OGH 4Ob194/24v

OGH4Ob194/24v19.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C* GmbH, *, vertreten durch Dr. Peter P. Groß, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei *, vertreten durch die Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Zahlung (Stufenklage nach Art XLII EGZPO) sowie Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 50.000 EUR), über die außerordentliche Revision und den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien als Berufungs‑ und Rekursgericht vom 27. September 2024, GZ 5 R 98/24d, 5 R 125/24z‑25, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00194.24V.1119.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Streitteile stehen mit ihren Barbershops in Wien im Wettbewerb und betreiben zu ihren Geschäften jeweils Internetseiten.

[2] Die Klägerin begehrt – für das drittinstanzliche Verfahren noch relevant und gestützt auf § 1 UWG (Fallgruppen glatte Leistungsübernahme und vermeidbare Herkunftstäuschung) – dem Beklagten zu verbieten, mit seiner Website das Layout ihrer Startseite glatt zu übernehmen, in eventu es nachzuahmen. Weiters macht sie Rechnungslegung und Zahlung (Art XLII EGZPO) sowie Urteilsveröffentlichung geltend. Zum Unterlassungsbegehren stellt sie auch einen Verfügungsantrag.

[3] Abgesehen von der bereits in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung über die Veröffentlichung eines Teilvergleichs (betreffend die unlautere Werbung des Beklagten mit unrichtigen Verbraucherbewertungen) wiesen die Vorinstanzen die Klage und den Verfügungsantrag ab.

[4] Das Berufungs‑ und Rekursgericht verwies auf die grundsätzliche Nachahmungsfreiheit und verneinte das Hinzutreten besonderer lauterkeitsrelevanter Begleitumstände, die die Nachahmung gewerblicher Erzeugnisse nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG unlauter machen könnten.

[5] Die im Internet für die Erstellung von Websites verfügbaren Vorlagen, denen der Auftritt beider Parteien sehr ähnelt, stünden jedem offen. Die Gestaltung der klägerischen Website im Sinne eines Produkts im Bereich von Webdesign lasse keine spezielle Eigenart erkennen; die Klägerin habe auch keine Verkehrsbekanntheit ihrer Gestaltung der Website behauptet und bescheinigt. Merkmale, die den allgemein üblichen und im Internet frei angebotenen Gestaltungsformen entsprechen (wie die Verwendung bestimmter Gestaltungselemente), könnten nicht durch Ausschließungsrechte verhindert werden. Die Verwendung bestimmter Schriftfamilien für bestimmte Textarten und Kommunikationszwecke oder beispielsweise von Rastern in der Anordnung von Bildern und Schriftblöcken zur Gestaltung von bebilderten Texten sei somit als Ergebnis handwerklicher Entwicklung einzuordnen, in vielen Bereichen Standard und somit nicht als spezielle Originalität Einzelner einzuordnen und daher nicht monopolisierbar. Eine vermeidbare Herkunftstäuschung scheitere schon an der Verwechslungsgefahr. Bereits die vorhandenen Abweichungen in Foto‑ und Textgestaltung seien geeignet, die Verwechselbarkeit zu verhindern. Zudem habe der Beklagte auf seiner Website prominent sein Firmenlogo und seine Etablissementbezeichnung platziert, mit dem Ziel, die Kunden auf seinen Salon und seine Dienstleistungen und nicht auf das Unternehmen der Klägerin aufmerksam zu machen.

Rechtliche Beurteilung

[6] Mit der gegen das Urteil der zweiten Instanz erhobenen außerordentlichen Revision und dem außerordentlichen Revisionsrekurs gegen die Entscheidung im Verfügungsverfahren zeigt die Klägerin keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO bzw § 528 Abs 1 ZPO bezeichneten Qualität auf.

[7] 1.1 Für Produkte, die keinen Sonderrechtsschutz für sich in Anspruch nehmen können, besteht grundsätzlich Nachahmungsfreiheit (RS0132651). In der Rechtsprechung zum lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutz ist anerkannt, dass bei Hinzutreten besonderer lauterkeitsrelevanter Begleitumstände die Nachahmung gewerblicher Erzeugnisse nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG unlauter sein kann (RS0078188; RS0078138; RS0114533); als solche Umstände kommen sklavische Nachahmung bzw glatte Leistungsübernahme (RS0078341), eine vermeidbare Herkunftstäuschung (RS0078156) oder eine unangemessene Ausnützung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts (RS0078130) in Frage.

[8] 2. Die Beurteilung der Frage ob eine sklavische Nachahmung/glatte Übernahme vorliegt, ist stark von den Umständen des Einzelfalls geprägt und wirft daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage auf (vgl 4 Ob 114/05a). Die Verneinung einer sklavischen Nachahmung/glatten Übernahme ist schon wegen der von den Vorinstanzen aufgezeigten mannigfaltigen und prägenden Unterschiede bei der Gestaltung des Internetauftritts des Beklagten (zB prominente Platzierung von Logo und Etablissementbezeichnung, unterschiedlicher Textinhalt und Fotogestaltung, Gesamteindruck der Website etc) jedenfalls vertretbar.

[9] 3.1 Auch die für die Herkunftstäuschung erforderliche (RS0078130 [T2, T4]; 4 Ob 13/16i mwN) Verwechslungsgefahr ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und begründet schon deshalb grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage (RS0112739; 4 Ob 127/20k).

