Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Berufungsgerichts wird im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abgeändert.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 652,32 EUR (darin 108,72 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 965,98 EUR (darin 518 EUR Barauslagen, 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte war von 1. September 1999 bis 30. April 2007 bei der Klägerin beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie anzuwenden. Das Dienstverhältnis endete am 30. April 2007 durch einvernehmliche Auflösung.
Der Beklagte erhielt von der Klägerin am 4. Mai 2007 mit Wertstellung 7. Mai 2007 einen Betrag von 6.283,78 EUR mit dem Zahlungsgrund „Endabrechnung“ und am 29. Mai 2007 mit Wertstellung 30. Mai 2007 einen Betrag von 5.223,70 EUR mit dem Zahlungsgrund „Lohn 5/2007“ überwiesen. Die Lohn/Gehaltsabrechnung beinhaltete eine Abrechnung „4/2007“, in der neben dem Monatslohn und Prämien Leistungen aus Feiertagsentgelt, Krankenentgelt, Urlaubsentgelt, Überstunden sowie Sonderzahlungen mit einer Gesamtsumme von netto 1.060,08 EUR ausgewiesen waren, zum anderen eine Abrechnung „5/2007“, in der vier Positionen, darunter eine mit der Bezeichnung „GES.ABFERT“ mit einer Gesamtsumme von netto 5.223,70 EUR ausgewiesen waren.
Die Klägerin bemerkte im Jahr 2012 im Zuge einer Revision, dass die Abfertigung dem Beklagten zweimal überwiesen worden war.
Mit der am 28. November 2012 eingebrachten Mahnklage begehrt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung von 5.223,70 EUR sA. Sie habe am 29. Mai 2007 aufgrund eines Softwarefehlers der Buchhaltungs-EDV den Abfertigungsbetrag von 5.223,70 EUR ein zweites Mal an den Beklagten überwiesen. Ein gutgläubiger Verbrauch durch den Beklagten sei aufgrund der Höhe des Abfertigungsbetrages, der für die jeweiligen Zahlungen angeführten Zahlungsgründe und der dem Beklagten mit der Zahlung vom 4. Mai 2007 übermittelten Lohn-Gehaltsabrechnung ausgeschlossen. Der Rückforderungsanspruch sei auch nicht verjährt, weil die dreijährige Verjährungsfrist erst mit Kenntnis des Anspruchs bzw der anspruchsbegründenden Tatsachen, also mit dem Bekanntwerden der irrtümlichen Doppelzahlung Anfang April 2012, zu laufen begonnen habe. Hilfsweise werde das Klagebegehren auch auf Schadenersatz aus Delikt gestützt, weil der Beklagte den irrtümlich doppelt überwiesenen Abfertigungsbetrag unterschlagen habe.
Der Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass der Rückforderungsanspruch aufgrund des Ablaufs der dreijährigen Verjährungsfrist verjährt sei. Für den Beginn der Verjährungsfrist sei jener Zeitpunkt entscheidend, zu dem der Geltendmachung des Anspruchs kein rechtliches Hindernis mehr entgegengestanden sei. Der Klägerin hätte bei sorgfältiger Gebarung die Doppelzahlung bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt auffallen müssen. Da bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses diverse andere Entgeltbestandteile ausbezahlt worden seien, habe er die Beträge im guten Glauben, dass diese ihm tatsächlich zustünden, erhalten. Die Doppelzahlung sei ihm nicht aufgefallen, weil ein Abschöpfungsauftrag vom Gehaltskonto auf ein Sparbuch bestanden habe und die jeweiligen Beträge nie zur gleichen Zeit auf seinem Konto ersichtlich gewesen seien. In der Folge seien die Beträge gutgläubig verbraucht worden. Allfällige Ansprüche wären zudem nach dem Kollektivvertrag verfallen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Nach Punkt XX. Z 1 des anzuwendenden Kollektivvertrags gelte für die Rückforderung zu Unrecht geleisteter Entgelte die dreijährige Verjährungsfrist. Auch nach gefestigter Rechtsprechung verjähre der bereicherungsrechtliche Anspruch auf Rückzahlung irrtümlich zu viel gezahlten Arbeitsentgelts in analoger Anwendung des § 1486 Z 5 ABGB binnen drei Jahren. Für den Beginn des Laufes der dreijährigen Verjährungsfrist sei jener Zeitpunkt entscheidend, zu dem der Geltendmachung des Anspruchs kein rechtliches Hindernis mehr entgegenstehe. Die subjektive Unkenntnis des Anspruchs hindere den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist hingegen nicht. Soweit die Klägerin ihr Begehren auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes wegen Unterschlagung stütze, könne nach überwiegender Lehre ein Guthaben, das dem Täter irrtümlich auf sein Konto überwiesen worden sei, nicht Gegenstand einer Unterschlagung nach § 134 StGB sein. Darüber hinaus habe der Beklagte kein für die Zahlung am 29. Mai 2007 ursächliches Verhalten gesetzt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin in Hinblick auf das Schadenersatzbegehren Folge und hob das Ersturteil zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf. Die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB gelte dann, wenn der Ersatzanspruch aus einer gerichtlich strafbaren Handlung stamme, die nur vorsätzlich begangen werden könne und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sei. Die vorsätzliche Unterschlagung eines Gutes mit einem 3.000 EUR übersteigenden Wert sei mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht. Die Frage, ob ein irrtümlich auf ein Konto überwiesenes Guthaben Gegenstand einer Unterschlagung iSd § 134 StGB sein könne, werde in Lehre und Rechtsprechung kontroversiell beantwortet. Die Rechtsprechung nehme einen weiten Gutsbegriff an und bejahe für Giralgeld die Eigenschaft als taugliches Tatobjekt. Der Berufungssenat folge dem, weil sich die jederzeitige Verfügungsmacht über derartiges Bankgeld als eine unmittelbare wirtschaftliche Herrschaftsbeziehung iSd strafrechtlichen Gewahrsamsbegriffs darstelle. Da daher allfällige deliktische Schadenersatzansprüche nicht von vornherein ausgeschlossen seien, sei das Beweisverfahren zu ergänzen. Der Rekurs sei zur Frage zulässig, ob aufgrund einer irrtümlichen Überweisung entstandene Bankguthaben Gegenstand einer Unterschlagung iSd § 134 StGB sein können. Neuere höchstgerichtliche Rechtsprechung, die sich inhaltlich mit den gegenteiligen Lehrmeinungen auseinandersetze, fehle.
In seinem dagegen gerichteten Rekurs beantragt der Beklagte, den Beschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und ihm eine neuerliche Entscheidung aufzutragen, in eventu, das erstinstanzliche Urteil zu bestätigen.
Die Klägerin beantragt, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu, ihm keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.
Punkt XX. des Kollektivvertrags für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie lautet:
„XX. Verfall von Ansprüchen
'. Für die Verjährung und den Verfall aller Ansprüche zwischen Arbeitgeber/in und Arbeitnehmer/in gelten ausschließlich die gesetzlichen Vorschriften. Auch für die Rückforderung zu Unrecht geleisteter Entgelte gilt die dreijährige Verjährungsfrist.
2. Abweichend davon müssen
- Überstundenvergütungen, Sonn- und Feiertags-zuschläge,
- Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen,
- Reiseaufwandsentschädigung und
- Wegzeitenvergütungen
bei sonstigem Verfall binnen sechs Monaten nach ihrer Fälligkeit bzw. Bekanntwerden mündlich oder schriftlich geltend gemacht werden; dies gilt nicht, soweit sie Teil von Gleichbehandlungsansprüchen im Sinn des GlBG sind. (Fußnote: Die Verlängerung der Verfallsfristen von vier auf sechs Monaten gilt für Ansprüche, die nach dem 31. Oktober 2006 fällig bzw. bekannt werden.).
3. …“
Der Verweis von Punkt XX. Z 1 erster Satz KV auf die gesetzlichen Vorschriften führt in Bezug auf Entgeltforderungen zu § 1486 Z 5 ABGB. Nach dieser Bestimmung verjähren die Forderungen der Dienstnehmer wegen des Entgelts und des Auslagenersatzes aus den Dienstverträgen von Hilfsarbeitern, Taglöhnern, Dienstboten und allen Privatbediensteten, sowie der Dienstgeber wegen der auf solche Forderungen gewährten Vorschüsse in drei Jahren. Nach der Rechtsprechung unterliegen auch Rückforderungsansprüche des Arbeitgebers für irrtümlich geleistete Entgelte dieser Frist (RIS-Justiz RS0021868 [T1] = 9 ObA 39/00a). Für den Fristbeginn kommt es dabei nicht auf die subjektive Kenntnis des Rückforderungsanspruchs, sondern auf die objektive Möglichkeit der Geltendmachung an (RIS-Justiz RS0034296).
Punkt XX. Z 1 zweiter Satz KV stimmt mit dieser Frist überein. Der Bestimmung ist allerdings keine Beschränkung auf bereicherungsrechtliche Ansprüche zu entnehmen. Vielmehr wird hier nur auf die Situation der (irrtümlichen) Auszahlung von überhöhtem Entgelt Bezug genommen und festgehalten, dass die Rückforderung solcherart geleisteter Beträge einer dreijährigen Verjährungsfrist unterliegt. Eine Differenzierung je nach Kenntnis des Empfängers von seiner Bereicherung, nach der Höhe der Beträge oder auch nach einem bestimmten Rechtsgrund wird nicht vorgenommen. Das spricht aber dafür, dass Punkt XX. Z 1 zweiter Satz KV die Verjährungsfrist für Rückforderungsansprüche im typischen Fall einer schlichten Fehlüberweisung des Arbeitgebers, in dem keine Anhaltspunkte für eine die Überweisung veranlassende Täuschungshandlung des Arbeitnehmers oä vorliegen, unabhängig vom Rechtsgrund mit drei Jahren festlegt.
Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, dass sich diese Bestimmung nur auf Bereicherungs-, nicht aber auch auf Schadenersatzansprüche bezieht, wäre für die Klägerin nichts gewonnen, weil eine allfällige Strafbarkeit wegen Unterschlagung iSd § 134 StGB nicht schon daran anknüpft, dass Gelder durch Fund, Irrtum oder sonst ohne Zutun einer Person in ihre Gewahrsame gelangen. Vielmehr bedarf es darüber hinaus auch ihres Vorsatzes, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Die Klägerin hat hier aber nicht einmal behauptet, dass der Beklagte innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist je den Entschluss fasste, die Abfertigungssumme unabhängig von einem Herausgabebegehren der Klägerin dauerhaft einbehalten zu wollen. Sie hat auch keine Umstände vorgebracht, aus denen angesichts der kollektivvertraglich vorgesehenen dreijährigen Rückforderbarkeit von zu Unrecht ausbezahltem Entgelt auf eine erst danach verwirklichte Strafbarkeit des Verhaltens des Beklagten geschlossen werden könnte.
Ein Schadenersatzanspruch der Klägerin ex delicto scheidet damit aber schon von vornherein aus, sodass es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Frage bedarf. Dem Rekurs des Beklagten ist danach Folge zu geben und das Ersturteil im klagsabweisenden Sinn wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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