BVwG W144 2017523-1

BVwGW144 2017523-118.10.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W144.2017523.1.00

 

Spruch:

W144 2017523-1/13E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX, festgestellte Volljährigkeit mit XXXX (alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX geb.), StA. von Afghanistan, vertreten durch Dr. Lennart Binder LL.M., Rechtsanwalt in 1030 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2014, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.06.2017, zu Recht:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

Der Beschwerdeführer (BF) ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist moslemisch-sunnitischen Glaubens. Seinen eigenen Angaben zufolge verließ er sein Heimatland von XXXX aus, reiste schlepperunterstützt nach Griechenland und schließlich über Deutschland nach Österreich ein, wo er am 07.12.2013 - damals als unbegleiteter Minderjähriger - einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

1.1. Im Verlauf seiner Erstbefragung nach dem Asylgesetz durch die Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 07.12.2013 gab der damals noch minderjährige BF in Anwesenheit einer Rechtsberaterin zu seiner Person an, am XXXX in XXXX geboren und ledig zu sein. Er habe keine Schulbildung und keine Berufsausbildung genossen, noch nie gearbeitet und in XXXX gelebt. Im Heimatland seien noch seine Mutter, seine zwei Brüder und seine Schwester aufhältig; sein Vater sei vor sechs bis sieben Monaten verstorben. Zum Fluchtgrund brachte der BF vor, sein Vater habe Schwierigkeiten aufgrund seiner Tätigkeit als Kommandant und wegen seiner politischen Aktivität gehabt. Der Bruder und der Vater des BF seien von einem Mann namens "XXXX", der dem Stamm "XXXX" angehöre, und von dessen Leuten getötet worden, als die beiden ein Grundstück verkauft hätten. Diese Leute würden auch den BF töten. Der Vater des BF habe ihm immer gesagt, dass sie bei diesen Leuten aufpassen müssten; mit diesem Stamm habe es immer schon Probleme gegeben. Im Falle einer Rückkehr befürchte der BF, von "XXXX" und dessen Leuten getötet zu werden.

 

Da der BF als minderjährige Person mit dem Geburtsdatum XXXX auftrat und Zweifel an der behaupteten Minderjährigkeit bestanden, wurde ein Handwurzelröntgen (Schreiben von "Röntgen am Ring" vom 15.01.2014) durchgeführt und festgestellt, dass in Bezug auf die Hand links, FFA 76, des BF zur Bestimmung des Knochenalters das Ergebnis "GP 31, Schmeling 4" vorliegt.

 

In weiterer Folge wurde ein multifaktorielles Altersgutachten eingeholt, welches unter Abwägung mehrerer Teilgutachten zum Ergebnis gelangte, dass das wahrscheinliche Lebensalter des BF zum Untersuchungszeitpunkt am XXXX bei circa 20 bis 24 Jahren und das Mindestalter des BF zum Untersuchungszeitpunkt bei 18 Jahren liegt. Das vom BF angegebene Alter konnte aufgrund der erhobenen Befunde aus gerichtsmedizinischer Sicht nicht belegt werden.

 

Anlässlich der Untersuchung zur Feststellung seines Alters wurde der BF am XXXX auch befragt, wobei er unter anderem angab, in XXXX geboren worden zu sein. Als Kind sei er nach Pakistan gezogen und er habe dort bis zu seiner Reise nach Österreich gelebt. Er habe keine Schule besucht und seit seiner Kindheit in der Landwirtschaft gearbeitet. Seine Mutter sei auf eine ihm unbekannte Weise verstorben, als er noch ein Kleinkind gewesen sei; sein Vater sei vor rund neun Monaten eines gewaltsamen Todes gestorben. Er habe eine ältere Schwester sowie zwei ältere Brüder, wobei einer der beiden bereits verstorben sei.

 

Am 30.04.2014 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich zum Ergebnis der Altersfeststellung einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahme wurde seine Volljährigkeit festgestellt, womit sich der BF nicht einverstanden erklärte. Seine damalige Vertreterin brachte einen Ambulanzbefund vom 30.01.2014 und einen Kurzarztbrief vom 25.03.2014 in Vorlage. Aus diesen Unterlagen geht hervor, dass beim BF zunächst ein "erlebnisreaktives Zustandsbild ( ) mit einer deutlichen Erhöhung der Spannung" und sodann "PTSD mit Bereitschaft zu Dissoziation und Selbstgefährdung, Depressio" diagnostiziert wurden. Er sei wegen eines Versuches, in einem dissoziativ beschriebenen Zustandes aus dem Fenster zu springen, vorstellig geworden, könne sich an diese Situation nicht mehr erinnern und habe zurzeit keine Suizidgedanken.

 

Im Rahmen einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 27.06.2014 gab der BF im Wesentlichen an, "ein bisschen krank" zu sein, psychische Probleme zu haben, zweimal in der Woche zum Arzt zu gehen und Medikamente zu nehmen. Er habe diese Probleme auch schon in Afghanistan gehabt und sei dort schon behandelt worden. Er habe keine Schule besucht und keinen Beruf erlernt, sondern nur in der Landwirtschaft gearbeitet. In Afghanistan würden seine Schwester, vier Onkeln und zwei Tanten leben. Sein Vater und ein Bruder seien verstorben, der andere Bruder sei verschollen. Wo sich seine Mutter aufhalte, wisse er nicht. Mit seinen Verwandten stehe er nicht in Kontakt. Er habe zuletzt in einem Einfamilienhaus in der Provinz XXXX, Distrikt XXXX, Dorf XXXX gewohnt. Die wirtschaftliche bzw. finanzielle Situation seiner Familie im Heimatland beschrieb er mit dem Satz "Es war gut". Wie seine Mutter nach dem Tod seines Vaters den Lebensunterhalt für die ganze Familie bestritten habe, wisse er nicht genau; sie hätten Grundstücke gehabt. Der BF habe keine Besitztümer, diese würden seiner Familie gehören. Seine Familie habe ein Grundstück verkauft; zurzeit wisse er nicht, was sie noch besitzen würden. Befragt nach dem Tod seines Vaters, gab der BF an, dass es ihm schlecht gehe, wenn er darüber spreche; er könne sich nicht an alles erinnern. Zu seinem Fluchtgrund brachte der BF zusammengefasst vor, dass sein Vater im Heimatdorf des BF von einem gewissen "XXXX" ermordet worden sei, als der BF in der Provinz XXXX gewesen sei. Sein Bruder sei gleichzeitig mit seinem Vater umgebracht worden. Den genannten Mann habe der BF nie gesehen und er wisse auch nicht, weshalb sein Vater von ihm getötet worden sei. Wenn der BF in Afghanistan geblieben wäre, hätten ihn die gleichen Personen umgebracht. Warum er von diesen Personen getötet werden sollte bzw. welches Interesse an ihm bestehen sollte, wisse er nicht.

 

Im Zuge der Einvernahme brachte der BF ein Konvolut von Medienberichten zur Provinz XXXX jeweils aus dem Jahr 2014, eine psychologische Stellungnahme des Diakonie Flüchtlingsdienstes vom 19.05.2014, eine Teilnahmebestätigung für einen Deutschkurs vom 28.05.2014, einen Kurzarztbrief des Landesklinikums XXXX vom 12.06.2014, eine Medikamentenverordnung vom 12.06.2014 sowie einen Laborbefund vom 07.05.2014 in Vorlage.

 

Am 16.07.2014 übermittelte der BF im Wege seiner damaligen Vertreterin eine Stellungnahme zu den Länderberichten, worin kurz zusammengefasst ausgeführt wurde, dass sich die Lage in XXXX verschlechtert habe. Der BF stehe in laufender ambulanter Behandlung in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie, befinde sich in Psychotherapie und nehme Psychopharmaka ein. Er benötige eine umfassende psychosoziale Betreuung, die in XXXX nicht verfügbar sei. Da der BF in Afghanistan keine Verwandten habe und die Sicherheits- und Versorgungslage katastrophal sei, käme er im Falle einer Rückkehr in eine hoffnungslose Lage. In Österreich habe er sich bereits sehr gut eingelebt, er besuche regelmäßig einen Deutschkurs und habe bereits sprachliche Fortschritte gemacht. Unter einem wurde eine weitere psychologische Stellungnahme des Diakonie Flüchtlingsdienstes vom 03.07.2014 in Vorlage gebracht.

 

Per Eingaben vom 17.07.2014, 26.08.2014 und 29.10.2014 übermittelte die damalige Rechtsvertreterin des BF folgende Unterlagen:

 

* vier Teilnahmebestätigungen vom 27.06.2014, vom 24.07.2014, vom 28.08.2014 und vom 07.10.2014 für Deutschkurse

 

* Medikamentenverordnung vom 16.07.2014

 

* Schreiben einer Psychologin vom 18.08.2014

 

* Kurzarztbrief des Landesklinikums XXXX vom 23.09.2014

 

Am 11.11.2014 wurden Informationsersuchen betreffend den BF an Ungarn und Deutschland gestellt. Die deutschen Behörden antworteten am 24.11.2014 und übermittelten unter anderem einen Bescheid des BAMF vom 04.11.2013, aus welchem folgende vom BF verwendete Identitäten hervorgehen: 1) XXXX, geb. am XXXX, 2) XXXX, geb. am XXXX, und 3) XXXX, geb. am XXXX alias XXXX alias XXXX, aufgetreten war. Mit Schreiben vom 11.12.2014 antwortete auch Ungarn und teilte mit, dass der BF dort als XXXX, geb. am XXXX bekannt ist.

 

1.2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 19.12.2014 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idgF (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG idgF erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei, und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.).

 

Begründend wurde ausgeführt, dass das Fluchtvorbringen des BF nicht glaubhaft erscheine, weil es in seiner Gesamtheit sehr dürftig gehalten sei, der BF bei tiefergehenden Fragestellungen sehr unsicher gewesen sei und auch keine konkreten Antworten liefern habe können. Es sei außerdem nicht einmal zu einem persönlichen Kontakt zwischen dem BF und seinem angeblichen Verfolger gekommen, weshalb es reine Spekulation sei, dass der BF im Falle einer Rückkehr umgebracht werden würde. Auch habe der BF keine Angaben zur Person des Verfolgers angeben können, weshalb davon auszugehen sei, dass es sich um eine frei erfundene Person handle. Im Heimatland des BF würden keine solchen Verhältnisse herrschen, dass er dort einem realen Risiko unterworfen wäre, einer Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Gefahr ausgesetzt zu sein. Dem jungen, gesunden, arbeitsfähigen BF seien eine Rückkehr nach Afghanistan und der dortige Aufbau einer Zukunft zumutbar. Er könne Rückkehrhilfe und die Hilfe von NGOs in Anspruch nehmen sowie Unterstützung durch seine im Heimatland lebenden Verwandten erhalten. Schließlich sei der Eingriff in das Privatleben des BF durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt und verhältnismäßig, sodass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässig sei.

 

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde, in welcher er sein Fluchtvorbringen wiederholte und im Wesentlichen geltend machte, die belangte Behörde habe zwar festgestellt, dass er an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, sei jedoch im Widerspruch dazu davon ausgegangen, dass er gesund sei, und habe seine krankheitswerte psychische Störung nicht in der Beweiswürdigung berücksichtigt. Da es ihm schlecht gehe, wenn er über seinen Vater spreche, sei der Vorwurf des BFA, sein Fluchtvorbringen sei dürftig, nicht gerechtfertigt. Aus der Beweiswürdigung gehe auch nicht hervor, dass das BFA auf die nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigenden Aspekte wie jugendliches Alter, Entwicklungsstand, Schulbildung, psychische Gesundheit und mangelnde Begleitung durch Angehörige Bedacht genommen habe. Die prekäre allgemeine Lage in Afghanistan sei in ihrer Gesamtheit von asylrelevanter Intensität. Mit diesen Vorgängen und mit der Lage in der höchst gefährlichen Provinz Nangarhar habe sich die belangte Behörde jedoch nicht auseinandergesetzt. Außerdem seien die Annahmen des Bundesamtes, der BF könne bei Verwandten unterkommen und verfüge über eine Lebensgrundlage in Afghanistan, unrichtig. Zu seinen Verwandten in Afghanistan habe er keinen Kontakt. Für seinen Lebensunterhalt könne er nicht selbst aufkommen, weil er psychisch krank sei und keine Ausbildung habe. Dass er als unausgebildeter junger Erwachsener Arbeit finden könne, sei angesichts der zu großen Anzahl an ungelernten Arbeitern und der extrem hohen Arbeitslosigkeit höchst unwahrscheinlich. Da auch keine adäquaten staatlichen oder sonstigen Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende psychisch Kranke existieren würden, sei dem BF zumindest subsidiärer Schutz zuzuerkennen.

 

1.4. Mit Schreiben vom 30.11.2015 wurden beim Bundesverwaltungsgericht ein ärztlicher Befundbericht vom 08.10.2015, eine psychologische Stellungnahme vom 01.10.2015 und drei Teilnahmebestätigungen vom 13.02.2015, 04.03.2015 und 07.07.2015 für Deutschkurse in Vorlage gebracht. Aus den medizinischen Unterlagen geht hervor, dass der BF an einer länderdauernden depressiven Reaktion (F 43.2) und einer PTSD mit Neigung zur Dissoziation und Selbstgefährdung (F 43. 1) leidet, medikamentös und gesprächstherapeutisch behandelt wird und sein psychischer Zustand stabil ist.

 

1.5. Am 14.06.2017 fand sodann beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, zu welcher der BF im Wege seines nunmehrigen Rechtsvertreters ordnungsgemäß geladen worden war. Der BF und sein Vertreter erschienen nicht zur Verhandlung; seitens der ARGE Rechtsberatung wurde telefonisch mitgeteilt, dass kein Kontakt zum BF hergestellt werden konnte. In der Folge wurde in Abwesenheit der Parteien verhandelt. Im Zuge dieser Verhandlung wurden einerseits allgemeine Informationen zur Situation im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan, andererseits eklatante Widersprüche in den Angaben des BF während des erstinstanzlichen Verfahrens vorgehalten.

 

Mit Schreiben vom 20.06.2017 teilte der MigrantInnenverein St. Marx mit, dass vor zwei Tagen Kontakt mit dem BF hergestellt worden sei, weshalb um eine neue Ladung für eine Beschwerdeverhandlung ersucht werde.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Der ledige und kinderlose BF ist volljährig und Staatsangehöriger von Afghanistan. Er gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist moslemisch-sunnitischen Glaubens.

 

Der BF leidet an einer längerdauernden depressiven Reaktion und einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Neigung zur Dissoziation und Selbstgefährdung. Er befindet sich in regelmäßiger psychologischer und psychiatrischer Behandlung und nimmt Medikamente ein. Sein psychischer Zustand wurde zuletzt als stabil eingeschätzt. Schon in seiner Heimat hatte der BF psychische Probleme und wurde deswegen behandelt.

 

Der BF wurde in Afghanistan geboren und lebte dort gemeinsam mit seiner Familie in einem Einfamilienhaus im Distrikt XXXX in der Provinz XXXX. Er ging nicht zur Schule, erlernte keinen Beruf, war jedoch in der Landwirtschaft tätig. Nicht festgestellt werden kann, dass der BF als Kind nach Pakistan gezogen ist und dort bis zu seiner Reise nach Österreich gelebt hat. Im Heimatland des BF leben seine Schwester, seine Onkel und Tanten, zu denen kein Kontakt besteht.

 

1.2. Zu den Verhältnissen des BF im Bundesgebiet wird festgestellt, dass er sich in Grundversorgung befindet. Er verfügt im Bundesgebiet über keine familiären Anknüpfungspunkte, hat jedoch ein paar Freunde gefunden. Während seines Aufenthalts in Österreich besuchte er mehrere Deutschkurse der Evangelischen Akademie Wien für Anfänger und für Fortgeschrittene. Er ist kein Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation und geht keiner Erwerbstätigkeit nach. In Österreich ist der BF strafrechtlich unbescholten.

 

1.3. Nicht festgestellt werden kann, dass der BF sein Heimatland deshalb verlassen hat, weil er ansonsten vom Mörder seines Vaters bzw. von dessen Leuten getötet worden wäre.

 

1.4. Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Afghanistan wird Folgendes festgestellt:

 

"Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

 

KI vom 11.5.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan – Q1.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich im Jahr 2016 die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert; dieser Trend zieht sich bis ins Jahr 2017. Gefechte fanden vorwiegend in den folgenden fünf Provinzen im Süden und Osten statt: Helmand, Nangarhar, Kandahar, Kunar und Ghazni; 50% aller Vorfälle wurden in diesen Regionen verzeichnet (für das Jahr 2016 wurden 23.712 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert). Doch der Konflikt hat sich geographisch ausgeweitet, da die Taliban ihre Aktivitäten in Nord- und Nordostafghanistan, sowie in der westlichen Provinz Farah, verstärkt haben. In den Provinzhauptstädten von Farah, Kunduz, Helmand und Uruzgan übten die Taliban Druck auf die Regierung aus. Wesentlich für die Machterhaltung der Regierung in diesen Provinzhauptstädten war die Entsendung afghanischer Spezialeinheiten und die Luftunterstützung durch internationale und afghanische Kräfte (UN GASC 3.3.2017).

 

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(Darstellung durch die Staatendokumentation des BFA; Daten aus UNGASC 3.3.2017; UN GASC 7.3.2016)

 

INSO berichtet für den Zeitraum Jänner – März 2017 von insgesamt

6.799 sicherheitsrelevanten Vorfällen in ganz Afghanistan (INSO o. D.):

 

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(Darstellung durch die Staatendokumentation des BFA; Daten aus INSO 2017; INSO o.D.)

 

Im Jahr 2016 hat sich die Zahl der Gefechte zwischen Taliban und Regierungskräften (meist Angriffe der Taliban) um 22% erhöht und machen damit 63% der sicherheitsrelevanten Vorfälle aus. Die Anzahl der IED-Vorfälle war 2016 um 25% niedriger als im Jahr davor und ist damit weiterhin rückläufig (UN GASC 3.3.2017).

 

ANDSF – afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte sind auch weiterhin signifikanten Herausforderungen ausgesetzt – speziell was ihre operative Leistungsfähigkeit betrifft: Schwächen in den Bereichen Führung und Kontrolle, Leitung und Logistik, sowie hohe Ausfallsraten, haben maßgebliche Auswirkungen auf Moral, Rekrutierung und Leistungsfähigkeit (UN GASC 3.3.2017). Dennoch haben die afghanischen Sicherheitskräfte hart gegen den Talibanaufstand und terroristische Gruppierungen gekämpft und mussten dabei hohe Verluste hinnehmen. Gleichzeitig wurden qualitativ hochwertige Spezialeinheiten entwickelt und Aufständische davon abgehalten Bevölkerungszentren einzunehmen oder zu halten (SIGAR 30.4.2017).

 

Der sich intensivierende Konflikt hat zunehmend Opfer bei Sicherheitskräften und Taliban gefordert. Die Rate der Neu- bzw. Weiterverpflichtungen ist zu niedrig, um die zunehmenden Desertionen und Ausfälle zu kompensieren. Bis Februar 2016 war die Truppenstärke des afghanischen Heeres bei 86% und die der afghanischen Nationalpolizei auf 94% ihres geplanten Mannschaftsstandes (UN GASC 3.3.2017).

 

Berichtszeitraum 18.11.2016 bis 14.2.2017

 

Im Berichtszeitraum wurden von den Vereinten Nationen 5.160 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert; dies bedeutet eine Erhöhung von 10% zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 (UN GASC 3.3.2017).

 

Im Jänner 2017 wurden 1.877 bewaffnete Zusammenstöße registriert; die Anzahl hatte sich gegenüber dem vorigen Vergleichszeitraum um 30 erhöht. Im Berichtszeitraum haben sich IED-Angriffe im Vergleich zum Vorjahr um 11% verstärkt (UN GASC 3.3.2017).

 

High-profile Angriffe:

 

Nahe der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif in der afghanischen Nordprovinz Balkh, sind bei einem Angriff der Taliban auf eine Militärbasis mindestens 140 Soldaten getötet und mehr als 160 verwundet worden (FAZ 21.4.2017; vgl. auch: al-Jazeera 29.4.2017, Reuters 23.4.2017). Balkh gehört zu den eher sicheren Provinzen Afghanistans; dort ist die Kommandozentrale für den gesamten Norden des Landes (FAZ 21.4.2017). Dies war afghanischen Regierungskreisen zufolge, der bislang folgenschwerste Angriff auf einen Militärstützpunkt. Laut dem Sprecher der Taliban war der Angriff die Vergeltung für die Tötung mehrerer ranghoher Rebellenführer. Vier der Angreifer seien in die Armee eingeschleust worden. Sie hätten dort einige Zeit ihren Dienst verrichtet. Das wurde aber von der afghanischen Armee nicht bestätigt (Reuters 23.4.2017).

 

Dies ist der zweite Angriff auf eine Militäreinrichtung innerhalb weniger Monate, nach dem Angriff auf ein Militärkrankenhaus in Kabul Anfang März, zu dem sich die Terrormiliz Islamischer Staat bekannt hatte. Damals kamen mindestens 49 Menschen ums Leben und 76 weitere wurden verletzt (FAZ 21.4.2017; vgl. auch: BBC 8.5.2017, NYT 7.5.2017, Dawn 7.5.2017, SIGAR 30.4.2017, FAZ 8.3.2017).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

 

Angaben, welche Gebiete von den Aufständischen in Afghanistan kontrolliert werden, sind unterschiedlich: Schätzungen der BBC zufolge, wird bis zu ein Drittel des Landes von den Taliban kontrolliert (BBC 9.5.2017). Einer US-amerikanischen Quelle zufolge stehen 59,7% der Distrikte unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Sicherkräfte (Stand: 20.2.2017); was eine Steigerung von 2,5% gegenüber dem letzten Quartal wäre; jedoch einen Rückgang von 11% gegenüber dem Vergleichswert des Jahres 2016. Die Anzahl der Distrikte, die unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen sind, hat sich in diesem Quartal um 4 Distrikte vermehrt: es sind dies 45 Distrikte in 15 Provinzen (SIGAR 30.4.2017). Die ANDSF konnten die Taliban davon abhalten Provinzhauptstädte einzunehmen oder zu halten; die Aufständischen haben die Kontrolle über gewisse ländliche Gebiete behalten. (SIGAR 30.4.2017).

 

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(SIGAR 30.4.2017).

 

Taliban

 

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive Ende April 2017 eröffnet; seitdem kommt es zu verstärkten Gefechtshandlungen in Nordafghanistan (BBC 7.5.2017). Bisher haben die Taliban ihre alljährliche Kampfsaison durch die Frühjahrsoffensive eingeläutet; allerdings haben dieses Jahr die Taliban-Aufständischen auch in den Wintermonaten weitergekämpft (BBC 28.4.2017).

 

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IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

 

Der IS-Zweig in Afghanistan – teilweise bekannt als IS Khorasan – ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie auch gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017). Der IS verliert weiterhin Gebiete, die zuvor von ihm kontrolliert wurden; Verantwortlich dafür sind hauptsächlich die Aktivitäten der afghanischen Luftstreitkräfte mit Unterstützung der Luftangriffe der NATO (SCR 28.2.2017).

 

Abdul Hasib, der IS-Anführer in Afghanistan, wurde im Rahmen einer militärischen Operation in Nangarhar getötet (BBC 8.5.2017; vgl. auch: NYT 7.5.2017); von Hasib wird angenommen für viele high-profile Angriffe verantwortlich zu sein – so auch für den Angriff gegen das Militärkrankenhaus in Kabul (Dawn 7.5.2017; vgl. auch: BBC 8.5.2017).

 

In diesem Jahr wurden hunderte IS-Aufständische entweder getötet oder gefangen genommen (BBC 8.5.2017). Im April 2017 wurde die größte nicht-nukleare Bombe, in einer Region in Ostafghanistan eingesetzt, die dafür bekannt ist von IS-Aufständischen bewohnt zu sein (Independent 13.4.2017). Netzwerke bestehend aus Höhlen und Tunnels wurden zerstört und 94 IS-Kämpfer, sowie vier Kommandanten, getötet (Dawn 7.5.2017). Quellen zufolge waren keine Zivilisten von dieser Explosion betroffen (BBC 14.4.2017; vgl. auch: The Guardian 13.4.2017, al-Jazeera 14.4.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Politische Lage

 

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

 

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9 .2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9 .2016; vgl. CRS 12.1.2017).

 

Parlament und Parlamentswahlen

 

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9 .2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).

 

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016 vgl. auch: CRS 12.1.2017).

 

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).

 

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9 .2016).

 

Parteien

 

Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

 

Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen, sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange - werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9 .2016).

 

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Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9 .2016).

