OGH 12Os17/24b

OGH12Os17/24b5.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Wachter in der Strafsache gegen M* B* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten M* B*, * E*, * Bi* und * S* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 19. September 2023, GZ 5 Hv 1/23y‑165, weiters über die Beschwerden der Angeklagten M* B*, * E*, * Bi* und * S* sowie der Staatsanwaltschaft gegen Beschlüsse auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten und einer bedingten Entlassung und Verlängerung der diesbezüglichen Probezeiten sowie auf Anordnung der Bewährungshilfe nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0120OS00017.24B.0905.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiete: Jugendstrafsachen, Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im C* B* betreffenden Strafausspruch und demzufolge auch der diesen Angeklagten betreffende Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit ihrer den Angeklagten C* B* betreffenden Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Akten werden vorerst dem Oberlandesgericht Graz zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten M* B*, * E*, * Bi*, * S* und der Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieser Angeklagten und des Angeklagten * K* sowie die Beschwerden der Angeklagten M* B*, * E*, * Bi* und * S* und der Staatsanwaltschaft zugeleitet.

Den Angeklagten M* B*, * E*, * Bi* und * S* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteilwurden – soweit hier relevant – M* B* des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (I.1.), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (I.2.), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (II.1.) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG ([richtig] IV.1.), * E* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (II.[richtig]1.), * K* und * Bi* jeweils des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (II.1.), C* B* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG ([zu ergänzen] III.) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG ([zu ergänzen] IV.1.) sowie * S* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (II.1.) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG ([richtig] IV.1.) schuldig erkannt.

[2] Danach haben in P* (zu I.) und G* (zu II. bis IV.)

I. M* B*im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit weiteren Personenin der Nacht auf den 4. April 2021 * T*

1. eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zugefügt, indem sie dem Genannten mehrere Faustschläge in das Gesicht versetzten, ihn fesselten und mit einem Pfefferspray ansprühten, wodurch er einen Nasenbeinbruch mit verschobenen Bruchenden samt Brillenhämatom, sohin eine an sich schwere Verletzung erlitt;

2. durch die zu I.1. beschriebenen Handlungen mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich zur Herausgabe des Schlüssels zu seinem PKW sowie von 200 Euro genötigt;

II.1. M* B*, E*, K*, Bi* und S*vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 15‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, und zwar dadurch, dass sie im Zeitraum von Anfang 2020 bis Oktober 2021 zumindest 7.000 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 11,18 % THCA und 0,85 % Delta‑9‑THC teils bekannten, überwiegend jedoch unbekannt gebliebenen Abnehmern gewinnbringend veräußerten, wobei ihr Vorsatz auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war und die kontinuierliche Tatbegehung über einen längeren Deliktszeitraum und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste;

III. C* B*vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, und zwar dadurch, dass er im Zeitraum von Anfang 2020 bis Oktober 2021 zumindest 500 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 11,18 % THCA und 0,85 % Delta‑9‑THC teils bekannten, teils unbekannt gebliebenen Abnehmern gewinnbringend veräußerte, wobei sein Vorsatz auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war und die kontinuierliche Tatbegehung über einen längeren Deliktszeitraum und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste;

IV.1. vorschriftswidrig Suchtgift ausschließlich zum persönlichen Gebrauch besessen, indem M* B* und C* B* jeweils ab 18. März 2020 sowie * S* im Zeitraum Anfang 2020 bis Mitte des Jahres 2021 über die zuvor genannten Mengen hinaus unbekannte Mengen THCA und Delta‑9‑THC beinhaltendes (US 12) Cannabiskraut bis zum Eigenkonsum innehatten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich Nichtigkeitsbeschwerden, die M* B* auf Z 5 und 9 lit a, E* auf Z 5, 5a und 10, Bi* auf Z 5, 5a, 9 lit a und 10 sowie S* auf Z 5 und 9 lit a je des § 281 Abs 1 StPO stützen. Keiner von ihnen kommt Berechtigung zu.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M* B*:

[4] Indem die Beschwerde die Beweisergebnisse (wie insbesondere die Angaben des Angeklagten S* und des Zeugen * D* zu A.I. sowie des Angeklagten P* und der Zeugin * D* zu A.II.) eigenständig würdigt, den Ergebnissen der Überwachung von Nachrichten (zu A.I.) den Beweiswert abspricht und den Erwägungen des Erstgerichts eigene Schlussfolgerungen gegenüberstellt, bekämpft sie bloß dessen Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO; vgl RIS‑Justiz RS0098471 [T2, T5]).

