OGH 9Ob37/24t

OGH9Ob37/24t26.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner‑Friedl in der Rechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch Dr. Manfred Wiener ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei S*, vertreten durch Leeb & Weinwurm Rechtsanwälte GmbH in Neunkirchen, wegen Vertragsaufhebung (Streitwert: 100.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Jänner 2024, GZ 1 R 147/23d‑62, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00037.24T.0626.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger bestellte am * 2017 seine Liegenschaft zum Pfand für einen von der beklagten Bank im Rahmen einer Umschuldung an die * GmbH gewährten Kredit.

[2] Das Berufungsgericht wies die Klagebegehren, gerichtet auf Aufhebung des Pfandbestellungsvertrags und Löschung des eingetragenen Pfandrechts ab.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers.

[4] I.1. Die 1997 mit der Reform des Konsumentenschutzgesetzes eingeführten §§ 25c und 25d KSchG sehen Schutzbestimmungen für „Interzedenten“ vor (RV 311 BlgNR 20. GP 26). § 25c KSchG schreibt Informations- und Aufklärungspflichten der Bank gegenüber einem Verbraucher, der einer Verbindlichkeit als Mitschuldner, Bürge oder Garant beitritt, vor.

[5] 2. Der Oberste Gerichtshof lehnt – unter Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Lehre – in ständiger Rechtsprechung eine analoge Anwendung der §§ 25c und 25d KSchG auf die Interzession durch bloße Pfandbestellung mangels Vorliegens einer ungewollten Gesetzeslücke ab (9 Ob 85/02v; 9 Ob 16/06b; RS0116829; zuletzt 4 Ob 164/18y Pkt 2.1.). Der Kläger vermag in seiner außerordentlichen Revision keine neuen Argumente aufzuzeigen, die dennoch das Vorliegen einer Gesetzeslücke darlegen und ein dementsprechendes Abgehen von der gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigen würden.

[6] 3.1. Weder das Ergebnis der Auslegung des § 25c KSchG noch die Bestimmung selbst begründet die vom Revisionswerber behaupteten verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs bindet der Gleichheitssatz den Gesetzgeber und setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, Differenzierungen zu schaffen, die nicht sachlich begründbar sind (RS0053509; RS0053889 [T19]). Innerhalb dieser Schranken ist es jedoch dem Gesetzgeber nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art und Weise zu verfolgen (RS0053981 [T9]).

[7] 3.2. Die aus dem eindeutigen Wortlaut des § 25c KSchG erkennbare Absicht des Gesetzgebers, diese Regelung nicht auf die reine Sachhaftung des Verbrauchers angewendet wissen zu wollen, ist sachlich begründbar, weil sich die reine Sachhaftung aufgrund eines Pfandbestellungsvertrags von anderen Interzessionstypen dadurch unterscheidet, dass sie immer durch den Wert des verpfändeten Vermögens begrenzt ist und sich der Pfandgläubiger im Verhältnis zum Pfandschuldner nur aus dem Pfanderlös befriedigen kann. Aus diesem Grund ist nach herrschender Rechtsprechung auch ein krasses Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Pfandschuldners als Interzedenten sowohl im Zeitpunkt der Pfandbestellung als auch später ausgeschlossen, muss doch der Pfandschuldner für eine materiell fremde Schuld nur mit einem im Zeitpunkt der Verpfändung schon vorhandenen Vermögenswert einstehen (vgl RS0116606 [T1]). Der Anregung des Revisionswerbers, einen Antrag auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 Abs 1 Z 1 lit a B‑VG zu stellen, war daher nicht zu folgen.

[8] 4.1. Zur Frage der vorvertraglichen Aufklärungspflicht einer Bank gegenüber Interzedenten außerhalb des Anwendungsbereichs des § 25c KSchG besteht bereits umfangreiche höchstgerichtliche Rechtsprechung. Danach sind Banken nur in Ausnahmefällen verpflichtet, Interzedenten vor der Haftungsübernahme über die Vermögensverhältnisse des Schuldners aufzuklären (vgl RS0026779 [T2]). Diese haben vielmehr die erforderlichen Informationen grundsätzlich selbst einzuholen und auf deren Grundlage ihr finanzielles Risiko einzuschätzen (RS0026488 [T9]). Dies gilt erst recht, wenn der Bürge in einer besonderen Nahebeziehung zum Schuldner steht und von diesem selbst alle näheren Auskünfte fordern und erlangen kann (RS0026779 [T10]).

[9] 4.2. Eine Warn- und Aufklärungspflicht der Bank besteht ausnahmsweise dann, wenn sie vor Vertragsabschluss Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Hauptschuldners hat und diesem gerade wegen der von einem Dritten geleisteten Sicherheit trotzdem einen Kredit gewährt (RS0042562; RS0026488). Ein derartiger Ausnahmefall wird auch schon dann anzunehmen sein, wenn die Bank aufgrund ihrer Kenntnis der wirtschaftlichen Situation des Hauptschuldners von vornherein weiß, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Hauptschuldner zur Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein wird und sie daher den Sachhaftenden wird in Anspruch nehmen müssen (vgl RS0026805) oder sonst eine für den Sachhaftenden besonders gefährliche Situation erkennen musste (vgl RS0042562 jeweils zur Bürgschaft). Auch in diesen Fällen besteht eine Warn- und Aufklärungspflicht der Bank jedoch nur dann, wenn sie überdies damit rechnen muss, dass dem Sicherungsgeber dieser Umstand nicht ebenfalls bewusst ist (RS0026805 [T5]; RS0026488 [T3]). Eine bloße Voraussehbarkeit der Zahlungsunfähigkeit oder des unmittelbar bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruchs löst die Aufklärungspflicht des Kreditgebers (noch) nicht aus (RS0026805 [T10]; RS0026488 [T13]).

[10] 4.3. Die Anforderungen an die Aufklärungspflicht dürfen nicht überspannt werden (RS0026488 [T4]). Der Pfandbesteller darf vor allem auch nicht damit rechnen, die Bank werde in seinem Interesse eine tiefgehende Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Hauptschuldners vornehmen und ihn über deren Ergebnis aufklären, sollte eine Pfandbestellung nicht risikolos möglich sein (RS0026488 [T7]).

[11] 4.4. Die Beratungs- und Aufklärungspflichten von Banken sind grundsätzlich im Einzelfall zu beurteilen und bilden daher in der Regel keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RS0106373; RS0111165 [T3]). Eine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, die ungeachtet dessen aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifen ist, zeigt der Kläger nicht auf.

[12] 4.5. Nach den Feststellungen war aus den der Beklagten vorliegenden Informationen zum Zeitpunkt der Pfandbestellung nicht erkennbar, ob eine Zahlungsunfähigkeit der Kreditschuldnerin vorlag oder nicht. Die Beklagte ging aber davon aus, dass die wirtschaftliche Situation der Kreditschuldnerin gut sei und keine Zahlungsunfähigkeit drohe. Die Beklagte erteilte dem Kläger über die wirtschaftliche Situation der Kreditschuldnerin keine Informationen. Der Kläger erklärte, er wisse, wie es der Kreditschuldnerin gehe. Die Beklagte klärte den Kläger aber darüber auf, dass seine Liegenschaft die einzige materielle Sicherheit für den Kredit darstelle und es sein könne, dass das Pfand herangezogen würde.

[13] 4.6. Der Revisionswerber kann also eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten nicht darauf stützen, diese hätte die wirtschaftliche Situation der Hauptschuldnerin nicht ausreichend geprüft und er hätte die Pfandurkunden nicht unterschrieben, wenn ihm die Beklagte mitgeteilt hätte, dass sie diese Prüfung nicht vorgenommen habe. Umstände, aufgrund derer die Beklagte eine für den Kläger besonders gefährliche Situation erkennen hätte müssen, wurden vom Berufungsgericht vertretbarerweise nicht angenommen.

[14] 4.7. Die auf Bollenberger (Drittpfandbestellung und Verbraucherschutz nach §§ 25c und 25d KSchG, ÖBA 2008, 650) gestützte Rechtsansicht des Revisionswerbers, zumindest die Wertungen des § 25c KSchG müssten – in Änderung der Judikatur des Obersten Gerichtshofs – insofern auch für Sachhaftungen Bedeutung erlangen, als der Gläubiger zwar nicht wie bei Personalhaftungen zu einer Nachforschung über die Bonität des Hauptschuldners verpflichtet sei, er aber, wenn er keine Prüfung der Bonität des Schuldners vornehme, dies dem sachhaftenden Interzedenten deutlich erklären müsse, wird vom Senat nicht geteilt. Der Oberste Gerichtshof hat das Nichtbestehen einer Nachforschungs- und Aufklärungspflicht der Bank gegenüber dem Interzedenten über dessen wirtschaftliche Verhältnisse in der Entscheidung 1 Ob 93/02m ausführlich begründet. Die Annahme einer derartigen Warnpflicht würde von der Bank verlangen, gegen ihr Geschäfts- und Sicherungsinteresse zu handeln, ist es doch gerade Zweck der Übernahme einer Pfandhaftung durch einen Dritten, auch eine nach der aktuellen Einkommens- und Vermögenslage des Hauptschuldners nicht (voll) gesicherte und daher risikobehaftete Kreditgewährung zu ermöglichen (1 Ob 93/02m; 8 Ob 81/03z).

[15] Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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