OGH 16Ok1/18k

OGH16Ok1/18k12.7.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen in der Kartellrechtssache des Antragstellers Fachverband der Reisebüros in der Wirtschaftskammer Österreich, Wien 4, Wiedner Hauptstraße 63, vertreten durch Binder Größwang Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin D***** AG, *****, vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Abstellung gemäß § 26 KartG und Feststellung gemäß § 28 KartG, über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 6. Dezember 2017, GZ 27 Kt 13/16p‑58, sowie den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 14. Dezember 2017, GZ 27 Kt 13/16p‑61, in nichtöffentlicher Sitzung

 

I. durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Kodek und die Hofrätin Dr. E. Solé als weitere Richter den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0160OK00001.18K.0712.000

 

Spruch:

Dem Rekurs gegen den Beschluss vom 14. Dezember 2017, GZ 27 Kt 13/16p‑61, wird nicht Folge gegeben.

II. Durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Kodek und die Hofrätin Dr. E. Solé sowie die fachkundigen Laienrichter KR Dr. Dernoscheg und KR Mag. Herzele als weitere Richter den

 

B e s c h l u s s

gefasst:

Dem Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss vom 6. Dezember 2017, GZ 27 Kt 13/16p‑58, wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird dem Rekurs der Antragsgegnerin gegen diesen Beschluss teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluss in seinem Punkt I.2. dahin abgeändert, dass er als Teilbeschluss zu lauten hat wie folgt:

„Der Antragsgegnerin wird untersagt, nach Ablauf von sechs Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung selbst oder durch Konzerngesellschaften für die Strecke Graz‑Frankfurt bei Buchungen von Flugtickets über GDS durch in Österreich befindliche Reisebüros bzw Kunden einerseits und Reisebüros bzw Kunden aus anderen Ländern andererseits – bei sonst gleichwertigen Buchungsanfragen (bzgl Strecke, Buchungszeit und Ticket-kategorie/Beförderungsklasse) – unterschiedliche Preise bzw Konditionen, insbesondere gegenüber in Österreich befindlichen Reisebüros und Kunden – bei sonst gleichwertigen Buchungsanfragen – höhere Preise, zu verlangen.“

Im Übrigen, somit hinsichtlich der übrigen von der Antragsgegnerin angebotenen Flugstrecken, wird der angefochtene Beschluss in seinem Punkt I.2. aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Begründung:

I. Vorbringen des Antragstellers

Der Antragsteller begehrte

I. die Abstellung der Zuwiderhandlung durch Untersagung

1. der Vorschreibung oder Einhebung einer Distribution Cost Charge (DCC) bei Verkäufen von Flugtickets über Vermittlung von österreichischen Reisebüros an österreichische Kunden in Österreich und Verkäufen von Flugtickets an österreichische Reisebüros, jeweils unter Verwendung eines Global Distribution Systems (GDS),

in eventu, die Vorschreibung oder Einhebung einer solchen oder einer gleichgerichteten Gebühr in unangemessener Höhe, sowie

2. der Geltendmachung unterschiedlicher Preise bzw Konditionen bei Buchungen von Flugtickets durch in Österreich befindliche Reisebüros bzw Kunden und Reisebüros bzw Kunden aus anderen Ländern bei sonst (bezüglich Strecke, Buchungszeit und Ticketkategorie/Beförderungsklasse) gleichwertigen Buchungsanfragen;

II. hilfsweise die Feststellung, dass die Antragsgegnerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Fall von Verkäufen von Flugtickets durch Reisebüros an österreichische Kunden unter Verwendung eines GDS durch Einhebung einer Distribution Cost Charge oder einer gleichgerichteten Gebühr ihre marktbeherrschende Stellung gemäß § 5 Abs 1 KartG und/oder Art 102 AEUV missbraucht habe.

Der Antragssteller vertrete die Interessen aller Reisebüros in Österreich. Diese Reisebüros sowie die Antragsgegnerin, eine der weltweit größten Fluggesellschaften, hätten Verträge mit GDS‑Anbietern abgeschlossen. Ein GDS sei eine zweiseitige elektronische Plattform, über die Reiseleistungsanbieter (wie Fluggesellschaften, Autovermieter oder Hotelketten) den Reisebüros ihre Reiseinhalte zwecks Weitervertriebs an Endverbraucher zur Verfügung stellten. Bei Buchung eines Flugtickets über GDS durch ein Reisebüro bezahle die jeweilige Fluglinie eine Buchungsgebühr in Form einer Pauschalgebühr pro Passagier und pro Flugabschnitt an den GDS‑Anbieter. Seit 1. 9. 2015 habe die Antragsgegnerin eine DCC eingeführt. Bei einer Flugticketbuchung durch ein Reisebüro über GDS falle damit eine zusätzliche und automatisch eingehobene Buchungsgebühr von 16 EUR an. Nur dann, wenn die Flugbuchungen entweder direkt über das Buchungssystem der L*****‑Group oder über einen ihrer „direct‑connect“‑Partner erfolge, sei diese Buchungsgebühr nicht zu bezahlen. Der wahre Grund für die Einführung der DCC sei nicht die Kostenüberwälzung, sondern die Möglichkeit der Antragsgegnerin, mit Hilfe der DCC einen direkten Zugang zu den Kunden herzustellen und an die Kundendaten heranzukommen, also eine Direktbuchung bei der Buchungsplattform der Antragsgegnerin zu erzwingen. Dadurch würden Reisebüros vom Markt verdrängt; die Vergleichbarkeit von Reiseangeboten für Kunden werde erheblich reduziert.

Das Verhalten der Antragsgegnerin sei als Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung zu werten. Die Zusatzkosten der DCC seien für die Reisebüros teilweise existenzgefährdend, da eine Weitergabe der DCC an die Kunden der Reisebüros zu Direktbuchungen der Kunden bei der Antragsgegnerin führen könnte.

Zu Punkt I.2. des Antrags brachte der Antragsteller vor, die Antragsgegnerin wende für Reisebüros in verschiedenen Ländern unterschiedliche Preise und Konditionen an und lege damit ein diskriminierendes Verhalten an den Tag. Sie verstoße dadurch gegen das Kartellgesetz und das NVG. Sie verlange bei einzelnen Flugstrecken je nach Buchungsort unterschiedliche Preise, insbesondere auf solchen Strecken, bei denen sie keinem Wettbewerb ausgesetzt sei. Werde ein Flugticket in Österreich gebucht, sei dies erheblich teurer als bei einer gleichzeitigen Buchung desselben Flugs in Deutschland oder der Schweiz. Dass hier ein Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr 1008/2008 vorliege, sei zwar nicht direkt ein kartellrechtlicher Sachverhalt, führe aber dazu, dass für die Diskriminierung keine sachliche Rechtfertigung möglich sei. Dieser Sachverhalt sei gleichzeitig ein Verstoß gegen § 2 Abs 1 NVG.

II. Vorbringen der Antragsgegnerin

Die Antragsgegnerin bestritt das Vorliegen eines Missbrauchs. Der mit der DCC eingehobene Betrag von 16 EUR liege unter den tatsächlichen Mehrkosten. Reisebüros stünden zudem eine Vielzahl alternativer Vertriebskanäle außerhalb der GDS zur Verfügung, so etwa das Endkundenportal der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin habe den Generaldirektionen für Wettbewerb sowie für Mobilität und Verkehr der Europäischen Kommission ihr neues Vertriebskonzept der Einführung der DCC vorgestellt, die dagegen keinerlei Einwände erhoben hätten.

Die BWB habe nach Einlangen einer Beschwerde des Antragstellers offensichtlich keinen Anlass für ein Einschreiten gesehen. Die Schweizer Wettbewerbskommission habe die Missbrauchsvorwürfe gegen die Antragsgegnerin auf Basis des identen Sachverhalts verworfen. Das deutsche Bundeskartellamt habe nach Durchführung von Vorermittlungen am 19. 5. 2017 entschieden, wegen der Einführung der DCC durch den L*****‑Konzern kein Verfahren einzuleiten, da kein ausreichender Anhaltspunkt für den Missbrauch von Marktmacht vorliege.

Der behauptete Diskriminierungsmissbrauch sei nicht nachvollziehbar. Die Antragsgegnerin lege ihre Preispolitik generell nach dem Ort des Beginns der Flugreise fest. Sie halte die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr 1008/2008 ein, indem sie bei der Preisgestaltung nicht nach dem Buchungsort, der Nationalität der Kunden oder nach der Verfügbarkeit einzelner Buchungsklassen differenziere. Die Antragsgegnerin stelle den GDS den selben Datenbestand wie in ihrem Eigenvertrieb zur Verfügung. Sofern es aufgrund der veralteten Technologie der GDS hier zu Problemen bei der Aktualisierung des Datenbestands komme, liege dies außerhalb des Einflussbereichs der Antragsgegnerin. Dabei handle es sich um absolute Einzelfälle, die von der Antragsgegnerin nicht gewollt seien und hinsichtlich derer sie alle zumutbaren Anstrengungen unternommen habe, um diese vereinzelten Ausnahmen im Verantwortungsbereich der GDS abzustellen. Damit liege auch kein Verstoß gegen § 2 NVG vor.

III. Beschluss ON 58

A. Spruch

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 6. 12. 2017 (ON 58) wies das Erstgericht den Antrag I.1. auf Untersagung der Vorschreibung einer Distribution Cost Charge samt Eventualbegehren ab, gab jedoch Punkt I.2. des Antrags statt und untersagte der Antragsgegnerin, bei Buchungen von Flugtickets über GDS durch in Österreich befindliche Reisebüros bzw Kunden einerseits und Reisebüros bzw Kunden aus anderen Ländern andererseits bei sonst gleichwertigen Buchungsanfragen unterschiedliche Preise bzw Konditionen, insbesondere höhere Preise zu verlangen; das Eventualfeststellungsbegehren zu II. wies es ab.

B. Feststellungen

Dabei ging das Erstgericht im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

1. Zu den Parteien

Die Antragsgegnerin ist die deutsche Muttergesellschaft der L*****‑Group, einer der weltweit größten Fluggesellschaften. Der Antragsteller ist eine eigenständige Körperschaft öffentlichen Rechts (§ 3 Abs 1 Z 4 WirtschaftskammerG 1998) und vertritt die Interessen aller Reisebüros in Österreich einschließlich der online‑Reisebüros und der Reiseveranstalter. Ihm gehören ca 2.600 Reisebüros an.

2. Global Distribution Systems (GDS)

Fluggesellschaften bieten die Passagier-beförderung über verschiedene Vertriebskanäle an, nämlich über GDS, Direktvertrieb oder über „direct connect“ (Sammelbegriff für informationstechnische Umsetzungen, über die eine Fluggesellschaft Kunden – wie Firmenkunden und Reisebüros – über Flugangebote informiert und die eine verbesserte Verarbeitung als über die Website biete.

Informationen über Flugverbindungen können direkt bei den Fluggesellschaften, über Reisesuchmaschinen oder über Reisebüros eingeholt werden. Buchungen von Linienflügen können direkt bei den Fluggesellschaften oder über Reisebüros erfolgen.

Reisebüros bedienen sich in der Regel eines der GDS. Dabei handelt es sich um Vertriebssysteme der Reisebranche, die als zweiseitige Plattformen aufgebaut sind und als zentrale Systeme die Daten für Flugangebote mehrerer Fluggesellschaften sowie auch Hotel‑ und Mietautoangebote sammeln. Über GDS können somit Informationen über Preise und Verfügbarkeiten abgefragt und Buchungen durchgeführt werden. Fluggesellschaften speisen die entsprechenden Informationen in die GDS ein. Für Buchungen, die über GDS von den Reisestellen (Reisebüros, Reiseveranstalter und Firmenkunden) erfolgen, bezahlen Fluggesellschaften eine Gebühr an die GDS. Reisestellen bezahlen ihrerseits Abonnementgebühren, um in die Daten der GDS einsehen zu können. Wenn Reisestellen Buchungen tätigen, können sie dafür Provisionen von den GDS erhalten.

Bei den meisten Reisebüros decken die Provisionen, die sie von den GDS bekommen, die von den Reisebüros an die GDS zu bezahlenden Kosten nicht zur Gänze.

Zwischen den Fluggesellschaften und den GDS kann ein „full‑content agreement“ getroffen werden, das eine Meistbegünstigungsklausel in Bezug auf sämtliche Vertriebskanäle enthält. In diesem Fall verpflichten sich die Fluggesellschaften, über GDS alle Flugangebote zur Verfügung zu stellen, die auch über andere Vertriebskanäle angeboten werden. Als Gegenleistung hiefür gewährt das GDS der Fluggesellschaft günstigere Konditionen für die Weitervermittlung des Flugangebots an die Reisestellen.