 

Friedens- und Versöhnungsprozess:

 

Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9 .2016).

 

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Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sicherheitslage

 

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

 

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

 

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(INSO 2017).

 

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

 

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1.12.2015 - 15.2.2016

16.2.2016 - 19.5.2016

20.5.2016 - 15.8.2016

16.8.2016 - 17.11.2016

1.12.2015 - 17.11.2016

sicherheitsrelevante Vorfälle

4.014

6.122

5.996

6.261

22.393

Bewaffnete Zusammenstöße

2.248

3.918

3.753

4.069

13.988

Vorfälle mit IED¿s

770

1.065

1.037

1.126

3.998

gezielte Tötungen

154

163

268

183

768

Selbstmordattentate

20

15

17

19

71

      

 

(UN GASC 13.12.2016; UN GASC

7.9.2016; UNGASC10.6.2016; UN GASC 7.3.2016; Darstellung durch die Staatendokumentation des BFA )

 

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

 

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen – ausgeführt durch die Polizei und das Militär – landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

 

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. – 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

 

Kontrolle von Distrikten und Regionen

 

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

 

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. –einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

 

Rebellengruppen

 

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

 

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

 

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9 .2016).

 

Taliban und ihre Offensive

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

 

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

 

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz – größtenteils unter Talibankontrolle – liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

 

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

 

Haqqani-Netzwerk

 

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

 

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban – dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

 

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus – wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

 

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

 

Al-Qaida

 

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

 

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IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh – Islamischer Staat

 

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

 

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verlusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

 

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

 

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Zivile Opfer

 

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) – dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

 

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) – eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

 

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

 

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

 

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte

 

Die Taliban greifen weiterhin Mitarbeiter/innen lokaler Hilfsorganisationen und internationaler Organisationen an – nichtsdestotrotz sind der Ruf der Organisationen innerhalb der Gemeinschaft und deren politischer Einfluss ausschlaggebend, ob ihre Mitarbeiter/innen Problemen ausgesetzt sein werden. Dieser Quelle zufolge, sind Mitarbeiter/innen von NGOs Einschüchterungen der Taliban ausgesetzt. Einer anderen Quelle zufolge kam es im Jahr 2015 nur selten zu Vorfällen, in denen NGOs direkt angegriffen wurden (IRBC 22.2.2016). Angriffe auf Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen wurden in den letzten Jahren registriert; unter anderem wurden im Februar 2017 sechs Mitarbeiter/innen des Int. Roten Kreuzes in der Provinz Jawzjan von Aufständischen angegriffen und getötet (BBC News 9.2.2017); im April 2015 wurden 5 Mitarbeiter/innen von "Save the Children" in der Provinz Uruzgan entführt und getötet (The Guardian 11.4.2015).

 

Die norwegische COI-Einheit Landinfo berichtet im September 2015, dass zuverlässige Berichte über konfliktbezogene Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen vorliegen. Andererseits konnte nur eine eingeschränkte Berichtslage bezüglich konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokaler Angestellter ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 9.9.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Grundsätzlich sind Anfeindungen gegen afghanische Angestellte der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürger/innen verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis bei den internationalen Truppen zurückzuführen. Des Weiteren bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Beruf für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nangarhar

 

Die Provinz Nangarhar liegt im Osten von Afghanistan. Im Norden grenzt sie an die Provinzen Kunar und Laghman, im Westen an die Hauptstadt Kabul und die Provinz Logar und den Gebirgszug Spinghar im Süden (Pajhwok o.D.g). Die Provinzhauptstadt Jalalabad ist 120 Kilometer von Kabul entfernt (Xinhua 10.2.2017). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.545.448 geschätzt (CSO 2016)

 

 

Gewalt gegen Einzelpersonen

127

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

1.049

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

199

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

460

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

55

Andere Vorfälle

11

Insgesamt

1.901

  

 

Im Zeitraum 1.9.2015 – 31.5.2016 wurden in der Provinz Nangarhar 1.901 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Seit dem Auftreten des Islamischen Staates in der bergreichen Provinz Nangarhar kommt es zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräfte und IS-Aufständischen (Xinhua 18.2.2017; vgl. auch: Xinhua 10.2.2017). Die Aktivitäten des Islamischen Staates in der Provinz sind auf einige Gebiete in Nangarhar beschränkt (Tolonews 19.2.2017). Berichten zufolge sind dies insbesondere die Distrikte Achin, Kot, Haska Mina, sowie andere abgelegene Distrikte in Nangarhar (Khaama Press 22.1.2017).

 

In der Provinz werden regelmäßig Luftangriffe gegen den Islamischen Staat durchgeführt (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: Khaama Press 21.2.2017; Khaama Press 14.2.2017; ICT 7.2.2017; Global Times 28.1.2017; Khaama Press 29.12.2016). Auch werden regelmäßig militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: Khaama Press 16.2.2017; Khaama Press 14.2.2017; Xinhua 10.2.2017; Xinhua 14.1.2017; Pajhwok 26.7.2016); getötet wurden dabei hochrangige Führer des IS (Khaama Press 16.2.2017; Xinhua 10.2.2017; vgl. auch:

Shanghai Daily 4.2.2017), aber auch Anführer der Taliban (Khaama Press 29.12.2017). In manchen Teilen der Provinz hat sich die Sicherheitslage aufgrund von militärischen Operationen verbessert (Pajhwok 19.9.2016). Einem hochrangigen Beamten zufolge, werden die afghanischen Sicherheitskräfte weiterhin Druck auf Sympathisanten des IS in Ostafghanistan ausüben, um zu verhindern, dass diese sich in den Distrikten Nangarhars oder anderen Provinzen ausweiten (Khaama Press 24.1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kabul

 

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

 

Distrikt Kabul

 

 

Gewalt gegen Einzelpersonen

21

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

18

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

50

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

31

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

28

Andere Vorfälle

3

Insgesamt

151

  

 

(EASO 11.2016)

 

Im Zeitraum 1.9.2015 – 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Provinz Kabul

 

 

Gewalt gegen Einzelpersonen

5

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

89

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

30

Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften

36

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

1

Andere Vorfälle

0

Insgesamt

161

  

 

(EASO 11.2016)

 

Im Zeitraum 1.9.2015. – 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

 

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

 

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ereichbarkeit

 

Im Jahr 2001 existierten in Afghanistan weniger als 80 km (50 Meilen) asphaltierter Straßen (TCSM 2.2.2015). Trotz Herausforderungen und Problemen wurden inzwischen mehr als 24.000 km Straße im Land asphaltiert. Zu den asphaltierten Straßen zählen

3.600 km regionaler Autobahnen, die "Ring Road", Provinzstraßen und nationale Autobahnen (Pajhwok 4.3.2016). Schätzungen zufolge, wurden im Ballungsraum Kabul alleine 925 km Straßen asphaltiert, mit der Aussicht auf zusätzliche Erweiterungen (TCSM 2.2.2015).

 

Unprofessionelles Fahrverhalten und beschädigte Straßen werden als die Hauptursache für Unfälle in Afghanistan gesehen, welche Dutzende Menschenleben jährlich fordern (Khaama Press 23.1.2016; vgl. auch:

Kabul Times 17.2.2017); ebenso sind schlecht asphaltierte Straßen Grund für Unfälle (Kabul Times 17.2.2017).

 

Ring Road

 

Straßen wie der "Highway 1" auch bekannt als "Ring Road", die den Kern des Landes umkreist, sind nun asphaltiert und machen das Land für Reisen und die Wirtschaft zugänglicher (Huffington Post 9.10.2015). Die afghanische Ring Road verbindet Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif (USAID 2014; vgl. auch: The Guardian 22.10.2014). Sie verbindet aber auch 16 der 34 Provinzen Afghanistans miteinander. Die Gesamtlänge des Highway One ist 3.360 km (PRI 18.10.2013). Rund 14 Millionen Menschen leben um diesen Highway One (The Guardian 22.10.2014).

 

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Verkehrswesen

 

Das Verkehrswesen in Afghanistan ist eigentlich recht gut. Es gibt einige angemessene Busverbindungen in die wichtigsten Großstädte. Die Kernfrage bleibt nach wie vor die Sicherheit. Busverbindungen existieren auf der Kabul/Herat Straße nach Kandahar; Ausländern ist es nicht erlaubt, in den Bus einzusteigen. Es gibt aber Ausnahmen – in der Verbindung Mazar-e Sharif nach Kabul, war es erlaubt, ohne dass Fragen gestellt wurden (Uncharted Backpacker 3.2016).

 

In den Provinzen Balkh, Samangan und Panjshir konnte ein Taxi gemietet werden. Die Taximietung ist eine gute Option, da man sein Fahrziel frei wählen kann und die Fahrer wissen, wie man es sicher erreichen kann. Gleichzeitig ist es auch relativ kostengünstig (Uncharted Backpacker 3.2016).

 

Beispiele für Taxiverbindungen

 

Kabul

 

In Kabul gibt es mehr als 40.000 Taxis. Der Fahrpreis wird noch vor dem Einsteigen mit dem Fahrer ausverhandelt (Afghan Embassy Washington D.C. o.D.). Bis zu 80% der Taxis in Kabul sind Toyota Corolla (Khaama Press 29.11.2013).

 

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Beispiele für Busverbindungen

 

Kabul

 

In Kabul stehen viele Busse für Fahrten innerhalb Kabuls und die angrenzenden Außenbezirke zur Verfügung (Afghan Embassy Washington D.C. o.D.; vgl. auch: Tolonews 26.7.2015). Der sogenannten "Afghan Milli Bus Enterprise", dem staatlich betriebenen Busunternehmen, wurden in den vergangenen 14 Jahren bereits 900 Busse zur Verfügung gestellt. Im Juli 2015 wurde verlautbart, dass weitere 1.000 Busse von Indien gespendet werden würden (Tolonews 26.7.2015).

 

Für Reisen zwischen den Provinzen variieren die Preise ja nach Destination und Entfernung:

 

 

Distanz

Preis

Kabul – Herat

AFA 2.000

Kabul – Mazar-e Sharif

AFA 1.500

Kabul – Kandahar

AFA 1.500

Kabul – Bamyan

AFA 1.500

Kabul – Jalalabad

AFA 1.000

Kabul – Kunduz

AFA 1.400

Kabul – Maimana

AFA 2.000

  

 

(BAMF 10.2014)

 

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Ahmad Shah Abdali Bus Service

 

Laut einem offiziellen Vertreter ist dies das größte Busunternehmen in Afghanistan. Die Busse dieser Firma transportieren Passagiere von Kandahar nach Kabul, Helmand, Nimroz, Herat und in andere Provinzen. In den letzten Jahren fuhren 60-80 Bussen innerhalb von 24 Stunden zwischen Kandahar und Kabul, aber die Zahl ist auf 20 bis 30 täglich zurückgegangen. Die Straße ist in schlechtem Zustand und die Brücken auf dieser Strecke wurden zerstört. Überfälle und Belästigungen von Passagieren durch Aufständische sind gestiegen, besonders im Bereich des unsichersten Teils dieser Strecke in der Provinz Ghazni. Der Verkehr wird nur in Kandahar kontrolliert. Laut diesem Vertreter wird der Verkehr sonst nirgends kontrolliert, sodass häufig Unfälle vorkommen (Pajhwok 18.3.2015).

 

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Flugverbindungen

 

Laut dem World Factbook existieren in Afghanistan 23 Flughäfen mit asphaltierten Landebahnen und 29 Flughäfen, die nicht über asphaltierte Landebahnen verfügen (The World Factbook 25.2.2016).

 

Beispiele für internationale Flughäfen in Afghanistan

 

Internationaler Flughafen Kabul

 

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (NYT 4.1.2016; vgl. auch: Hamid Karzai Airport 2015). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in den internationalen Flughafen Hamid Karzai umbenannt. Dieser liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neuer internationaler Terminal wurde hinzugefügt und der alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (Hamid Karzai Airport 2015).

 

Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif

 

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh eröffnet (Pajhwok 9.6.2013).

 

Internationaler Flughafen Kandahar

 

Der internationale Flughafen Kandahar hat 37 Stellplätze für insgesamt 250 Flugzeuge. Laut einem offiziellen Vertreter des Flughafens ist sowohl die externe als auch interne Sicherheit des Flughafens zufriedenstellend und der Flughafen sicherer als andere Flughäfen im Land. Der Flughafen ist Ziel nationaler, sowie auch internationaler Flüge z.B. aus Indien, Iran, Dubai und anderen Abflugsorten. Hinkünftig sollen auch Flüge der Turkish Airline den Flughafen Kandahar anfliegen, nachdem auch die Türkei ein Konsulat in dieser Provinz eröffnet hat. Ferner hat die in Bahrain ansässige Firma DHL Express damit begonnen Frachtflüge zum Flughafen Kandahar durchzuführen. Ein Teil des Flughafens steht den internationalen Streitkräften zur Verfügung. Eine separate Militärbasis für einen Teil des afghanischen Heeres ist ebenso dort, wie andere Gebäude für Firmen (Pajhwok 3.6.2015).

 

Internationaler Flughafen Herat

 

Im Jahr 2012 wurde der neue Terminal des internationalen Flughafens von Herat eröffnet (Pajhwok 13.2.2012; vgl. auch: DW 10.4.2013).

 

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Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtsschutz/Justizwesen

 

Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia (islamisches Gesetz), Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9 .2016; vgl. auch: USIDP o.D. und WP 31.5.2015). Fast 80% der Dispute werden außerhalb des formellen Justizsystems gelöst - üblicherweise durch Schuras, Jirgas, Mullahs und andere in der Gemeinschaft verankerte Akteure (USIP o.D.; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

 

Traditionelle Rechtsprechungsmechanismen bleiben für viele Menschen, insbesondere in den ländlichen Gebieten, weiterhin der bevorzugte Rechtsweg (USDOS 13.4.2016, vgl. auch: FH 27.1.2016). Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 13.4.2016). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (FH 27.1.2016).

 

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan weitverbreitet akzeptiert ist, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem Frauenrecht, Strafrecht und –verfahren, Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.). Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 13.4.2016).

 

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Leistungsfähigkeit um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu beherrschen. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben erhöht sich weiterhin (USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2014 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit mit 1.300 beziffert (SZ 29.9.2014; vgl. auch: CRS 8.11.2016), davon waren rund 200 Richterinnen (CRS 8.11.2016). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin als erste Frau zur Richterin des Supreme Courts ernannt (RFE/RL 30.6.2016). Die Zahl registrierter Anwälte/innen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt (WP 31.5.2015). Der Zugang zu Gesetzestexten wird besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar (USDOS 13.4.2016).

 

Ein Mangel an qualifiziertem Justizpersonal behindert die Gerichte (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Manche Amtsträger/innen in Gemeinden und Provinzen verfügen über eine eingeschränkte Ausbildung und gründen ihre Entscheidungen daher auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne jeglichen Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodex oder traditionellen Bräuchen (USDOS 13.4.2016).

 

Innerhalb des Gerichtswesens ist Korruption weiterhin vorhanden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffneten Gruppen (FH 27.1.2016), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 13.4.2016). Afghanische Gerichte sind durch öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar (WP 31.5.2015). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das Strafrechtszentrum für Anti-Korruption, um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (Reuters 12.11.2016).

 

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 9 .2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sicherheitsbehörden

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums (USDOD 6. 2016).

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016).

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9 .2016; vgl. auch: USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).

 

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan’s Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police (ANP) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen (USDOS 13.4.2016).

 

Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2016), davon 4.228 Frauen (SIGAR 30.7.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2.4% - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2.2% (USDOD 6.2016).

 

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

 

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).

 

Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9% (USDOD 6.2016).

 

Afghanische Nationalarmee (ANA)

 

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren (USDOS 13.4.2016).

 

Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force – AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3%, gegenüber 2,5% in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile (USDOD 6.2016).

 

Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 8.11.2016).

 

Resolute Support Mission

 

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO-geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene, sowie in höheren Ebenen der Armee und Polizei. Die personelle Stärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 (durch NATO und anderen Partnernationen). Das Hauptquartier ist in Kabul (Bagram), mit vier weiteren Niederlassungen in: Mazar-e-Sharif, Herat, Kandahar und Laghman (NATO 5.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folter und unmenschliche Behandlung

 

Laut afghanischer Verfassung ist Folter verboten (Art. 29) (AA 9 .2016; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004). Fälle von Folter durch Angehörige der Polizei, des NDS und des Militärs sind nachgewiesen und werden von den jeweiligen Behörden zumindest offiziell als Problem erkannt (AA 9 .2016; vgl. OHCHR 11.2.2016).

 

Generell sind Frauen und Kinder in Polizeigewahrsam und Haftanstalten besonders in Gefahr, misshandelt zu werden. In jüngerer Vergangenheit wurden im Zusammenhang mit Häftlingen, die im Zuge des bewaffneten Konfliktes in Afghanistan festgenommen wurden, grobe Missstände aufgedeckt (AA 9 .2016).

 

Im Jänner 2015, startete Präsident Ghani einen Nationalen Aktionsplan zur Eliminierung von Folter; das dafür zuständige Komitee wurde im Mai 2015 gegründet (HRW 27.1.2016; vgl. auch: HRW 12.1.2017). Im November 2015, war das Justizministerium dabei ein neues Anti-Folter-Gesetz zu erarbeiten. Von diesem wird erwartet, weitläufige Bestimmungen zur Wiedergutmachung für Folteropfer zu enthalten (OHCHR 11.2.2016). Human Rights Watch zufolge, gab es im Jahr 2016 diesbezüglich keine weiteren Entwicklungen (HRW 12.1.2017).

 

Artikel 30 der afghanischen Verfassung besagt, dass Aussagen und Geständnisse, die durch Zwang erlangt worden sind, ungültig sind (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Da die Abgrenzung zwischen polizeilicher und staatsanwaltlicher Arbeit nicht immer gewahrt ist, werden Verdächtige oft lange über die gesetzliche Frist von 72 Stunden hinaus festgehalten, ohne einem Staatsanwalt oder Richter vorgeführt zu werden. Trotz gesetzlicher Regelung erhalten Inhaftierte zudem nur selten rechtlichen Beistand durch einen Strafverteidiger. Schließlich liegt ein zentrales Problem in der Tatsache begründet, dass sich afghanische Richter/innen bei Verurteilungen fast ausschließlich auf Geständnisse der Angeklagten stützen. Das Geständnis als "Beweismittel" erlangt so überdurchschnittliche Bedeutung, wodurch sich der Druck auf NDS und Polizei erhöht, ein Geständnis zu erzwingen. Da die Kontrollmechanismen weder beim NDS noch bei der afghanischen Polizei durchsetzungsfähig sind, erfolgt eine Sanktionierung groben Fehlverhaltens durch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden bisher nur selten. Allerdings scheint sich die Lage dieser Häftlinge insgesamt verbessert zu haben: rund 35% der Befragten gaben an, gefoltert worden zu sein (im Gegensatz zu 49% im UNAMA-Bericht von Januar 2013) (AA 9 .2016).

 

Im Juni 2015 gab der NDS wiederholt Anweisungen betreffend des Folterverbots, speziell zum Erhalt von Geständnissen (HRW 27.1.2016; vgl. auch AI 24.2.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

Korruption

 

Auf dem Korruptionsindex des Jahres 2015 belegte Afghanistan von 168 Ländern den 166. Platz (TI 12.2016; vgl. FH 27.1.2016). Dem Bericht von Asia Foundation zufolge, sind 90% der Afghan/innen im Alltag Korruption ausgesetzt; angegeben wurde hauptsächlich Bestechungsgelder an Polizei und Regierungsbeamte zu bezahlen (FH 27.1.2016).

 

Zur Erkennung, Verfolgung und Verhinderung von Korruption existiert kein gesetzlicher Rahmen (TI 10.2016). Trotz umfangreicher Reformvorhaben und aufwendiger Konsultationsmechanismen – oft unter direkter Federführung des Staatspräsidenten oder von ihm beauftragter Gremien – bleiben Qualität und Transparenz der Regierungsführung und der demokratischen Prozesse weiterhin mangelhaft. Die RNE (Einheitsregierung) startete im Mai 2016 eine neue Initiative zur Bekämpfung der Korruption, deren integraler Bestandteil das Anti Corruption Justice Center (ACJC) sein soll. Das ACJC soll Fällen erheblicher Korruption insbesondere auch unter hochrangigen Funktionären der afghanischen Regierung nachgehen, harrt aber noch seines offiziellen Startes (AA 9 .2016; vgl. auch TI 10.2016). Die Regierung verfolgte weiterhin Anti-Korruptionsziele – dies beinhaltet die Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung von großen Korruptionsfällen und die Stärkung des rechtlichen und behördlichen Rahmens (UN GASC 13.12.2016).

 

Das Gesetz verordnet strafrechtliche Sanktionen für öffentliche Korruption. Die Regierung setzt dieses Gesetz nicht effektiv um; einerseits wurde von öffentlich Bediensteten berichtet, die regelmäßig und ungestraft in korrupte Praktiken involviert waren. Andererseits gab es Korruptionsfälle, die erfolgreich vor Gericht gebracht wurden. Berichte deuten an, dass Korruption innerhalb der Gesellschaft endemisch ist – Geldflüsse von Militär, internationalen Gebern und des Drogenhandels verstärken das Problem (USDOS 13.4.2016).

 

Die Einheitsregierung hat im Bereich der Korruptionsprävention einige Fortschritte gemacht: Der afghanische Präsident bekräftigte seine Transparenzverpflichtungen, veranlasste eine externe Kontrolle von Beschaffungsprozessen, sowie eine Umstrukturierung des Justizsektors. All dies sind wichtige Schritte des Präsidenten, welche die Bereitschaft signalisieren, Korruption in den Griff zu bekommen (IWA 11.2016).

 

Im Februar 2016 hat Präsident Ghani, Mohammad Farid Hamidi, den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016).

 

Manch hochrangiger Akteure wurde dennoch strafrechtlich verfolgt – mit wenig abschreckender Wirkung. Der ehemalige Chef der Kabul Bank - Khalil Ferozi – wurde im Jahr 2014 aufgrund schweren Betrugs zu 15 Jahren Haft verurteilt. Berichten zufolge, durfte er das Gefängnis bei Tag verlassen, um seinen geschäftlichen Tätigkeiten nachzugehen. Im November 2015 unterzeichnete er ein Übereinkommen, an einem 900 Millionen US Dollar schweren Projekt mitzuarbeiten. Das Übereinkommen wurde aufgrund des öffentlichen Aufschreis storniert (FH 27.1.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

 

Die afghanische Zivilgesellschaft spielt eine wichtige Rolle – speziell in den städtischen Regionen – wo tausende Kultur-, Wohlfahrts- und Sportvereinigungen mit wenig Einschränkung durch Behörden operieren (FH 27.1.2016). Registriert sind 4.001 lokale NGOs und 434 internationale NGOs (ICNL 26.10.2016). Drohungen und Gewalt durch Taliban und andere Akteure haben NGO-Aktivitäten gedämpft und die Rekrutierung von ausländischen Entwicklungsmitarbeiter/innen erschwert (FH 27.1.2016).

 

Eine Vielzahl nationaler und internationaler Menschenrechtsgruppen arbeitet generell ohne Einmischung der Regierung, untersucht Menschenrechtsfälle und veröffentlicht ihre Ergebnisse (USDOS 13.4.2016). Eine systematische Politik der Einschränkung der Arbeit von Menschenrechtsverteidigern oder zivilgesellschaftlichen Akteuren gibt es in Afghanistan nicht (AA 9 .2016). Während Regierungsbeamte einigermaßen kooperativ sind und auf deren Sichtweise eingehen, gibt es dennoch Fälle von Einschüchterung von Menschenrechtsgruppen durch Regierungsbeamte (USDOS 13.4.2016). Gleichwohl sind nationale und internationale Menschenrechtsgruppen regelmäßig Behinderungen bei der Informationsbeschaffung ausgesetzt; ihre Beteiligung an wichtigen Vorhaben (Gesetzesentwürfe, Ratsversammlungen/Jirgas) wird nicht selten nur auf internationalen Druck ermöglicht. Das Netzwerk von Frauenrechtsaktivistinnen "Afghan Women‘s Network" berichtet von Behinderungen der Arbeit ihrer Mitglieder bis hin zu Bedrohungen und Übergriffen, teilweise von sehr konservativen und religiösen Kreisen (AA 9 .2016).

 

Derzeit stehen mehrere die Zivilgesellschaft betreffende Reforminitiativen an:

 

 

 

 

 

Am 31. Mai 2016 hat das afghanische Wirtschaftsministerium unter Beteiligung von NGOs eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um das NGO-Gesetz zu überarbeiten (AA 9 .2016).

