OGH 4Ob114/05a

OGH4Ob114/05a11.8.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer und andere, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Parteien 1) V***** GmbH & Co KG, ***** und 2) V***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung und Schadenersatz (Gesamtstreitwert 232.553,07 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 10. Februar 2005, GZ 6 R 223/04t-163, womit das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 30. Juni 2004, GZ 5 Cg 87/99d-152, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag der Beklagten auf Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben die von der Klägerin gegen die Beklagten wegen sklavischer Nachahmung, vermeidbarer Herkunftstäuschung, Beteiligung an einer Patentverletzung und wettbewerbswidrigem Einschieben in eine fremde Produktionsserie erhobene Unterlassungs-, Beseitigungs-, Rechnungslegungs- und Schadenersatzklage abgewiesen, weil sie eine gänzliche Übernahme des Leistungsergebnisses der Klägerin verneint, vielmehr eine Verbesserung/Weiterentwicklung ebenso wie das Einhalten eines angemessenen Abstands zum Produkt der Klägerin bejaht, eine Verwechslungsgefahr sowie eine Rufgefährdung der Klägerin ausgeschlossen und sowohl eine wissentliche oder fahrlässige Beteiligung der Beklagten an einer allfälligen Patentverletzung eines Kooperationspartners der Beklagten als auch ein unzulässiges Einschieben in eine fremde Produktionsserie verneint haben.

Die Klägerin versucht nicht nur, vom Berufungsgericht verneinte Verfahrensmängel erster Instanz neuerlich geltend zu machen, was unzulässig ist (RIS-Justiz RS0042963), sowie nicht vorliegende Aktenwidrigkeiten im Sinn des § 503 Abs 1 Z 3 ZPO zu rügen (§ 510 Abs 3 ZPO), sondern versucht vor allem die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen und die diesen zugrunde liegende Beweiswürdigung zu bekämpfen, indem sie ihren Rechtsausführungen einen anderen Sachverhalt (zusätzliche von den Vorinstanzen negierte Sachverhaltselemente) zugrunde legt.

Es stellen sich daher auch die von der Revisionswerberin aufgeworfenen und wegen Widerspruchs zur bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs oder Fehlens einer solchen als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO bezeichneten Rechtsfragen nicht:

Weder wurde eine unmittelbare Leistungsübernahme ohne eigene Leistung oder eigenen ins Gewicht fallenden Schaffensvorgang (vgl 4 Ob 37/94 = ÖBl 1994, 223 - Zeitrelais mwN) festgestellt noch ist eine durch die Nachahmung hervorgerufene Verwechslungsgefahr zu erkennen (vgl 4 Ob 15/98d = ÖBl 1999, 12 - Gamma mwN). Dass die Beklagten im Sinn der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (4 Ob 29/03y = ÖBl 2004, 18 - Generica-Tabelle mwN) einen angemessenen Abstand zum Produkt der Klägerin gehalten haben, hat das Berufungsgericht - ohne aufzugreifende Fehlbeurteilung im Einzelfall - festgehalten. Die bei Beurteilung aller genannten Sittenwidrigkeitselemente erforderliche Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls steht der von der Klägerin vermissten/gewünschten „Konkretisierung" durch höchstgerichtliche Judikatur entgegen.

Der Argumentation der Klägerin mit der Gefährdung ihres Rufs ist durch die Feststellung der gleichen oder sogar leicht gesteigerten Qualität der angegriffenen Produkte der Boden entzogen.

Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass die Kooperationspartnerin der Beklagten zur Rückgabe ihrer von der Klägerin erhaltenen Unterlagen zur Herstellung des klägerischen Produkts verpflichtet war und eine Missachtung dieser Verpflichtung nicht feststellbar ist. Fest steht, dass die Beklagten von der inhaltlichen Übereinstimmung der Konstruktionszeichnungen der Klägerin und der Kooperationspartnerin - und damit von einer allfälligen Patentverletzung der Kooperationspartnerin, eine Verletzung vertraglicher Geheimhaltungsvereinbarungen scheidet infolge festgestellten Ablaufs der zehnjährigen Geheimhaltungsperiode aus - nichts wussten. Ob den Beklagten aufgrund der Umstände (Informationsbezug von der Herstellerin eines Nachahmerprodukts, die früher mit der Klägerin zusammengearbeitet bzw deren Produkt hergestellt hatte; im Zeitpunkt des Informationsaustausches noch aufrechter Patentschutz zugunsten der Klägerin am Sitz der Kooperationspartnerin) entgegen der von den Vorinstanzen vertretenden Auffassung sorgfaltswidrige = fahrlässige Unkenntnis einer Patentverletzung der Kooperartionspartnerin angelastet werden muss, braucht aber nicht erörtert zu werden.

