European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00055.24Y.0911.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Suchtgiftdelikte
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wirddas angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der vom Schuldspruch umfassten Taten nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG und nach § 28a Abs 4 Z 1 SMG, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), sowie im Verfallsausspruch aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * N* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 1 und 3 SMG schuldig erkannt.
[2] Danach hat sie vom 23. Mai 2020 bis zum 7. Juni 2021 in W* (in auf den US 10 bis 16 im Einzelnen beschriebenen Fällen) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, nämlich eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet war, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz ausgeführt werden, und der neben ihr unter anderem die abgesondert verfolgten * Z*, * B*, * R*, * M* und * Be* sowie der „UT Br*“ angehörten, vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich insgesamt 273.920 Gramm Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgrad von 11,18 % THCA und 0,85 % Delta-9-THC sowie 2.760 Gramm Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgrad von zumindest 64,01 % Cocain, in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen (§ 12 erster Fall StGB) und andere Personen dazu bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), die jeweils gewünschten Suchtgiftmengen an Dritte zu übergeben.
[3] Nach § 20 Abs 1 und 3 StGB wurden 60.304 Euro für verfallen erklärt.
Rechtliche Beurteilung
[4] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.
Zum berechtigten Teil der Nichtigkeitsbeschwerde:
[5] Nach den Feststellungen des Erstgerichts ist die Angeklagte bisher gerichtlich unbescholten (US 7).
[6] Die Subsumtionsrüge (Z 10) zeigt zutreffend auf, dass schon diese Konstatierung einer Subsumtion nach § 28a Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 1 SMG entgegensteht.
[7] Im Recht ist auch die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall iVm Z 5 [richtig] vierter Fall), soweit sie einwendet, dass das Erstgericht die den Verfallsbetrag determinierende Urteilsannahme, wonach die Angeklagte „zu ihrer persönlichen Verwendung […] insgesamt sohin 60.304 Euro“ erhielt (US 17), mit dem Verweis (US 24) auf die in der Hauptverhandlung getätigten Angaben der Angeklagten offenbar unzureichend begründet habe. Die Urteilsannahme findet nämlich in der Verantwortung der Angeklagten, wonach sie kein Geld bekommen, sondern die Schulden ihres Ex‑Lebensgefährten abgearbeitet und die jeweiligen Beträge auf einer Liste abgestrichen habe (dazu ON 87.2 S 4 ff, 8, 31, 55), keine Deckung (zum Begriff des Erlangens siehe RIS‑Justiz RS0129964).
[8] Die aufgezeigten Fehler führten – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO).
[9] Ein Eingehen auf das weitere die Qualifikationstatbestände betreffende Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde erübrigt sich.
Im Übrigen ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht berechtigt:
[10] Vor dem Eingehen auf das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) ist – mit Blick auf die in der Urteilsausfertigung anders verwendeten Rechtsbegriffe – bezüglich der Täterschaftsformen klarzustellen:
[11] Unmittelbarer Täter (§ 12 erster Fall StGB) ist, wer eine dem Wortlaut des Tatbestands entsprechende Ausführungshandlung setzt (RIS‑Justiz RS0117320 [T1]). Für die Begründung der Mittäterschaft ist der Umstand wesentlich, dass der einzelne Täter – im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit mindestens einem anderen – eine dem Tatbild entsprechende Ausführungshandlung setzt (RIS‑Justiz RS0089835 [T1]).
[12] Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB ist, wer vorsätzlich einen anderen zur Ausführung einer strafbaren Handlung veranlasst, also den Anstoß zur Tatausführung durch einen anderen gibt (RIS‑Justiz RS0089717).
[13] Beitragstäterschaft (§ 12 dritter Fall StGB) erfordert ein für den Tatablauf kausales Verhalten, das die Ausführung der strafbaren Handlung durch einen anderen ermöglicht, erleichtert, absichert oder in anderer Weise fördert (RIS‑Justiz RS0090508).
[14] Überlassen von Suchtgift im Sinn (des § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG und) des § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG setzt die Weitergabe an einen „anderen“, also eine vom Täter verschiedene Person voraus und besteht in der Übertragung der Verfügungsgewalt über das Suchtgift durch den Täter an eine andere Person, die vorher noch keinen Gewahrsam an der Substanz hatte (RIS‑Justiz RS0132558, Schwaighofer in WK2 SMG § 27 Rz 39).
[15] Mitgliedschaft an derselben kriminellen Vereinigung begründet nicht per se (von Anfang an bestehenden) Mitgewahrsam, der die Möglichkeit wechselseitigen Überlassens ausschlösse (RIS‑Justiz RS0088010 [T8]). Erlangt bei einem von mehreren Mitgliedern einer kriminellen Vereinigung betriebenen Suchtgiftankauf vorerst nur eines der Mitglieder Gewahrsam am Suchtgift, so stellt auch die Abgabe eines angekauften Suchtgifts an ein anderes Mitglied der kriminellen Vereinigung ein Überlassen im Sinn (des § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG und) des § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG dar (RIS‑Justiz RS0115882 [insbesondere T9], jüngst 13 Os 24/24i; Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 27 SMG Rz 18).
[16] Nach den Feststellungen des Erstgerichts hatte vor den Suchtgiftübergaben keiner der von der Angeklagten oder von Dritten Suchtgift übernehmenden Personen Gewahrsam am Suchtgift (dazu US 10 bis 16). Demzufolge liegt auf der Basis des – im Übrigen mit dem Referat der entscheidenden Tatsachen in Bezug auf die Tathandlung der Übergabe oder der Bestimmung zur Übergabe von Suchtgift teilweise nicht übereinstimmenden – Urteilssachverhalts nicht Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall StGB, sondern in jenen Fällen, in denen die Angeklagte das Suchtgift selbst übergeben hat (A 4, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 20, 22, 23, 24, 25, 27, 28, 30, 31 und 33; B 1, 2, 3 und 5), unmittelbare Täterschaft nach § 12 erster Fall StGB und in jenen Fällen, in denen sie die Übergabe von Suchtgift durch einen anderen veranlasst hat (A 1, 3, 5, 6, 7, 9, 19, 20, 21, 26, 28 und 32), Täterschaft durch Bestimmung nach § 12 zweiter Fall StGB vor.
[17] Dass das Erstgericht hier verfehlt teils von Beitragstäterschaft (§ 12 dritter Fall StGB) ausgegangen ist, kann mit Blick auf die Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen (RIS‑Justiz RS0117604, RS0089433 und RS0090765) dahinstehen.
[18] Soweit die Mängelrüge (Z 5) einwendet, „um eine Beitragshandlung setzen zu können, muss es aber eine Tat eines unmittelbaren Täters geben“, stellt sie keinen Bezug zum Ausspruch über eine entscheidende Tatsache her (dazu RIS‑Justiz RS0117264 und RS0106268).
[19] Die Herleitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 16) aus dem objektiven Tatgeschehen (US 23) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) keineswegs zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0098671 und RS0116882).
[20] Die Kritik behaupteter Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der Feststellungen zur inneren Tatseite verfehlt mangels Orientierung an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (US 23 f) die prozessordnungsgemäße Darstellung (RIS‑Justiz RS0119370).
[21] In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten daher – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[22] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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