 

Es gibt keine gesetzlichen Hindernisse für die Aktivitäten von NGOs oder Vereinigungen (ICNL 26.10.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Wehrdienst, Wehrdienstverweigerung/Desertion

 

Afghanistan kennt keine Wehrpflicht. Das vorgeschriebene Mindestalter für die freiwillige Meldung beträgt 18 Jahre. Mögliche Zwangsrekrutierungen bei der afghanischen Armee (oder Polizei) sind nicht auszuschließen. Da die Tätigkeit als Soldat oder Polizist für den großen Teil der jungen männlichen Bevölkerung eine der wenigen Verdienstmöglichkeiten darstellt, erscheint die Notwendigkeit für Zwangsrekrutierungen jedoch eher unwahrscheinlich (AA 9 .2016).

 

Laut Verteidigungsministerium gibt es keine Strafe für Desertion. (NYT 27.6.2011; vgl. auch: Stars and Stripes 3.9.2015).

 

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Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

Allgemeine Menschenrechtslage

 

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen. Die Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage (AA 9 .2016). Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Afghanistan hat die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 9 .2016).

 

Im Februar 2016 hat Präsident Ghani, den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, Mohammad Farid Hamidi, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016; vgl. auch NYT 3.9.2016).

 

Drohungen, Einschüchterungen und Angriffe gegen Menschenrechtsverteidiger hielten in einem Klima der Straflosigkeit an, nachdem die Regierung es verabsäumt hatte, Fälle zu untersuchen und Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen.

Menschenrechtsverteidiger wurden sowohl durch staatliche, als auch nicht-staatliche Akteure angegriffen und getötet – (AI 24.2.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

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Internet und Mobiltelefone:

 

Das Internet verbreitet sich weiterhin – 9.6% der Bevölkerung nutzen das Internet primär für Nachrichten und Information (USDOS 13.4.2016). Der rapide Benutzeranstieg von Internet und Mobiltelefonen führte zu einem erweiterten Informationsfluss und förderte beliebte Programme in Fernsehen und Radio (FH 27.1.2016).

 

Internetseiten, mit nach afghanischem Verständnis unmoralischen oder pornographischen Inhalten, sind gesperrt. Darunter fallen tatsächlich pornographische Seiten ebenso wie Webangebote für homo-, bi-, inter- oder transsexuelle User und Kennenlernportale bis hin zu Verkaufsseiten mit Alkoholangebot (AA 9 .2016).

 

Talibanangriffe auf die mobile Telefoninfrastruktur behinderten regelmäßig die Kommunikation (FH 27.1.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

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Religionsfreiheit

 

Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10–19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9 .2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9 .2016).

 

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).

 

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:

CSR 8.11.2016).

 

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).

 

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).

 

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime ist es nicht erforderlich den Islam an öffentlichen Schulen zu lernen (USDOS 10.8.2016).

 

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 9 .2016). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (USDOS 10.8.2016).

 

Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.1.2016).

 

Blasphemie – welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 8.11.2016).

 

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin der zwei anderen abrahamitischen Religionen, Christentum und Judentum, ist. Einer Muslima ist nicht erlaubt einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (USDOS 10.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Ethnische Minderheiten

 

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).

 

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane‘ wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."

(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).

 

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9 .2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).

 

Paschtunen:

 

Ethnische Pashtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Pashtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - nicht mehr als 50% der Gesamtsitze (USDOS 13.4.2016). Die Pashtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

 

Paschtunen siedeln sich in einem halbmondförmigen Gürtel an, der sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Ausführliche Informationen zu Paschtunen und dem Paschtunwali, können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden.

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Bewegungsfreiheit

 

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr, die Regierung schränke die Bewegung der Bürger/innen gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein [Anm.: siehe dazu auch Artikel 39 der afghanischen Verfassung] (USDOS 13.4.2016; vgl. Max Planck Institut 27.1.2004).

 

In manchen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In manchen Teilen machen Gewalt von Aufständischen, Landminen und Improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren. Die Taliban verhängen nächtliche Ausgangssperren in jenen Regionen, in denen sie die Kontrolle haben – Großteiles im Südosten (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

Meldewesen

 

Es gibt keine Meldepflicht in Afghanistan (DIS 5.2012; vgl. auch: DW 9.10.2004).

 

Quellen:

 

 

 

Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

 

Einem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge, verkomplizieren rückkehrende Flüchtlinge die Situation der bereits mehr als eine Million Binnenvertriebenen, deren Anzahl sich aufgrund des Aufstandes im Jahr 2016 erhöht hat. Nach Meinung des IWF wird dies die Kapazitäten des Landes überfordern (DAWN 28.1.2017).

 

Die Zahl der Internvertriebenen im Jahr 2017 betrug 9.759 (Stand 4. Februar 2017) (UN OCHA 5.2.2017). 636.503 Menschen wurden insgesamt im Jahr 2016 aufgrund des Konfliktes vertrieben (UN OCHA 29.1.2017). Mehr als die Hälfte dieser Menschen (56%) waren Kinder unter 18 Jahren. Von Binnenvertreibung betroffen waren 31 Provinzen in unterschiedlichem Ausmaß; alle 34 Provinzen beherbergten Binnenvertriebene. Im Jahr 2016 stammten die meisten Binnenvertriebenen aus den Provinzen Kunduz, Uruzgan, Farah und Helmand. Gleichzeitig nahmen die Provinzen Helmand, Takhar, Farah, Kunduz und Kandahar die meisten Binnenvertriebenen auf. Viele Menschen suchen also in der Nähe ihrer Heimat Schutz. Binnenvertriebene tendieren dazu aus ländlichen Gebieten in die Provinzhauptstädte zu ziehen, oder in die angrenzenden Provinzen zu gehen. Sobald der Konflikt zu Ende ist, versuchen sie bald wieder nach Hause zu kehren (AAN 28.12.2016).

 

Der verhängnisvollste Monat war Oktober, in welchem die Taliban mehrere Provinzhauptstädte gleichzeitig angriffen: Kunduz City, Farah City, Maimana, und Lashkar Gah. Der Anstieg der IDP-Zahlen ist auch auf den Rückzug internationaler Truppen zurückzuführen, die durch Luftangriffe unterstützten; mittlerweile haben die Taliban ihre Angriffstaktik geändert und sind zu Bodenoffensiven übergegangen. Bodenoffensiven sind nicht nur die Ursache für Tote und Verletzte innerhalb der Zivilbevölkerung, sondern zwingen die Menschen aus ihren Heimen zu fliehen (AAN 28.12.2016).

 

Im Rahmen von humanitärer Hilfe wurden Binnenvertriebene, je nach Region und Wetterbedingungen, unterschiedlich unterstützt: Bargeld, Paket für Familien, winterliche Ausrüstung, Nahrungspakete, Hygienepakete, Decken, Zelte, und andere Pakete, die keine Nahrungsmittel enthielten usw. Auch wurde Aufklärung in Bereichen wie Hygiene betrieben (UN OCHA 5.2.2017; vgl. auch: UN OCHA 29.1.2017; UN OCHA 1.11.2016; UN OCHA 1.10.2016; vgl. ACBAR 7.11.2016).

 

Unterschiedliche Organisationen, wie z.B. das Internationale Rote Kreuz (IRC) oder das Welternährungsprogramm (WFP) usw. sind je nach Verantwortungsbereichen für die Verteilung von Gütern zuständig.

Dazu zählten: Nahrung, Zelte, sowie andere Güter, die keine Nahrungsmittel waren (IOM 17.4.2016; vgl. auch ACBAR 15.5.2016).

 

UNHCR unterstützt Rückkehrer/innen mit finanziellen Beihilfen in vier Geldausgabezentren, außerdem mit Transiteinrichtungen und elementaren Gesundheitsleistungen. Zusätzlich wurden sie in anderen Bereichen aufgeklärt, wie z.B. Schuleinschreibungen, Gefahren von Minen etc. (UNHCR 6.2016).

 

2017

 

Im Jänner 2017 wurde ein humanitärer Plan für US$ 550 Millionen aufgestellt, mit dem Ziel im Jahr 2017 die vulnerabelste und marginalisierteste Bevölkerung des Landes zu unterstützen. Ziel sind strategische und lebensnotwendige Interventionen: Nahrung, Unterkunft, Gesundheitsvorsorge, Ernährung, sauberes Wasser und Hygiene. Im Rahmen des "Afghanistan 2017 Humanitarian Response Plan" sollen etwa 5,7 Millionen Menschen erreicht werden (UN News Centre 23.1.2017).

 

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Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Grundversorgung und Wirtschaft

 

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11 .2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).

 

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11 .2016).

 

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Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Medizinische Versorgung

 

Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 9 .2016).

 

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung

Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)].

 

Im regionalen Vergleich fällt die medizinische Versorgung weiterhin drastisch zurück (AA 9 .2016). Dennoch hat das afghanische Gesundheitssystem in der letzten Dekade ansehnliche Fortschritte gemacht (The World Bank Group 10.2016; vgl. auch: AA 9 .2016). Dies aufgrund einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (The World Bank Group 10.2016).

 

Die medizinische Versorgung leidet trotz erkennbarer und erheblicher Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 9 .2016).

 

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Krankenkassen und Gesundheitsversicherung

 

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Die staatlich geförderten öffentlichen Krankenhäuser bieten ihre Dienste zwar umsonst an, jedoch sind Medikamente häufig nicht verfügbar und somit müssen bei privaten Apotheken von den Patient/innen selbst bezahlt werden. Untersuchungen, Labortests sowie Routine Check-Ups sind in den Krankenhäusern umsonst (IOM 21.9.2016). Da kein gesondertes Verfahren existiert, haben alle Staatsbürger Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Physisch und geistig Behinderte, sowie Opfer von Missbrauch müssen eine starke familiäre und gesellschaftliche Unterstützung sicherstellen. Für verschiedene Krankheiten und Infektionen ist medizinische Versorgung nicht verfügbar. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten geboten werden, welche zudem meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Diagnostische Ausstattungen wie Computer Tomographie ist in Kabul (1 in Kabul) verfügbar (IOM 2016).

 

Medikamente

 

Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (IOM 2016). Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war vielen Frauen nicht erlaubt alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (USDOS 13.4.2016).

 

Beispiele für Behandlung psychischer Fälle in Afghanistan

 

In öffentlichen und privaten Kliniken ist beispielsweise paranoide Schizophrenie behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patient/innen nichts für ihre Aufnahme bezahlen. Die Patient/innen müssen ihre Medikamente in außenstehenden Apotheken kaufen (IOM 11.10.2016). In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital mit 100 Betten und die Universitätsklinik Aliabad mit 48 Betten. In Jalalabad und Herat gibt es jeweils 15 Betten für psychiatrische Fälle. In Mazar-e Scharif gibt es eine private Einrichtung, die psychiatrische Fälle stationär aufnimmt. Folgebehandlungen sind oft schwierig zu leisten, insbesondere wenn Patient/innen kein unterstützendes Familienumfeld haben. Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt", oder es wird ihnen in einer "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (AA 9 .2016).

 

Krankenhäuser in Afghanistan

 

Eine begrenzte Zahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Um Zugang zu erhalten, benötigt man die afghanische Nationalität (Ausweis/Tazkira). Man kann sich mit seinem Ausweis in jedem afghanischen Krankenhaus registrieren und je nach gesundheitlicher Beschwerde einem Arzt zugewiesen werden. Sollten Operation und Krankenhausaufenthalt nötig sein, wird dem Patienten in dem Krankenhaus ein Bett zur Verfügung gestellt (IOM 2016).

 

In Kandahar eröffnete eine pädiatrische Abteilung im Mirwais Krankenhaus, mit dem Ziel die extrem hohe Säuglingssterberate zu reduzieren: unter anderem verdoppelte sich die Zahl der Säuglingsschwestern; die neue Brutkasteneinheit unterstützt die Spezialist/innen der Neonatalogie (The Guardian 1.12.2016).

 

Krankenhäuser in Kabul:

 

* Antani Hospital Address: Salan Watt, District 2, Kabul Tel: +93 (0)20 2201 372

 

* Ataturk Children’s Hospital Address: Behild Aliabaad (near Kabul University), District 3, Kabul Tel: +93 (0)75 2001893 / +93 (0)20 250 0312

 

* Ahyaia Mujadad Hospital Address: Cinema Pamir, 1st District, Kabul Tel: +93(0)20 2100436

 

* Centre Poly Clinic Address: District 1, Cinema Pamir, Kabul Tel:

+93 (0)202100445

 

* Istiqlal Hospital Address: District 6, Kabul Tel: +93 (0)20 2500674

 

* Ibnisina Emergency Hospital Address: Pull Artal, District 1, Kabul

Tel: +93 (0)202100359

 

* Jamhoriat Hospital Address: Ministry of Interior Road, Sidarat

Square, District 2,Kabul Tel: +93 (0)20 220 1373/ 1375

 

* Malalai Maternity Hospital Address: Malalai Watt, Shahre Naw,

Kabul Tel: +93(0)20 2201 377

 

* Noor Eye Hospital Address: Cinema Pamir, Kabul Tel: +93 (0)20 2100 446

 

* Rabia–i-Balki Maternity Hospital Address: Frosh Gah, District 2, Kabul Tel: +93(0)20 2100439

 

* Tuberculosis Hospital Address: Sana Turiam, Dar-ul-Aman, District 6, Kabul Tel:+93 (0)75 201 4842

 

Beispiele für Nichtregierungsorganisationen vor Ort:

 

Ärzte ohne Grenzen (MSF)

 

In Helmand besteht das größte Krankenhaus im südlichen Afghanistan, welches von Ärzten ohne Grenzen (MSF) geführt wird. Als eines der wenigen Krankenhäuser in der Provinz, hat das Krankenhaus 300 Betten. Etwa 700 afghanische Mitarbeiter/innen und 25 Ausländer/innen arbeiten in den Abteilungen des Krankenhauses, zu diesen zählen unter anderem die Pädiatrie, die Intensivmedizin, die Orthopädie, erste Hilfe und Operationen. Die Behandlung in diesem Krankenhaus ist kostenfrei, sofern man es schafft einen Platz zu bekommen (Time 31.8.2016).

 

Das Komitee des internationalen Roten Kreuz (ICRC)

 

Zugang zu Gesundheitsbehandlung bleibt schwierig in jenen Gegenden, in denen die Sicherheitslage schwach ist.

 

Das ICRC:

 

 

 

 

 

 

 

 

Telemedizinprojekt durch den Mobilfunkanbieter Roshan

 

Das Telemedizinprojekt, verbindet Ärzte in ländlichen Gegenden mit Spezialist/innen im französischen Kindermedizininstitut in Kabul und dem Aga Khan Universitätskrankenhaus in Pakistan. Durch eine Hochgeschwindigkeits-Videoverbindung werden arme Patient/innen auf dem Land von Expert/innen diagnostiziert. Die von Roshan zur Verfügung gestellte Technologie ermöglicht es afghanischen Ärzten im Institut zudem, durch komplizierte Behandlungen geleitet zu werden, für die sie sonst nicht die Expertise hätten (Good Impact 17.12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rückkehr

 

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017); viele von ihnen sind, laut Internationalem Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.1.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).

 

IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind (Khaama Press 17.1.2017).

 

Afghanische Rückkehrer/innen, afghanische Flüchtlinge und nicht registrierte Afghan/innen

 

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Unterstützung durch verschiedene Organisationen Vorort

 

Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Die Voraussetzungen hierfür unterscheiden sich, wobei zumeist der Fokus auf die Situation/Gefährdung des Antragenden und die Nachhaltigkeit des Projekts gelegt wird. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (IOM 2016).

 

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:

Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt – um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).

 

Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9 .2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).

 

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Es gibt keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Lediglich beratende Unterstützung wird vom Arbeitsministerium und der NGO ACBAR (www.acbar.org ) angeboten (IOM 2016).

 

Erhaltungskosten in Kabul

 

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.5. Zur Versorgungslage und zu den Lebenshaltungskosten in Kabul wird Folgendes festgestellt:

 

Als essentiell zum Überleben wird übereinstimmend der Bedarf an Nahrung, Obdach und medizinischer Versorgung angesehen.

 

Die Lebensmittelversorgung ist ausreichend gewährleistet. Auch wenn es saisonale Schwankungen in der Versorgung mit frischem Obst und Gemüse und zeitweise, temporäre Engpässe gibt, wenn aus politischen Gründen die Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan von Pakistan geschlossen wird, konnte kein Engpass bei der Lebensmittelversorgung und bei anderen Produkten des täglichen Bedarfes festgestellt werden. Für Lebensmittel wird als unterer, jedenfalls erforderlicher Betrag eine Bandbreite von ca. US $ 100,- bis 150,- angesehen, wobei bei US $ 150,- auch bereits die Kleidung und Kosten für Transport beinhaltet sind. Natürlich sind die monatlichen Lebenshaltungskosten für eine Person abhängig von den individuellen Ausgaben und können diese auch bei bis zu US $ 250,-- pro Person als oberer Wert liegen.

 

Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zu zwei Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016). Die Kosten für Obdach können jedoch gesenkt werden, wenn die betreffende Person sich den Wohnraum (in einer Art Wohngemeinschaft) mit anderen Personen teilt. So wird für Kabul angegeben, dass für Wohnraum – bei 4 Bewohnern je Raum – ein Betrag von etwa US $ 40,- aufgewendet werden muss.

 

Medizinische Versorgung ist in den Spitälern frei. In den drei Städten – Kabul, Herat und Mazar-e Sharif ist die medizinische Grundversorgung ausreichend und für jedermann zugänglich. Die Versorgung mit Medikamenten ist gesichert.

 

Die Sicherung existenzieller Bedürfnisse durch eigene Erwerbstätigkeit ist bei entsprechenden Anstrengungen des Rückkehrers ohne Einschränkungen möglich, wobei die Arbeitssuche in den Städten einfacher ist als auf dem Land. Wenngleich minderqualifizierte Rückkehrer besonderer Anstrengung bei der Arbeitssuche bedürfen, gibt es jedenfalls auch für sie Arbeitsmöglichkeiten. Auch wenn Rückkehrer noch nie zuvor in einer afghanischen Großstadt länger gelebt hatten, ergab sich diesbezüglich bei einer Rückkehr kein Problem, insbesondere hatte dieser Umstand keinen Einfluss auf die Existenzsicherung.

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Die Feststellung, dass der BF volljährig ist, ergibt sich zweifelsfrei aus dem eingeholten multifaktoriellen Altersgutachten der klinisch-forensischen Untersuchungsstelle des Ludwig Boltzmann Instituts und der Medizinischen Universität Graz vom 05.03.2014. Dieses Gesamtgutachten kommt letztlich bei einer gesamthaften Betrachtung der Einzelgutachten zu dem Schluss, dass der BF zum Untersuchungszeitpunkt am XXXX mindestens 18 Jahre alt war. Da der BF diesem Gutachten in der Beschwerde nicht mehr entgegengetreten ist und er selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung des von ihm behaupteten Geburtsdatums XXXX im Zeitpunkt dieser Entscheidung schon volljährig wäre, bestehen keine Zweifel an seiner Volljährigkeit.

 

2.2. Die Feststellungen zur Person des BF, zu seinen familiären Verhältnissen, zu seinen Lebensumständen im Heimatland und zu seinen in Afghanistan aufhältigen Verwandten ergeben sich aus seinem Vorbringen vor der Verwaltungsbehörde. Da der BF lediglich einmalig anlässlich der Untersuchung zur Altersfeststellung angegeben hatte, als Kind nach Pakistan gezogen und dort bis zu seiner Reise nach Österreich gelebt zu haben, ansonsten jedoch stets vor der Verwaltungsbehörde und auch im Beschwerdeschriftsatz angab, in Afghanistan in der Provinz XXXX gelebt zu haben, war zum Aufenthalt in Pakistan eine Negativfeststellung zu treffen und gleichzeitig festzustellen, dass der BF aus der Provinz XXXX stammt. Schon die belangte Behörde ging von dieser Herkunftsregion des BF aus und der BF berief sich selbst in seiner Beschwerde darauf, weshalb es hinreichend wahrscheinlich erscheint, dass er aus der Provinz Nangarhar stammt.

 

2.3. Seine aktuellen Lebensumstände im Bundesgebiet einschließlich seiner Integrationsbemühungen und seiner strafrechtlichen Unbescholtenheit ergeben sich aus seinen Angaben vor dem BFA, den in Vorlage gebrachten Unterlagen und amtswegig eingeholten Auszügen.

 

2.4. Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand beruhen auf den in Vorlage gebrachten medizinischen Unterlagen. Insbesondere ergibt sich aus dem ärztlichen Befundbericht vom 08.10.2015, dass der BF zwar weiterhin depressiv und konzentrationsgestört sei sowie einer engmaschigen psychiatrischen und psychotherapeutischen Betreuung bedürfe, jedoch sein psychischer Zustand stabil sei und die dissoziativen Anfälle seit mehreren Monaten reduziert werden konnten. Obwohl der nunmehrige Vertreter des BF in der Zwischenzeit mehrere Schreiben an das Bundesverwaltungsgericht richtete, wurden seitdem keine weiteren medizinischen Unterlagen in Vorlage gebracht. Weder der BF noch sein ausgewiesener Vertreter erschienen zur mündlichen Beschwerdeverhandlung am 14.06.2017, im Rahmen welcher der BF oder sein Rechtsvertreter Gelegenheit gehabt hätten, ein Vorbringen zum aktuellen Gesundheitszustand des BF zu erstatten. Auch dem rezenten Schreiben des Rechtsvertreters vom 20.06.2017 waren keine aktuellen medizinischen Unterlagen beigefügt, weshalb keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich der Gesundheitszustand des BF verändert bzw. verschlechtert hat. Angesichts dieser Erwägungen geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der psychische Zustand des BF weiterhin stabil ist. Dass der BF bereits in seiner Heimat psychische Probleme hatte und deswegen behandelt wurde, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 27.06.2014.

 

2.5. Die Negativfeststellung bezüglich des vom BF vorgebrachten Fluchtgrundes ergibt sich daraus, dass diesen Angaben des BF die Glaubwürdigkeit zu versagen war. Da im gegenständlichen Verfahren die Aussage des Antragstellers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt, müssen die Angaben des Antragstellers bei einer Gesamtbetrachtung auf ihre Glaubwürdigkeit überprüft werden. Eine Aussage ist grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren, wenn das Vorbringen des Asylwerbers hinreichend substantiiert ist; er sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. seine Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, das heißt mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen. Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Asylwerber den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Antragsteller nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen und indizieren erst sehr spät geltend gemachte Bedrohungsszenarien bloß konstruiertes Vorbringen, da Asylwerber regelmäßig spontan Angaben erstatten, die der Wahrheit am nächsten kommen.

 

Diesen Anforderungen werden die Angaben des BF aus nachstehend angeführten Gründen nicht gerecht:

 

Schon die belangte Behörde führte zu Recht ins Treffen, dass die Angaben des BF zu seinem Fluchtgrund äußerst vage und wenig detailreich erscheinen. Von sich aus machte der BF lediglich allgemein gehaltene Angaben zu seiner Fluchtgeschichte und es konnten erst nach mehrmaligem Nachfragen Informationen zu seiner Bedrohungssituation erlangt werden. Angesichts dieses Aussageverhaltens sind Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Angaben zu seinem Fluchtgrund angezeigt.

 

Da der BF jedoch unter psychischen Problemen leidet und zum Zeitpunkt seiner Erstbefragung noch minderjährig (bei den weiteren Einvernahmen jedoch schon volljährig) war, ist in casu allerdings die diesbezügliche höchstgerichtliche Judikatur zu berücksichtigen:

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, dass psychische Erkrankungen im Hinblick auf konstatierte Unstimmigkeiten im Aussageverhalten zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 30.06.2011, 2011/23/0113; VwGH 28.06.2005, 2005/01/0080). Auch das Alter und der Entwicklungsstand des Beschwerdeführers sind in Betracht zu ziehen und die Behörde muss einen dem Alter entsprechenden Maßstab an die Detailliertheit der Eindrücke des Beschwerdeführers anlegen (vgl. VfGH 27.06.2012, U98/12). Zu beachten ist außerdem, ob der Asylwerber seinen Heimatstaat als Minderjähriger verlassen hat bzw. ob die Erzählung der Fluchtgeschichte aus der Perspektive eines Minderjährigen erfolgte (vgl. VwGH 02.09.2015, Ra 2014/19/0127). Das Aussageverhalten des Minderjährigen ist dahingehend zu würdigen, ob und welche Angaben von ihm unter Berücksichtigung seines Alters erwartet werden können (vgl. VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0113). Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines – im Zeitpunkt der fluchtauslösenden Ereignisse – Minderjährigen bedarf es daher einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung (vgl. VwGH 02.09.2015, Ra 2014/19/0127).