Traditionelle Fluggesellschaften wie die Antragsgegnerin vertreiben ihre Angebote üblicherweise bei sämtlichen GDS („multi‑homing“). Hingegen schließen Reisebüros üblicherweise nur mit einem GDS einen Vertrag („single‑homing“). Derzeit gibt es mit Amadeus, Travelboard und Sabre nur drei GDS, die weltweit agieren.

Fluggesellschaften, Leistungsanbieter, GDS, Reisesuchmaschinen, Reisebüros und Endkunden interagieren in einem relativ komplexen System, das nicht zuletzt durch technische Innovationen einem ständigen Wandel unterliegt. So fungieren die ursprünglich von den Fluggesellschaften gegründeten GDS nunmehr als eigenständige Plattformen. Da über 60 % aller Flugbuchungen über GDS vermittelt werden, gibt es Bedenken, dass eine starke Marktstellung der GDS zu Lasten der anderen Akteure ausgenützt werden könnte. Dies befürchten vor allem große Fluggesellschaften, die Verträge mit allen GDS abgeschlossen haben. Dieses „multi‑homing“ iVm den Meistbegünstigungsklauseln in den Verträgen mit dem GDS schwächt die Verhandlungsposition der Fluggesellschaften gegenüber dem GDS. Dazu kommt die Konkurrenz durch Billigfluglinien, die sehr oft nur Einzelstrecken befliegen und teilweise nur Direktbuchungen ohne GDS erlauben. Der Ausbau des Internet und die damit verbundenen neuen Informations‑ und Buchungsmöglichkeiten ermöglichen es den Fluggesellschaften seit einigen Jahren, ihre Abhängigkeit von den GDS zu reduzieren und den Eigenvertrieb zu stärken. Zu diesen Maßnahmen zählen die Kündigung der „full‑content agreements“ und die Einhebung der zusätzlichen Gebühr (DCC) bei Buchungen mittels GDS.

3. Zur Einführung der DCC

Mit 1. 9. 2015 wurde von der L***** Group (ausgenommen E*****, E***** und S*****) eine DCC eingeführt. Seit diesem Datum fällt bei einer Ticketbuchung durch ein Reisebüro bei einem GDS eine zusätzliche Buchungsgebühr von 16 EUR an. Die full‑content‑Verträge der Antragsgegnerin mit dem GDS‑Anbietern wurden von der Antragsgegnerin gekündigt. Wenn Flugbuchungen direkt bei der Antragsgegnerin oder über einen „direct‑connect“‑Partner durchgeführt werden, fällt die DCC nicht an; diese Möglichkeit steht auch Reisebüros offen. Gleiches gilt für Charterverträge.

Die Antragsgegnerin führte die DCC zu dem Zweck ein, die ihr durch Kündigung der full‑content‑Verträge erwachsenen höheren Kosten, die sie an die GDS zu bezahlen hat, abzudecken und verursachergerecht umzulegen. Ob die DCC in Höhe von 16 EUR pro Flugbuchung die der Antragsgegnerin an die GDS zu bezahlenden Kosten übersteigen oder unter diesen liegen, kann nicht festgestellt werden. Es ist möglich, dass die Kosten der Antragsgegnerin, die sie pro Flugbuchung an die GDS zu bezahlen hat, knapp über oder unter der DCC von 16 EUR liegen.

4. Zur Marktabgrenzung

Abgesehen von sehr kurzen Strecken besteht bei Flugleistungen keine Substitutionsmöglichkeit durch andere Transportmittel wie Bahn, Auto oder Schiff. Der in diesem Verfahren relevante Markt kann im Hinblick auf die Marktstruktur mit zweiseitigen Plattformen, also GDS und Reisebüros, die ihrerseits miteinander vertikal verknüpft sind, nicht mit konventionellen Märkten gleichgesetzt werden. Im vorliegenden Fall ist relevant, ob und in welchem Ausmaß Reaktionen von Wettbewerbern, Kunden und Lieferanten der Antragsgegnerin existieren, durch welche deren unternehmerische Entscheidung, bei Buchungen über GDS eine DCC einzuheben, beschränkt werden könnte. Die Abgrenzung der relevanten Märkte dient somit der Abschätzung der Markt‑ bzw Verhandlungsmacht der Antragsgegnerin gegenüber dem GDS und den Reisebüros. Aus wettbewerbsökonomischer Sicht werfen zweiseitige Plattformen teilweise völlig neue Fragen auf und erfordern eine Modifizierung der etablierten oder die Entwicklung neuer Methoden.

Von der Einführung der DCC sind nicht nur Reisebüros betroffen, sondern alle Passagiere, die über ein Reisebüro buchen, alle Reisebüros, welche über ein GDS buchen, die GDS selbst sowie andere Fluggesellschaften, deren Angebote ohne Einhebung der DCC attraktiver werden. Bei der Marktabgrenzung müssen diese relevanten Wettbewerbskräfte berücksichtigt werden. So stehen der Antragsgegnerin konkurrierende Fluggesellschaften auf von diesen auch beflogenen Strecken gegenüber. Wenn diese Wettbewerber keine DCC einheben, werden sie auf diesen Strecken relativ attraktiver. Passagiere und Reisebüros könnten versuchen, vermehrt die Angebote anderer Fluggesellschaften zu nutzen, wobei Reisebüros Konkurrenten der Antragsgegnerin besonders empfehlen und damit fördern könnten. Passagiere könnten auf Buchungsmöglichkeiten zurückgreifen, bei denen die DCC nicht anfällt.

Unter Berücksichtigung dieser Wettbewerbskräfte sind die Auswirkungen der DCC nicht auf einzelne Länder und schon gar nicht auf einzelne Strecken beschränkt, sondern es sind Strecken in allen Ländern betroffen, die von der Antragsgegnerin bedient werden. Eine weltweite Marktabgrenzung wäre grundsätzlich möglich, würde aber zu keiner qualitativ anderen Bewertung der Marktstellung der Antragsgegnerin führen. Der Marktabgrenzung der europäischen Kommission folgend ist der relevante Markt der EWR‑Binnenmarkt zuzüglich der Schweiz.

Die Marktanteile der Antragsgegnerin für den nachgelagerten Markt des Verkaufs von Flugtickets („Ticketing“) in Österreich sind für die Verhandlungsmacht der Antragsgegnerin bedeutungslos. Für die Abschätzung der Verhandlungsmacht der Fluggesellschaften gegenüber dem GDS gilt für den nachgelagerten Markt des Ticketing dasselbe wie für den Markt der Flugdienstleistungen im Passagierverkehr. Die Interaktionen erfolgen auf globaler Ebene. Auch wenn eine Fluggesellschaft auf einem nationalen Markt beim Flugticketverkauf dominiert, hat dies nur geringe Auswirkung auf ihre Verhandlungsmacht, wenn dieser nationale Markt im Vergleich zum Weltmarkt klein ist. Da der Ticketverkauf 1 : 1 dem Volumen der Flugdienstleistungen entspricht, wird durch die Definition eines eigenen Markts für Ticketing auf globaler Ebene wenig gewonnen. Der nationale Markt für den Verkauf von Flugtickets im Passagierverkehr ist daher kein eigener, für das vorliegende Verfahren relevanter Markt.

Stellt man darauf ab, dass Abflugort und Zielort im Marktgebiet EWR+Schweiz liegen, beträgt der Marktanteil der Antragsgegnerin 11,95 %. Stellt man darauf ab, dass mindestens einer der beiden Orte im Marktgebiet EWR+Schweiz liegt, ergibt sich ein Marktanteil von 11,30 %. Der Marktanteil der Antragsgegnerin im weltweiten Markt für Flugdienstleistungen im Passagierverkehr beträgt 3,13 %.

Die Marktanteile der Antragsgegnerin auf dem nachgelagerten nationalen Markt (Marktgebiet Österreich) für den Vertrieb von Flugtickets bestimmen sich danach, wie viele Tickets von den Fluggesellschaften der Antragsgegnerin im Direktvertrieb über deren Anbieterportale verkauft werden. Der Marktanteil der Antragsgegnerin beträgt hier zwischen 25 % und 35 %. Werden Direktvertrieb und Fremdvertrieb der Tickets der Antragsgegnerin zusammengerechnet, liegt ihr Marktanteil bei etwa 60 % bis 70 %.

In Österreich gibt es 2.674 Reisebüro‑Standorte, die von 1.953 Unternehmen betrieben werden. Ca 25 % der Standorte befinden sich in Wien, der Rest verteilt sich auf die Bundesländer. Von den 1.953 Reisebürobetrieben sind 760, also rund 40 %, auch als Reiseveranstalter tätig. Flugleistungen machen vom gesamten Volumen des Umsatzes der Reisebüros deutlich über 50 % aus, wenn die Vermittlung von Flügen als Umsatz gerechnet wird. Der Anteil der Flugticketbuchungen bei der Antragsgegnerin an den gesamten Flugticketbuchungen in Österreich über Reisebüros beläuft sich aber etwa auf 70 % bis 75 %. Würde die Antragsgegnerin die Geschäftsbeziehung mit den österreichischen Reisebüros abbrechen, müssten ca die Hälfte der Reisebüros ihren Betrieb schließen.

5. Entscheidungen anderer Wettbewerbs-behörden

Die Beschlussabteilung des deutschen Bundeskartellamts schloss Vorermittlungen im Zusammenhang mit der Einführung der DCC durch die Antragsgegnerin im Jahr 2017 ab und entschied, kein Verfahren einzuleiten, weil keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Antragsgegnerin durch die Einführung der DCC ihre Marktmacht missbraucht hat. In der Begründung wurde ausgeführt, dass Luftfahrtunternehmen grundsätzlich frei seien, ihre Vertriebswege zu gestalten, also auch ihre eigenen Vertriebswege zu Lasten anderer Vertriebswege zu stärken. Für fremde Vertriebswege wie GDS könnten Luftfahrtunternehmen Gebühren erheben, die zumindest die für sie angefallenen Kosten ausgleichen. Dafür, dass die von der Antragsgegnerin erhobene Gebühr missbräuchlich überhöht wäre, lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor.

Das Sekretariat der Wettbewerbskommission der Schweiz kam nach einer summarischen Prüfung zu dem Schluss, dass hinsichtlich der DCC kein Anlass für die Eröffnung eines Verfahrens bestehe, weil die Wettbewerbskommission nur im beschränkten Umfang für die Beurteilung der kartellrechtlichen Zulässigkeit der Einführung der DCC durch die Antragsgegnerin zuständig sei und nach einer summarischen Prüfung keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch ersichtlich seien. Ein preisbezogener Missbrauch wie etwa die Erzwingung von unangemessenen Preisen oder die Diskriminierung von Handelspartnern durch Anwendung einer Kosten‑Preis‑Schere erscheine unwahrscheinlich. Dass die Antragsgegnerin den Reisebüros eine Reihe von kostenlosen Alternativen zu den Flugbuchungen über GDS anbiete, spreche gegen eine Behinderung im Sinne einer Verweigerung von Geschäftsbeziehungen.

Die österreichische BWB hat bisher keinen Anlass gesehen, ein Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Einführung der DCC einzuleiten.

6. Zu den unterschiedlichen Ticketpreisen

Die Antragsgegnerin gestaltet ihre Flugpreise abflugbezogen; diese richten sich somit nach dem Abflugort und nicht nach dem Buchungsort. Für Buchungen über GDS übermittelt die Antragsgegnerin die Preispunkte, den Flugplan mit den dazugehörigen Kapazitäten sowie die einzelnen Buchungsklassen an die GDS, die aus diesen Komponenten das entsprechende Angebot erstellen. Insgesamt gibt es 26 Preispunkte der Antragsgegnerin. Die GDS setzen diese Vorgaben technisch um und weisen einen Preis mit einer buchbaren Buchungsklasse aus. Sie betreiben selbst kein Preismanagement für die Antragsgegnerin, sondern berechnen im Voraus die Abfragen, um sicherzugehen, dass diese schnell beantwortet werden können. Es handelt sich jedoch nicht um ein Real Time-System; die Darstellung der Preise erfolgt somit nicht in Echtzeit. Daher kann es aufgrund der geografischen Distanz und der verschiedenen Abfragerhythmen zu Abweichungen des Preises für einen bestimmten Flug nach oben oder unten kommen. Es kommt daher vor, dass der Preis für einen bestimmten Flug, der über GDS zum selben Zeitpunkt in einem Reisebüro in Österreich gebucht wird, einen anderen Preis hat als bei einer Buchung in Deutschland oder in der Schweiz. So wurde von einem österreichischen Reisebüro am 2. 9. 2016 ein Flug Graz‑Frankfurt‑Graz mit Abflug 10. 9. 2016 und Rückflug 11. 9. 2016 sowohl vom Büro in Österreich angefragt, und auch zeitgleich mittels eines SmartClicks auf die Office‑ID des Büros in Berlin auf das Angebot zugegriffen, wo eine günstigere Buchungsklasse zur Verfügung stand. Der Preis für den über die Berliner Office‑ID gebuchten Flug betrug 184,48 EUR, wäre der Flug in Österreich gebucht worden, hätte er 304,48 EUR gekostet. Bei einer Preisdifferenz von 120 EUR wäre der Flug bei Buchung in Österreich somit um etwa 65 % teurer gewesen.

