OGH 8Ob49/24z

OGH8Ob49/24z26.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* M*, vertreten durch die gesetzliche Erwachsenenvertreterin B* M*, diese vertreten durch Mag. Elisabeth Kempl-Mitter, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei H* G*, vertreten durch Dr. Friedrich Valzachi, Rechtsanwalt in Wien, wegen 27.183,17 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Februar 2024, GZ 14 R 159/23i‑84, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 15. Oktober 2023, GZ 11 Cg 11/22a‑78, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00049.24Z.0826.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.072,40 EUR (darin 345,40 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Beklagte war seit ca 1955 bis zum 31. 3. 1992 Arbeitnehmer jenes Unternehmens, das ab 1979 von der A* Elektroinstallationen Gesellschaft m.b.H. & Co KG betrieben wurde. Ab 1. 4. 1992 bis zu seiner Pensionierung am 31. 3. 2003 war er bei der A* Elektroinstallationen Gesellschaft m.b.H. als gewerberechtlicher Geschäftsführer angestellt. Vom 1. 3. 2004 bis zum 29. 12. 2012 war er neuerlich bei der A* Elektroinstallationen Gesellschaft m.b.H. tätig, und zwar mit einer Beschäftigungsdauer von 20 Stunden pro Woche.

[2] Die Klägerin war ab Juni 1992 Gesellschafterin und handelsrechtliche Geschäftsführerin der A* Elektroinstallationen Gesellschaft m.b.H. Diese wurde im Mai 2012 durch Übertragung des Unternehmens gemäß §§ 2 ff UmwG auf die Klägerin als Gesellschafterin aufgelöst und im Firmenbuch gelöscht, wobei das Unternehmen unter der Firma A* e.U. weitergeführt wurde. Im Juni 2012 wurde auch das Vermögen der A* Elektroinstallationen Gesellschaft m.b.H. & Co KG durch die Klägerin (unter der Firma A* e.U.) gemäß § 142 UGB übernommen und die genannte Gesellschaft im Firmenbuch gelöscht.

[3] Am 25. 7. 2012 zahlte die Klägerin dem Beklagten 7.183,17 EUR, am 4. 6. 2013 weitere 20.000 EUR.

[4] Die Klägerin begehrte mit ihrer am 27. 1. 2020 eingebrachten Klage 27.183,17 EUR sA. Sie habe diese Beträge aufgrund der arglistigen Angaben des Beklagten, ihm stehe noch eine Abfertigung zu, geleistet.

[5] Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Er habe die Klägerin in privaten Dingen unterstützt und für diese Leistungen die Zahlungen erhalten. Außerdem habe er noch einen Anspruch auf Abfertigung gehabt. Der Rückforderungsanspruch der Klägerin sei verjährt.

[6] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf insbesondere die in der Berufung bekämpften Negativfeststellungen dazu, ob im Zeitpunkt der Zahlungen noch Abfertigungsansprüche des Beklagten aushafteten und aus welchem Grund die Klägerin die (restlichen) Zahlungen vom 25. 7. 2012 und vom 4. 6. 2013 leistete. Ob sich die Klägerin bei den Zahlungen im Irrtum befunden habe, könne ebenfalls nicht festgestellt werden, schon gar nicht, ob der Beklagte die Zahlungen der Klägerin herbeigeführt habe, indem er sie getäuscht habe. Rechtlich folgerte das Erstgericht, hinsichtlich der geleisteten Zinsen liege keine rechtsgrundlose Zahlung vor. Die Klägerin sei für die Voraussetzungen von List beweispflichtig. Beim Rückforderungsanspruch nach § 1431 ABGB treffe den Leistenden (Bereicherungsgläubiger) die Beweislast für die irrtümliche Leistung einer Nichtschuld. Die Negativfeststellungen gingen daher zu Lasten der Klägerin. Im Übrigen sei der Anspruch verjährt, weil für die Rückforderung irrtümlich zu viel geleisteten Arbeitsentgelts die Verjährungsfrist drei Jahre betrage.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die Beweisrügen in der Berufung und der Berufungsbeantwortung, die sich insbesondere gegen die dargestellten Negativfeststellungen zum Rechtsgrund der Zahlungen und zum Irrtum der Klägerin richteten, behandelte es nur insofern, als es die Negativfeststellung zur Arglist für unbedenklich erachtete. Im Übrigen seien die bekämpften Feststellungen irrelevant, weil der geltend gemachte Anspruch verjährt sei. Die Rechtsprechung nehme für die Rückforderung irrtümlich zu viel ausbezahlten Arbeitsentgelts bei Dienstverhältnissen zur raschen Konfliktbereinigung in analoger Anwendung des § 1486 Z 5 ABGB die dreijährige Verjährung an und begründe dies mit der Ähnlichkeit zum überhöhten Vorschuss. Nach ständiger Rechtsprechung fielen unter § 1486 Z 5 ABGB auch Forderungen von Dienstnehmern auf Abfertigung. Demnach müsse für die Rückforderung irrtümlich zu viel ausbezahlter Abfertigung analog zu § 1486 Z 5 ABGB ebenfalls die kurze Verjährungsfrist gelten. Es würde einen Wertungswiderspruch begründen, würde man annehmen, dass die Forderung des Dienstnehmers auf seine Abfertigung nach § 1486 Z 5 ABGB in drei Jahren verjährte, während jene des Dienstgebers auf Rückzahlung zu viel geleisteter Abfertigung 30 Jahre lang geltend gemacht werden könnte.

[8] Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil keine Judikatur zur Rechtsfrage bestehe, welche Verjährungsfrist für die Rückforderung irrtümlich zu viel gezahlter Abfertigungsbeträge aus einem Dienstverhältnis gelte.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die vom Beklagten beantwortete Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[10] 1. Die Entscheidung über eine Beweisrüge, mit der sich das Berufungsgericht auseinandergesetzt hat, ist im Rahmen der Revision nicht mehr bekämpfbar (RS0043371 [T21]).

[11] 2.1. In ihrer Rechtsrüge macht die Revisionswerberin primär geltend, dass ausgehend von den vom Erstgericht getroffenen Negativfeststellungen die dreißigjährige Verjährungsfrist zur Anwendung gelange, weil weder feststehe, dass noch weitere Abfertigungszahlungen aushaftend gewesen seien, noch, aus welchem Grund die Klägerin die Zahlungen geleistet habe.

[12] 2.2. Soweit die Klägerin dabei ihre bloße Funktion als Geschäftsführerin und Gesellschafterin der Arbeitgeberin betont, ist sie darauf zu verweisen, dass sie nach § 1 UmwG Gesamtrechtsnachfolgerin der A* Elektroinstallationen Gesellschaft m.b.H. ist (RS0075703). Gleiches gilt nach § 142 UGB in Bezug auf die A* Elektroinstallationen Gesellschaft m.b.H. & Co KG (RS0039306). Im Zeitpunkt der Zahlungen war sie daher jedenfalls in die Arbeitgeberfunktion eingetreten.

[13] 2.3. Zutreffend ist, dass dann, wenn Zahlungen nicht als Abfertigung oder als Arbeitsentgelt an den Beklagten geleistet wurden, grundsätzlich die 30‑jährige Verjährungsfrist des § 1478 ABGB zur Anwendung gelangen müsste. Daraus ist für die Klägerin dennoch nichts gewonnen:

[14] 2.4. Die Voraussetzungen für die Rückforderung der irrtümlichen Zahlung einer Nichtschuld im Sinn des § 1431 ABGB sind das Fehlen der Verbindlichkeit, auf die geleistet wurde, und ein Irrtum des Leistenden über ihren Bestand (RS0033607, RS0014891). Der Bereicherungskläger hat alle Voraussetzungen seiner Bereicherungsklage zu beweisen (RS0033564). Daher liegt auch die Beweislast für die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung beim Bereicherungsgläubiger (4 Ob 115/17s; 3 Ob 130/20v; RS0033564 [T1]), ebenso jene für den Irrtum (RS0033558).

[15] 2.5. Unter Zugrundelegung der vom Erstgericht getroffenen Negativfeststellungen ist der Klägerin weder der Beweis der Rechtsgrundlosigkeit der Leistung noch jener des Irrtums gelungen. Auf Basis der bekämpften Negativfeststellungen wurde das Klagebegehren daher zutreffend abgewiesen.

[16] 3.1. Die Revision thematisiert die Verjährungsfrist aber auch unter der Annahme, die Zahlungen wären als Abfertigung geleistet worden. Damit spricht sie letztlich die Frage an, ob das Berufungsgericht zutreffend die Behandlung der Beweisrüge zu diesem Thema mit der Begründung der rechtlichen Irrelevanz aufgrund der Verjährung des Anspruchs unterlassen hat.

[17] 3.2. Generell verkürzt § 1486 ABGB im Interesse der Rechtssicherheit die allgemeine 30‑jährige Verjährungsfrist für bestimmte Forderungen, vor allem für Forderungen des täglichen Lebens, auf drei Jahre. Maßgeblich hierfür ist das Bedürfnis nach Rechtssicherheit, weil es bei diesen Geschäften nach längerer Zeit regelmäßig ganz unmöglich ist, den Beweis dafür zu erbringen, dass derartige Forderungen berechtigt sind. Auch die Aufbewahrung von Quittungen und Rechnungen durch 30 Jahre hindurch würde eine unzumutbare Belastung darstellen. Unter § 1486 ABGB fallen aber auch Forderungen, bei denen die zugrunde liegenden Geschäfte nicht mehr als solche des täglichen Lebens bezeichnet werden können, also auch Forderungen von größeren Beträgen und aus selten vorkommenden Geschäften, wenn sie zu einer der in § 1486 ABGB aufgezählten Gruppe gehören. Für die Anwendbarkeit der kurzen Frist schadet es daher nicht, dass eine Forderung nicht in einem alltäglichen Geschäft begründet ist (9 Ob 2/17k mwN; RS0034143; RS0034205).

[18] 3.3. Auch Abfertigungsansprüche sind Forderungen der Dienstnehmer wegen Entgelts aus Dienstverträgen im Sinn des § 1486 Z 5 ABGB, die in drei Jahren verjähren (8 ObA 284/94; RS0029940 mwN).

[19] 3.4. Die Aufzählung des § 1486 ABGB ist taxativ gemeint, doch ist eine sinngemäße Anwendung auf Rechtsverhältnisse, die nicht ausdrücklich genannt sind, nicht ausgeschlossen (9 Ob 2/17k; 10 Ob 148/05w; RS0034205 [T1]).

[20] 3.5. Nach gefestigter Rechtsprechung verjährt der Anspruch auf Rückforderung von irrtümlich zu viel bezahltem Arbeitsentgelt – wenn (wie hier) keine List vorliegt – in analoger Anwendung des § 1486 Z 5 HalbS 2 ABGB nach drei Jahren (RS0021868 [T1]; 9 ObA 157/97x; 9 ObA 39/00a; 1 Ob 32/08z; 2 Ob 185/11m; 9 ObA 87/13d; 8 Ob 145/19k; 6 Ob 112/22x).

[21] 3.6. Dabei lag der Entscheidung 9 ObA 87/13d ein Fall zugrunde, in dem es um eine irrtümlich doppelt bezahlte Abfertigung ging. Auch in diesem Fall erachtete der Oberste Gerichtshof die dreijährige Verjährungsfrist für anwendbar.

[22] 3.7. Von der in der Revision angeführten Entscheidung 1 Ob 182/98s, die im Übrigen einen gänzlich anderen Sachverhalt betrifft, ist der Oberste Gerichtshof in jüngerer Zeit mit ausführlicher Begründung abgegangen (10 Ob 62/16i).

[23] 3.8. Die vom Berufungsgericht in der Zulassungsbegründung angesprochene Rechtsfrage ist demnach durch die Judikatur des Obersten Gerichtshofs bereits beantwortet.

[24] 4. Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[25] 5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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