 

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist zwar angesichts der psychischen Beschwerden des BF ein niedrigerer Maßstab hinsichtlich der Detailliertheit der von ihm geschilderten Eindrücke anzulegen, jedoch wäre unter Berücksichtigung des Alters des BF und seiner psychischen Probleme von ihm zu erwarten gewesen, dass er zumindest im Wesentlichen konsistente Angaben zu der von ihm vorgebrachten Bedrohungssituation machen kann. Diesen Anforderungen ist der BF aber keinesfalls gerecht geworden, denn er schilderte einerseits bei der Erstbefragung sowie bei der niederschriftlichen Einvernahme am 27.06.2014 und andererseits bei der Befragung am 21.02.2014 anlässlich seiner Untersuchung zur Altersfeststellung zwei völlig unterschiedliche Lebenssachverhalte, die einander ausschließen. So gab er einerseits in seiner Erstbefragung und bei seiner niederschriftlichen Einvernahme an, dass sein Vater und sein Bruder in Afghanistan ermordet worden seien, als sich der BF selbst an einem anderen Ort bzw. in einer anderen Provinz (XXXX) aufgehalten habe. In diesem Zusammenhang gab er auch an, seine Reisebewegung von XXXX aus begonnen zu haben. Andererseits führte er im Zuge der Befragung zur Altersfeststellung aus, dass er als Kind nach Pakistan gezogen sei und dort bis zu seiner Reise nach Österreich gelebt habe. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der BF zum Zeitpunkt des angeblich fluchtauslösenden Ereignisses und noch zum Zeitpunkt seiner Antragstellung und Erstbefragung in Österreich ein psychisch beeinträchtigter, mündiger Minderjähriger war, wäre von ihm zu erwarten gewesen, dass er grundlegende Angaben wie die Region, wo er sich zum Zeitpunkt eines derart einprägsamen Erlebnisses wie der angeblichen Ermordung des eigenen Vaters und Bruders aufgehalten hat, widerspruchsfrei schildern kann. Da der BF jedoch seinen Aufenthaltsort zum Zeitpunkt der Ermordung seiner Familienangehörigen nicht einmal hinsichtlich des Staates (Afghanistan und Pakistan) konsistent einordnete, bestärkt dies den bereits durch seine vagen und allgemein gehaltenen Angaben hervorgerufenen Eindruck, dass die von ihm vorgebrachten fluchtauslösenden Ereignisse nicht der Wahrheit entsprechen.

 

Der Vollständigkeit halber ist auch anzumerken, dass der BF hinsichtlich seiner Mutter keine gleichbleibenden Angaben machte. Während er 1) bei seiner Erstbefragung vorbrachte, das Alter seiner namentlich genannten Mutter sei ihm unbekannt, 2) befragt nach der Bestreitung des Lebensunterhalts durch seine Familie angab, seine Mutter halte sich bei seinen Tanten väterlicherseits auf und lebe vom Geld der restlichen, verkauften Grundstücke, wobei er ihren momentanen Aufenthaltsort nicht kenne, und 3) bei der niederschriftlichen Einvernahme ebenso ausführte, er wisse nicht, wo sich seine Mutter aufhalte, weil sie nicht in Kontakt stehen würden, gab er im groben Gegensatz dazu anlässlich der Befragung zur Altersfeststellung an, dass seine Mutter auf ihm unbekannte Weise verstorben sei, als er noch ein Kleinkind gewesen sei. Dass der BF nicht einmal zum Verbleib seiner Mutter konsistente Angaben tätigen konnte, spricht als weiteres Indiz gegen die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen, als damit der Eindruck entsteht, dass der BF seine Angaben vor den Behörden nach Belieben austauscht. Dieser Eindruck wird auch durch die Verwendung mehrerer Identitäten in den von ihm durchreisten Staaten verstärkt.

 

Im Übrigen hätte der BF im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht die Möglichkeit gehabt, zu den soeben aufgezeigten groben Widersprüchen in seinem Vorbringen Stellung zu nehmen bzw. diese allenfalls aufzuklären. Obwohl er ordnungsgemäß über seine rechtsfreundliche Vertretung zur Verhandlung geladen worden war, erschien er nicht zur Beschwerdeverhandlung und legte bis dato keine zwingenden Gründe dar, die sein Fernbleiben gerechtfertigt hätten. Das Nichterscheinen des BF zur mündlichen Verhandlung am 14.06.2017 ist daher im Sinne des § 18 Abs. 3 AsylG - zusätzlich zu den bereits aufgezeigten Widersprüchen in seinem Vorbringen - zu seinen Lasten zu werten.

 

Bei einer Abwägung der Gründe, die für die vorgebrachte Bedrohungssituation sprechen und jener Gründe, die gegen die Glaubwürdigkeit der konkreten Bedrohungssituation sprechen, überwiegen die für ein konstruiertes Vorbringen sprechenden Argumente deutlich, sodass es dem BF daher insgesamt nicht gelungen ist, sein Vorbringen zu seinen behaupteten Fluchtgründen glaubhaft zu machen, weshalb die von ihm ins Treffen geführte Bedrohungssituation für seine Person nicht als maßgeblicher Sachverhalt festgestellt werden konnte.

 

2.6. Die Feststellungen zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Afghanistan ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom März 2017 (letzte Kurzinformation eingefügt am 11.05.2017) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, wobei zu den einzelnen Textpassagen die konkreten bezughabenden Quellen angeführt sind. Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Angesichts des Umstandes, dass die vom BF im Rahmen seiner Einvernahme vom 27.06.2014 vorgelegten Medienberichte aus dem Jahr 2014 und die in seiner Stellungnahme vom 16.07.2014 zitierten Länderinformationen aus den Jahren 2013 sowie 2014 stammen, sind diese im Vergleich zu den vom Bundesverwaltungsverwaltungsgericht verwendeten Länderinformationen deutlich veraltet und mangels Aktualität nicht heranzuziehen.

 

2.7. Die ergänzenden Feststellungen zur Versorgungslage und den Lebenshaltungskosten in Kabul ergeben sich aus dem Gutachten Dris. Mahringer zu diesem Themenkreis in einer Zusammenschau mit den diesbezüglichen Informationen im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

 

Zu A)

 

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 idgF kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

 

3.1.1. Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Sie liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Weiters muss sie sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist. Anträge auf internationalen Schutz sind gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11 AsylG) offen steht (Z 1) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat (Z 2).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 27.06.1995, 94/20/0836; 23.07.1999, 99/20/0208; 21.09.2000, 99/20/0373; 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.09.2002, 99/20/0505; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256; VwGH 13.11.2008, Zl. 2006/01/0191).

 

3.1.2. Aus dem Umstand, dass dem Vorbringen des BF zur individuell behaupteten Fluchtgeschichte die Glaubwürdigkeit zu versagen war, folgt rechtlich zunächst, dass seine Flüchtlingseigenschaft nicht festgestellt werden konnte und die Asylgewährung daher nicht statthaft ist, zumal auch aus den Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan nicht abgeleitet werden kann, dass gleichsam jede dort aufhältige Person, oder jene, die nach Afghanistan zurückkehrt, dort in asylrechtlich relevanter Weise landesweit Verfolgung zu gewärtigen hätte (vgl. etwa AsylGH 07.06.2011, C1 411.358-1/2010/15E, sowie den diesbezüglichen Beschluss des VfGH vom 19.09.2011, Zahl U 1500/11-6 u.v.a.). Derartiges wurde seitens des BF auch nicht behauptet.

 

3.1.3. Aus der Volksgruppen bzw. Religionszugehörigkeit des BF (sunnitischer Paschtune) lässt sich eine asylrelevante Verfolgung nicht allgemein ableiten und wurde eine Verfolgung aus diesem Grund auch nicht behauptet. Die lediglich pauschale Äußerung des BF im Zuge seiner Erstbefragung, dass sein Vater vom Stamm "XXXX" getötet worden sei, wobei es mit diesem Stamm immer schon Probleme gegeben habe, mag schon angesichts dessen, dass der Fluchtgeschichte des BF die Glaubwürdigkeit zu versagen war, keine asylrelevante Verfolgung begründen. Außerdem führte der BF im Zuge des weiteren Verfahrens solche Probleme nicht mehr ins Treffen.

 

3.1.4. Ebenso wenig lässt sich für den BF aus der wirtschaftlich schlechten Lage in Afghanistan eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH vom 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 9.5.1996, 95/20/0161; 30.4.1997, 95/01/0529, 8.9.1999, 98/01/0614). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkennt, reicht auch der Verlust (oder die Schwierigkeit der Beschaffung) eines Arbeitsplatzes nicht aus, eine Asylgewährung zu begründen, solange damit nicht eine ernsthafte Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden ist (VwGH 19.06.1997, 95/20/0482; vgl. 28.05.1994, 94/20/0034). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt – nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung – zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist.

 

3.1.5. Der Vollständigkeit halber ist zudem auszuführen, dass selbst bei Wahrunterstellung der vom BF behaupteten Bedrohungssituation, diesem nicht der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen wäre:

 

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 24.11.1999, 99/01/0280). Um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu erreichen, müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und glaubhaft gemacht werden (VwGH 10.03.1994, 94/19/0056). Verfolgungshandlungen gegen Verwandte können nur dann eine Ursache für begründete Furcht vor Verfolgung nur dann bilden, wenn auf Grund der im Verwaltungsverfahren glaubhaft dargelegten konkreten Situation davon ausgegangen werden muss, dass gegen ein Familienmitglied gesetzte oder von diesem zu befürchtende Verfolgungshandlungen auch zu - die Intensität asylrechtlich relevanter Verfolgungshandlungen erreichenden - Maßnahmen gegen andere Familienmitglieder führen werden (vgl. VwGH 07.09.2000, 2000/01/0153). Zwar reicht die Verwandten widerfahrene bzw. drohende Verfolgung alleine für sich nicht aus, die individuell konkrete Verfolgung eines Asylwerbers darzutun, doch hat sie in die Beurteilung der gesamten Situation miteinbezogen zu werden, wenn sie grundsätzlich geeignet wäre, eine dem Asylwerber selbst drohende individuelle Verfolgung zu untermauern (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0259).

 

Schon die belangte Behörde hielt richtigerweise im nunmehr angefochtenen Bescheid fest, dass es nach dem eigenen Vorbringen des BF zu keinen konkreten Übergriffen auf seine Person und nicht einmal zu einem persönlichen Kontakt zwischen ihm und dem Mörder seines Vaters sowie seines Bruders gekommen ist. Hinzuzufügen ist, dass der BF auch keine Gründe dafür anzuführen vermochte, warum der Mörder seines Vaters an ihm Interesse haben sollte. So gab der BF in der Einvernahme am 27.06.2014 auf die Frage, weshalb er vom Mörder seines Vaters umgebracht werden soll bzw. welches Interesse an seiner Person bestehen soll, an: "Ich weiß es nicht."

 

Vor diesem Hintergrund scheint es nahezu ausgeschlossen zu sein, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von dem Mörder seines Vaters und seines Bruders verfolgt werden würde. Da der BF seinen eigenen Angaben zufolge diesen Mann nie gesehen hat, ist nicht davon auszugehen, dass er den BF im Falle einer persönlichen Begegnung überhaupt erkennen könnte. Außerdem sind keine Gründe zum Vorschein gekommen, warum nach dem BF in anderen Landesteilen - wie etwa in der Stadt Kabul, auf die der BF verwiesen wird (siehe Punkt 3.2.) - von Seiten des Mörders seines Vaters gesucht werden sollte. Außer der zwischen dem BF und seinem Vater bestehenden Familienzugehörigkeit sind keine Gründe ersichtlich, weshalb der Mörder seines Vaters überhaupt ein Interesse am BF haben sollte. Da die Schwester des BF seinen eigenen Angaben zufolge nach wie vor in Afghanistan leben kann und der BF nicht dargelegt hat, warum gerade er aufgrund seiner Familienzugehörigkeit verfolgt werden sollte, wäre nicht zu erwarten, dass Verfolgungshandlungen vom Mörder seines Vaters gegen ihn gerichtet werden würden. Aufgrund dieser Erwägungen ist daher selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung des vom BF geschilderten Bedrohungsszenarios davon auszugehen, dass der BF im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit individuell und konkret verfolgt werden würde.

 

Da es dem BF nicht gelungen ist, asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in seinem Herkunftsstaat glaubhaft darzutun und selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung seines Fluchtvorbringens diesem keine asylrelevante Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit entnommen werden konnte, war der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gemäß § 3 AsylG 2005 abzuweisen.