Dass für denselben Flug zum selben Zeitpunkt in Berlin eine andere Buchungsklasse zur Verfügung steht als in Österreich, ist ein Fehler im System der GDS. Der Antragsgegnerin ist das Problem der unterschiedlichen Preise von Buchungen in unterschiedlichen Ländern zum selben Zeitpunkt für denselben Flug schon seit Jahren bekannt. Bereits 2014 wurde eine Arbeitsgruppe der Antragsgegnerin und zwei weiterer Airlines mit den GDS‑Providern eingerichtet, die dieses Problem zum Inhalt hatte, die Arbeitsgruppe veröffentlichte bisher aber lediglich ein Arbeitspapier. Seit die Antragsgegnerin die Einführung der DCC angekündigt hat, kam Bewegung in die Arbeitsgruppe. Die Antragsgegnerin ergriff bisher jedoch keine tatsächlich wirksamen Maßnahmen, um bei Buchung über GDS unterschiedliche Preise für denselben Flug, der zur selben Zeit in verschiedenen Ländern gebucht wird, zu verhindern.

Von der Antragsgegnerin wurde ein System eingerichtet, an das Beschwerden über unterschiedliche Preise bei Buchungen desselben Flugs in verschiedenen Ländern übermittelt werden können. In solchen Fällen wird von der Antragsgegnerin dann eine Buchung zum günstigsten Preis ermöglicht. Um von diesem System zu profitieren, müssen Kunden jedoch von diesen Preisdifferenzen und von der Existenz eines derartigen Systems wissen.

In welchem exakten Ausmaß und bei welcher genauen Anzahl von Flügen eine unterschiedliche Preisgestaltung bei Buchung von Flügen der Antragsgegnerin zum selben Zeitpunkt in unterschiedlichen Ländern vorkommt, kann nicht festgestellt werden.

Für die Flugstrecke Graz‑Frankfurt ist die Antragsgegnerin die einzige Anbieterin. Zur Beurteilung einer Preisdiskriminierung ist für die Marktabgrenzung hier der A‑Z‑Ansatz heranzuziehen, sodass es sich bei der Flugstrecke Graz‑Frankfurt um einen eigenen Markt handelt.

C. Rechtliche Beurteilung

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass sich der Sachverhalt iSd § 24 Abs 2 KartG auf den inländischen Markt auswirke; zusätzlich sei aber auch die Zwischenstaatlichkeit zu bejahen, sodass sowohl europäisches als auch österreichisches Wettbewerbsrecht anzuwenden sei.

Die Antragsgegnerin besitze im sachlich und räumlich relevanten Markt für Flugdienstleistungen im Passagierverkehr im europaweiten Markt einen Marktanteil von knapp 12 %. Eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des § 4 Abs 1 KartG und Art 102 AEUV liege nicht vor. Hingegen sei die relative Marktmacht der Antragsgegnerin im Sinne des § 4 Abs 3 KartG gegenüber den Reisebüros zu bejahen. Ein Preis‑ oder Konditionenmissbrauch im Sinne des § 5 Abs 1 Z 1 KartG gegenüber dem Eigenvertrieb durch die Antragsgegnerin liege nicht vor. Ein Luftfahrtunternehmen sei grundsätzlich frei, seine Vertriebswege zu gestalten, also auch den eigenen Vertriebsweg zu Lasten anderer Vertriebswege zu stärken. Verwende es fremde Vertriebswege, wie etwa die GDS, könne das Luftfahrtunternehmen dafür Gebühren erheben, die zumindest die dafür angefallenen Kosten ausgleichen. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin den Vertriebsweg GDS in der Vergangenheit subventioniert habe, verschaffe den Reisebüros keinen Anspruch darauf, dass sie dies auch weiterhin tun müsse. Die Antragsgegnerin sei daher auch nicht darauf beschränkt, die Gebühren auf jenen Betrag zu begrenzen, der ihr aus der Kündigung der full‑content‑Verträge zusätzlich erwachse. Dass die eingehobene DCC stark bzw eindeutig überhöht sei, habe sich aus dem Beweisverfahren nicht ergeben.

Der vorliegende Sachverhalt falle nicht unter das NVG. Dieses solle nach der Intention des Gesetzgebers jene Fälle erfassen, in denen weder eine marktbeherrschende Stellung iSd § 4 Abs 1 KartG noch eine relative Marktmacht iSd § 4 Abs 3 KartG vorliege. Das NVG sei auf Fälle von Verhandlungsmacht zugeschnitten, die unterhalb der Schwelle der Marktbeherrschung lägen; damit bleibe hier für die Anwendung des NVG kein Raum.

Im sachlich und räumlich relevanten streckenspezifischen Markt für Flugdienstleistungen von Graz nach Frankfurt besitze die Antragsgegnerin eine beherrschende Stellung, da es keinen anderen Anbieter gebe. Dadurch, dass die Antragsgegnerin für einen auf dieser Strecke gebuchten Flug bei gleichzeitiger Buchung in Österreich und in Deutschland unterschiedliche Preise verlangte, habe sie das inländische Reisebüro im Wettbewerb benachteiligt. Damit habe sie gegen das Missbrauchsverbot des § 5 Abs 1 Z 3 KartG sowie des Art 102 AEUV verstoßen. Diese Preisdiskriminierung sei auch ein Verstoß gegen Art 23 Abs 2 der Verordnung (EU) Nr 1008/2008.

Die Antragsgegnerin könne sich nicht darauf berufen, dass die Preisdiskriminierung durch die GDS erfolge und sie darauf keinen Einfluss habe. Diese Form der Preisdiskriminierung bei Buchungen von Flugtickets durch Reisebüros über ihre GDS Vertriebspartner sei bereits seit Jahren bekannt. Die von der Antragsgegnerin allein ergriffene Maßnahme der Einrichtung einer Arbeitsgruppe sei völlig unzureichend und zeitige offensichtlich keine Ergebnisse.

Da die Preisdiskriminierung zumindest für den Flug Graz‑Frankfurt feststehe, könne der Abstellungsauftrag an die Antragsgegnerin erteilt werden. Zur Klarstellung sei jedoch im Abstellungsauftrag anzuführen, dass der Antragsgegnerin Preisdiskriminierungen bei Buchungen von Flugtickets über GDS untersagt würden; nur diese seien Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Das Feststellungsbegehren sei nicht berechtigt. Eine Grundvoraussetzung für einen Feststellungsantrag nach § 28 Abs 1 KartG sei die bereits erfolgte Beendigung der Zuwiderhandlung. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Zudem sei der Abstellungsantrag zu Punkt I.1. nicht wegen Beendigung des beanstandeten Verhaltens abgewiesen worden, sondern deshalb, weil dieses Verhalten nicht missbräuchlich sei.

IV. Beschluss ON 61

Mit dem weiters angefochtenen Beschluss vom 14. 12. 2017 (ON 61) bestimmte das Erstgericht die Gebühren des Sachverständigen antragsgemäß mit 82.688 EUR (inklusive 20 % USt) und ordnete im Hinblick auf bereits ausbezahlte Vorschüsse die Auszahlung des Restbetrags von 17.288 EUR an.

Der Sachverständige habe sein Gutachten ordnungsgemäß erstattet. Die Einwendungen des Antragstellers seien nicht berechtigt und zielten in erster Linie darauf ab, dass das Ergebnis des Gutachtens nicht den Vorstellungen des Antragstellers entsprach. Dass die vom Sachverständigen vorgenommene Untersuchung des Markts für den Ticketvertrieb letztlich für die von ihm vorgenommene Marktabgrenzung nicht relevant war, sei ex ante nicht abzusehen gewesen. Die Marktabgrenzung zu Punkt I.2. des Antrags sei im Auftrag zur Erstattung des schriftlichen Gutachtens nicht enthalten gewesen und vom Sachverständigen auch nicht durchgeführt worden; dafür seien auch keine Gebühren verzeichnet worden. Es bestehe keinerlei Anlass, die vom Sachverständigen vorgelegten Stundenabrechnungen in Zweifel zu ziehen.

V. Rekursverfahren

Den Beschluss ON 58 bekämpfen beide Parteien mit Rekurs. Der Antragsteller begehrt die Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahin, dass seinem Antrag auch hinsichtlich Punkt I.1. stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. In eventu wird die Abänderung des Punkts II. des angefochtenen Beschlusses dahin begehrt, dass festgestellt werde, dass die Antragsgegnerin vom 1. 9. 2015 bis zum Tag des Endes der mündlichen Verhandlung erster Instanz durch Einhebung einer Distribution Cost Charge ihre marktbeherrschende Stellung gemäß § 5 Abs 1 KartG 2005 und/oder Art 102 AEUV missbraucht habe.

Die Antragsgegnerin strebt die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im gänzlich antragsabweisenden Sinn an.

In ihren Rekursbeantwortungen beantragen die Parteien jeweils, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Der Antragsteller bekämpft weiters den Beschluss ON 61 und beantragt, diesen dahingehend abzuändern, dass der geltend gemachte Gebührenanspruch zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird die Abänderung dahin beantragt, dass die geltend gemachte Gebühr für Mühewaltung mit 15.000 EUR bestimmt und das Mehrbegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird die Abänderung des angefochtenen Beschlusses in verschiedenen Varianten (Reduktion der Gebühr für Mühewaltung auf 30.000 EUR, Kürzung des Gebührenanspruchs um die Hälfte, Kürzung des Gebührenanspruchs um ein Viertel), in eventu dessen Aufhebung begehrt.

Der Sachverständige beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

VI. Rechtliche Beurteilung

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

A. Zum Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss ON 58:

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

a) Allgemeines

1.1. Art 102 AEUV und § 5 Abs 1 KartG verbieten den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Ein Missbrauch liegt dann vor, wenn das Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens den wirksamen und unverfälschten Markt beeinträchtigt (EuG T‑321/05, Astra Zemeca; EuGH 322/81 , Michelin I Rz 59 uva).

1.2. Damit stellt sich die Frage der Marktabgrenzung. Die Frage der Marktabgrenzung ist Tatfrage, soweit es dabei um die Feststellung objektiv überprüfbarer Abgrenzungskriterien geht, sie ist Rechtsfrage, soweit es um eine Bewertung der der Marktabgrenzung zugrunde gelegten Methode geht (16 Ok 15/08; 16 Ok 1/09; 16 Ok 14/08; 16 Ok 8/10 = SZ 2011/148; 16 Ok 6/15s; RIS‑Justiz RS0124421).

b) Zum Überprüfungsumfang

2.1. Nach bisheriger ständiger Rechtsprechung vor Inkrafttreten des KaWeRÄG 2017 wurde der Oberste Gerichtshof in seiner Funktion als Kartellobergericht ausschließlich als Rechtsinstanz und nicht als Tatsacheninstanz tätig (16 Ok 1/05; RIS‑Justiz RS0123662, RS0119972). Dies ist im Zusammenhang mit der Marktabgrenzung bei Kartellsachen vor allem deshalb von Bedeutung, da es sich dabei um eine Tatfrage handelt, soweit es um die Feststellung objektiv überprüfbarer Abgrenzungskriterien geht.

2.2. Eine vom Obersten Gerichtshof aufgreifbare Rechtsfrage liegt nach dieser Rechtsprechung nur dann vor, wenn es um die Bewertung der der Marktabgrenzung zugrunde gelegten Methode geht (RIS‑Justiz RS0124421). Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 16 Ok 14/08, Radiusklausel II, ÖZK 2009, 119 (Birko) die Entscheidung zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen, weil die Fragestellung des Sachverständigen zur Marktabgrenzung ungeeignet war.

2.3. Daraus ergibt sich nach bisheriger Rechtsprechung die Konsequenz, dass Ergebnisse von Sachverständigengutachten bloß insoweit wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung einer Anfechtung zugänglich sind, als dem Sachverständigen bei seinen Schlussfolgerungen ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze oder gegen objektiv überprüfbare Gesetze sprachlichen Ausdrucks unterlaufen ist (16 Ok 46/05 = MR 2006, 331 [Wittmann]; dazu Palmstorfer, Radiusklauseln auf dem Prüfstand des Kartellrechts, wbl 2010, 120 [123]).

2.4. Trotz Kritik der Lehre (vgl etwa Wollmann, Ein modernes Kartellrecht für Österreich, ecolex 2005, 500; Lindner, KOG/KG: Marktanteile zur Bestimmung von Marktmacht unter Art 101 und 102 AEUV: Der Fall Radiusklausel IV [25 Kt 35, 36/08; 16 Ok 8/10] und Flüssiggas [29 Kt 23, 24/09], ÖZK 2012, 73 [78]; dazu Palmstorfer, Radiusklauseln auf dem Prüfstand des Kartellrechts, wbl 2010, 120 [123]; Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich [2007] Rz 674) hat der Oberste Gerichtshof an dieser Rechtsprechung festgehalten (vgl RIS‑Justiz RS0119972, insb 16 Ok 9/15g; 16 Ok 11/16b).

2.5. Nach Palmstorfer ist ein Rekurs gegen eine „fehlerhafte“ Marktabgrenzung durch das Erstgericht dann zulässig, wenn durch den Sachverständigen eine Herangehensweise gewählt wurde, die sich nicht auf das Bedarfsmarktkonzept stützt bzw nicht mit dem hypothetischen Monopolistentest (SSNIP‑Test) operiert (Palmstorfer, wbl 2010, 123). Der SSNIP‑Test stelle nach der „Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Markts im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft“, ABl 1997 C‑372/5, die kartellrechtlich angezeigte Methode zur Marktabgrenzung dar. Die zu beantwortende Frage laute, ob die Kunden der Parteien als Reaktion auf eine angenommene kleine, bleibende Erhöhung der relativen Preise (zwischen 5 % und 10 %) für die betreffenden Produkte und Gebiete auf leicht verfügbare Substitute ausweichen würden (ABl 1997, C‑372/7 Rz 17; dazu auch Vartian/Schumacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz2 § 4 Rz 17 ff; Reidlinger/Hartung, Das österreichische Kartellrecht3 111 ff).

3.1. Diese Rechtsprechung hat mittlerweile allerdings durch das KaWeRÄG 2017 eine Änderung erfahren. Nach dem damals neu eingeführten § 49 Abs 3 KartG kann sich der Rekurs nunmehr auch darauf gründen, dass sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der der Entscheidung des Kartellgerichts zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben. Nach den Gesetzesmaterialien (1.522 BlgNR 25. GP  14) soll mit dem Vorschlag der in den Beiratsstudien wiederholt geäußerte Wunsch nach einer zweiten Tatsacheninstanz durch eine an § 281 Abs 1 Z 5a StPO angelehnte Regelung umgesetzt werden.

3.2. Nach § 281 Abs 1 Z 5a StPO ist ein Urteil dann nichtig, wenn sich aus den Akten nicht bereits als formale Begründungsmängel nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO fassbare erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen ergeben, wenn also die Tatrichter das ihnen nach § 258 Abs 2 Satz 2 StPO gesetzliche zustehende Beweiswürdigungsermessen in einer Weise gebraucht haben, das – aus Sicht des Obersten Gerichtshofs – nicht bloß Bedenken hervorruft, sondern geradezu den von Nowakowski (Reform der Rechtsmittel im Strafverfahren, GA für den 2. ÖJT 1964 Bd I/6, 17; zust Moos, Die Ausdehnung der Nichtigkeitsbeschwerde auf die Beweiswürdigung nach § 281 Abs 1 Z 5 a, ÖJZ 1989, 87 [103]; Schroll/Schillhammer, Rechtsmittel gegen Urteile, AnwBl 2006, 441 [453]: „grob unvernünftig“) stammenden Ausruf provoziert: „Dieser Überzeugung kann man vernünftigerweise denn doch nicht sein!“ (Ratz in Wiener Kommentar StPO2 § 281 Rz 470).

3.3. Das Rechtsmittel hat mit voller Bestimmtheit klar zu machen, weshalb ein deutlich und bestimmt, bei umfangreichen Akten zudem unter genauer Angabe der Fundstelle bezeichnetes Beweismittel die Feststellung einer gleichermaßen deutlich und bestimmt zu bezeichnenden entscheidenden Tatsache im geforderten Ausmaß bedenklich erscheinen lasse (Ratz in Wiener Kommentar StPO2 § 281 Rz 488).

3.4. Keine erheblichen Bedenken werden nach der Rechtsprechung etwa geltend gemacht, indem aktenkundige Beweisergebnisse nicht gegen die Feststellung einer entscheidenden Tatsache, sondern isoliert gegen den persönlichen Eindruck der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Beweisperson ins Treffen geführt werden (Ratz in Wiener Kommentar StPO2 § 281 Rz 491; vgl 15 Os 105/00p; 14 Os 149/10h; 15 Os 27/10z ua). Der Oberste Gerichtshof hat auch einer Tatsachenrüge nach § 281 Abs 1 Z 5a StPO, die auf ein Sachverständigengutachten gestützte Feststellungen bekämpfte, in dem sie dieses Gutachten einer eigenständigen Bewertung unterzog, nicht Folge gegeben, weil diese den Kriterien des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes nicht gerecht werde: Dies erfordere das Aufzeigen aktenkundiger Beweisergebnisse, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen ließen, somit intersubjektiv – gemessen an Erfahrung und Vernunftsätzen – eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen (RIS‑Justiz RS0119583). Der Versuch, unter eigenständiger Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Verfahrensresultaten die Erwägungen der Tatrichter in Zweifel zu ziehen, bringe den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5a StPO nicht zur Darstellung (12 Os 119/15i).

3.5. Der Senat hält diese zur StPO ergangene Rechtsprechung für überzeugend und auch auf die Auslegung des § 49 Abs 3 KartG übertragbar. Erhebliche Bedenken im Lichte dieser Rechtsprechung zeigen die Rekurswerber hier nicht auf. Damit ist im vorliegenden Fall weiter der von der Rechtsprechung entwickelte bisherige Überprüfungsmaßstab anzuwenden.

c) Methode der Marktabgrenzung

4.1. Im vorliegenden Fall ist der Sachverständige zwar vom SSNIP‑Test abgegangen, hat aber in seinem Gutachten und in seiner Stellungnahme zur Äußerung des Antragstellers dieses Vorgehen ausführlich und nachvollziehbar begründet.

4.2. Der relevante Markt lässt sich regelmäßig nicht abstrakt‑deduktiv aus einer Definition gewinnen, sondern bedarf einer umfassenden Tatsachenbewertung (Füller in MünchKomm zum Kartellrecht2 [2015] Einl Rz 1052). Im Missbrauchsverfahren sind der relevante Markt für jedes Verfahren erneut zu definieren und die Wettbewerbsbedingungen einer neuen Analyse zu unterziehen, die nicht zwangsläufig auf denselben Erwägungen beruhen wird wie die frühere Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung (EuG 22. 3. 2000, T‑125/97 und T‑127/97 – Coca Cola/Kommission Rz 82).

4.3. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs soll mit der Marktabgrenzung in sachlicher und räumlicher Dimension ermittelt werden, welche konkurrierenden Unternehmen tatsächlich in der Lage sind, dem Verhalten der beteiligten Unternehmen Schranken zu setzen und sie daran zu hindern, sich einem wirksamen Wettbewerbsdruck zu entziehen (RIS‑Justiz RS0129158).

4.4. Sinn und Zweck der kartellrechtlichen Marktabgrenzung ist die Erfassung der Wettbewerbsbeziehungen zwischen den Marktteilnehmern, deren Beziehungen in einem konkreten Fall schwerpunktmäßig untersucht werden (Bundeskartellamt 20. 12. 2013, B 9‑66/10‑HRS Rz 71). Nach Auffassung der Europäischen Kommission ist Hauptzweck der Marktabgrenzung die systematische Ermittlung der Wettbewerbskräfte, denen sich die beteiligten Unternehmen zu stellen haben (Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Markts im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, 97/C 372/03 R z 2).

4.5. Der Begriff des relevanten Markts setzt die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs zwischen den zu ihm gehörenden Erzeugnissen oder Dienstleistungen voraus, sodass ein hinreichender Grad der Austauschbarkeit zwischen allen zum gleichen Markt gehörenden Erzeugnissen oder Dienstleistungen im Hinblick auf die gleiche Verwendung erforderlich ist. Die Austauschbarkeit oder Ersetzbarkeit beurteilt sich dabei jedoch nicht allein mit Blick auf die objektiven Eigenschaften der fraglichen Erzeugnisse und Dienstleistungen, sondern es müssen auch die Wettbewerbsbedingungen sowie die Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt in Betracht gezogen werden (EuG 15. 12. 2010, T‑427/08, CEAHR/Kommission Rz 67).

5.1. Von diesen Grundsätzen ist der Sachverständige nicht abgewichen. Vielmehr stellt der Sachverständige bereits zu Beginn seines Gutachtens klar, dass in jedem Fall Rz 7 der Bekanntmachung der Kommission zu beachten ist, wonach der sachlich relevante Produktmarkt sämtliche Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen umfasst, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden. Der Sachverständige untersucht in der Folge die Nachfrage‑ bzw Angebotssubstitution und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass es bei Flugdienstleistungen für Passagiere (abgesehen von sehr kurzen Strecken) keine Substitutionsmöglichkeiten durch andere Transportmittel gibt. In diesem Zusammenhang hält der Sachverständige auch fest, dass ein SSNIP‑Test, der sämtliche Passagierflüge umfasst, zweifelsohne positiv ausfallen würde. Anschließend begründet der Sachverständige ausführlich, weshalb das Abstellen auf einen streckenbezogenen Ansatz im Zusammenhang mit der DCC verfehlt wäre. In seinem Ergänzungsgutachten hat der Sachverständige nochmals seine Methode der Marktabgrenzung erläutert.

5.2. Zudem ist darauf zu verweisen, dass der SSNIP‑Test nach ständiger Rechtsprechung keineswegs mechanisch anzuwenden ist (16 Ok 14/08; 16 Ok 6/12; RIS‑Justiz RS0124671 [T3]). In der Entscheidung 16 Ok 6/12 hat der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit Bieterabsprachen ausdrücklich die Nichtanwendung des SSNIP‑Tests gebilligt, weil die Sachverständigen nachvollziehbar begründet haben, weshalb sie diesen Test nicht angewendet haben. In diesem Fall hatte das Erstgericht zur Marktabgrenzung ausgeführt, dass der hypothetische Monopolistentest ungeeignet sei, weil es im gegenständlichen Verfahren nicht auf eine preisabhängige Nachfrage oder Angebotssubstitution ankomme, sondern auf die Offenheit des Verfahrens und die Unsicherheit über die Beteiligung weiterer Anbieter. Neben den bietenden Unternehmen wirkten nämlich auch potentielle Anbieter – selbst wenn sie sich nicht bewerben oder keinen Zuschlag erhalten – als wettbewerbsrelevante disziplinierende Kräfte.

5.3. Nach Auffassung der Kommission gibt es zur konkreten Vorgehensweise bei der Abgrenzung des relevanten Markts eine ganze Reihe von Nachweisen, anhand deren sich beurteilen lässt, in welchem Maß Substitution erfolgt. Ausdrücklich betont die Kommission gegenüber allen Formen des empirischen Nachweises offen zu sein; sie folge keiner starren Rangordnung für die verschiedenen Informationsquellen und Nachweisformen (Bekanntmachung der Kommission 97/C 372/03 R z 25).

5.4. Auch das EuG hat ausgesprochen, dass der SSNIP‑Test nicht die einzige Methode ist, um den relevanten Markt zu definieren (EuG 11. 1. 2017, T‑699/14, Topps Europe Ltd/Europäische Kommission). Der SSNIP‑Test könne sich in gewissen Fällen als ungeeignet erweisen, insbesondere dann, wenn es kostenfreie Waren oder Waren gibt, deren Kosten nicht von denjenigen getragen werden, die die Nachfrage bestimmen (Rz 82).

5.5. Das deutsche Bundeskartellamt weist in seinem Arbeitspapier zur Marktmacht von Plattformen darauf hin, dass bei mehrseitigen Märkten die praktische Anwendung des SSNIP‑Tests so komplex sei, dass er sowohl in der originären als auch in einer modifizierten Fassung nicht oder zumindest nicht ohne größere Probleme umsetzbar erscheine (Deutsches Bundeskartellamt, Arbeitspapier. Marktmacht von Plattformen und Netzwerken [Juni 2016] 44).

5.6. Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige ausführlich dargelegt, dass zweiseitige Plattformen aus wettbewerbsökonomischer Sicht teilweise völlig neue Fragen aufwerfen und eine Modifizierung etablierter bzw die Entwicklung neuer Methoden erfordern. Im Hinblick darauf ist nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige neben einer Auseinandersetzung mit dem SSNIP‑Test auch noch weitere Informationen und Nachweise für die Abgrenzung des relevanten Markts herangezogen hat.

6.1. Entgegen den Rekursausführungen ist die Erfassung der Wettbewerbsbeziehungen bzw Wettbewerbskräfte untrennbar mit dem Vorgang der Marktabgrenzung verbunden. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 16 Ok 6/12 die Auffassung des Erstgerichts, dass für die Marktabgrenzung entscheidend ist, welche anderen Marktteilnehmer ein Unternehmen als seine Konkurrenten ansieht, ausdrücklich gebilligt (16 Ok 6/12 Pkt 4.6).

6.2. Der Sachverständige unterschied deutlich zwischen der Marktabgrenzung einerseits, bei der es darum gehe, die verschiedenen Marktkräfte zu erfassen bzw einen Markt zu definieren, der es ermögliche, alle Marktkräfte zu berücksichtigen, und der Marktmacht andererseits, bei der die Frage zu untersuchen sei, welche Reaktionen durch die Marktkräfte erfolgen.

6.3. Der Sachverständige hat auch ausführlich begründet, weshalb ein A‑Z‑Ansatz, der jede Flugstrecke als eigenen Markt definiert, den Anforderungen der Europäischen Kommission an Marktabgrenzungen nicht genügen würde.

6.4. In einem in gewisser Weise vergleichbaren Fall, in dem es um den Vorwurf des Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung im Zusammenhang der Reduzierung von Provisionen an Reisebüros für Buchungen von British Airways‑Flügen ging, ließ das britische Office of Fair Trading zwar die Marktabgrenzung letztlich offen (weil es das Vorliegen eines Missbrauchs verneinte), untersuchte jedoch auch den vorgelagerten Markt für Flugdienstleistungen und den nachgelagerten Markt für den Vertrieb von Flugtickets (Office of Fair Trading, 11. 2. 2002, CE/1471‑02, Association of British Travel Agents/British Airways Rz 16). Für die Bestimmung des sachlich relevanten Markts komme es hinsichtlich der Beurteilung der Auswirkungen der den Reisevermittlern im Vereinigten Königreich gewährten finanziellen Vorteile auf den Wettbewerb nicht darauf an, ob ein einzelner Erbringer von Luftverkehrsleistungen auf einer bestimmten Flugstrecke seine Preise erfolgreich erhöhen könne.

6.5. Im Zusammenhang mit der Prüfung von Zusammenschlüssen von GDS‑Betreibern untersuchte die Kommission neben dem Markt für elektronische Reisevertriebsdienste über ein GDS auch den jeweils vor‑ und nachgelagerten Markt. Der vorgelagerte Markt auf der Marktseite der Reiseleistungsanbieter wurde dabei mit dem EWR und der Schweiz (Kommission 21. 8. 2007, COMP/M. 4523, Travelport/Worldspan Rz 62) bzw sogar weltweit (Kommission 19. 1. 2016, COMP/M. 7802, Amadeus/Navitaire Rz 42) abgegrenzt.

7. Die Rekursausführungen, wonach der Sachverständige keine wissenschaftlich nachvollziehbaren Berechnungen, ökonometrischen Analysen oder Befragungen von Marktteilnehmern durchgeführt habe, zeigen eine unrichtige Beweiswürdigung im Sinne des § 49 Abs 3 KartG nicht auf.

8. Letztlich kann die Frage der konkreten Marktabgrenzung im vorliegenden Fall jedoch offen bleiben, weil – wie zu zeigen sein wird – mangels Vorliegens eines Missbrauchs diese Frage für die Entscheidung nicht erheblich ist (vgl 16 Ok 4/15x Pkt 7.).

d) Zum Vorliegen eines Missbrauchs

9. Wirtschaftsteilnehmer sind in der Auswahl ihrer Vertriebswege grundsätzlich frei (16 Ok 12/13). Soweit das Kartellrecht marktbeherrschenden Unternehmen nicht besondere Verhaltenspflichten auferlegt, steht diesen grundsätzlich derselbe Verhaltensspielraum offen wie den übrigen Marktteilnehmern (4 Ob 23/08y = RIS‑Justiz RS0123263). Daher steht auch einem marktbeherrschenden Unternehmen grundsätzlich frei zu entscheiden, mit wem und auf welcher Grundlage kontrahiert wird, welche „Vertriebswege“ gewählt und welche Preise für die eigenen Produkte bzw Dienstleistungen berechnet werden (Bulst in Langen/Bunte, Kartellrecht Band 2, Europäisches Kartellrecht12 [2014] Art 102 AEUV Rz 248).

10.1. Ein Preismissbrauch im Sinne des § 5 Abs 1 Z 1 KartG bzw Art 102 lit a AEUV liegt nur dann vor, wenn der vom Marktbeherrscher verlangte Preis „stark“ bzw „eindeutig“ überhöht ist (16 Ok 13/13: „erhebliche Überschreitung“; vgl auch 4 Ob 62/00x: „krasses Missverhältnis“ zwischen Kosten und Erlösen). Auch der EuGH stellt darauf ab, ob ein übertriebenes Missverhältnis zwischen den tatsächlich entstanden Kosten und dem tatsächlich verlangten Preis besteht und – bejahendenfalls –, ob ein Preis erzwungen wurde, der unangemessen ist. Ein Preismissbrauch liegt demnach nur dann vor, wenn der Preis in keinem angemessenen Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung steht (EuGH 14. 2. 1978, C‑27/76, United Brands Company und United Brands Continentaal B.V./Kommission).

10.2. Auch nach einhelliger Auffassung der Lehre erfüllt ein Preis nur dann den Tatbestand des Missbrauchs, wenn er „erheblich“, „eindeutig“ bzw „stark“ überhöht ist (Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartellG2 § 5 Rz 27 f; Gugerbauer, KartellG und Wettbewerbsgesetz3 § 5 Rz 20; Fuchs/Möschel in Immenga/Mestmäcker, EU‑Wettbewerbsrecht5 [2012] Art 102 AEUV Rz 185).

10.3. Nach den Feststellungen des Erstgerichts bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die DCC stark oder eindeutig überhöht ist. Die Behauptungs‑ und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, das heißt die Erheblichkeit der Preisüberschreitung, trägt stets die Antragstellerin (16 Ok 13/13). Daher gehen diesbezüglich verbleibende Unklarheiten zu Lasten des Antragstellers. Damit ist im vorliegenden Fall aber nicht vom Vorliegen eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung auszugehen. Zum selben Ergebnis gelangte im Übrigen auch das deutsche Bundeskartellamt in seiner Entscheidung vom 19. 5. 2017 (B 9‑1/15), die gleichfalls die Einführung der DCC durch die Antragsgegnerin betraf.

11. Dass die DCC angeblich in „einigen Ländern“ gesetzlich verboten sei, vermag keine Unrichtigkeit der Beurteilung des Erstgerichts aufzuzeigen. Nach der Aktenlage gibt es zudem weltweit nur einzelne Staaten, in denen das lokale Recht eine derartige DCC nicht zulässt; diese liegen zudem alle außerhalb Europas. Bei einer weltweiten Durchschnittsbetrachtung von mehr als 190 Staaten führt daher selbst eine allfällige Überwälzung des dort nicht durch die Einhebung einer DCC abgedeckten Aufwands auf andere Länder zu keinerlei spürbaren Auswirkungen innerhalb Europas, zumal die Anzahl der außerhalb Europas ausgestellten Tickets für europäische Strecken zweifellos nur einen geringen Anteil ausmacht.

12.1. Die Rekursausführungen zu angeblichen sekundären Feststellungsmängeln gehen ins Leere, weil das Erstgericht ausreichende Feststellungen getroffen hat. Die diesbezüglichen Rekursausführungen bemängeln damit in Wahrheit nicht die Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen, sondern deren Inhalt. Damit bekämpfen die Rekursausführungen im Ergebnis aber lediglich die Beweiswürdigung des Erstgerichts. Fehler im Sinne des § 49 Abs 3 KartG werden damit von der Rekurswerberin nicht aufgezeigt.

12.2. Soweit die Antragstellerin rügt, das Erstgericht hätte Beweise zur Höhe der Kosten des Direktvertriebs aufnehmen müssen, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie diesbezüglich in erster Instanz keinen Beweisantrag gestellt hat. Beantragt wurde in der Tagsatzung vom 12. 10. 2017 lediglich „eine Überprüfung der Kostenstruktur der GDS‑Kosten, die der L*****‑Gruppe durch Ticketbuchungen entstehen, zum Beweis dafür, dass die DCC im Verhältnis zu den tatsächlichen Kosten der L***** überhöht ist“ (S 29 in ON 46). Damit bezog sich der Beweisantrag der Antragstellerin auf eine Überprüfung der GDS‑Kosten und gerade nicht der Kosten des Direktvertriebs. Mangels entsprechenden Vorbringens bzw entsprechender Antragstellung ist in der Unterlassung der Aufnahme von Beweisen durch das Kartellgericht keine die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung zu hindern geeignete Mangelhaftigkeit des Verfahrens zu erblicken (vgl 16 Ok 3/12; 16 Ok 8/08).

e) Das Gutachten von Ernst & Young

13.1. Unbedenklich ist auch, dass das Erstgericht das vorgelegte Kostengutachten von Ernst & Young berücksichtigte. Abgesehen davon, dass der Antragsteller selbst die Vorlage dieses Gutachtens begehrte, gibt es im Außerstreitverfahren keinen zwingenden Schluss der mündlichen Verhandlung; maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Sach‑ und Rechtslage ist vielmehr jener der Beschlussfassung durch das Gericht (vgl § 18 AußStrG). Zwischen der Urkundenvorlage der Antragsgegnerin vom 25. 10. 2017 und der Entscheidung des Kartellgerichts vom 7. 12. 2017 hätte die Antragstellerin ausreichend Zeit gehabt, weiteres Vorbringen zu erstatten. In ihrer am 25. 10. 2017 eingebrachten Stellungnahme behielt sich die Antragstellerin sogar noch ausdrücklich vor, auf die Urkundenvorlage der Antragsgegnerin gesondert zu replizieren. Wenn sie dies in weiterer Folge unterlassen hat, kann daraus kein Verfahrensmangel im Sinne des § 57 Z 4 AußStrG abgeleitet werden. Verfahrensmängel können nämlich nach ständiger Rechtsprechung immer nur Fehler des Gerichts, nicht auch solche der Parteien sein (E. Kodek in Rechberger, ZPO4 § 496 Rz 3 mwN).

13.2. Selbst wenn man in der Vorgangsweise des Erstgerichts eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin erblicken wollte, müsste diese im Rekurs Vorbringen dahingehend erstatten, was bei Gewährung rechtlichen Gehörs vorgebracht worden wäre und inwieweit dies Einfluss auf die Entscheidung gehabt hätte (Solé, Verfahren vor dem Kartellgericht Rz 289; Thyri, Kartellrechtsvollzug in Österreich Rz 670; Hainz‑Sator in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz2 § 49 Rz 21).

13.3. Die Rekursausführungen, das Kostengutachten von Ernst & Young sei aufgrund der Schwärzungen als Beweisgegenstand nicht tauglich, wendet sich gegen die Beweiskraft dieses Beweismittels, betrifft sohin eine Frage der Beweiswürdigung. Zur Überprüfung der Beweiswürdigung des Erstgerichts ist der Oberste Gerichtshof jedoch außerhalb des § 49 Abs 3 AußStrG nicht berufen. Im Übrigen kann entgegen den Rekursausführungen von einer „weitgehenden Schwärzung“ keine Rede sein, wurden doch auf insgesamt 11 Seiten lediglich einzelne Dokumentennamen sowie eine Zahl geschwärzt, ohne dass dies die Lesbarkeit und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens in irgendeiner Weise mindert.

13.4. Die Feststellungen des Erstgerichts zur Höhe der GDS‑Kosten konnten sich auf die Aussage eines Zeugen sowie auf das Ernst & Young Kostengutachten stützen. Die Frage, ob zur Gewinnung erforderlicher Feststellungen noch weitere Beweise notwendig sind, ist ein Akt der Beweiswürdigung, zu deren Überprüfung der Oberste Gerichtshof auch als Kartellobergericht nicht berufen ist (16 Ok 8/10).

13.5. Zudem kommt es auf die Höhe der Gesamtkosten im Direktvertrieb gar nicht an; inwiefern die von der Antragstellerin vermissten Feststellungen für die rechtliche Beurteilung von Bedeutung sein sollen, ist dem Rekurs auch nicht zu entnehmen. Insoweit ist der Rekurs daher auch nicht gesetzmäßig ausgeführt.

f) Zum margin squeeze

14. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen geht auch der Vorwurf eines margin squeeze (Kosten‑Preis‑Schere) ins Leere. Auch wenn man annehmen wollte, dass die Antragsgegnerin durch die Eröffnung eines Direkt‑Buchungsportals auf dem Sekundärmarkt mit den Reisebüros konkurriert, ist zu beachten, dass die Antragsgegnerin diese Buchungsplattform auch den Reisebüros zur Verfügung stellt. Damit steht es den Reisebüros frei, die DCC zu vermeiden. Im Ergebnis hat das Erstgericht daher auch das Vorliegen eines Preis‑ und Konditionenmissbrauchs im Sinne des § 5 Abs 1 Z 1 KartG verneint.

g) Zum NVG

15.1. Auch aus dem NVG ist für die Rekurswerberin nichts zu gewinnen. Das NVG enthält eine Reihe von Bestimmungen, die jenen des § 5 KartG inhaltlich entsprechen. Die darin geregelten Tatbestände des Ausbeutungs‑ und Diskriminierungsmissbrauchs haben jedenfalls insoweit selbständige Bedeutung, als sie verpöntes Verhalten nicht marktmächtiger Unternehmen näher konkretisieren (RIS‑Justiz RS0115242).

15.2. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 16 Ok 8/00 ausgesprochen, dass der österreichische Gesetzgeber mit § 2 Abs 1 NVG einen Spezialtatbestand geschaffen hat, der schon seinem Wortlaut nach für jeden, also nicht nur für marktmächtige Unternehmen, gilt. Demgemäß wurde in der Entscheidung 16 Ok 3/08 – gestützt auf § 2 NVG – einem Forstwirtschaftsunternehmen die Belieferung des Sägewerksunternehmens zu bestimmten vertraglich vereinbarten Preisen vorläufig untersagt (zu dieser Entscheidung Reidlinger/Nageler, Gleichbehandlungszwang für alle? Weg mit dem Nahversorgungsgesetz! ÖZK 2009, 47; vgl auch Urlesberger/Senatis, OGH verhilft dem Diskriminierungsverbot des NVG zu internationalem Durchbruch, ecolex 2009, 498).

15.3. Ist die Einhebung der DCC im Sinne des § 5 Abs 1 Z 3 KartG sachlich gerechtfertigt, so muss Gleiches auch für § 2 NVG gelten. Selbst wenn man die Reisebüros daher als „Wiederkäufer“ im Sinne des NVG betrachtete (ablehnend 16 Ok 8/05 – Nullprovisionen, wobei jedoch in dieser Entscheidung die Funktion von Reisebüros als Reiseveranstalter nicht Gegenstand war), wäre daraus für den Rechtsstandpunkt der Antragstellerin nichts zu gewinnen.

B. Zum Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss ON 58

a) Zur Zurechnung des Verhaltens der GDS

16.1. Die Antragsgegnerin wendet sich zunächst gegen die Zurechnung des Verhaltens der GDS, weil sie mit diesen keine „wirtschaftliche Einheit“ bilde und die GDS auch keine Erfüllungsgehilfen im Sinne des § 1313a ABGB seien.

16.2. Daraus ist jedoch für die Rekurswerberin nichts zu gewinnen. Das Erstgericht hat seine Entscheidung nämlich nicht auf eine Zurechnung des Verhaltens der GDS gestützt, sondern ausdrücklich auf das eigene Verhalten der Antragsgegnerin. Kartellrechtlich relevant ist nach zutreffender Auffassung des Erstgerichts das Unterlassen der Antragsgegnerin, die bestehende Preisdiskriminierung, die aufgrund eines Fehlers bei den GSD seit geraumer Zeit besteht, abzustellen.

16.3. Außerdem ist für eine eigene (Mit‑)Verantwortlichkeit für das Verhalten Dritter bereits ausreichend, dass jemand andere in enger Zusammenarbeit zur Verfolgung eigener Interessen einsetzt (vgl Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.04 § 1313a Rz 2). Dazu hat das Erstgericht festgestellt, dass sich die Antragsgegnerin der GDS beim Vertrieb ihrer Flugreiseleistungen bedient, die Systeme der Antragsgegnerin und der GDS sehr nahe beisammen liegen, das Preismanagement durch die Antragsgegnerin erfolgt und es eine enge Zusammenarbeit zwischen der Antragsgegnerin und den GDS gibt.

16.4. Der Verweis auf die angeblich starke Verhandlungsmacht der GDS ist nicht stichhaltig. Schon die Kündigung der full‑content‑Verträge im Vorfeld der Einführung der DCC zeigt, dass weder das behauptete Abhängigkeitsverhältnis der Antragsgegnerin gegenüber den GDS besteht noch deren Verhandlungsmacht so stark wäre, dass die Antragsgegnerin keinen Einfluss auf diese ausüben könnte. Auch ist nicht nachvollziehbar, welches Interesse die GDS an der Aufrechterhaltung interlokaler Preisunterschiede haben sollten, zumal sie daran nichts verdienen können.

16.5. Marktbeherrschende Unternehmen tragen eine besondere Verantwortung für die Gewährleistung unverfälschten Wettbewerbs. Sie dürfen ihre eigenen Interessen naturgemäß wahren, jedoch nur mittels marktkonformer Mittel (EuGH C‑280/08p, Deutsche Telekom; 16 Ok 43/05; EuG T‑219/99, British Airways). Daher hat die Antragsgegnerin dafür Sorge zu tragen, dass jene Wirtschaftsteilnehmer, derer sie sich bedient, um ihre Produkte zu vertreiben (GDS), dabei ebenfalls nicht dadurch wettbewerbswidrige Effekte herbeiführen, dass von den Reisebüros (als Abnehmern der Antragsgegnerin) diskriminierende Preise für gleiche Leistung verlangt werden.

16.6. Zutreffend hat das Kartellgericht auch darauf abgestellt, dass die Antragsgegnerin von der verpönten Preisdiskriminierung schon seit Jahren Kenntnis hat, aber keine wirksamen Handlungen gesetzt hat, eine solche Preisdiskriminierung zu beenden. Die Einrichtung einer weithin unbekannten Beschwerdestelle ist dafür ebenso wenig ein taugliches Mittel wie die Einrichtung einer seit Jahren ergebnislos tätigen Arbeitsgruppe.

b) Zur marktbeherrschenden Stellung

17.1. Zutreffend ging das Erstgericht davon aus, dass die Antragsgegnerin am sachlich und örtlich relevanten streckenspezifischen Markt für Flugleistungen von Graz nach Frankfurt marktbeherrschende Stellung hat, weil es keine anderen Anbieter gibt.

17.2. Die Antragsgegnerin stellt die Marktabgrenzung im Sinne des A‑Z‑Ansatzes nicht in Frage. Sie steht jedoch auf dem Standpunkt, dass sie (obwohl sie alleinige Fluganbieterin auf dieser Strecke ist) keine marktbeherrschende Stellung innehabe. Dem kann nicht gefolgt werden.

17.3. Nach § 4 Abs 1 Z 1 KartG ist ein Unternehmen marktbeherrschend, wenn es als Anbieter oder Nachfrager keinem oder nur nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist. Nach Auffassung der Europäischen Kommission ist bei der Prüfung einer marktbeherrschenden Stellung neben dem Wettbewerbsdruck aufgrund bereits bestehender Lieferungen bzw Leistungen von vorhandenen Wettbewerbern auch der Wettbewerbsdruck potentieller Wettbewerber zu berücksichtigen (Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz2 § 4 Rz 35).

17.4. Nach ständiger Rechtsprechung liegt Marktbeherrschung dann vor, wenn ein Unternehmen in der Lage ist, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf den relevanten Markt zu verhindern, indem es die Möglichkeit hat, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten (RIS‑Justiz RS0110205; 16 Ok 4/08). Ein Unternehmen, das über einen längeren Zeitraum seine Preise gewinnbringend über den Wettbewerbspreisen festsetzen kann, ist keinem ausreichend wirksamen Wettbewerbsdruck ausgesetzt und kann daher im Allgemeinen als marktbeherrschend eingestuft werden. Marktbeherrschung liegt insbesondere dann vor, wenn ein Unternehmen auf einem bestimmten Markt Monopolist ist, seine Waren oder Leistungen also als einziges anbietet oder als einziger Abnehmer nachfragt (Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz2 § 4 Rz 35 f; Gugerbauer, Kartellgesetz und Wettbewerbsgesetz3 § 4 KartG Rz 23 f).

17.5. Die Entscheidung der Europäischen Kommission im Fusionskontrollverfahren L*****‑Austrian Airlines steht dem nicht entgegen. Nach dieser Entscheidung bestünden in Bezug auf die Flugstrecke Graz‑Frankfurt wie auch für diverse andere Flugstrecken, die ausschließlich von L***** bedient werden, keinerlei wettbewerbliche Bedenken. Diese Entscheidung lässt sich jedoch nicht ohne weiteres auf den Marktmissbrauch übertragen. Zudem stammt die Entscheidung der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2009. Zwischenzeitig hat sich gezeigt, dass der von der Europäischen Kommission angenommene potentielle Wettbewerb auf bestimmten Strecken keine Wirkung zeigt und es zu keinerlei Markteintritten kam. Die Antragsgegnerin vermag auch keine „potentiellen Wettbewerber“ anzuführen, die auf dieser Strecke ihre Marktmacht beschränken würden. Wenn jahrelang auf einer Strecke wie Graz-Frankfurt überhaupt kein Wettbewerb stattfindet, gibt es für die Annahme bestehenden oder potentiellen Wettbewerbs keine Grundlage.

17.6. Die Entscheidung des Bundeskartellamts vom 4. 9. 2004 (B 9‑56/09, TUIfly/Air Berlin) lässt sich auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragen, wurde dort doch auf den betreffenden Strecken ausdrücklich hinreichend Wettbewerb festgestellt. Die Entscheidung des EuG im Fall Niki Luftfahrt‑Kommission (EuG 13. 5. 2014, T‑162/10 Rz 239) betrifft nicht die Monopolstellung der L***** auf der Strecke Graz‑Frankfurt, sondern die Erfüllung des Tatbestands der Punkte 68 ff der Leitlinien von 2004, sohin die Prognose, ob das Angebot des aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmens die gesamte Nachfrage auf den von den anmeldenden Parteien dominierten Strecken abdecken werde.

17.7. Soweit die Rekurswerberin argumentiert, die Vermutung des § 4 Abs 2 Z 1 KartG könne widerlegt werden, trifft dies zwar grundsätzlich zu; die Antragsgegnerin hat jedoch keinerlei Vorbringen erstattet, das eine derartige Widerlegung begründen könnte. Bloße abstrakte Aussagen darüber, dass hohe Marktanteile auf bestimmten Märkten nicht unbedingt zu einer marktbeherrschenden Stellung führten, können ein entsprechendes konkretes Vorbringen, das für eine Widerlegung der Vermutung des § 4 Abs 2 Z 1 KartG erforderlich wäre, nicht ersetzen.

17.8. Auch der behauptete Begründungsmangel liegt nicht vor. Ein Begründungsmangel nach § 57 Z 1 AußStrG liegt nur dann vor, wenn die Fassung des Beschlusses so mangelhaft ist, dass seine Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann, der Beschluss mit sich selbst im Widerspruch steht oder keine Begründung enthält. Diese Begründungsmängel entsprechen im Wesentlichen dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO (RIS‑Justiz RS0121710; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 57 Rz 14). Ein derartiger Begründungsmangel liegt nur bei völligem Fehlen einer Begründung, nicht aber bei einer unrichtigen oder unzureichenden Begründung vor (16 Ok 7/11; 16 Ok 8/13; RIS‑Justiz RS0007484; Kodek aaO § 57 Rz 16).

17.9. Entgegen den Rekursausführungen hat das Erstgericht Feststellungen zur Marktabgrenzung im Sinne des A‑Z‑Ansatzes getroffen, wobei sich das Erstgericht auf die Beurteilung des Sachverständigen stützen konnte. Die Feststellung, wonach die Antragsgegnerin die einzige Anbieterin für die Flugstrecke Graz‑Frankfurt ist, begründete das Kartellgericht durch Verweis auf eine Beilage. Der Vorwurf, das Erstgericht habe kein Beweisverfahren durchgeführt bzw seine Feststellungen nicht begründet, geht daher ins Leere.

17.10. Im Hinblick auf das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des Art 102 AEUV bzw § 4 Abs 1 KartG kommt es auf die Frage einer relativen Marktmacht nach § 4 Abs 3 KartG nicht gesondert an, weil diese bereits von Art 102 AEUV umfasst ist. Die relative Marktmacht wird nämlich unter dem Kriterium der Unternehmensstruktur berücksichtigt (Bulst in Langen/Bunte, Kartellrecht II12 Art 102 AEUV Rz 60). Demnach liegt eine Abhängigkeit von Abnehmern von dem fraglichen Unternehmen vor, wenn sie auf dieses wirtschaftlich angewiesen sind (essential trading partner). Ein von der Marktgegenseite nicht zu übergehender Geschäftspartner ist definitionsgemäß marktbeherrschend (Bulst in Langen/Bunte, Kartellrecht II12 Art 102 Rz 60; EuGH 13. 2. 1979, C‑85/76, Hoffmann‑La Roche/Kommission Rz 4; EuG 17. 12. 2003, T‑219/99, British Airways). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall zweifellos erfüllt.

17.11. Aus der Entscheidung 16 Ok 8/05 ist für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen, weil diese Entscheidung die Funktion der Reisebüros als Reiseveranstalter bei Pauschalreisen nicht berücksichtigt hat.

c) Zum Vorliegen eines Missbrauchs

18.1. Der persönliche Schutzbereich des § 5 Abs 1 Z 3 KartG umfasst Vertragspartner des marktbeherrschenden Unternehmens. Vertragspartner sind all jene Unternehmen, mit denen das beherrschende Unternehmen als Käufer oder Verkäufer in Geschäftsbeziehungen tritt (so zu Art 102 Abs 2 lit c AEUV, Eilmansberger/Bien in MünchKomm Kartellrecht I2 Art 102 AEUV Rz 274). Dabei sind nicht bloß mittelbare Vertragspartner erfasst, sondern alle Unternehmen, die auf einer vor‑ oder nachgelagerten Wirtschaftsstufe tätig sind (Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz2 § 5 Rz 51).

18.2. Unzutreffend ist der Einwand, Reisebüros seien keine auf der nachgelagerten Wirtschaftsstufe stehenden Abnehmer der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin übersieht nämlich die Funktion der Reisebüros als Reiseveranstalter bei Pauschalreisen. In diesen Fällen kaufen Reisebüros ein gewisses Kontingent an Flugtickets und tragen das Risiko, dass diese nicht weiter verkauft werden können. Dieses Risiko kann zwar durch Stornobedingungen je nach Vereinbarung abgestuft sein; ein gewisses Eigenrisiko der Reisebüros bleibt jedoch.

18.3. Im Übrigen sind auch bloße Vermittler als Handelspartner im Sinne des Art 102 AEUV zu verstehen (Europäische Kommission 20. 10. 2004, Comp 38.745, BDKET Rz 91 f; Bulst in Langen/Bunte, Kartellrecht II12 Art 102 AEUV Rz 208). Demgemäß hat der EuGH auch bereits entschieden, dass Reisevermittler den Begriff des Handelspartners erfüllen (EuGH 15. 3. 2007, C‑95/04p, British Airways Rz 133 ff). Zutreffend hat das Erstgericht daher Reisebüros nicht nur aufgrund ihrer Funktion als Reiseveranstalter, sondern auch als Reisevermittler unter den Begriff Vertragspartner bzw Handelspartner der Antragsgegnerin im Sinne des Art 102 lit c AEUV bzw § 5 Abs 1 Z 3 KartG angesehen.

19.1. Eine Diskriminierung gemäß § 5 Abs 1 Z 3 KartG scheidet aus, wenn die unterschiedlichen Bedingungen sachlich gerechtfertigt sind (Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz2 § 5 Rz 52). Als Rechtfertigungsgründe kommen vor allem unterschiedliche Produktions‑, Transport‑ und Vermarktungskosten in Betracht (Reidlinger/Hartung, Kartellrecht3 137; Schröter/Bartl in Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbs-recht2 Art 102 AEUV Rz 250). Derartige Gründe sind im vorliegenden Fall jedoch nicht ersichtlich.

19.2. Der Umstand, dass Fehler im System der GDS unter Umständen auch zugunsten der österreichischen Kunden ausfallen könnten, vermag daran nichts zu ändern. Im Übrigen handelt es sich dabei um eine bloß theoretische Möglichkeit, die nicht durch konkrete erstgerichtliche Feststellungen gedeckt ist.

20. Das weitere Argument der Antragsgegnerin, dass ohnehin alle österreichischen Reisebüros von der verpönten Diskriminierung betroffen seien, ändert nichts an der Diskriminierung, sondern zeigt lediglich deren Umfang auf. Das Vorbringen des Antragstellers zielt gerade nicht auf die Diskriminierung zwischen Kunden verschiedener österreichischer Reisebüros, sondern zwischen Kunden, die ihre Buchungen in unterschiedlichen Ländern durchführen. Im Übrigen trifft das Argument der Antragsgegnerin auch deshalb nicht zu, weil größere Reisebüros mit Niederlassungen in verschiedenen europäischen Ländern das Preissystem der Antragsgegnerin ausnützen und über ihre Niederlassungen die gewünschten Flugtickets in unterschiedlichen Ländern kaufen. Damit werden größere Reisebüros mit Niederlassungen in verschiedenen europäischen Ländern bevorzugt; ein österreichisches Reisebüro ohne solches Filialnetz verfügt über diese Möglichkeit nicht.

d) Zur Verordnung (EG) Nr 1008/2008

21.1. Die Verordnung (EG) Nr 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (vgl dazu Pegatzky/Rockstroh, Die Reform des europäischen Luftverkehrsrechts durch die Verordnung (EG) Nr 1008/2008, ZLW 2009, 541) betont das Verbot von Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Orts der Niederlassung des Reisebüros. Nach Art 23 Abs 2 leg cit muss „der Zugang zu den der Öffentlichkeit zugänglichen Flugpreisen und Luftfrachtraten für Flugdienste von einem Flughafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, auf das der Vertrag Anwendung findet, ohne Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnorts des Kunden oder des Niederlassungsorts des Bevollmächtigten des Luftfahrtunternehmens oder sonstiger Flugscheinverkäufer innerhalb der Gemeinschaft gewährt“ werden. „Öffentlich zugängliche Flugpreise“ im Sinne des Art 23 leg cit sind insbesondere jene, die im Internet veröffentlicht werden (Pegatzky/Rockstroh aaO ZLW 2009, 563 f).

21.2. Die explizite Normierung dieses Verbots in Art 23 Abs 2 Verordnung (EG) Nr 1008/2008 ändert nichts daran, dass die Handlung bereits aufgrund der Missbrauchstatbestände des Art 102 AEUV bzw § 5 KartG als rechtswidrig zu qualifizieren sind, ist Art 23 Abs 2 leg cit doch keine abschließende Regelung. Es kann nicht unterstellt werden, dass der europäische Verordnungsgeber hier den im Missbrauchsverfahren sonst offenstehenden Individualrechtsschutz einschränken wollte. Aus dem selben Grund ist auch die Möglichkeit der Verhängung einer Verwaltungsstrafe nach § 169 Abs 1 Z 3 lit a LuftfahrtG keine abschließende Regelung (16 Ok 13/08 = OZK 2009, 156 [Fischer]; 16 Ok 11/04 = ecolex 2005, 301 [Primayer]).

e) Zur Formulierung des Abstellungsauftrags

22.1. Nicht gefolgt werden kann dem Rekurs der Antragsgegnerin, wonach der Spruch der angefochtenen Entscheidung nicht ausreichend bestimmt sei. Dabei stützt sich die Antragsgegnerin auf die Entscheidung 16 Ok 20/04. In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof die Abstellung von „Diskriminierung bei der Vergabe von Filmkopien, bei Konditionen und bei Werbung, diskriminierende Geschäftspolitik, Intransparente Filmvergabe, Konditionenmissbrauch und Boykott bzw Aufruf zum Boykott“ als nicht ausreichend bestimmt beurteilt. Dies lässt sich auf den vorliegenden Sachverhalt jedoch nicht übertragen.

22.2. Die Behauptung der Antragsgegnerin, der Abstellungsauftrag enthalte „völlig unbestimmte Begriffe“, wodurch das konkret von der Antragsgegnerin gesetzte und künftig zu unterlassende missbräuchliche Verhalten nicht hinreichend klar zum Ausdruck komme, ist lediglich eine Schutzbehauptung. Der Begriff „in Österreich befindlich“ ist schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch völlig eindeutig. Auch die Formulierung „gleichwertige Buchungsanfragen“ ist im konkreten Kontext zweifellos dahin zu verstehen, dass darunter idente Buchungsanfragen zu verstehen sind, die zum selben Zeitpunkt von zwei unterschiedlichen Ländern aus getätigt werden.

22.3. Die Wendung „unterschiedliche Preise und Konditionen“ ist im Zusammenhalt mit dem Kontext und der Begründung des angefochtenen Beschlusses ausreichend bestimmt. Im Hinblick auf die deutliche Formulierung, wonach der Antragsgegnerin untersagt wird, „[…] höhere Preise zu verlangen“, ist auch klargestellt, dass das Verbot nicht umfasst, österreichischen Reisebüros günstigere Preise anzubieten. Die diesbezügliche Argumentation der Rekurswerberin geht daher ebenso ins Leere wie ihre Behauptung, der Begriff „Konzerngesellschaften“ sei unklar.

23.1. Berechtigt ist der Rekurs jedoch, soweit er sich gegen die Reichweite des ausgesprochenen Unterlassungsgebots wendet.

23.2. Nach der Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission umfassen Unterlassungsaufträge neben dem von den Unternehmen konkret gesetzten Verhalten oft auch Maßnahmen mit gleicher oder ähnlicher Wirkung (de Bronett, Europäisches Kartellverfahrensrecht² Art 7 VO 1/2003 Rz 10; Bechtold/Bosch/Brinker, EU‑Kartellrecht³ Art 7 VO 1/2003 Rz 14; Breit in Schröter/Jakob/Klotz/Mederer, Europäisches Wettbewerbsrecht² Art 7 VO 1/2003 Rz 10).

23.3. Nach völlig herrschender Lehre und Rechtsprechung zum UWG darf die Bestimmtheit des Unterlassungsbegehrens grundsätzlich nicht allzu streng beurteilt werden, weil es praktisch unmöglich ist, alle nur denkbaren Eingriffshandlungen zu beschreiben. Eine gewisse allgemeine Fassung des Unterlassungsgebots ist daher schon deshalb notwendig, um Umgehungen nicht allzu leicht zu machen. Daher ist ein Begehren auf Verurteilung zur Unterlassung „ähnlicher“ oder „derartiger“ Störungen oder eine allgemeinere Fassung der tatsächlich erfolgten Störung im Titel zulässig (Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG2 § 14 Rz 133 mwN).

23.4. In der Entscheidung 16 Ok 11/03 übernahm der Oberste Gerichtshof zunächst die Rechtsprechung zum Lauterkeitsrecht. Demnach sei das Bestimmtheitsgebot bei Unterlassungsbegehren nicht allzu streng auszulegen. Dies habe auch für die kartellgerichtlichen Abstellungsaufträge zu gelten. Ausgehend davon sei auch die Anordnung es zu unterlassen, Schnurlosendgeräte zu verkaufen, die den Anschein erwecken, dass der Verbindungsnetzbetrieb gesperrt sei, als ausreichend bestimmt anzusehen.

23.5. Nach neuerer Rechtsprechung ist im Kartellverfahren eine enge, am konkreten missbräuchlichen Verhalten orientierte Fassung des Unterlassungsgebots angebracht (16 Ok 11/04, „TikTak-Tarif“; 16 Ok 13/08 = SZ 2009/5, Kombipaket). Dies wird damit begründet, dass kartellrechtliche Abstellungsaufträge empfindlich in die unternehmerische Handlungsfreiheit eingreifen und Verstöße gegen einen Abstellungsauftrag mit hohen Geldbußen geahndet werden können (§ 29 Z 2 KartG). Angesichts der nahezu grenzenlosen Vielfalt der einem Unternehmen offenstehenden Verhaltensweisen ist es ausgeschlossen, jede nur denkbare Variante – sei sie auch noch so geringfügig – eines festgestellten missbräuchlichen Verhaltens in den Spruch eines Abstellungsauftrags aufzunehmen und ihn damit „umgehungsfest“ zu fassen. Dem Verpflichteten kann daher nur jenes Verhalten untersagt werden, das er auf dem betroffenen Markt bereits an den Tag gelegt hat. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Gegenstand des Abstellungsauftrags so unbestimmt gefasst wäre, dass der Rechtsstreit in Wahrheit vor die Exekutionsgerichte verlagert wird (vgl dazu RIS‑Justiz RS0000878 [T10]; 3 Ob 117/17b uva), die nicht zur Klärung kartellrechtlicher Fragen berufen sind (16 Ok 11/04, TikTak‑Tarif mwN; 16 Ok 13/08).

