte einzuwilligen.

Die Beklagten fechten das bestätigende Berufungsurteil aus dem "Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gemäß § 503 Abs 1 Zif. 4 ZPO" mit einem auf Abweisung des Klagebegehrens zielenden Abänderungsantrag an.

Die Klägerin strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Der Ausspruch des Berufungsgerichtes über das Vorliegen der Revisionsvoraussetzungen nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO ist zwar für die formelle Gestaltung des Rechtsmittels und seine verfahrensrechtliche Behandlung als ordentliches Rechtsmittel im Gegensatz zu einer außerordentlichen Revision bestimmend, er enthebt aber weder das Revisionsgericht, das Vorliegen der positiven Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO ohne jede Bindung an den zweitinstanzlichen Ausspruch zu prüfen, noch vermag der zweitinstanzliche Ausspruch die Beschränkung der beachtlichen Revisionsgründe auf die im § 503 Abs 2 ZPO genannten Anfechtungsgründe zu beeinflussen.

Die Revisionsausführungen enthalten keine Darlegungen zu der erforderlichen Rüge, das Berufungsgericht habe eine für seine Erledigung erhebliche, im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO qualifizierte Frage des materiellen Rechtes (verfahrensrechtliche Gesichtspunkte werden in der Revision nicht behandelt) unrichtig gelöst.

Das Berufungsgericht hat seiner rechtlichen Ableitung die in der angefochtenen Entscheidung zutreffend zitierten Rechtsprechungssätze zugrunde gelegt, daß außerhalb einer im vorliegenden Fall nicht in Betracht zu ziehenden Unterhaltsregelung keinesfalls jedem Vertrag und im besonderen jedem Vergleich zwingend die Bestimmung innewohnte, die getroffene Regelung sollte nur unter der Voraussetzung gelten, daß sich die bei Vertragsabschluß zugrunde gelegten Verhältnisse nicht wesentlich änderten, und im Falle einer solchen Änderung einer dieser entsprechenden Anpassung, gegebenenfalls Aufhebung unterlägen. Der aus einem ausdrücklich (zu gerichtlichem Protokoll) erklärten "Endzweck" (nämlich, minderjährigen Kindern bis zur Erlangung ihrer Eigenberechtigung das Elternhaus zu erhalten) einer vertraglich auf sich genommenen Beschränkung des dem Eigentümer zustehenden Verfügungsrechtes (hier durch Einräumung eines grundbücherlich einzutragenden Verbotsrechtes) datumsmäßig eindeutig bestimmte (äußerste) Endzeitpunkt sei zur Wahrung von nicht erwähnten weiteren familiären Interessen über den vertraglich festgelegten Endzeitpunkt auch aus dem Rechtsgrund einer Anpassung an geänderte Umstände nicht erstreckbar.

