OGH 4Ob94/13x

OGH4Ob94/13x9.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** L***** GesmbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B***** T***** Aps, A*****, vertreten durch Schwarz Schönherr Rechtsanwälte KG in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 50.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 17. April 2013, GZ 1 R 40/13d-15, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Maßgebend für die Verkehrsauffassung ist das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten der Werbung, der eine dem Anlass angemessene Aufmerksamkeit aufwendet (RIS-Justiz RS0114366 [T1]). An diesem Beurteilungsmaßstab, der sich schon bisher an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum europäischen Verbraucherleitbild orientierte, hat sich auch nach dem Inkrafttreten der UWG-Novelle 2007 nichts geändert (RIS-Justiz RS0114366 [T3]). Maßfigur für die lauterkeitsrechtliche Prüfung einer gegenüber Verbrauchern angewendeten Geschäftspraktik (§ 1 Abs 1 Z 2 UWG in der Fassung der UWG-Novelle 2007) ist ein angemessen gut unterrichteter und angemessen aufmerksamer und kritischer Durchschnittsverbraucher, der eine situationsangepasste Aufmerksamkeit aufwendet (vgl RIS-Justiz RS0114366 [T5]).

2. Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt auch davon ab, ob die Konsumenten nach der Art des entsprechenden Produkts angesichts eines reichhaltigen Anbots gewohnt sind, den Produktbezeichnungen und auch den Unterschieden in den Ausstattungen dieser Waren ein im Vergleich zu anderen Produkten höheres Maß an Aufmerksamkeit zuzuwenden (vgl RIS-Justiz RS0078361 [T3]).

3.1. Die Rechtsprechung zur Unlauterkeit der Rufausbeutung iSd § 1 UWG aF ist durch die UWG-Novelle 2007 unberührt geblieben (4 Ob 110/10w mwN).

3.2. Danach handelt unlauter iSd § 1 UWG, wer ohne jede eigene Leistung, ohne eigenen ins Gewicht fallenden Schaffensvorgang das ungeschützte Arbeitsergebnis eines anderen ganz oder doch in erheblichen Teilen glatt übernimmt, um so dem Geschädigten mit dessen eigener mühevoller und kostspieliger Leistung Konkurrenz zu machen (RIS-Justiz RS0078341).

3.3. Besondere Umstände, welche die Übernahme einer fremden Leistung unlauter machen (vgl RIS-Justiz RS0118990, RS0078130) sind etwa dann gegeben, wenn der Nachahmende das Vorbild nicht nur als Anregung zu eigenem Schaffen benützt, sondern seinem Produkt ohne ausreichenden Grund die Gestaltungsform eines fremden Erzeugnisses gibt und dadurch die Gefahr von Verwechslungen hervorruft. Verwechslungsgefahr ist allerdings nur dann anzunehmen, wenn dem nachgeahmten Produkt wettbewerbliche Eigenart und eine gewisse Verkehrsbekanntheit zukommt. „Wettbewerblich eigenartig“ ist ein Erzeugnis dann, wenn es bestimmte Merkmale oder Gestaltungsformen aufweist, die im Geschäftsverkehr seine Unterscheidung von gleichartigen Erzeugnissen anderer Herkunft ermöglichen. Um eine Herkunftsvorstellung auszulösen, wird ein Erinnerungsbild, ein geistiges Fortleben im Gedächtnis des Publikums verlangt (4 Ob 110/10w mwN).

4.1. Das Rekursgericht hat den Tatbestand der Nachahmung sonderrechtlich nicht geschützter fremder Erzeugnisse durch die Beklagte für nicht verwirklicht erachtet und ist davon ausgegangen, dass es auf dem betroffenen Markt für Uhren zahlreiche Produkte unterschiedlicher Hersteller gäbe, die sowohl einander als auch den Uhrenmodellen der Klägerin stark ähnelten, weshalb die Käufer den Herstellerbezeichnungen auf den Produkten besondere Aufmerksamkeit schenkten. Es hat eine verwechselbare Ähnlichkeit der Produkte der Streitteile im Hinblick auf die bei dieser Produktgruppe erhöhte Aufmerksamkeit des Publikums, die unterschiedlichen Herstellerbezeichnungen und die (wenn auch geringen) Unterschiede im Gesamteindruck (Gestaltung der Aufzugskrone und des Deckglases) verneint.

4.2. Diese Beurteilung nach den Umständen des Einzelfalls weicht von den aufgezeigten Grundsätzen der Rechtsprechung nicht ab, zumal das Rekursgericht angesichts der durch bildliche Beispiele im angefochtenen Beschluss belegten Ähnlichkeit der auf dem Uhrenmarkt bestehenden Produkte keine wettbewerbliche, zur Auslösung von Herkunftsvorstellungen beim Publikum geeignete Eigenart der Uhren der Klägerin zugrunde legen konnte, die geeignet wäre, zu Verwechslungen über die betriebliche Herkunft zu führen. Den ihm in dieser (Rechts-)Frage eingeräumten Ermessensspielraum hat das Rekursgericht nicht überschritten.

5.1. Die im Rechtsmittel angeführte Entscheidung 4 Ob 222/03f ist nicht einschlägig, weil es dort bei der Beurteilung der - markenrechtlichen - Verwechslungsgefahr auf die Ähnlichkeit der von der Erstbeklagten verwendeten Flaschenform mit der für die Klägerin geschützten Marke ankam, wobei die Marke der Klägerin in einer Flaschenform ohne Etikett bestand, weshalb dort die Herstellerbezeichnung gerade nicht maßgebend war.

5.2. Unter welchen Umständen eine auf dem Produkt angebrachte Herstellerbezeichnung angesichts sämtlicher den Gesamteindruck prägenden Produktmerkmale geeignet ist, eine sonst gegebene - auch nur mittelbare - Verwechslungsgefahr auszuschließen, hängt ebenso regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab wie die Frage, ob ein Produkt wettbewerblich eigenartig ist.

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