OGH 1Ob36/24m

OGH1Ob36/24m25.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger sowie die Hofrätinnen Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers A*, vertreten durch die Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die Antragsgegnerin K*, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Reisinger, Rechtsanwalt in Mureck, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 15. Jänner 2024, GZ 2 R 227/23a‑130, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00036.24M.0625.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen gingen von einer Gleichwertigkeit der Beiträge beider früherer Ehepartner aus und nahmen eine Aufteilung im Verhältnis 1 : 1 vor. Soweit für das Revisionsrekursverfahren von Relevanz übertrugen sie den Hälfteanteil der Antragsgegnerin an einer Liegenschaft, auf der sich die ehemalige Ehewohnung befindet, in das Eigentum des Antragstellers und verpflichteten diesen zur Leistung einer Ausgleichszahlung. Das Rekursgericht reduzierte den vom Erstgericht mit 237.000 EUR festgesetzten Betrag und verpflichtete den Antragsteller zur Leistung von 223.750 EUR binnen zwei Wochen, weil es den Umstand, dass die Antragsgegnerin die ehemalige Ehewohnung alleine nutzen konnte, in seine Billigkeitserwägungen einbezog.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Frau, die darin keine erhebliche Rechtsfrage anspricht:

[3] 1. In ihren Rekursen begehrten der Antragstellereine Reduktion der Ausgleichszahlung um 95.400 EUR und die Antragsgegnerin (unter anderem) die Zahlung eines weiteren Betrags von 29.000 EUR. Damit lag in zweiter Instanz jedenfalls ein 30.000 EUR übersteigender Entscheidungsgegenstand vor. Ein Bewertungsausspruch des Rekursgerichts war daher nicht erforderlich (1 Ob 113/23h).

[4] 2. Die von einer höheren Instanz verfügte Verfahrensergänzung ist nur innerhalb des Schranken des (im Außerstreitverfahren analog anzuwendenden) § 496 Abs 2 ZPO vorzunehmen (1 Ob 33/17k mwN). Hebt das Gericht höherer Instanz die Vorentscheidung(en) wegen des Fehlens rechtserheblicher Tatsachenfeststellungen auf, können die Parteien im zweiten Rechtsgang nur zu den von der Aufhebung betroffenen Teilen des Verfahrens neues Vorbringen erstatten. Bereits im ersten Rechtsgang abschließend erledigte Streitpunkte können dagegen nicht wieder aufgerollt werden (RS0042014 [T3]; RS0042031; RS0042411 [T3]). Das weitere Verfahren ist auf den von der Aufhebung (ausdrücklich) betroffenen Teil zu beschränken (RS0042031 [T4]). Diese Grundsätze gelten auch im Verfahren außer Streitsachen (RS0042014 [T8]; RS0042031 [T21]; RS0042411 [T9]).

[5] 2.1. Welche Verfahrensergebnisse im Aufhebungsbeschluss als abschließend erledigt angesehen wurden, hängt ebenso wie die Frage, worauf das weitere Verfahren nach der Aufhebung und Zurückverweisung beschränkt ist, von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (RS0042031 [T20]; RS0042411 [T8]).

[6] 2.2. Bereits im ersten Rechtsgang hat der Oberste Gerichtshof in seinem Aufhebungsbeschluss zu 1 Ob 230/21m klargestellt, dass die von der Antragsgegnerin begehrte Zuweisung der Liegenschaftshälfte des Mannes an sie nicht in Betracht komme, und die Ansicht der Vorinstanzen, die die Schenkung des anderen Hälfteanteils durch den Antragsteller an die Antragsgegnerin rückgängig gemacht und diesen Anteil ohne Ausgleich in das Eigentum des Antragstellers rückübertragen hatten, unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Fachsenats (dazu RS0113358 [T5]; RS0115775 [T2]) bestätigt. Das nach dem Aufhebungsbeschluss fortgesetzte Verfahren diente demgegenüber allein der Verbreiterung der Tatsachengrundlagen zur Entscheidung über die Höhe der vom Mann zu leistenden Ausgleichszahlung.