Die Rechtsmittelwerber suchen zunächst einen Widerspruch in der berufungsgerichtlichen Rechtsansicht aufzudecken, weil nach dieser nur Unterhaltsvereinbarungen generell unter der sogenannten Umstandsklausel abgeschlossen gälten, die Anwendung dieser Klausel im übrigen aber Sache der (Vertrags-)Auslegung sei. Nach den Ausführungen der Revisionswerber sei die Umstandsklausel vielmehr "grundsätzlich bei allen vergleichsweise geregelten Rechtsverhältnissen anwendbar, wobei sie in Unterhaltsangelegenheiten grundsätzlich beachtlich" sei, "während ihre Anwendbarkeit in allen übrigen Fällen zu prüfen" wäre. Soweit vertraglich eingegangene Bindungen nicht kraft Gesetzes von einer Änderung der Umstände, unter denen sie eingegangen wurden, berührt werden, muß die Beachtlichkeit solcher Änderungen auf einen übereinstimmend zum Ausdruck gebrachten Parteiwillen zurückgeführt werden. Dazu hat das Berufungsgericht die Meinung vertreten, daß ein solcher Parteiwille bei Unterhaltsvereinbarungen generell anzunehmen sei, außerhalb dieses Regelungsbereiches aber nicht, so daß der Schluß auf einen derartigen Parteiwillen einer positiven Ableitung bedürfte. Dieser Rechtsstandpunkt ist von inneren Widersprüchen frei. Dem die Berufungsentscheidung tragenden Leitgedanken, daß kein allgemeiner Rechtssatz bestehe, demzufolge jeder Vertrag unter der Voraussetzung geschlossen sei, daß die Verhältnisse so blieben, wie sie bei Vertragsabschluß für diesen Zeitpunkt erkennbar gewesen wären, setzen die Rechtsmittelwerber ihren durch kein eigenes Argument und keine Belegstelle gestützten Standpunkt entgegen, ein Vergleich unterläge unabhängig von seinem Regelungsgegenstand grundsätzlich der sogenannten Umstandsklausel. Abgesehen davon, daß diese Revisionsausführungen in keiner Weise belegt werden können und von den Revisionswerbern auch gar nicht zu begründen versucht wurden, ist nach der Aktenlage der Vergleichscharakter der zwischen den Streitteilen im Jahre 1968 geschlossenen Vereinbarung in keiner Weise erkennbar; die Revisionswerber versuchen auch gar nicht darzulegen, welches Recht zwischen ihnen und ihrer Mutter damals zweifelhaft oder strittig gewesen sein könnte und durch die Vereinbarung über das Belastungs- und Veräußerungsverbot hätte bereinigt werden sollen. Soweit dieser Einräumung von Verbotsrechten durch die Mutter an ihre Kinder eine Absprache mit dem anderen Elternteil als dem zweiten Liegenschaftsmiteigentümer zugrunde lag, konnten die Kinder nur begünstigte Dritte, aber nicht Vertragsparteien sein, so daß ihnen kein Anspruch auf Anpassung der zwischen ihren Eltern geschlossenen Vereinbarung zuzubilligen wäre. Die Ausführungen in der Revision über die tatsächliche Gestaltung der Mutter-Kind-Beziehung zwischen der Klägerin einerseits und den beiden Beklagten andererseits lassen jede rechtserhebliche Verbindung zum grundbücherlich eingetragenen Verbotsrecht vermissen. Nach der Aktenlage wurde den Revisionswerbern durch die im Dezember 1968 getroffene Vereinbarung eine Rechtsstellung eingeräumt, auf die sie keinerlei Anspruch hatten und für deren Einräumung sie auch keine in einem Austauschverhältnis stehende Gegenleistung zu erbringen gehabt hätten. Den Revisionswerbern gegenüber erfolgte daher die Einräumung der Verbotsrechte nach der Aktenlage unentgeltlich. Daß der Pflegschaftsrichter die Vereinbarung in den hier interessierenden Punkten, hätte er die tatsächliche Entwicklung der Mutter-Kind-Beziehung zwischen den Streitteilen auch nur vorausgeahnt, "nur unter zusätzlichen Absicherungen genehmigt" hätte (und daß eine solche Absicherung in einer Hinausschiebung des Endtermines bestanden hätte), ist eine unlogische Behauptung, vor allem aber die Darlegung einer Einzelfallkomponente, die nicht zur Grundlage einer im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO qualifizierten Frage genommen werden könnte.

Im Hinblick für die Lösung anderer, ähnlich gelagerter Rechtsfälle ist am konkreten Sachverhalt charakteristisch, daß das Motiv für eine Begrenzung der vertraglich geregelten Dauerverpflichtung durch einen bestimmten Endtermin unmißverständlich offengelegt war. Die Ansicht, daß dies einer Verlängerung der Unterlassungspflichten über den festgestellten Endzeitpunkt hinaus aus dem von den Beklagten geltend gemachten Umständen entgegenstünde, wird in der entscheidenden Aussage mit den Rechtsmittelausführungen, daß "nach individueller Prüfung des Falles selbstverständlich die Umstandsklausel zu beachten" sei, nicht sachlich angegriffen.

Die Argumentation der Revisionswerber setzt nicht am Inhalt der vertraglichen Regelung an, etwa, daß eine Art Dauerschuldverhältnis begründet worden und Gegenstand der vertraglichen Bindung eine Unterlassung und im besonderen das Verbot einer Veräußerung und Belastung von Liegenschaften gewesen sei, sondern am behaupteten Vergleichscharakter der Vereinbarung. Diese Eigenschaft kommt aber der nach Ansicht der Revisionswerber an die geänderten Verhältnisse anzupassenden Vereinbarung, die zwischen den Streitteilen im Jahre 1968 geschlossen wurde, wie bereits dargelegt, nicht zu. Die Revisionsausführungen werden daher dem Erfordernis nach § 503 Abs 2 ZPO nicht gerecht.

Mangels Ausführung eines Anfechtungsgrundes im Sinne der genannten Gesetzesstelle ist das Rechtsmittel unzulässig. Aus Anlaß eines solcherart unzulässigen Rechtsmittels konnte auch auf erhebliche Rechtsfragen nicht eingegangen werden, etwa auf die Frage, ob ein materiellrechtlicher Anspruch des (ehemals) durch eine Eintragung belasteten Buchberechtigten gegen den (ehemals) aus der Eintragung Berechtigten auf Einwilligung zur Löschung dieser durch Zeitablauf gegenstandslos gewordenen Grundbuchseintragung anzuerkennen sei, wenn sich die Aufhebung des Rechtes durch Zeitablauf aus dem Grundbuchstand selbst ergibt.

Das Rechtsmittel war vielmehr zurückzuweisen.

Auf die dargelegte prozessuale Unzulässigkeit der Revision hat die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung nicht hingewiesen, ihr Schriftsatz kann daher zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht als notwendig angesehen werden, ihr gebührt aus diesem Grunde für ihre Revisionsbeantwortung kein Kostenersatz.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte