BVwG W110 1435887-1

BVwGW110 1435887-112.6.2014

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W110.1435887.1.00

 

Spruch:

W110 1435887-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.5.2013, Zahl: 12 08.754-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.3.2014 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen.

II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 12.06.2015 erteilt.

IV. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Der minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Hazara, stellte am 12.07.2012 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

1. Im Rahmen seiner Erstbefragung am Tag der Antragstellung gab der Beschwerdeführer u.a. an, Afghanistan bereits eineinhalb Jahre zuvor verlassen und dann in Pakistan und zuletzt über ein Jahr lang im Iran gelebt zu haben. Den Iran habe er ungefähr zweieinhalb Monate zuvor verlassen und sei über die Türkei und Griechenland auf dem Land- und Seeweg nach Österreich gelangt. Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der Beschwerdeführer an, er sei am XXXX in einem näher bezeichneten Ort in der Provinz Ghazni in Afghanistan geboren, wo er bis zu seiner Ausreise gelebt habe. Sein Vater sei verstorben. Seine Mutter und seine vier Geschwister würden in Pakistan leben. Er habe sechs Jahre lang die Grundschule besucht und im Iran als Hilfsarbeiter auf Baustellen gearbeitet. Zu den Gründen für seine Flucht sagte der Beschwerdeführer aus, dass sein Vater für eine näher bezeichnete christliche Organisation gearbeitet habe. Der Beschwerdeführer selbst habe christliche Bücher an Mitschüler "verkauft". Nachdem dies bekannt geworden sei, habe er die Schule nicht mehr besuchen können, und sein Vater und sein Zwillingsbruder seien verhaftet worden. Die restliche Familie habe mit Hilfe eines Onkels Afghanistan verlassen und einen Monat später erfahren, dass der Vater tot sei. Der Beschwerdeführer befürchtete, von "religiösen Menschen" getötet zu werden.

2. In seiner Einvernahme am 4.9.2012 in Anwesenheit des Rechtsberaters als gesetzlichen Vertreter gab der Beschwerdeführer sein Geburtsdatum mit 12.9.1996 an.

Ein auf mehreren Gutachten basierendes gerichtsmedizinisches Gesamtgutachten des Ludwig Boltzmann-Instituts vom 1.10.2012 ergab im Untersuchungszeitpunkt am 14.9.2012 ein wahrscheinliches Alter des Beschwerdeführers von 17 - 19 Jahren und ein Mindestalter von 15 Jahren.

In seiner neuerlichen Einvernahme am 24.5.2013 in Anwesenheit seiner gesetzlichen Vertretung wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und ergänzte, er habe ab 2009 ungefähr zehn Monate lang 150 - 200 christliche Bücher in der Schule und in einem Hotel verschenkt. Im Oktober 2010 seien sein Vater und Bruder festgenommen worden. Er vermute, dass sein Bruder nach wie vor in Haft sei. Zwar gebe es in seinem Heimatort keine Taliban, die Menschen seien jedoch sehr religiös.

Mit Schriftsatz vom 27.5.2013 gab der Beschwerdeführer durch seine gesetzliche Vertretung eine Stellungnahme zu den in der Einvernahme überreichten Länderberichten ab, in der er unter Bezugnahme auf verschiedene Berichte nationaler und internationaler Organisationen die schlechte Sicherheitslage in Ghazni und generell in Afghanistan hervorhob.

3. Mit (dem gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 3.6.2013 zugestellten) Bescheid vom 29.5.2013 wies das Bundesasylamt den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (im Folgenden: AsylG 2005), ab (Spruchpunkt I.). Weiters wies es den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. ab (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer nach § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus (Spruchpunkt III.). Nach Wiedergabe der Einvernahmeprotokolle traf das Bundesasylamt Länderfeststellungen zur allgemeinen Situation in Afghanistan und stellte die Nationalität und die Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers, nicht aber seine Identität fest. Es stellte weiters fest, dass ein Onkel des Beschwerdeführers in Ghazni lebe. Zu diesem oder zu seiner in Pakistan lebenden Familie könne der Beschwerdeführer zurückkehren. Zu seinen Fluchtgründen stellte das Bundesasylamt fest, dass der Beschwerdeführer "wahrscheinlich" wegen der persönlichen Gründe seiner Eltern Afghanistan verlassen habe. Andere asylrelevante Gründe hätten nicht festgestellt werden können. Beweiswürdigend führte das Bundesasylamt aus, der Beschwerdeführer habe bereits zu seinem Reiseweg unwahre Angaben gemacht, was als Indiz für die Unwahrheit seines gesamten Vorbringens gewertet werde. Was den Verkauf von christlichen Büchern betreffe, seien seine diesbezüglichen Aussagen vage und würden sich auf Gemeinplätze beschränken.

Rechtlich folgerte das Bundesasylamt daraus, dass der Beschwerdeführer eine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung nicht habe glaubhaft machen können. Insbesondere könne eine Verfolgung wegen Konversion zum Christentum oder wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe ausgeschlossen werden. Hinsichtlich Spruchpunkt II. berief sich das Bundesasylamt darauf, dass sich aus der allgemeinen Lage in Afghanistan keine den Beschwerdeführer treffende Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ableiten lasse. Im Falle des Beschwerdeführers könne davon ausgegangen werden, dass dieser sich bei seinen Verwandten oder mit Hilfe der Unterstützung durch seine in Pakistan lebenden Verwandten mit verschiedenen Tätigkeiten ein ausreichendes Einkommen erwirtschaften werde können. Eine Niederlassung in "einer der sicheren Städte" Afghanistans habe der Beschwerdeführer selbst ausdrücklich für möglich erachtet. Seine Ausweisungsentscheidung begründete es mit einer zu Lasten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK.

Mit Verfahrensanordnung vom 29.5.2013 gab das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer einen Rechtsberater bei.

4. Gegen diesen Bescheid richtete sich die vorliegende, fristgerecht erhobene und zulässige Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes in Folge wesentlicher Verfahrensmängel und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Unter Verweis auf die höchstgerichtliche Judikatur und auf Länderberichte zu Afghanistan rügte der Beschwerdeführer, das Bundesasylamt habe keine ausreichenden Ermittlungen durchgeführt und insbesondere sein jugendliches Alter nicht gewürdigt. Die Beweiswürdigung erschöpfe sich in Vermutungen und Unterstellungen.

Mit Schriftsatz vom 19.9.2013 übermittelte der Beschwerdeführer dem Asylgerichtshof eine Bestätigung über den Besuch eines vierwöchigen Deutschkurses.

Am 4.2.2014 stellte das Bundesverwaltungsgericht eine Anfrage an die Staatendokumentation des Bundesamtes bezüglich der vom Beschwerdeführer angeführten Organisation. Am 17.2.2014 langte beim Bundesverwaltungsgericht die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation ein, die jedoch keine Rückschlüsse zuließ, ob die vom Beschwerdeführer genannte Organisation tatsächlich an dem von ihm angegebenen Ort über eine Niederlassung verfügt und in Ghazni aktiv ist. Zur Klärung dieser Frage sei - so die Staatendokumentation in ihrer Anfragebeantwortung - eine Anfrage an diese Organisation übermittelt worden, die jedoch bis dato unbeantwortet geblieben sei.

5. Am 12.3.2014 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und eine Vertreterin für den Jugendwohlfahrtsträger als gesetzlichen Vertreter teilnahmen. In der Verhandlung wurden die Fluchtgründe des Beschwerdeführers eingehend erörtert: Der Beschwerdeführer wiederholte im Wesentlichen sein vor dem Bundesasylamt gemachtes Vorbringen und ergänzte, er habe gelegentlich Kontakt zu seiner Mutter in Pakistan, nicht jedoch zu seinem Onkel im Heimatort. Zur beruflichen Tätigkeit seines Vaters gab der Beschwerdeführer an, dieser habe als Chauffeur und Hilfskraft für eine namentlich genannte, ausländische Organisation gearbeitet. Sein Vater habe ihn beauftragt, die Bücher zu verteilen.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer eine Schulnachricht vor.

Mit Schriftsatz vom 26.3.2014 übermittelte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu den in der mündlichen Verhandlung übermittelten Länderberichten, in der auch noch auf seine Bemerkung in der Verhandlung, wonach seinem Vater "möglicherweise" auch die Tätigkeit für die ausländische Organisation zum Verhängnis geworden sein könnte, hingewiesen und deshalb eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familienangehörigen vorgebracht wurde.

6. Beweis wurde erhoben, indem der Beschwerdeführer einvernommen, der Akteninhalt und die von ihm vorgelegten Beweismittel sowie folgende, auch in der Verhandlung erörterte Unterlagen eingesehen wurden:

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation,

Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 04.06.2013,

Länderberichtszusammenfassung,

Gutachterliche Ausführungen des Sachverständigen Dr. Rasuly (wiedergegeben im Erkenntnis des AsylGH vom 28.09.2012, C15 410319-1/2009).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Folgender Sachverhalt steht fest:

1.1 Zur Situation in Afghanistan:

1.1.1 Allgemeines:

Nach mehr als 30 Jahren Konflikt und 11 Jahre nach dem Ende der Herrschaft der Taliban befindet sich Afghanistan in einem langwierigen Wiederaufbauprozess. Die nationale Aussöhnung mit den Aufständischen sowie die Reintegration versöhnungswilliger Mitglieder der Insurgenz bleiben weiterhin eine Grundvoraussetzung für die Schaffung eines friedlichen und stabilen Afghanistans (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013).

Am Nato-Gipfeltreffen im Mai 2012 in Chicago wurden der schrittweise Abzug der internationalen Truppen bis 2014 sowie die Grundzüge des Nachfolgeeinsatzes diskutiert (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 3.9.2012). Nach einer Strategie der Übergabe der Sicherheitsverantwortung ("Transition") haben die afghanischen Sicherheitskräfte schrittweise die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan von den internationalen Streitkräften übernommen. Ein Abzug aller ausländischen Streitkräfte aus dem Land ist bis Ende 2014 geplant. Es wird eine Intensivierung des Konflikts zwischen regierungstreuen und -feindlichen Kräften infolge des Abzugs der internationalen Truppen erwartet, sofern nicht vorher eine Friedensvereinbarung geschlossen wird (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013).

Die afghanische Regierung ist weiterhin weit davon entfernt, ihren Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit, effiziente Regierungsinstitutionen, Rechtsstaatlichkeit, soziale Basisdienstleistungen und Schutz vor Menschenrechtsverletzungen bieten zu können (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013). Mittlerweile reklamieren die Taliban mit der systematischen Einrichtung parallelstaatlicher Strukturen in immer weiter nördlich gelegenen Gebieten den Anspruch für sich, als legitime Regierung Afghanistans betrachtet zu werden. Die regierungsähnlichen Strukturen in den von den Taliban kontrollierten Gebieten (mit Schattengouverneuren und in wichtigeren Gebieten mit verschiedenen Kommissionen z.B. für Justiz, Besteuerung, Gesundheit oder Bildung) sind relativ gut etabliert (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 3.9.2012).

1.1.2 Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt unvorhersehbar, die Zivilbevölkerung trägt weiterhin die Hauptlast des Konflikts (UNAMA-Midyear Report von Juli 2013). Im Jahr 2013 stieg die Zahl der Verluste unter den Zivilisten um 14% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die steigende Zahl der Toten und Verletzten revidiert den Rückgang im Jahr 2012 und steht im Einklang mit den hohen Rekordzahlen von Zivilopfern im Jahr 2011 (UNAMA-Annual Report vom Februar 2014). Der Rückgang der Zahl der Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen im Jahr 2012 war als taktische Reaktion der Aufständischen auf den Rückzug der internationalen Truppen und keineswegs als Verlust an operationeller Fähigkeit interpretiert worden (ANSO Quarterly Report vom Juni 2012). Schon im Frühjahr 2013 waren die Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen im Vergleich zum Vorjahr um 47% angestiegen. Zudem nahmen militärische Konfrontationen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und afghanischen Sicherheitskräften, in denen vermehrt Zivilisten ums Leben kamen, in den ersten sechs Monaten 2013 zu (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013). Konstant bleibt jedenfalls eine bewusste Verlagerung der Angriffsziele von internationalen Truppen zu afghanischen Zielen (ANSO Quarterly Report vom April 2013).

Mittlerweile betrifft der Konflikt, der sich zuvor auf den Süden und Osten des Landes konzentrierte, die meisten Landesteile, insbesondere den Norden, aber auch Provinzen, die zuvor als die stabilsten im Land gegolten hatten. Die zwölf Provinzen mit den insgesamt meisten Sicherheitsvorfällen im Jahr 2012 waren Helmand, Kandahar und Urusgan (südliche Region), Ghazni, Paktika und Khost (südöstliche Region), Nangarhar und Kunar (östliche Region), Herat und Farah (westliche Region) und Kabul und Wardak (Zentralregion). Die südliche, die südöstliche und die östliche Region entwickelten sich zu einem zunehmend zusammenhängenden Kampfgebiet. In den Provinzen Kandahar, Kunar, Nangarhar, Logar und Wardak kam es im Jahr 2012 zu einem deutlich höheren Grad an Sicherheitsvorfällen als 2011 (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013).

1.1.2.1 Sicherheitslage im Raum Kabul:

Der Fokus des Terrors liegt nicht auf Kabul oder allgemein auf städtischen Zentren, sondern der Großteil der Gewalt passiert in ländlichen Gegenden. Dennoch verüben die Taliban (einschließlich das Haqqani-Netzwerk) in Kabul weiterhin öffentlichkeitswirksame Angriffe und demonstrieren, dass die Aufständischen überall im Land zuschlagen und selbst den "Stahlring" der afghanischen Sicherheitskräfte um die Zentren großer Städte überwinden können, was anscheinend darauf abzielt, die Aufmerksamkeit internationaler Medien und möglicher "Geldgeber" zu erregen und Unsicherheit in der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und den afghanischen Streitkräften zu verbreiten (Ruttig, After the "operational pause", vom 2.6.2013).

Am 16.11.2013 steuerte ein vor Sicherheitskräften flüchtender Selbstmordattentäter in Kabul sein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug in ein Militärfahrzeug und tötete vier Zivilisten, einen Polizisten und einen Soldaten; 22 Personen wurden verletzt. Der Anschlag ereignete sich nahe des Zeltes der am 21.11.13 beginnenden Großen Stammesversammlung (Briefing Notes des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18.11.2013). Am 11.12.2013 sprengte sich ein Selbstmordattentäter am Flughafen der Hauptstadt Kabul in unmittelbarer Nähe eines Bundeswehr-Konvois in die Luft (Briefing Notes des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16.12.2013). Am 27.12.2013 wurden bei einem mutmaßlichen Selbstmordanschlag auf einen Konvoi internationaler Truppen im Osten Kabuls mindestens 3 ausländische Soldaten und weitere Zivilisten getötet (Radio Free Europe vom 27.12.2013). Am 17.1.2014 töteten drei Angreifer bei einem Anschlag auf ein bei Ausländern beliebtes Lokal insgesamt 21 Menschen, darunter 13 Ausländer: Ein Attentäter sprengte sich vor dem gut gesicherten Eingang in die Luft, zwei weitere stürmten in das gut besuchte Lokal und schossen wahllos um sich (Bericht der APA vom 18.1.2014).

1.1.2.2 Sicherheitslage im Südwesten, Süden und Osten des Landes:

Im Süden waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013). Im Süden und Osten finden die meisten extra-legalen Hinrichtungen statt, die überdies um 107% bzw. 114% massiv anstiegen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 3.9.2012). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant zunahmen. Insbesondere in der Provinz Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013). In Nangarhar stiegen die Zwischenfälle durch regierungsfeindliche Gruppierungen im ersten Quartal 2013 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 81% an. Ebenso wie in Laghman, wo die Zahl der Zwischenfälle um 250% anstieg, wurden in Nangarhar die größten Zuwächse an Angriffen der bewaffneten Opposition verzeichnet, die auf die Infiltrationsrouten aus Pakistan und die strategisch bedeutsamen Gebiete angrenzend an Kabul-Tokham-Highway abzielen. Die Provinz Kunar war im ersten Quartal 2013 nach Helmand "Spitzenreiter", was das Ausmaß der Angriffe anbelangt. Die Zahl der Vorfälle erhöhte sich in Kunar um 21% im Vergleichszeitraum des Vorjahres (ANSO Quarterly Report vom April 2013).

Auch in der Provinz Ghazni geht der Trend bezüglich der Sicherheitslage in Richtung einer Verschärfung: Im ersten Quartal 2013 stieg die Zahl der Vorfälle jedoch im Vergleichszeitraum des Vorjahres um 127% (ANSO Quarterly Report vom April 2013). Auch im Juli und August 2013 gab es einen Anstieg der Angriffe. Aufgrund des fast völligen Fehlens von NATO-Präsenz konnten die Taliban und al-Quaida ihre Kontrolle in Ghazni ausweiten: Die Taliban töten gewöhnliche Menschen und zwingen DorfbewohnerInnen, ihren Kämpfern Essen zu geben. Sobald die Taliban eine Gegend überrollen, gehen sie besonders aggressiv gegen die lokale Bevölkerung vor und implementierten ihre strengen Regeln und Gesetze (Länderinformation der Staatendokumentation vom 28.1.2014). Von der Verschlechterung der Sicherheitslage in den umliegenden Provinzen sind auch die Zufahrtsstraßen zu den (von Hazara bewohnten und an sich weniger stark von den Unruhen betroffenen) Distrikten Jaghori, Jaghatu und Malistan betroffen (Anfragebeantwortung des UNHCR vom 11.11.2011). Ghazni stellt für die Taliban eine strategisch wichtige Provinz dar, da die Straße Kabul - Kandahar durch den überwiegend von Paschtunen besiedelten westlichen Teil Ghaznis führt. Daher stellt sich der Weg von Kabul nach Ghazni als gefährlich dar; auf dieser Route kam es zu einer Zunahme der Angriffe in den ersten sechs Monaten des Jahres 2013 (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 5.8.2013). Vorfälle, wie etwa die Entführung von 20 Zivilisten auf dem Weg in die Distrikte Jaghori und Malistan, ereignen sich am häufigsten in den Distrikten Qarabagh und Gilan, wo die Taliban über Einfluss verfügen (ACCORD-Anfragebeantwortung vom 14.8.2013).

1.1.3 Menschenrechte:

Was Repressionen Dritter anbelangt, geht die größte Bedrohung der Menschenrechte von lokalen Machthabern und Kommandeuren aus. Es handelt sich hierbei meist um Anführer von Milizen, die nicht mit staatlichen Befugnissen, aber mit faktischer Macht ausgestattet sind. Die Zentralregierung hat auf viele dieser Urheber von Menschenrechtsverletzungen praktisch keinen Einfluss und kann sie weder kontrollieren noch ihre Taten untersuchen oder verurteilen. Wegen des desolaten Zustands des Verwaltungs- und Rechtswesens bleiben Menschenrechtsverletzungen daher häufig ohne Sanktionen. Immer wieder kommt es zu Entführungen, die entweder politisch oder finanziell motiviert sind (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013).

Regierungsfeindliche Kräfte greifen systematisch und gezielt Zivilisten an, die tatsächlich oder vermeintlich die afghanische Regierung und die internationale Gemeinschaft in Afghanistan, einschließlich der internationalen Streitkräfte und internationalen humanitären Hilfs- und Entwicklungsakteure unterstützen bzw. mit diesen verbunden sind. Zu den primären Zielen solcher Anschläge zählen u.a. politische Führungskräfte, Lehrer und andere Staatsbedienstete, ehemalige Polizisten und Zivilisten, die der Spionage für regierungstreue Kräfte bezichtigt werden. Auch afghanische Zivilisten, die für die internationalen Streitkräfte als Fahrer, Dolmetscher oder in anderen zivilen Funktionen arbeiten, werden von Taliban bedroht und angegriffen. In Gebieten, die ihrer tatsächlichen Kontrolle unterliegen, nutzen regierungsfeindliche Kräfte Berichten zufolge verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Rekrutierungsmaßnahmen auf der Grundlage von Zwang. Personen, die sich einer Rekrutierung widersetzen, sind gefährdet, der Spionage für die Regierung angeklagt und getötet oder bestraft zu werden (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013).

Personen, denen Verstöße gegen die Scharia - wie Apostasie, Blasphemie, freiwillige, gleichgeschlechtliche Beziehungen oder Ehebruch - vorgeworfen werden, sind nicht nur der Gefahr ihrer Verfolgung, sondern auch der gesellschaftlichen Ächtung und Gewalt durch Familienangehörige, andere Mitglieder ihrer Gemeinschaften, die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte ausgesetzt. Dies gilt sowohl für Frauen als auch für Männer (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013).

Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013). UNHCR geht davon aus, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten unabhängig davon, von wem die Verfolgung ausgeht, nicht gegeben ist (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013).

1.1.4 Meinungs- und Pressefreiheit sowie Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit:

Art. 34 der afghanischen Verfassung gestattet die Meinungs- und Pressefreiheit. Jedoch werden diese Rechte in der Praxis von der Regierung eingeschränkt (Country Report des U.S. Department of State vom 19.4.2013).

Staatlichen Medien, wie der Fernsehsender RTA, die Nachrichtenagentur Baghda und die Tageszeitung Anis stehen unter starker inhaltlicher Einflussnahme der Regierung. Daneben gibt es eine Fülle privater Medien, die von großen westlich orientierten und regierungskritischen Medien bis hin zu kleinen Sendern und Zeitungen lokaler Machthaber, von Parteien oder religiösen Strömungen zur Verstärkung ihrer eigenen Propaganda reichen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013).

Politiker, Sicherheitsbeamte und andere Personen in Machtpositionen bedrohten oder misshandelten eine große Anzahl an Journalisten aufgrund ihrer Berichterstattung (Country Report des U.S. Department of State vom 19.4.2013). Die gewalttätigen Übergriffe gegen Journalisten gingen bis hin zu gezielten Ermordungen. Rasche Ermittlungen und staatsanwaltliche Verfolgung dieser Vorfälle blieben oft nur gute Absicht. Journalisten beklagen zudem eine wachsende Kontrolle des Staates über Berichterstattung betreffend Korruption, Sicherheitsvorfälle, und Aufständische. Sender, die "unislamische" Fernsehsendungen ausstrahlen werden zum Teil dem Staatsanwalt vorgeführt. Strafen reichen bis zum Entzug der Sendelizenz. Unter den afghanischen Journalisten ist daher eine Kultur der Selbstzensur zu beobachten. Einige Journalisten gehen jedoch bewusst Risiken ein, um Missstände anzuprangern. Staatspräsident Karzai sprach sich im Oktober 2012 explizit dafür aus, dass das Ministerium für Information und Kultur medial vermittelte Inhalte stärker kontrollieren solle, da "unislamische" Videos und kontroverse Fernsehdebatten das Potential hätten, die Gesellschaft zu entzweien (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013).

Was das (in der afghanischen Verfassung garantierte) Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit anbelangt, gibt es regelmäßig - genehmigte wie spontane - Demonstrationen, v.a. gegen soziale Missstände, gegen die Tötung von Zivilisten durch NATO-Truppen, gegen (geplante) Koranverbrennungen oder gegen im Ausland verbreitete Karikaturen des Propheten Mohammed. Die Kundgebungen verlaufen in den meisten Fällen friedlich, eskalieren aber teilweise oder werden von Einzelpersonen gezielt genutzt, um gewaltsame Ausschreitungen anzustacheln. Die afghanische Regierung ruft die Bevölkerung bei Demonstrationen regelmäßig auf, diese friedlich abzuhalten. Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind grundsätzlich gewährleistet (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013).

1.1.5 Religionsfreiheit:

Die Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert. Dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Nach offiziellen Schätzungen sind 84% der Bevölkerung sunnitische Muslime und 15% schiitische Muslime. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus und Christen machen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013).

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten, insbesondere Christen, Hindus und Sikhs, werden weiterhin durch das geltende Recht diskriminiert (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013). Hindus und Sikhs werden auch im Alltag diskriminiert und bei der Ausübung ihrer religiösen Zeremonien bedroht oder angegriffen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013). Christen und Angehörige der Baha'i vermeiden es aus Angst vor Diskriminierung, Misshandlung, willkürlicher Verhaftung oder Tötung, sich öffentlich zu ihrer Religion zu bekennen oder sich offen zum Gebet zu versammeln. Die afghanische Regierung schützt religiöse Minderheiten vor Übergriffen nicht (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013). Die Situation der größten religiösen Minderheit des Landes, der afghanischen schiitisch-muslimischen Gemeinde, hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert, ist jedoch noch immer mit gesellschaftlichen Diskriminierungen konfrontiert, wobei die Beziehungen zur sunnitischen Mehrheit sich verschlechtert hat (International Religious Freedom Report 2012 des U.S. Department of State vom 20.5.2013).

Exkurs: Konversion

Konversion wird als Apostasie betrachtet und mit dem Tode bestraft (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013). Ein Konvertit kann den Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion innerhalb von drei Tagen widerrufen, andernfalls kann ihm Tod durch Steinigung drohen, er kann enteignet und seine Ehe annulliert werden (International Religious Freedom Report 2012 des U.S. Department of State vom 20.5.2013).

Konvertiten riskieren ferner, von ihren eigenen Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen zu werden und ihre Arbeit zu verlieren. Wer vom Islam zum Christentum konvertiert, ist außerdem durch die Taliban gefährdet, die jeden mit dem Tode bedrohen, der sich zum Christentum bekehren lässt. Personen, die vermeintlich versuchen, andere zu einer Konversion zu bewegen, sind ebenfalls gefährdet, verhaftet und inhaftiert zu werden (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013).

Dort, wo Apostasie nicht vor Gericht verhandelt wird - und das scheint die Mehrheit der Fälle zu sein -, erleidet der Konvertit häufig Verfolgung durch die eigene Familie und Gesellschaft, manchmal sogar den Tod durch Verwandte, die die Schande des Abfalls von der Familie abwaschen möchten. Konvertiten müssen damit rechnen, beschimpft und bloßgestellt oder geschlagen zu werden, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, ins Gefängnis zu kommen oder auch umgebracht zu werden (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.2.2012).

1.1.6 Ethnische Minderheiten:

Afghanistan ist ein Vielvölkerstaat, über den es aufgrund der seit Jahrzehnten schwierigen Sicherheitslage kaum gesicherte statistische Daten gibt (ÖIF-Länderinfo vom Februar 2010). Der Anteil der Volksgruppen im Vielvölkerstaat wird auf ca. 38% Paschtunen, ca. 25%, Tadschiken, ca. 19% Hazara, ca. 6% Usbeken sowie zahlreiche kleinere ethnische Gruppen (Aimak, Turkmenen, Baluchi, Nuristani u. a.) geschätzt. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen dort ein offizieller Status eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser anderen Sprache spricht.

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten (mehrheitlich schiitischen) Hazara hat sich die Lage deutlich verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung zwar nach wie vor unterrepräsentiert, aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013). In diesem Sinne sind Angehörige der Hazara weiterhin gesellschaftlich diskriminiert und Berichten zufolge Opfer von Schikanierung, Einschüchterung und Tötungen durch die Taliban sowie andere regierungsfeindliche Kräfte (Richtlinien des UNHCR vom 6.8.2013). Andererseits verbessert sich die Minderheit der Hazara ökonomisch und politisch durch Bildung: Viele Hazara schließen Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in den Bereichen Informationstechnologie oder Medizin ein (Congressional Research Service vom 22.11.2013).

In der Provinz Ghazni errangen Vertreter der Ethnie der Hazara sämtliche Sitze, die im Unterhaus für diese Provinz reserviert waren, was jedoch u.a. auch auf die niedrige Wahlbeteiligung in den paschtunisch besiedelten Distrikten aufgrund der prekären Sicherheitslage zurückzuführen war (D-A-CH-Bericht zur Sicherheitslage vom März 2011). In einer besonderen Lage befinden sich die ca. eine Million Kuchi-Nomaden, die unter ungeklärten Boden- und Wasserrechten in besonderem Maße leiden. De facto kommt es immer wieder zu einer Diskriminierung dieser Gruppe, da sie aufgrund ihres nomadischen Lebensstils als Außenseiter gelten und so die Gefahr laufen, Opfer einer diskriminierenden Verwaltungspraxis oder strafrechtlicher Sanktionierung zu werden. Immer wieder werden Nomaden rasch einer Straftat bezichtigt und verhaftet, wenngleich sie oft auch genauso schnell wieder auf freiem Fuß sind (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013).

1.1.7 Justiz und (Sicherheits‑)Verwaltung:

Verwaltung und Justiz funktionieren nur sehr eingeschränkt. Neben der fehlenden Einheitlichkeit in der Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia und Gewohnheitsrecht), werden auch rechtsstaatliche Verfahrensprinzipien nicht regelmäßig eingehalten. Trotz bestehender Aus- und Fortbildungsangebote für Richter und Staatsanwälte wird die Schaffung eines funktionierenden Verwaltungs- und Gerichtssystems noch Jahre dauern (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013).

1.1.8 Versorgungslage:

Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Für Rückkehrer gilt dies naturgemäß verstärkt. Eine hohe Arbeitslosigkeit wird verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen. Das World Food Programme reagiert das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch. Auch der Norden des Landes ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheiten, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte fehlt es an vielen Orten an grundlegender Infrastruktur für Transport, Energie und Trinkwasser.

Die medizinische Versorgung ist trotz erkennbarer Verbesserungen landesweit aufgrund ungenügender Verfügbarkeit von Medikamenten, Ausstattung der Kliniken, Ärzten und Ärztinnen sowie mangels gut qualifizierten Assistenzpersonals (v.a. Hebammen) immer noch unzureichend. Dies führt dazu, dass Afghanistan weiterhin zu den Ländern mit der höchsten Mütter- und Kindersterblichkeitsrate der Welt gehört (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013).

1.1.9 Rückkehrfragen:

Die Fähigkeit Afghanistans, Rückkehrer aufzunehmen, bleibt gering (Country Report des U.S. Department of State vom 19.4.2013). Gemäss UNHCR waren rund 40% der Rückkehrenden nicht in der Lage, sich in ihren Heimatgemeinden wieder zu integrieren, was zu einer signifikanten zweiten Vertreibung geführt hat. Bis zu 60% der Rückkehrenden kämpfen mit Schwierigkeiten, sich in Afghanistan wieder einzugliedern. Erschwert wird die Wiedereingliederung durch die anhaltend prekäre Sicherheitslage, den Verlust der Lebensgrundlage, den fehlenden Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen sowie durch die Herausforderungen bei der Einforderung von Land und Besitz (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.9.2013).

Bei der Rückkehr von Frauen, Kindern, alten Menschen oder Alleinerziehenden stellt die Reintegration in ein religiöses und sozial traditionelles Umfeld oft eine Herausforderung dar (Bericht von IOM vom Oktober 2012). Rückkehrer können auf Schwierigkeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art vor allem dann stoßen, wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit aus dem (westlich geprägten) Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 4.6.2013).

UNHCR spricht sich gegen eine Rückkehr von Personen an einen Ort aus, der weder dem Herkunftsort noch früheren Wohnorten entspricht, wo keine tatsächlichen Familien- oder Stammesstrukturen und entsprechende Unterstützung bestehen (Anfragebeantwortung des UNHCR vom 11.11.2011).

1.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Hazara. Seine Identität steht fest. Er stammt aus dem Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Ghazni, wo er bis 2010 lebte. Danach zog er mit seiner Familie nach Pakistan und von dort in den Iran, wo er auf Baustellen arbeitete. Sein Vater ist verstorben. Seine Mutter und seine Geschwister leben in Pakistan. Ein Onkel, zu dem der Beschwerdeführer jedoch keinen Kontakt hat, lebt im Heimatort des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer lebt seit fast zwei Jahren in Österreich und ist strafrechtlich unbescholten. Er ist gesund, besucht in Österreich eine polytechnische Schule und spricht Deutsch.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von religiösen Dorfbewohnern wegen der Verteilung christlicher Bücher oder von den Taliban wegen der Tätigkeit seines Vaters für eine ausländische Organisation bedroht bzw. verfolgt wurde. Dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan der Gefahr einer wie immer gearteten Verfolgung (insbesondere durch religiöse Dorfbewohner oder die Taliban) ausgesetzt wäre, kann ebenfalls nicht festgestellt werden.

2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

2.1 Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen inhaltlich auch nach Übermittlung der Länderberichte nicht konkret entgegengetreten wurde, besteht für den erkennenden Senat kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten (sie sind auch im Hinblick auf den jüngst erschienenen Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes vom 31.3.2014 nach wie vor als aktuell anzusehen).

2.2 Die Feststellungen zur Identität, Nationalität und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seinem Herkunftsort, Wohnort und zum Aufenthaltsort seiner Verwandten stützen sich - soweit sie nicht bereits von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt wurden - auf die insofern unbedenklichen Angaben des Beschwerdeführers, die in diesen Belangen über das gesamte Verfahren hindurch gleichbleibend und widerspruchsfrei waren. Davon, dass der Beschwerdeführer aus dem obgenannten Dorf im Distrikt Jaghuri in Ghazni stammt, ist auch die belangte Behörde in ihrem angefochtenen Bescheid ausgegangen; diesbezüglich sind im weiteren Verfahren aus der Sicht des erkennenden Senates keine Hinweise hervorgekommen, die an der Richtigkeit dieser Feststellung Zweifel wecken hätten können. Auf seine Aussage stützen sich auch die Feststellungen über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und sein Leben in Österreich; die Feststellung, dass der Beschwerdeführer unbescholten ist, ergibt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug.

2.4 Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers konnte mangels Glaubwürdigkeit aus folgenden Erwägungen den Feststellungen nicht zugrunde gelegt werden:

Zunächst fällt auf, dass der Beschwerdeführer keinerlei Angaben über das Motiv für die Verteilung christlicher Bücher angeben konnte. Er berief sich diesbezüglich lediglich auf die Anordnungen seines Vaters, denen er entsprochen habe. Welches Interesse sein Vater an der Verbreitung der Schriften gehabt haben könnte, vermochte er nicht einmal ansatzweise anzugeben (S. 5 der Verhandlungsniederschrift). Es ist jedoch völlig unplausibel, dass der Beschwerdeführer sich einer derart großen Gefahr aussetzte, ohne dafür ein nachvollziehbares Motiv zu haben bzw. von seinem Vater über jenes zumindest ansatzweise aufgeklärt worden zu sein. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass der Beschwerdeführer über zehn Monate lang, sohin über einen verhältnismäßig langen Zeitraum, Bücher verteilt haben will, was angesichts der erhöhten Gefahr, dass sich die Bücherverteilung des Beschwerdeführers herum spricht, schon an sich das Szenario unplausibel erscheinen lassen muss. Angesichts der Gefährlichkeit dieses Unterfangens ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer über die Motive des Vaters überhaupt nicht Bescheid wusste. Dass der Vater des Beschwerdeführers als (wenn auch nicht strenggläubiger) Muslim sein Leben und das seiner beiden Söhne riskiert, um den christlichen Glauben in Afghanistan zu verbreiten, lässt sich ohne jede weitere Erklärung und Erläuterung, die vom Beschwerdeführer unterlassen wurde, in dieser Form nicht nachvollziehen. Das Verfolgungsszenario erscheint daher als solches unplausibel.

Schließlich stellen sich die Aussagen des Beschwerdeführers insgesamt als äußerst vage und auffallend allgemein gehalten dar: So konnte der Beschwerdeführer weder angeben, wie lange sein Vater bei der Internationalen Organisation beschäftigt war, noch darlegen, wie oft er die Bücher verteilt hat (S. 4 der Verhandlungsniederschrift). Er war auch nicht in der Lage zu schildern, wie insbesondere die erstmalige Verteilung der Bücher vonstatten gegangen ist oder wie genau die Bücherverteilung bekannt geworden ist (S. 5 der Verhandlungsniederschrift). Hinsichtlich seiner eigenen Entdeckung und der Verhaftung seines Vaters und seines Bruders gab der Beschwerdeführer lediglich an, ein Lehrer habe "davon [Anm.: von der Verteilung der Bücher] erfahren" (vgl. S. 5 der Verhandlungsniederschrift). Zu den Umständen der Verhaftung schilderte der Beschwerdeführer ebenfalls keinerlei Details und gab lediglich ohne nähere Ausführungen an, das Geschäft sei zerstört worden. Angesichts der offensichtlichen Dramatik der Ereignisse wäre aber sehr wohl zu erwarten gewesen, dass der Beschwerdeführer wenigstens einige Details dazu anführen kann. Auch zum Tod seines Vaters konnte er keinerlei nähere Angaben machen. Selbst wenn man seiner Argumentation folgen würde, wonach in Afghanistan Informationen über das Ableben Inhaftierter generell spärlich zur Verfügung stünden, müsste doch der Onkel zumindest rudimentäre Angaben gemacht haben, beispielsweise, von wem er die Information vom Tod des Vaters des Beschwerdeführers erhalten habe. Dass der Onkel gar nichts zu diesem Thema mitgeteilt habe, ist nicht lebensnah. Den Schilderungen des Beschwerdeführers ist weiters auch nicht zu entnehmen, von wem er konkret bedroht worden sein will. Diesbezüglich sprach er davon dass "sie" (siehe S. 5 der Verhandlungsniederschrift) seinen Vater verhaftet hätten und sein eigenes Leben in Gefahr sei, da er "aus Sicht der Bevölkerung [...] einen großen Fehler gemacht" habe (vgl. S. 6 der Verhandlungsniederschrift). Im Verfahren vor dem Bundesasylamt hatte er sich ebenfalls auf die Bemerkung beschränkt, "die religiösen Leute" (vgl. AS 155) hätten seinen Vater und Bruder festgenommen und würden ihm nach dem Leben trachten.

Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer durchwegs ausweichende und sehr vage Antworten zu den Umständen der Verteilung der Bücher. In seinen Schilderungen erweckte der Beschwerdeführer nicht den Eindruck, er habe besondere Sicherheitsmaßnahmen treffen oder Umsicht walten lassen müssen. Fast beiläufig führte er aus, er habe Passanten mit Turban "natürlich kein Buch gegeben" (vgl. S. 5 der Verhandlungsniederschrift). Wie er eine Entdeckung auf offener Straße vermeiden habe können, vermochte der Beschwerdeführer nicht einmal andeutungsweise darzulegen, obwohl angesichts der drohenden drakonischen Strafen zu erwarten wäre, dass dies ein zentrales Thema bei seinen Unternehmungen gewesen sein müsste.

Wenn auch keineswegs die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers übersehen wird und allfällige - aus dem Alter des Beschwerdeführers resultierende - Einschränkungen des Kenntnisstandes bei der Beweiswürdigung hinsichtlich der Detailliertheit und Vollständigkeit der Fluchtschilderungen gemäß der verwaltungs- und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 26.11.2003, 2001/20/0457; VfGH 27.6.2012, U 98/12), so ist dennoch zu bedenken, dass sich die als vage qualifizierten Angaben auch auf Vorfälle beziehen, die der Beschwerdeführer selbst miterlebt haben will, weshalb man von ihm entsprechende Auskünfte durchaus erwarten dürfte.

Bei entsprechender Betrachtung des gesamten Vorbringens können die Angaben des Beschwerdeführers über seine Verfolgung durch religiöse Dorfbewohner wegen des Verteilens christlicher Bücher nicht als glaubwürdig erachtet werden. Auch im Rahmen der Beschwerdeverhandlung, in der der erkennende Richter die Möglichkeit hatte, sich einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer zu verschaffen, vermochte der Beschwerdeführer nicht den Eindruck zu erwecken, dass er die von ihm geschilderten Ereignisse auch tatsächlich selbst erlebt hatte. Aufgrund der mangelnden Plausibilität und Unsubstantiiertheit des Fluchtvorbringens geht das Bundesverwaltungsgericht - ebenso wie die belangte Behörde - von der gänzlichen Unglaubwürdigkeit der Fluchtgründe aus (ohne dass der mit der [letztlich unbeantwortet gebliebenen] Anfrage an die Staatendokumentation über Niederlassungen und Aktivitäten der vom Beschwerdeführer genannten Organisation in der Heimatregion des Beschwerdeführers angesprochene Themenkreis einer Klärung bedurft hätte).