[5] Die Verantwortungen der Mitangeklagten und die Aussage des Zeugen * A* zu A.II. hat das Erstgericht mit mängelfreier Begründung als unglaubwürdig verworfen (US 15 und US 17 f), weshalb es unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit – entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) – nicht verhalten war, näher auf den Inhalt dieser Aussagen einzugehen (RIS-Justiz RS0098642).

[6] Aus diesem Grund hatten die Tatrichter auch die Verantwortung des Angeklagten M* B*, er habe deshalb rund 600 Gramm Cannabiskraut verkauft, um sich Mittel zum Erwerb von Suchtmittel für den persönlichen Gebrauch zu verschaffen (ON 140 S 6), nicht zu erörtern, weil sie diesen Angaben nicht glaubten (US 15). Im Übrigen stehen sie den Feststellungen, wonach der Verkauf von 7.000 Gramm Cannabiskraut gerade nicht diesem Zweck gedient hat (US 12), gar nicht entgegen, weil sie sich nur auf einen Bruchteil der tatverfangenen Menge beziehen (vgl RIS-Justiz RS0099578; im Übrigen zum Begriff „vorwiegend“ RIS-Justiz RS0125836).

[7] Da die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu A.I. die rechtliche Konsequenz eines Freispruchs nicht auf Basis des Urteilssachverhalts, sondern ausgehend von eigenen Sachverhaltsannahmen argumentiert, bringt sie den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht prozessordnungskonform zur Darstellung (vgl RIS-Justiz RS0099810).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten E*:

[8] Indem die Beschwerde gegen die Feststellungen zum Tathergang einwendet, dass die Mitangeklagten und die Zeugen den Angeklagten E* nicht belastet hätten, aus der Aussage des Angeklagten P* nichts Belastendes abzuleiten sei, dem Angeklagten E* ein bestimmter Social‑Media‑Account nicht zugeordnet werden könne, die ihn betreffende Überwachung von Nachrichten keine relevanten Gespräche ergeben habe und sich die Angeklagten im Jahr 2021 nicht mehr in der Wohnung des Angeklagten P* aufgehalten hätten, bekämpft auch sie bloß die Beweiswürdigung des Erstgerichts.

[9] Mit dem gleichlautenden Vorbringen verfehlt die Tatsachenrüge (Z 5a) gleichermaßen den Anfechtungsrahmen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (vgl RIS‑Justiz RS0119583).

[10] Die Subsumtionsrüge (Z 10) unterlässt die zur prozessordnungskonformen Ausführung notwendige Bezeichnung jenes Strafgesetzes, dem die Tat bei richtiger Gesetzesauslegung zu unterstellen wäre (vgl RIS‑Justiz RS0118415 [T3]). Im Übrigen bestreitet sie bloß die Feststellungen zu den (im Zusammenwirken mit anderen Angeklagten) überlassenen Suchtgiftmengen (US 10 f und US 18 [zum für das Überlassen von 7.000 Gramm Cannabiskraut maßgeblichen Zeitraum von August 2020 bis Ende des Jahres 2020]; vgl aber RIS‑Justiz RS0099810).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Bi*:

[11] Dem Vorwurf von Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) zuwider bringen die Feststellungen unmissverständlich zum Ausdruck, dass der Angeklagte Bi* im Zusammenwirken mit anderen Mitangeklagten in Cannabiskraut enthaltenes THCA und Delta‑9‑THC in einer (insgesamt) die 15‑fache Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überließ (US 10 f) und dass sein Vorsatz das Überschreiten der 15‑fachen Grenzmenge sowie (von Anfang an) die kontinuierliche Tatbegehung und den daran geknüpften Additionseffekt umfasste (US 11).