23.6. Für die grundsätzliche Beschränkung der Untersagung auf bereits konkret gesetzte Verstöße spricht auch, dass dem Kartellrecht – im Gegensatz zum Lauterkeitsrecht – vorbeugende Unterlassungsklagen zur Verhinderung künftigen verbotswidrigen Verhaltens fremd sind (16 Ok 7/02, Styropor; 16 Ok 13/08; Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz² § 26 Rz 24). Dies schließt freilich eine weitere Fassung des Spruchs im Sinne der im Vorigen wiedergegebenen Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission nicht aus, sofern der Inhalt des Verbots und die rechtliche Gleichwertigkeit der mitverbotenen Verhaltensweisen keinem Zweifel unterliegen kann.

23.7. Daraus ist für den Rechtsstandpunkt des Antragstellers im vorliegenden Verfahren jedoch nichts zu gewinnen:

Nach der A‑Z‑Abgrenzung ist der hinsichtlich des Spruchpunkts I.2 relevante Markt bloß die Strecke Graz‑Frankfurt. Nur hinsichtlich dieses Markts wurde Marktherrschaft und ein Verstoß gegen § 5 Abs 1 Z 3 KartG festgestellt. Zu den vom Wortlaut des Abstellungsantrags umfassten weiteren Strecken hat das Erstgericht diesbezüglich trotz aktenmäßiger Anhaltspunkte (vgl die Aufstellung Beilage ./L) bisher keine Feststellungen getroffen. Wenngleich die Antragsgegnerin auf einigen weiteren Strecken alleinige Fluganbieterin ist (so etwa für die Strecke Wien‑München), ist auf dieser Grundlage wegen der Notwendigkeit, auch den potentiellen Wettbewerb zu berücksichtigen, eine abschließende rechtliche Beurteilung noch nicht möglich. Bei Flugstrecken mit geringeren Marktanteilen (so besteht auf der Strecke Wien‑Gran Canaria ein Marktanteil von bloß 50 %) ist die diesbezügliche Beurteilung noch schwieriger.

23.8. Insoweit war dem Rekurs daher im Sinne des Eventualantrags teilweise Folge zu geben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über den Abstellungsantrag mit Ausnahme der Strecke Graz‑Frankfurt aufzutragen. Dabei wird das Erstgericht im Sinne des § 182a ZPO (iVm § 14 AußStrG und § 38 KartG) die Fassung des Unterlassungsgebots mit den Parteien zu erörtern und die Antragstellerin zu einer Präzisierung ihres Antrags anzuhalten haben (vgl 16 Ok 6/00 = SZ 73/153; 16 Ok 14/04, Styria Media AG; 16 Ok 8/08; 16 Ok 13/08), ist derzeit doch nicht ersichtlich, auf welche konkreten anderen Strecken sich dieser Antrag bezieht.

23.9. Dass die Antragstellerin die Verwendung unterschiedlicher Preise auf der Strecke Graz‑Frankfurt bekämpft, kann im Hinblick auf den Gesamtzusammenhang ihrer Antragsausführungen keinen Zweifel unterliegen. Insoweit konnte daher das Unterlassungsbegehren mit Teilentscheidung (vgl Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht Rz 239) abschließend erledigt werden.

f) Leistungsfrist

24.1. Die Antragsgegnerin fordert überdies die Einräumung einer sechsmonatigen Leistungsfrist. Diesbezüglich verweist sie auf die Rechtsprechung zu einer Verpflichtung zur Änderung allgemeiner Geschäftsbedingungen (vgl 9 Ob 7/15t). Auch in kartellrechtlichen Verfahren seien bereits angemessene Leistungsfristen zuerkannt worden (16 Ok 13/08 = OZK 2009, 156 [Fischer]). In dieser Entscheidung wurde eine Leistungsfrist jedoch bloß deshalb gewährt, um eine entsprechende Disposition der Kunden zu ermöglichen, die eine lückenlose Telekommunikationsversorgung und Beibehaltung ihrer Rufnummer gewährleistet (16 Ok 13/08 Pkt 3.28).

24.2. Zutreffend verweist die Antragsgegnerin darauf, dass der Abstellungsauftrag (auch) die Verpflichtung zu einem aktiven Tun beinhaltet, nämlich für die zukünftige Vermeidung einer Preisdiskriminierung durch die GDS zu sorgen. Insoweit erscheint daher die Einräumung einer angemessenen Leistungsfrist (vgl schon 16 Ok 13/08) grundsätzlich sachgerecht.

24.3. Der Oberste Gerichtshof hat zwischenzeitig in einer eingehend begründeten Entscheidung zur Notwendigkeit einer Leistungsfrist für das Sich‑Berufen auf unzulässige Klauseln Stellung genommen (9 Ob 82/17z; ebenso 6 Ob 56/18f). Demnach ist die Frage, ob hier eine Leistungsfrist einzuräumen ist, nicht generell nach dem Alles‑oder‑Nichts‑Prinzip zu beantworten. Vielmehr kann es Klauselwerke geben, die ein sofortiges Abstandnehmen von einem Sich‑darauf‑Berufen erlauben und zur Umsetzung dieses Unterlassungsgebots keine weiteren aktiven Vorkehrungen erfordern. Ebenso kann es aber Klauselwerke geben, die sehr wohl bestimmter betrieblicher und/oder organisatorischer Maßnahmen bedürfen, um zu verhindern, dass sie weiter der Gestion von Altverträgen zugrunde gelegt werden. Im vom 9. Senat zu beurteilenden konkreten Fall waren Gründe, warum das Unterlassungsgebot bezüglich der dort beurteilten Klauseln keiner oder einer anderen Umsetzungsfrist bedürften, nicht ersichtlich, zumal die Klauseln auch abrechnungsrelevante Entgeltbemessungen beträfen, deren Außerachtlassung einer Systemanpassung bedürfen werden.

24.4. Diese Überlegungen lassen sich auf den vorliegenden Fall übertragen. In Anbetracht des Umstands, dass für eine Behebung der angezeigten unterschiedlichen Preise eine Mitwirkung der GDS erforderlich ist und dazu auch technische Maßnahmen notwendig sein werden, die (wie die Ergebnisse der bisherigen Arbeitsgruppe zeigen) offenbar nicht ganz einfach zu bewerkstelligen sind, ist eine Leistungsfrist von sechs Monaten angemessen. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass der Antragsgegnerin der Fehler schon längere Zeit bekannt war, sodass sie daher schon Gelegenheit hatte, entsprechende Vorbereitungsschritte zu dessen Beseitigung zu setzen.

C. Zum Rekurs gegen den Beschluss ON 61

25. Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass voll inhaltlich darauf verwiesen werden kann (§ 60 Abs 2 AußStrG).

26.1. § 25 Abs 3 GebAG, wonach der Sachverständige, wenn seine Tätigkeit aus seinem Verschulden unvollendet geblieben ist, keinen, sonst nur einen Anspruch auf die seiner unvollendeten Tätigkeit entsprechende Gebühr hat, bezieht sich nicht auf eine inhaltliche Unvollständigkeit, sondern auf eine verfahrensrechtliche Unvollständigkeit der Sachverständigentätigkeit (Krammer/Schmidt, Sachver-ständigenG³ § 25 E 83).

26.2. Von einer Unvollständigkeit im Sinne des Gesetzes kann jedenfalls nicht gesprochen werden, wenn der Sachverständige – wie im vorliegenden Fall – eine zunächst im Gutachtensauftrag erwähnte Frage in der Folge in Abstimmung mit dem Gericht nicht beantwortet, weil sie sich als nicht erforderlich erweist. Der Sachverständige wies im Gutachten darauf hin, dass eine Abgrenzung der Märkte hinsichtlich der Preisdiskriminierung den Kostenvoranschlag überschreiten würde. Das Erstgericht hat dies akzeptiert und das eingeholte Gutachten seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Im Übrigen hat das Erstgericht dem Sachverständigen Gebühren ohnedies nur für die erbrachten Leistungen zugesprochen.

27.1. Entgegen den Rekursausführungen liegt auch keine Verletzung der Warnpflicht des Sachverständigen (§ 25 GebAG) vor. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Warnpflicht nach dieser Gesetzesstelle auch im kartellrechtlichen Verfahren zur Anwendung kommt (16 Ok 7/10). Im vorliegenden Fall haben die letztlich verrechneten Kosten jedoch bloß 47.000 EUR betragen, obwohl im Kostenvoranschlag 60.000 EUR veranschlagt waren. Schon weil die veranschlagten Kosten nicht überschritten wurden, war eine Warnung durch den Sachverständigen nicht erforderlich.

27.2. Im Übrigen geht der Antragsteller diesbezüglich von unzutreffenden Prämissen aus: Dass die nähere Untersuchung der Marktabgrenzung auch für Punkt I.2 des Abstellungsauftrags die Hälfte der veranschlagten Kosten ausgemacht hätte, ist eine durch nichts belegte bloße Annahme des Rekurswerbers. Hier verweist der Sachverständige nachvollziehbar darauf, dass die durchgeführten Erhebungen auch für die zurückgestellte Frage der Marktabgrenzung herangezogen werden hätten können.

28. Allfällige behauptete Mängel des Gutachtens sind im Gebührenbemessungsverfahren nicht zu prüfen. Im Rahmen der Gebührenbemessung ist nicht über Schlüssigkeit, Beweiskraft, Tauglichkeit und Nachvollziehbarkeit eines Gutachtens abzusprechen (Krammer/Schmidt, SachverständigenG³ § 25 GebAG E 101). Das Gutachten ist im Gebührenbemessungsverfahren daher auch nicht auf seine inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen (Krammer/Schmidt, SachverständigenG³ § 25 GebAG E 102, 103). Der Sachverständige hätte sogar dann Anspruch auf Gebühren, wenn ihm ein Fehler unterlaufen wäre (Krammer/Schmidt, SachverständigenG³ § 25 GebAG E 106), sofern das Gutachten nicht völlig unbrauchbar in dem Sinne ist, dass eine Erfüllung des Auftrags des Gerichts gar nicht zu erkennen ist (Krammer/Schmidt, SachverständigenG³ § 25 GebAG E 108).

29. Ob vom Sachverständigen über Auftrag des Gerichts untersuchte Fragen letztlich für die Entscheidung von Bedeutung sind oder nicht, spielt für den Gebührenanspruch keine Rolle. Im Übrigen verweist der Sachverständige nachvollziehbar darauf, dass die Unerheblichkeit der zunächst vorgenommenen Marktabgrenzung zunächst noch nicht abzusehen war.

30. Bedenken im Sinne des § 49 Abs 3 AußStrG gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts vermag die Rekurswerberin nicht darzutun. Nach ständiger Rechtsprechung sind die Angaben eines gerichtlich beeideten Sachverständigen über den Zeitaufwand solange als wahr anzunehmen, als nicht das Gegenteil bewiesen wird (Krammer/Schmidt, Sachverständigen‑ und Dolmetschergesetz3 § 34 GebAG E 209). Dabei handelt es sich um eine Tatfrage (Krammer/Schmidt, Sachverständigen‑ und Dolmetschergesetz3 § 34 GebAG E 208). Wenn das Erstgericht ausgeführt hat, es bestehe keinerlei Anlass, die vom Sachverständigen vorgelegten Stundenabrechnungen in Zweifel zu ziehen, so unterläge dies nur nach Maßgabe des § 49 Abs 3 AußStrG einer Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof. Die diesbezüglichen Rekursausführungen bringen Bedenken im Sinne der zitierten Gesetzesstelle jedoch nicht zur Darstellung. Die eigenen Sachverhaltsspekulationen der Rekurswerberin lassen den Bezug auf den konkreten Akteninhalt, wie in § 49 Abs 3 AußStrG erfordert, vermissen. Im Übrigen verweist der Sachverständige nachvollziehbar darauf, dass der Zeitaufwand gerade durch das Verlangen des Antragstellers, auf alle von ihm vorgelegten Beilagen explizit einzugehen, erheblich vergrößert wurde.

31. Zusammenfassend erweist sich der angefochtene Beschluss daher als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Rekurs ein Erfolg zu versagen war.

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