Es entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass das Nachahmen eines fremden Produkts, das keinen Sonderschutz - etwa nach dem Patentgesetz, dem Urheberrecht oder als Unternehmenskennzeichen - genießt, an sich nicht rechtswidrig ist, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich die Sittenwidrigkeit der Handlung ergibt (4 Ob 322/87 = ÖBl 1987, 156 - Rapitex; 4 Ob 127/92 = RdW 1993, 277 mwN; RIS-Justiz RS0078138). Aus der gesetzlichen Anerkennung besonderer ausschließlicher Rechte für technische und nichttechnische geistige Schöpfungen folgt zwingend, dass die wirtschaftliche Betätigung außerhalb der geschützten Sonderbereiche frei sein soll (4 Ob 108/93 = ÖBl 1994, 107 - Österreichische Kinder-Weltspiele; RIS-Justiz RS0078743). Die dennoch die Unzulässigkeit der Nachahmung infolge Sittenwidrigkeit bewirkenden Umstände, die mit (bewusster) sklavischer Nachahmung, vermeidbarer Herkunftstäuschung, Erschleichen des fremden Arbeitsergebnisses oder sein Erlangen durch Vertrauensbruch, systematisches Nachahmen, um den Mitbewerber zu behindern, und Ausbeuten des guten Rufs eines fremden Erzeugnisses kategorisiert worden sind (RIS-Justiz RS0078130), haben gemeinsam, dass der Nachahmer entweder vorsätzlich in Bezug auf die als sittenwidrig zu beurteilende Handlung vorgegangen ist oder fortdauernd die wettbewerbsrechtlich zu beanstandende Situation hervorruft (Verwechslungsgefahr, Rufschädigung). In den zu 4 Ob 251/97h (= ÖBl 1998, 225 - Haftgel) und 4 Ob 15/98d entschiedenen Fällen war von einem Erschleichen des fremden Arbeitsergebnisses (vorsätzlichem Hintergehen des Herstellers des nachzuahmenden Produkts durch den Nachahmer bzw bewusstes Ausnützen eines derartigen Verhaltens) auszugehen. Dieses ist hier aber nach den getroffenen Feststellungen nicht der Fall.

Hinzu kommt, dass das von der Klägerin angestrebte Verbot die Beklagte zeitlich unbegrenzt daran hindern soll, das dem Produkt der Klägerin ähnliche Produkt herzustellen und zu vertreiben, obwohl der Patentschutz längst abgelaufen ist und ein Patentverletzer - etwa die Kooperationspartnerin der Beklagten, die in die (dort) bestehenden Patentrechte der Klägerin eingegriffen haben soll - nach Ablauf der Schutzfrist nicht gehindert wäre, ein dem (ursprünglich) patentgeschützten Produkt gleiches Produkt auf den Markt zu bringen. Eine derartige Ausweitung des Patentschutzes im Fall der Weitergabe von zur Herstellung des patentgeschützen Produkts notwendiger Information ist wäre ein Wertungswiderspruch. Die Tatsache, dass der Nachahmer von einem Patentverletzer Informationen erhalten hat, genügt daher nicht, um die Sittenwidrigkeit der Nachahmung zu bejahen.

Da die Gefahr einer Verwechslung der Produkte der Streitteile von den Vorinstanzen schon nach ihrer äußeren Gestaltung und Verwendung (Lagerung) durch die Kunden ausgeschlossen wurde, kommt dem Bestellerwissen (vgl 4 Ob 64/02v = ÖBl 2003, 83 - Venflon mwN) keine Bedeutung mehr zu.

Ein Widerspruch zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum „Einschub in eine fremde Serie" (4 Ob 285/97h = ÖBl 1998, 66 - Rahmenschalungselemente; 4 Ob 196/00b = ÖBl 2001, 18 - Lego-Klemmbausteine) ist nicht zu erkennen. Im hier zu beurteilenden Fall ging es nach den getroffenen Feststellungen nicht darum, einen Fortsetzungsbedarf zu decken oder ein Produkt zu schaffen, das gemeinsam mit jenem der Klägerin verwendet werden sollte, sondern um das kostengünstigere Anbot eines gleichartigen Produkts. Die Frage eines allenfalls sittenwidrigen „Einschubs in eine fremde Serie" stellt sich daher gar nicht.

Da die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag, ist ihre Revision zurückzuweisen.

Für ihre - ohne Aufforderung - eingebrachte Revisionsbeantwortung gebührt der Beklagten gemäß § 508a Abs 2 zweiter Satz ZPO kein Kostenersatz (Zechner in Fasching/Konecny² § 508a ZPO Rz 3 mwN).

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