Normen
AsylG 1997 §32 Abs2;
AsylG 1997 §6;
AVG §66 Abs4;
AsylG 1997 §32 Abs2;
AsylG 1997 §6;
AVG §66 Abs4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Ghana, reiste seinen Angaben zufolge am 21. November 1998 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet ein. Am 24. November 1998 beantragte er Asyl.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. Februar 1999 gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m.
§ 6 Z 2 AsylG als unbegründet ab (Spruchpunkt 1) und stellte gemäß § 8 AsylG i.V.m. § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ghana zulässig sei (Spruchpunkt 2).
Begründend führte die belangte Behörde aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers sei im Bescheid des Bundesasylamtes richtig und vollständig wiedergegeben worden, weshalb der diesbezügliche Teil des erstinstanzlichen Bescheides inhaltlich übernommen werde.
Das Bundesasylamt hatte dazu festgehalten, der Beschwerdeführer habe anlässlich seiner niederschriftlichen Vernehmung am 9. Februar 1999 Folgendes angegeben:
"Sie seien der König des Dorfes Kumawu, ca. 45 km nördlich von Kumasi. Das Dorf hätte etwa 1.900 Einwohner und vor ca. 5 Jahren hätte Sie der König von Juaso als König eingesetzt. Nach Unruhen in Juaso hätten diese Unruhen auch auf Ihr Dorf übergegriffen, deswegen seien Sie geflüchtet. Ihre Frau sei am 15.11.1998 von unbekannten Tätern getötet worden. Ihre Gegner, etwa die Hälfte Ihrer Dorfbevölkerung, sohin etwa 900 Menschen, seien gegen Sie und versuchen Sie als Dorfoberhaupt abzusetzen.
Auch auf Sie sei am 10.11.1998 ein Anschlag verübt worden. Die Polizei hätte drei der Täter nach dem Anschlag auf Sie verhaftet. Ein Teil der Leute in Ihrem Dorf seien gegen Sie gewesen. Bei Rückkehr in die Heimat befürchten Sie, dass auch Sie, wie Ihre Frau, getötet werden könnten. Auf Vorhalt, dass Ihnen die Polizei offensichtlich Schutz gegen diese Verbrecher bietet, gaben sie an, die Polizei hätte versucht, Sie zu schützen, Ihre Frau sei aber getötet worden. Die Täter seien noch nicht ausgeforscht worden.
Auf Vorhalt, dass Sie offensichtlich ein lokal begrenztes Problem hatten und Sie daher die Möglichkeit hatten, in einem anderen Teil des Landes, z.B. Accra zu leben, gaben Sie an, Sie wären auch dort nicht sicher, diese Leute würden nach Ihnen suchen.
Da Sie nicht Ihr ganzes Leben unter Polizeischutz verbringen möchten, seien Sie geflüchtet, andere Gründe hätten Sie nicht vorzubringen."
Nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen und von Rechtsausführungen zum Verständnis des § 6 AsylG, wonach ein Asylantrag nur dann als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden könne, wenn eine Verfolgungsgefahr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne - dies sei dann der Fall, wenn die Behauptung des Asylwerbers, in seinem Heimatland Verfolgung befürchten zu müssen, eindeutig jeder Grundlage entbehre - führte die belangte Behörde aus:
"Die vom Asylwerber dargestellte Bedrohung seiner Person ist selbst dann, wenn man sie als glaubhaft gemacht ansehen würde, also im für den Asylwerber bestmöglichen Fall, keine unter die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) subsumierbare, weil sie nicht dem Staat zuzurechnen wäre, ergibt sich doch aus dem Vorbringen des Berufungswerbers nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass die von ihm beschriebene Gefahr, Bedrohung bzw. Verfolgung - wenn sie gegeben wäre - vom Staat ausginge oder von ihm zumindest gebilligt würde. Eine Gefahr, Bedrohung bzw. Verfolgung aber, die lediglich von Privatpersonen ausgeht, vermag unter die Bestimmungen der GFK nicht subsumiert zu werden."
Im Übrigen lasse die gegenwärtige Situation in Ghana - die belangte Behörde traf zur politischen Entwicklung in Ghana seit dem Jahre 1992 umfangreiche ergänzende Feststellungen, wonach aufgrund der nunmehrigen demokratischen Struktur in Ghana im Wesentlichen keine Anzeichen für politisch motivierte Verfolgungen durch den Staat erkennbar wären - eine staatliche Verfolgung weder erkennen noch befürchten und es habe auch der Beschwerdeführer nicht darlegen können, "wieso gerade ihm - abweichend von den obigen Schilderungen - eine entsprechende Verfolgung durch den Staat drohte".