[12] Entgegen dem Vorwurf fehlender und offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite begegnet deren Ableitung aus dem objektiven Tatgeschehen (US 20) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken. Der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wollen oder Wissen ist nämlich rechtsstaatlich vertretbar und beim – wie hier – leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0116882, RS0098671 [T5]). Dass diese Begründung den Angeklagten nicht überzeugt, vermag keine Nichtigkeit herzustellen (RIS‑Justiz RS0118317 [T9]).

[13] Welche den Feststellungen zur subjektiven Tatseite entgegenstehenden Verfahrensergebnisse von den Tatrichtern zu erörtern gewesen wären, legt die weitere Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) nicht dar.

[14] Soweit die Beschwerde eigene Schlussfolgerungen aus den Aussagen des Angeklagten Bi* und der ihn entlastenden Angaben der Mitangeklagten zieht und die Glaubwürdigkeit des Angeklagten P*, auf dessen Aussage die Tatrichter die Feststellungen zum Tathergang stützten, infrage stellt, erschöpft sie sich in bloßer Beweiswürdigungskritik.

[15] Dem in diesem Zusammenhang erhobenen Einwand unvollständiger Begründung (Z 5 zweiter Fall) zuwider waren die Tatrichter nicht verhalten, die Aussage des Angeklagten P*, wonach er „ab und an mitrauchen“ durfte (ON 140 S 7), zu erörtern, weil sie nicht gegen die Glaubwürdigkeit des Genannten in Bezug auf seine Angaben zum festgestellten Tathergang sprechen (vgl RIS‑Justiz RS0119422).

[16] Mit den spekulativen Erwägungen, dass der Angeklagte P* aufgrund seines Drogenkonsums nicht fähig war, Wahrnehmungen zu den Handlungen des Angeklagten Bi* zu machen, und der Kritik, das Erstgericht hätte sich damit in der Begründung des Urteilssachverhalts auseinandersetzen müssen, wird Nichtigkeit aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht dargetan.

[17] Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) auf die Ausführungen zur Mängelrüge verweist, vernachlässigt sie, dass die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen sind, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber beschwert erachtet (RIS‑Justiz RS0115902).

[18] Im Übrigen richtet sich die Rüge außerhalb des Anfechtungsrahmens des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes gegen die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit des Angeklagten P* (vgl RIS‑Justiz RS0099649).

[19] Weshalb die Subsumtion nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG Feststellungen zu einer über das konstatierte Zusammenwirken hinausgehenden Vereinbarung (von der Beschwerde offen gelassenen Inhalts) unter den Angeklagten erfordert, erklärt die der Sache nach einen Rechtsfehler mangels Feststellungen behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell Z 5) nicht (vgl aber RIS‑Justiz RS0116565). Gleiches gilt für die Forderung nach Feststellungen zum Zustand des Angeklagten P* im Zeitpunkt seiner Beobachtungen des Tathergangs.

[20] Indem die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit a) Feststellungen zur subjektiven Tatseite vermisst und den Vorsatz des Angeklagten Bi* hinsichtlich des Überlassens von Suchtgift und der Suchtgiftmenge bestreitet, übergeht sie die gerade dazu getroffenen Urteilskonstatierungen (US 11; vgl aber RIS‑Justiz RS0099810).

[21] Soweit die Beschwerde damit im Zusammenhang eigene Schlussfolgerungen aus dem Abwiegen des Suchtgifts durch den Angeklagten Bi* und aus den Angaben des Angeklagten P* über die Häufigkeit der Zusammenkünfte in seiner Wohnung zieht, bekämpft sie neuerlich bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter.

[22] Gleiches gilt für den Hinweis, dass keiner der vernommenen Zeugen den Angeklagten Bi* erkannt oder ihn beim Überlassen von Suchtgift beobachtet habe.

[23] Soweit auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) auf die Ausführungen zur Mängel- und Tatsachenrüge verweist, verfehlt sie die Ausrichtung am Verfahrensrecht (vgl abermals RIS‑Justiz RS0115902).