[10] 3.2 Lauterkeitswidrig handelt hier, wer seinem wettbewerblich eigenartigen Produkt (hier: Website) bewusst die Form eines fremden, sonderrechtlich nicht geschützten Erzeugnisses gibt, obwohl eine andersartige Gestaltung zumutbar gewesen wäre, und dadurch die Gefahr von Verwechslungen über die betriebliche Herkunft hervorruft (vgl 4 Ob 246/06i; RS0078341 [T36] mwN). Für eine Nachahmung muss das beanstandete Erzeugnis oder ein Teil davon mit dem Originalprodukt übereinstimmen oder ihm zumindest so ähnlich sein, dass es sich nach dem jeweiligen Gesamteindruck in ihm wiedererkennen lässt. Die Nachahmung muss bewusst erfolgen (vgl 4 Ob 80/19x mwN). Bei Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist wiederum auf den Gesamteindruck abzustellen (RS0078361 [T12]).

[11] 3.3 Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, das unlautere Herbeiführen von Verwechslungsgefahr sei in einer Gesamtbetrachtung zu verneinen, hält sich schon mit Blick auf die vom Zweitgericht aufgezeigten Unterschiede bei den Gestaltungselementen auf der Website des Beklagten im Rahmen des den Gerichten im Einzelfall zukommenden Ermessensspielraums.

[12] 4.1 Die Klägerin hat sich im Verfahren erster Instanz erkennbar (nur) auf eine glatte Leistungsübernahme/sklavische Nachahmung und eine vermeidbare Herkunftstäuschung berufen, was auch Niederschlag in der Formulierung der Begehren findet. Auch wenn man – wie das Zweitgericht – in das Vorbringen auch das Ausbeuten fremden Rufes (bzw unangemessene Ausnützung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts) hineinliest, läge keine erhebliche Rechtsfrage vor.

4.2 Lauterkeitsrechtlicher Nachahmungsschutz bei einer schmarotzerischen Rufausbeutung kann auch ohne Herkunftstäuschung der Verkehrskreise wegen einer unlauteren Anlehnung an die fremde Leistung geboten sein (vgl 4 Ob 110/10w; 4 Ob 55/23a, Rz 11).

[13] 4.2.1 Dafür ist eine Bezugnahme auf den Mitbewerber oder seine Erzeugnisse erforderlich. Für die Beurteilung kommt es auf den Grad der Anlehnung und die Stärke des Rufes des nachgeahmten Erzeugnisses an. Demnach kann bei gleichen oder ähnlichen Erzeugnissen eine unlautere Ausbeutung vorliegen, wenn sich der Beklagte in die Sogwirkung des Erzeugnisses begibt, um dessen Auffälligkeitswert oder besondere Wertschätzung als Trittbrettfahrer – über die bloße Erweckung von Assoziationen an ein fremdes Erzeugnis hinaus – in schmarotzerischer Weise für sein eigenes Erzeugnis auszunützen (RS0118990; 4 Ob 80/19x mwN).

[14] 4.2.2 Zur objektiven Rufausbeutung muss damit etwas Anstößiges hinzutreten, Anhaltspunkte dafür bilden etwa die Verwendung identischer Zeichen und die – meist naheliegende, wenn nicht konkret widerlegte – Zielrichtung, am fremden Ruf zu schmarotzen; mittelbar dient dieser Schutz dem Schutz der Investitionen, die für den Aufbau dieses Rufes erforderlich waren (vgl 4 Ob 176/13f mwN).

[15] 4.2.3 Für die Feststellung der Unlauterkeit des Mitbewerbers ist dessen gesamtes Verhalten zu berücksichtigen (vgl RS0078130).

[16] 4.2.4 Auch die Beurteilung, ob nach dem Gesamtbild besondere Umstände vorliegen, die zu einer Rufausbeutung führen, kann regelmäßig nur an Hand des jeweiligen Einzelfalls erfolgen und ist – vom Fall einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage (vgl 4 Ob 228/06t), was auch für die lauterkeitsrechtliche Beurteilung gilt (vgl 4 Ob 94/13x).

[17] 4.3 Das Berufungs‑ und Rekursgericht hat vertretbar die Eigenart des in Rede stehenden Webdesigns vermisst und auf die allgemein üblichen und im Internet frei angebotenen Gestaltungsformen für Websites verwiesen, damit sowohl den Grad der Anlehnung als auch die Stärke des Rufes des nachgeahmten Erzeugnisses im Anlassfall nicht als prägend qualifiziert, zumal der für eine Rufausbeutung notwendige hohe Bekanntheitsgrad der klägerischen Website gar nicht behauptet wurde (vgl zB 4 Ob 156/02y [„Rufausbeutung setzt … überragenden Ruf im Verkehr voraus“]). Die Verneinung einer schmarotzerischen Rufausbeutung hält sich auch hier im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung sowie des den Gerichten im Einzelfall notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraums und bedarf somit keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof. Schon wegen der vertretbaren Verneinung einer Rufausbeutung stellen sich die im Rechtsmittel (erstmals) aufgeworfenen Fragen zum Umsatzrückgang und Erstellungsaufwand nicht.

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