Den Ausspruch gemäß § 8 AsylG begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass für den Beschwerdeführer selbst bei Zutreffen seiner Behauptungen eine inländische Fluchtalternative gegeben wäre und die "das Refoulement-Verbot enthaltende Bestimmung" voraussetze, dass die dort umschriebene Gefahr für den Fremden vom Staat ausgehe. Eine Bedrohung, die ohne Billigung durch staatliche Stellen nur von Privatpersonen ausginge, falle nicht darunter.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag, den Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde; von der Erstattung einer Gegenschrift sah sie ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG begehren Fremde, die in Österreich Schutz vor Verfolgung (Art. I Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) suchen, mit einem Asylantrag die Gewährung von Asyl.
Nach § 7 AsylG ist Asylwerbern aufgrund eines Antrages gemäß § 3 leg. cit. mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F FlKonv genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv (i.d.F. des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974) ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Die belangte Behörde hat sich nicht weiter damit auseinander gesetzt, ob dem Vorbringen des Beschwerdeführers überhaupt Glaubwürdigkeit beizumessen ist , sondern hat die Abweisung des Asylantrages auf § 6 Z 2 AsylG gestützt.
Gemäß § 6 AsylG sind Asylanträge gemäß § 3 leg. cit. als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat die behauptete, dort bestehende Verfolgungsgefahr nach dem Vorbringen der Asylwerber offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückzuführen ist (§ 6 Z 2 AsylG).
Nach § 32 Abs. 2 erster Satz AsylG (idF BGBl. I Nr. 4/1999) ist der Berufung stattzugeben, wenn die Feststellung der Behörde, der Antrag sei offensichtlich unbegründet, nicht zutrifft. Hiebei bildet nur die offensichtliche Unbegründetheit den Gegenstand der Überprüfung (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. Juli 1998, Zl. 98/20/0175). Bei einer Berufungsentscheidung nach § 32 i.V.m.
§ 6 AsylG sind auch die in der Berufung vorgebrachten Neuerungen im Berufungsverfahren nur daraufhin zu prüfen, ob der Asylantrag mit Rücksicht auf sie noch "eindeutig jeder Grundlage entbehrt".
Die belangte Behörde hat die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgungsgefahr in Ghana deshalb als offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe rückführbar angesehen, weil seinem Vorbringen nicht zu entnehmen sei, dass die von ihm "beschriebene Gefahr, Bedrohung bzw. Verfolgung - wenn sie gegeben wäre - vom Staat ausginge oder von ihm zumindest gebilligt würde. Eine Gefahr, Bedrohung bzw. Verfolgung aber, die lediglich von Privatpersonen ausgeht, vermag unter die Bestimmungen der GFK nicht subsumiert zu werden". Damit hat die belangte Behörde aber auf Grundlage einer mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht übereinstimmenden Rechtsauffassung das Vorbringen des Beschwerdeführers als offensichtlich nicht relevant angesehen. Nach dieser ständigen Judikatur (vgl. schon Steiner, Österreichisches Asylrecht (1990) 30; aus jüngerer Zeit etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. Juni 1995, Zl. 94/20/0836; vom 24. Oktober 1996, Zl. 95/20/0231; vom 28. März 1995, Zl. 95/19/0041, für viele) liegt eine dem Staat zuzurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird, sondern es kann eine dem Staat zuzurechnende asylrelevante Verfolgungssituation auch dann gegeben sein, wenn der Staat nicht gewillt oder - wie es in der bisherigen Rechtsprechung ausgedrückt wurde - nicht in der Lage ist, von "Privatpersonen" ausgehende Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, sofern diesen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - Asylrelevanz zukommen sollte.
Indem die belangte Behörde ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung das Vorbringen des Beschwerdeführers als von vornherein für eine Asylgewährung völlig ungeeignet qualifizierte und auf dieser Grundlage den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abwies, hat sie ihren Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser - ohne weitere Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, insbesondere ob die von ihm geschilderte Bedrohungssituation seinem Heimatstaat im vorliegenden Fall in dem erwähnten Sinne zurechenbar ist - schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
In seinem Spruchpunkt 2. war der angefochtene Bescheid ohne näheres Eingehen auf die von der belangten Behörde ausgeführte Begründung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, weil die Aufhebung des Spruchpunktes 1. mit der Wirkung "ex tunc" zur Folge hat, dass eine den Asylantrag abweisende Entscheidung der Behörde zweiter Instanz nicht (mehr) vorliegt. Damit fehlt die gemäß § 8 AsylG für die Erlassung eines Feststellungsbescheides, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG), gesetzlich notwendige Voraussetzung für die Inanspruchnahme der in allen sonstigen Fällen der Fremdenbehörde zukommenden Entscheidungskompetenz. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher auch in seinem Spruchpunkt 2. mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG zur Gänze aufzuheben war.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. Juli 1999
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