[24] Selbiges gilt für die Subsumtionsrüge (Z 10), die nicht darlegt, welchem Strafgesetz die Tat bei richtiger Gesetzesauslegung zu unterstellen gewesen wäre (vgl RIS‑Justiz RS0118415 [T3]).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * S*:

[25] Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider besteht innerhalb der Aussage des Angeklagten P*, wonach zum einen der Angeklagte S* Anweisung erteilt und Laufburschen angetrieben habe (ON 140 S 7) und zum anderen der Angeklagte K* „Chef der Gruppierung“ gewesen sei und „Befehle erteilt“ habe (ON 140 S 6), kein zu erörternder Widerspruch (vgl RIS-Justiz RS0099578).

[26] Die Tatrichter waren nicht verhalten, Details der Verantwortung der Angeklagten E* und K* zu erörtern, weil sie ihnen mit mängelfreier Begründung die Glaubwürdigkeit absprachen (US 15; RIS‑Justiz RS0098642 [T1]).

[27] Mit eigenen Beweiswerterwägungen zur Aussage der Zeugin D* und (im Übrigen sinnentstellender) Bezugnahme auf die Wiedergabe der Aussage des Angeklagten P* durch die Tatrichter (US 15) bekämpft auch die Beschwerde des Angeklagten S* bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter (vgl aber RIS‑Justiz RS0098471 [T1]).

[28] Weshalb die Subsumtion nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG Feststellungen dazu erfordert, dass es just der Angeklagte S* war, der dem Angeklagten P* den Vorschlag zur Nutzung seiner Wohnung für die Abwicklung der Suchtgiftgeschäfte unterbreitet habe, erklärt die (der Sache nach einen Rechtsfehler mangels Feststellungen behauptende) Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht (vgl RIS‑Justiz RS0116565).

[29] Soweit die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit a) bestreitet, dass der Angeklagte S* gemeinsam mit anderen Angeklagten 7.000 Gramm Cannabiskraut anderen überlassen habe, übergeht sie die gerade dazu getroffenen Urteilskonstatierungen (US 10 f; vgl aber RIS‑Justiz RS0099810; zur Gleichwertigkeit der Beteiligungsformen RIS‑Justiz RS0013731 [T1, T2]).

[30] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten M* B*, * E*, * Bi*, * S* und der Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieser Angeklagten und des Angeklagten K* sowie die (implizierten) Beschwerden der Angeklagten M* B*, * E*, * Bi* und * S* sowie der Staatsanwaltschaft (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[31] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof aber, dass das angefochtene Urteil in Bezug auf den Strafausspruch des Angeklagten C* B* nicht geltend gemachte Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) zum Nachteil des Angeklagten aufweist, die von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[32] Das Erstgericht verurteilte C* B* (erkennbar) zu III. und IV.1. des Schuldspruchs nach § 28a Abs 1 SMGunter Anwendung von § 28 Abs 1 StGB und § 5 Z 4 JGG und unter Einbeziehung des Schuldspruchs des Urteils des Bezirksgerichts Graz‑West vom 22. Juli 2021, AZ 15 U 18/21k, gemäß § 15 Abs 1 JGG zu einer nach § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten.

[33] Die Einbeziehung des Schuldspruchs des Urteils des Bezirksgerichts Graz‑West vom 22. Juli 2021 gemäß § 494a Abs 1 Z 3 StPO hätte gemäß § 16 Abs 1 JGG eines darauf abzielenden Antrags der Staatsanwaltschaft bedurft, der aber weder in der Anklageschrift (ON 103) noch in der Hauptverhandlung gestellt wurde (vgl insbesondere ON 140 S 4 und ON 164 S 6). Mangels eines solchen aktenmäßig nicht dokumentierten Antrags der Staatsanwaltschaft Graz überschritt das Erstgericht durch den auf § 15 Abs 1 JGG gestützten nachträglichen Strafausspruch seine Strafbefugnis (vgl RIS‑Justiz RS0112915).

[34] Demgemäß waren aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden – im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt blieb, im Strafausspruch des Angeklagten C* B* und der ihn betreffende gemäß § 494 Abs 1 StPO gefasste Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe aufzuheben und in diesem Umfang die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zu verweisen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

[35] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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