Vor diesem Hintergrund vermag das Bundesverwaltungsgericht auch die eigentlich erst in der Beschwerdeverhandlung vage erwähnte Möglichkeit von Problemen des Vaters wegen seiner (angeblichen) Tätigkeit für eine ausländische Organisation nicht den Feststellungen zugrunde zu legen und - daran anknüpfend - eine Verfolgung des Beschwerdeführers wegen der Verwandtschaft zu seinem Vater als wahrscheinlich anzunehmen. Das diesbezügliche Vorbringen im Schriftsatz vom 26.3.2014 muss als prozesstaktisch motiviert gewertet werden, nachdem der Beschwerdeführer Derartiges im asylbehördlichen Verfahren nie erwähnt und erst in der Verhandlung auf Nachfrage als möglich ventiliert hatte. Dass der Beschwerdeführer - selbst wenn man entgegen der hier dargelegten Beweiswürdigung von der Tätigkeit des Vaters für eine internationale Organisation ausgehen würde - bei einer Rückkehr nicht unmittelbar einer Verfolgung aktuell ausgesetzt wäre, wird auch durch das in der mündlichen Verhandlung erörterte und im Verfahren C15 410319-1/2009 von einem länderkundigen Sachverständigen abgegebene Gutachten bestätigt, wonach Angehörige von Mitarbeitern ausländischer Organisationen keine Verfolgung durch die Taliban zu erwarten haben, wenn die betreffenden Personen ihre Arbeit aufgegeben haben (oder schon "bestraft" wurden), sofern diese Personen nur eine eher untergeordnete Funktion inne gehabt haben. Eine Verfolgung des Beschwerdeführers wegen einer (Erwerbs‑)Tätigkeit seines Vaters für eine ausländische Organisation konnte daher ebenfalls nicht als glaubwürdig und wahrscheinlich den Feststellungen zugrunde gelegt werden.

3. Rechtlich ergibt sich daraus:

3.1 Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 idF BGBl. I 68/2013 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende zu führen.

Nach § 75 Abs. 1 erster Satz AsylG 2005 idF BGBl. I 29/2009 ist das AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die - wie im vorliegenden Fall - am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren. Die Einzelrichterzuständigkeit ergibt sich aus § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I 10/2013, wonach das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter entscheidet, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Gemäß § 17 VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, sind, soweit nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG insbesondere die Bestimmungen des AVG und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in jenem Verfahren, das dem Verwaltungsgericht vorangegangen ist, angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (siehe insbesondere § 1 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 144/2013).

Zu A.)

3.2 Zu Spruchpunkt I:

3.2.1 Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates oder wegen Schutzes in einem EWR-Staat oder in der Schweiz zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Ausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 23.7.1999, 99/20/0208; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 17.9.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 mwN). Von mangelnder Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.3.1999, 98/01/0352 mwN; 15.3.2001, 99/20/0036). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg. 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg. 16.482 A/2004) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539; 17.3.2009, 2007/19/0459).

3.2.2 Im vorliegenden Fall ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, objektiv begründete Furcht vor aktueller und landesweiter Verfolgung in gewisser Intensität glaubhaft zu machen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung von internationalem Schutz, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe, liegen daher nicht vor. Mangels Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Beschwerdeführer - wie in der Stellungnahme vom 26.3.2014 behauptet - einer sozialen Gruppe der Familie von Personen, die für ausländische Organisationen tätig sind, angehören könnte.

3.2.3 Eine asylrelevante Verfolgung allein aufgrund der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Ethnie der Hazara kann angesichts der Berichtslage der letzten Jahre nach ständiger asylgerichtlicher Spruchpraxis nicht angenommen werden (vgl. AsylGH 4.8.2010, C2 413686-1/2010; 8.8.2011, C5 314794-1/2008; 18.8.2011, C13 420219-1/2011; 29.9.2011, C10 401601-1/2008; 27.10.2011, 416073-1/2010; 19.1.2012, C4 422208-1/2010; 15.2.2012, C1 414903-1/2010; 20.2.2012, C15 416.171-1/2010).

3.2.4 Im Hinblick auf die spezifische Situation des Beschwerdeführers waren auch - über sein unglaubwürdiges Fluchtvorbringen hinaus - keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beschwerdeführer alleine wegen seiner Glaubensrichtung in Afghanistan aktuell einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.

3.2.5 Auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan lässt sich für den Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH vom 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 9.5.1996, 95/20/0161; 30.4.1997, 95/01/0529, 8.9.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen wäre (dies gilt gleicher Maßen für die vom Beschwerdeführer angedeuteten Gefahren, die sich als der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan ergeben).

3.2.6 Eine konkret gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgungsgefahr aus in der GFK genannten Gründen ist somit nicht ersichtlich. Da der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht hat, liegen die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK geforderten Voraussetzungen nicht vor. Die Beschwerde war daher hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.

3.3 Zu Spruchpunkt II:

3.3.1 Wird ein Antrag auf internationalen Schutz "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden (Abs. 2 leg. cit.).

3.3.2 Die in § 8 AsylG 2005 normierte Beschränkung des Prüfungsrahmens auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300).

Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG 1997 iVm § 57 FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.1.2001, 2001/20/0011).

Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (nach der Rechtslage nach dem AsylG 1997 musste sich die Gefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen; zB VwGH 26.6.1997, 95/21/0294; 25.1.2001, 2000/20/0438; 30.5.2001, 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird (auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören), der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0586; 21.9.2000, 99/20/0373; 21.6.2001, 99/20/0460; 16.4.2002, 2000/20/0131; vgl. dazu überdies EuGH 17.2.2009, Elgafaji, C-465/07 , Slg. 2009, I-00921, Randnr. 45, wonach eine Bedrohung iSd Art. 15 lit. c der RL 2004/83/EG des Rates auch dann vorliegt, wenn der einen bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein). Diese in der Judikatur zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FremdenG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FremdenG hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0443; 26.2.2002, 99/20/0509). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG 2005) zu beachten (VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

3.3.3 Zur Frage, ob auf Grund der allgemeinen Sicherheits- bzw. Versorgungslage in Afghanistan eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder des Protokolls Nr. 6 zur EMRK nach sich ziehen würde, war Folgendes zu bedenken:

Wie sich anhand der Länderfeststellungen erkennen lässt, hat sich die aktuelle Situation in Afghanistan in den letzten Jahren nicht wesentlich verbessert. Die allgemeine Sicherheitslage ist - wenn auch nicht im gesamten Staatsgebiet im gleichen Ausmaß - auf Grund der instabilen politischen Situation und der weitgehenden Schutzunfähigkeit staatlicher Institutionen nach wie vor prekär und sehr fragil. Auch die allgemeinen Lebensbedingungen und die Versorgungslage (Nahrung, Wohnraum und medizinische Versorgung) gestalten sich sehr schwierig.