 

3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

Wird ein Asylantrag "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.

 

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 AsylG 2005) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Antrag auf interanationalen Schutz auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

 

3.2.1. Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 22.02.2017, Ra 2016/19/0238). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000;

VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0586;

VwGH 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH 21.06.2001, Zl. 99/20/0460;

VwGH 16.04.2002, Zl. 2000/20/0131). Diese in der Judikatur zum AsylG 1997 angeführten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427).

 

Die Außerlandesbeschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; VwGH 26.02.2002, Zl. 99/20/0509). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, Zl. 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG 2005) zu beachten (VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

 

3.2.2. Wie bereits oben ausgeführt, bestehen mangels glaubhafter individueller und mangels genereller Verfolgungsgefahr keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des BF aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre. Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur EMRK verletzt würden.

 

3.2.3. Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Gemäß § 11 Abs. 2 leg.cit. ist bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

 

Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG z.B. VwGH 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert, deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/-20/0539).

 

"Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des Beschwerdeführers als Zielort wegen der dem Beschwerdeführer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (VfGH 12.03.2013, U1674/12; 12.06.2013, U2087/2012)." (VfGH vom 13.09.2013, Zl. U370/2012).

 

3.2.4. Angesichts der schwierigen Sicherheitslage in der Heimatprovinz des BF, XXXX, kommt eine Rückführung des BF in diese Region aufgrund der dort drohenden Gefahr für Leib und Leben nicht in Betracht. Dem BF steht jedoch eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul zur Verfügung:

 

Nach der rezenten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der auf die jüngst ergangenen Urteile des EGMR (vgl. die Urteile des EGMR jeweils vom 12. Jänner 2016, jeweils gegen Niederlande: S. D. M., Nr. 8161/07; A. G. R., Nr. 13 442/08; A. W. Q. und D. H., Nr. 25 077/06; S. S., Nr. 39 575/06; M. R. A. u. a., Nr. 46 856/07) verweist, ist die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde (vgl. VwGH 13.09.2016, Ra 2016/01/0096). Vielmehr obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Dafür reicht es jedoch nicht aus, sich bloß auf eine allgemeine schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen (vgl. VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016).

 

Die Stadt Kabul ist eine für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sichere und über den jeweiligen Flughafen gut erreichbare Stadt. In Kabul ist nach den vorliegenden Länderberichten die allgemeine Lage als vergleichsweise sicher und stabil zu bezeichnen, auch wenn es dort zu vereinzelten Anschlägen kommt. Innerhalb Kabuls existieren demnach in verschiedenen Vierteln unterschiedliche Sicherheitslagen. Die afghanische Regierung behält jedoch die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren. Aus den entsprechenden Länderberichten ergibt sich, dass sich die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen (etwa Regierungs- und Polizeigebäude) oder NGO¿s ereignen, oder wie etwa jüngst am 31.05.2017 im Diplomatenviertel. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul als ausreichend sicher zu bewerten ist.

 

Im Hinblick auf die in Kabul zu erwartenden Lebensumstände des BF ist diesem eine Ansiedlung in Kabul auch zumutbar:

 

Der BF verfügt zwar über keine Schulbildung, er befindet sich jedoch im erwerbsfähigen Alter und sammelte in seinem Heimatland bereits Berufserfahrung durch seine Tätigkeit in der Landwirtschaft. Dadurch, dass er den überwiegenden Teil seines Lebens in Afghanistan verbrachte und dort aufwuchs, ist er mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut, was ihm die Neuansiedlung in Kabul erleichtern wird.

 

Hinsichtlich der beim BF vorliegenden psychischen Probleme ist zunächst auf die allgemeine höchstgerichtliche Rechtsprechung hinzuweisen: Im Erkenntnis vom 21.02.2017, Ra 2017/18/0008, führte der Verwaltungsgerichtshof aus: "Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder suizidgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland (einer Abschiebung oder Überstellung) nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind (Urteil des EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 189 ff)."

 

Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 23.03.2017, Ra 2017/20/0038, mwN).

 

Im vorliegenden Fall leidet der BF unter einer längerdauernden depressiven Reaktion und einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Neigung zur Dissoziation und Selbstgefährdung. Er wird medikamentös behandelt und befindet sich in regelmäßiger psychiatrischer und psychotherapeutischer Betreuung. Sein psychischer Zustand wurde zuletzt als stabil eingeschätzt und es ist nicht hervorgekommen, dass sich dieser verschlechtert hätte oder dass sich der BF in stationärer Behandlung befände oder auf Dauer nicht reisefähig wäre. Entgegen den Behauptungen in der Beschwerde, sind in Kabul auch hinreichende Behandlungsmöglichkeiten für Personen mit psychischen Beschwerden vorhanden. So gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen in Kabul; die medizinische Versorgung in den Spitälern ist frei und für alle afghanischen Staatsbürger zugänglich. Hinsichtlich der Versorgung mit Medikamenten in Afghanistan wird zwar im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, welches diesbezüglich auf den Bericht des Auswärtigen Amtes vom September 2016 zurückgreift, eine unzureichende Verfügbarkeit von Medikamenten angeführt, jedoch ergibt sich aus dem aktuelleren Gutachten Dris. Mahringer die speziellere Information, dass in den Großstädten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif die Versorgung mit Medikamenten gesichert ist. Aufgrund dieser Erwägungen ist davon auszugehen, dass der BF hinsichtlich seiner psychischen Beschwerden in Kabul ausreichende medizinisch behandelt bzw. versorgt werden wird. Außerdem brachte der BF in seiner Einvernahme vom 27.06.2014 selbst vor, dass er wegen seiner gesundheitlichen Probleme schon in Afghanistan behandelt worden sei. Dass die in Kabul bestehenden Behandlungsmöglichkeiten nicht österreichischem Standard entsprechen, schwerer zugänglich und kostenintensiver sind, ist unerheblich, zumal grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten bestehen (vgl. dazu VfGH 06.03.2008, B 2400/07).

 

Da der BF in Kabul hinsichtlich seiner psychischen Beschwerden hinreichend medizinisch versorgt werden kann, sind auch keine Gründe ersichtlich, warum er sich nicht als physisch gesunder Mann in erwerbsfähigem Alter in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten eine Existenzgrundlage sichern könnte. Aus dem GA Dris. Mahringer ergibt sich, dass auch Personen, die vormals nicht in einer Großstadt gelebt haben, kein Problem hatten, sich dort einzugliedern, und dass jedenfalls auch für minderqualifizierte Rückkehrer Arbeitsmöglichkeiten vorhanden sind. Der BF war trotz seiner psychischen Beschwerden schon vormals in der Lage als unbegleiteter Minderjähriger die schwierige Flucht nach Europa anzutreten und bewältigt auch in Österreich ohne familiäre Anknüpfungspunkte trotz seiner psychischen Beeinträchtigungen den Alltag. Außerdem könnte der BF Rückkehrhilfen von UNHCR und IOM in Anspruch nehmen und notfalls auch mit seinen in Afghanistan lebenden Verwandten wieder Kontakt aufnehmen, sodass diese ihm Unterstützung zukommen lassen können.

 

In Zusammenschau ergibt sich, dass für den BF die Möglichkeit für eine den durchschnittlichen afghanischen Verhältnissen entsprechende einfache Lebensführung realistisch ist und keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der BF bei einer Rückkehr etwa nach Kabul einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre oder er in eine ausweglose Lage geraten würde. Nach menschlichem Ermessen ist daher davon auszugehen, dass es auch dem BF möglich und zumutbar wäre, unter Anspannung seiner Kräfte, sich in Kabul niederzulassen und dort seine Existenz zu erwirtschaften. Sohin sind die Voraussetzungen für das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative gegeben, weshalb die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht in Betracht kommt und die Rückverbringung des BF nach Afghanistan nicht im Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG 2005 steht.

 

3.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

 

3.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Der BF befindet sich seit Dezember 2013 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

 

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

 

3.3.2. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Der BF ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, zumal mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

 

3.3.3. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Da der BF weder über verwandtschaftliche bzw. familiäre Beziehungen verfügt noch eine familienähnliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet führt, liegt kein Eingriff in das Recht auf ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK vor.

 

Der durch die normierte Ausweisung des BF aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in sein Privatleben ist durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu seinem Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet gedeckt:

 

Der nunmehrige Aufenthalt des BF in Österreich in der Dauer von etwa drei Jahren und neun Monaten war nur ein vorläufig berechtigter. Zudem ist dieser Aufenthalt, gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, als kein ausreichend langer Zeitraum zu qualifizieren:

 

Hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltes im Bundesgebiet, hat der EGMR in der Entscheidung (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts in der Dauer von zehn Jahren dies nicht als allfälligen Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

 

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

 

Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist erkennbar, dass etwa ab einem zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib gegenüber den öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293).

 

Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, indem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 05.09.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.01.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, OJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562).

 

Der BF befindet sich seit Dezember 2013 im Bundesgebiet, weshalb die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof einschlägig ist, wonach einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055). Die hier vorliegende Aufenthaltsdauer von rund drei Jahren und neun Monaten kann sohin für sich genommen keine maßgebliche Verstärkung der persönlichen Interessen an einer Titelerteilung bewirken. Dieser Aufenthalt wird zudem dadurch relativiert, dass er bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war, was dem BF bewusst gewesen sein musste.

 

Der BF geht im Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit nach, sondern bezieht die staatliche Grundversorgung, weshalb zum einen nicht von seiner Selbsterhaltungsfähigkeit ausgegangen werden kann und zum anderen auch keine "berufliche Verfestigung" vorliegt.

 

Während seines Aufenthalts in Österreich hat der BF zwar bereits einige Freunde gefunden und ist bemüht, durch entsprechende Kurse Deutsch zu lernen, was als gewisse soziale Integration zu seinen Gunsten zu werten ist. Seine Interessen am Verbleib in Österreich werden zudem durch das Interesse an der Weiterführung der Behandlung seiner psychischen Beschwerden verstärkt, jedoch insofern relativiert, als diese Leiden auch in Kabul behandelbar sind (vgl. Punkt 3.2.4.). Diesen privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber:

 

Nach ständiger Judikatur des VwGH kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva). Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

 

Überdies ist zum Schutze des wirtschaftlichen Wohls des Landes die Unterbindung des Aufenthaltes von mittellosen Personen sehr bedeutsam (VwGH 29.01.2008, 2007/18/0400; 22.11.2007, 2007/21/0406). Der Bezug von Beihilfen oder Unterstützungen karitativer Einrichtungen relativiert etwa finanzielle Absicherung und Unterstützungen und vermindert somit die Integration, deren Bestandteil die Selbsterhaltungsfähigkeit ist, stark (VwGH 22.06.2006, 2006/21/0109).

 

Darüber hinaus sind die zu Österreich bestehenden Bindungen des BF im Vergleich zu jenen seines Herkunftsstaates relativ schwach ausgeprägt. Der BF verbrachte den weit überwiegenden und prägenden Teil seines Lebens in Afghanistan und war dort erwerbstätig. Er beherrscht eine Landessprache des Herkunftsstaates und kennt die dortigen Gegebenheiten. Außerdem halten sich die Familienangehörigen des BF (Schwester, Onkel und Tanten) in Afghanistan auf. Ein Vergleich der Lebensverhältnisse führt sohin jedenfalls zu einem Überwiegen der Bindungen zu Afghanistan, weshalb die verfügte Rückkehrentscheidung auch vor diesem Hintergrund keine unzumutbaren Härten aufweist.

 

Der Umstand, dass der BF in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt ebenso wenig eine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

 

Die Dauer des Verfahrens übersteigt auch noch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist, sodass im vorliegenden Fall nicht davon auszugehen ist, dass allein schon die lange Dauer des Asylverfahrens einen wichtigen, im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK zu berücksichtigenden Gesichtspunkt darstellt (vgl. VfGH 12.06.2013, U485/2012).

 

Daher ist davon auszugehen, dass die Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.

 

3.3.4. Eine amtswegige Prüfung, ob dem Fremden ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen wäre, über deren "Ergebnis" gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen ist, ist nur für den Fall vorgesehen, dass eine Rückkehrentscheidung im Grunde des § 9 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

 

Eine spruchgemäße Entscheidung darüber kommt gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 im gegenständlichen Fall nicht in Betracht (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0203).

 

3.3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

 

3.3.6. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

Zu B)

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich im vorliegenden Fall auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu A) wiedergegeben. Insoweit die dort angeführte Judikatur zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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