In Fällen, in denen die Rechtmäßigkeit von Abschiebungen afghanischer Beschwerdeführer zu beurteilen war, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Ansicht vertreten, dass in Afghanistan - ungeachtet schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen - nicht eine solche Situation vorherrscht, die Anlass zur Annahme gibt, dass jedermann, der sich in diesem Land aufhält, ein reales Risiko trifft, eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK zu erleiden (vgl. EGMR 20.7.2010, 23505/09, N. gegen Schweden; 20.12.2011, 48839/09, J. H. gegen Vereinigtes Königreich). Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zufolge ist in jedem konkreten Einzelfall anhand der persönlichen Umstände des jeweils von einer Rückführung Betroffenen zu prüfen, inwieweit eine Abschiebung nach Afghanistan Art. 3 EMRK widersprechen würde.

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts sind bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Rückführung eines Beschwerdeführers nach Afghanistan insbesondere die Sicherheits- und Versorgungslage der jeweiligen Heimatprovinz des Beschwerdeführers oder - wenn eine Niederlassung in der Heimatregion wegen deren praktischer Unzugänglichkeit nicht möglich sein sollte - eines anderen für eine Niederlassung in Betracht kommenden Ortes innerhalb Afghanistans sowie die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers (die Verfügbarkeit eines familiären bzw. sozialen Netzes miteingeschlossen) vor dem Hintergrund der Notwendigkeit des Aufbaues einer Existenzgrundlage maßgeblich.

3.3.4 Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die Familie des Beschwerdeführers aus dem Ort Sang-e Soragh im Distrikt Jaghori in der Provinz Ghazni stammt, wo - wie sich den Länderfeststellungen entnehmen lässt - die Gewalt erheblich zugenommen hat. Wenn auch insbesondere jene Distrikte innerhalb der Provinz Ghazni, die mehrheitlich von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara bewohnt werden, zu den derzeit weniger gefährdeten Gebieten gezählt werden, so gelten die an den Heimatdistrikt des Beschwerdeführers angrenzenden Distrikte mehrheitlich als unsicher, weshalb in Anbetracht der im Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Berichte im gegenständlichen Fall nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass der Heimatdistrikt des Beschwerdeführers auch tatsächlich ohne Gefährdung von Leib und Leben erreichbar ist (vgl. zuletzt idS AsylGH 31.1.2012, C10 309537-1/2008; 26.3.2012, C15 416989-1/2010; 27.6.2012, C15 414820-1/2010); zur Frage der Erreichbarkeit des Gebietes vgl. auch die - inhaltlich im Einklang mit den oben unter 1.1.2.2 herangezogenen Berichten stehende - ausführliche Anfragebeantwortung des UNHCR vom 11.11.2011; vgl. ferner das Sachverständigen-Gutachten zu C15 410319-1/2009). Davon unabhängig wäre auch nicht gesichert, dass sich der Onkel des Beschwerdeführers, zu dem er zuletzt keinen Kontakt mehr hatte, noch im Heimatdistrikt des Beschwerdeführers oder überhaupt noch in Afghanistan aufhält (vgl. dazu auch AsylGH 8.8.2012, C2 412770-1/2010). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Beschwerdeführer noch nicht volljährig ist und sich seine engsten Familienangehörigen in Pakistan aufhalten.

Im gegenständlichen Fall wäre der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan daher gezwungen, nach einem sicheren Aufenthaltsort bzw. auch einen Wohnraum zu suchen, ohne - zumindest sofort - familiären Rückhalt in Anspruch nehmen zu können. Insofern mangels Niederlassungsmöglichkeit in der Heimatprovinz eine Ansiedlung in Kabul in Frage käme, ist zu beachten, dass der Beschwerdeführer sich zuvor niemals in Kabul aufgehalten hatte und es ihm daher auch aus diesem Grunde schwerer als anderen fallen würde, sich in der Hauptstadt und mit deren erschwerten Gegebenheiten in Bezug auf die Existenzsicherung zu Recht zu finden. Aus den Länderfeststellungen ist ersichtlich, dass auch die Versorgung der Menschen mit Wohnraum und Nahrungsmitteln in Afghanistan, insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne jeglichen familiären Rückhalt, nur unzureichend ist. Angesichts der derzeitigen politischen Lage in Afghanistan ist zudem staatliche Unterstützung sehr unwahrscheinlich.

Eine den Garantien der EMRK entsprechende Rückführung käme nur dann in Betracht, wenn der betreffende afghanische Asylwerber in der Lage ist, sich sofort und aus eigenen Mitteln oder auf Grund eines bestehenden Familienanschlusses an einem hinreichend sicheren Ort ein sicheres Rückzugsgebiet vor allem für die Nacht zu schaffen (vgl. AsylGH 23.1.2012, C1 408601-2/2010; 14.2.2012, C10 303021-1/2008). Mangels familiären Netzwerks in Kabul kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer - auch infolge der Kriminalität - in eine hoffnungslose Lage gerät. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer durch sein jugendliches Alter besonders vulnerabel erscheint. Die Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan erscheint daher unter den dargelegten Umständen als unzumutbar.

Unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des konkreten Falles kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr Gefahr laufen würde, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung iSd Art. 3 EMRK unterworfen zu werden. Eine Rückführung des Beschwerdeführers würde diesen daher in seinen Rechten nach Art. 3 EMRK verletzen.

Folglich war der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

3.4 Zu Spruchpunkt III:

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idF BGBl. I 122/2009, ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

3.5 Zu Spruchpunkt IV:

Aufgrund der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten war Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.

Zu B.)

Eine Revision gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Dadurch, dass im gegenständlichen Fall einerseits die Glaubwürdigkeit des konkreten Fluchtvorbringens (betreffend Spruchpunkt I.) und andererseits die in der Person des Beschwerdeführers gelegenen individuellen Umstände (iVm der allgemeinen Lage in Afghanistan hinsichtlich Spruchpunkt II.) im Mittelpunkt standen, ist eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung des vorliegenden Verfahrens nicht gegeben. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die zu 3.2 und 3.3 angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere VwGH 9.5.1996, 95/20/0161; 30.4.1997, 95/01/0529; 8.9.1999, 98/01/0614; 12.12.2007, 2006/19/0239), noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

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