[7] 2.3. Damit ist es nicht zu beanstanden, dass das Rekursgericht die Frage, ob der Gegenstand der Schenkung (der Hälfteanteil an der Liegenschaft) dem Mann als dem schenkenden Ehegatten ohne Ausgleich zurückzustellen ist, als abschließend geklärt ansah und sich mit den dagegen gerichteten Behauptungen der Antragstellerin nicht mehr auseinandersetzte. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens in zweiter Instanz, weil das Rekursgericht auf das von ihr im fortgesetzten Verfahren neu erstatteten Vorbringen zu den Motiven der Schenkung des Liegenschaftsanteils nicht eingegangen sei, liegt daher nicht vor. Ob Feststellungen zum persönlichen Verhältnis der Parteien vom Erstgericht überschießend getroffen worden sind und daher zu entfallen hätten, wie die Frau meint, oder Feststellungen zu dem von ihr im fortgesetzten Verfahren behaupteten dringenden Wohnbedürfnis an der vormaligen Ehewohnung fehlen, ist ohne Relevanz, weil sie mit ihrer darauf abzielenden Argumentation wiederum die von den Vorinstanzen angeordnete Rückübertragung des Liegenschaftsanteils und damit den abschließend erledigten Streitpunkt angreift.

[8] 3. Oberster Grundsatz bei der Aufteilung der Vermögenswerte ist die Billigkeit (RS0079235). Daher ist auch bei der Ausmessung der Ausgleichszahlung keine streng rechnerische Feststellung erforderlich, sondern eine unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit zu bemessende Pauschalzahlung festzusetzen (RS0057596). Selbst eine unrichtig angewendete Ermittlungsart oder eine unrichtige Gewichtung einzelner Bemessungselemente sind zu vernachlässigen, solange sich der Ausgleichsbetrag innerhalb des dem Gericht zukommenden Ermessensspielraums bewegt (vgl RS0108755; RS0115637 [T1]).

[9] 3.1. Der Gebrauchsvorteil, den der vormalige Ehepartner dadurch erlangt hat, dass er während des Aufteilungsverfahrens die Ehewohnung benutzt und sich die Kosten einer anderen Wohnmöglichkeit erspart, kann nach der Rechtsprechung des Fachsenats ebenfalls (nur) im Rahmen der Billigkeit bei der Aufteilungsentscheidung berücksichtigt werden (1 Ob 46/19z; 1 Ob 147/18a; 1 Ob 200/17v). Dabei kommt es auf die besonderen Umstände des Einzelfalls an (RS0131883 [T1]).

[10] 3.2. Maßgeblich für die Berücksichtigung des Gebrauchsvorteils des die Ehewohnung weiterhin nutzenden Ehegatten ist nach ständiger Judikatur, dass sich dieser den Aufwand für eine andere Wohnmöglichkeit erspart (RS0057765 [T2, T9]). Dass das hier der Fall ist, stellt die Antragstellerin zu Recht nicht in Abrede. Damit bedarf es im Einzelfall auch keiner Korrektur, dass das Rekursgericht die der Frau zustehende Ausgleichszahlung im Hinblick auf die Weiterbenützung der Ehewohnung im Rahmen der Billigkeit minderte. Ein Verfahrensmangel, weil die Antragstellerin von dieser Rechtsansicht des Rekursgerichts überrascht worden sei, liegt entgegen ihrer Annahme nicht vor. Schon das Erstgericht hat sich aufgrund des vom Mann erstatteten Vorbringens in seiner Entscheidung mit dieser Frage auseinandergesetzt. Dass dasRekursgericht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung gelangte, begründet keine Überraschungsentscheidung (RS0037300 [T30, T51]).

[11] 3.3. Richtig ist zwar, dass die generelle Zurechnung eines Vermögensvorteils (in Höhe des fiktiven Mietzinses) für einen solchen „Wohnvorteil“ in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgelehnt wird (1 Ob 200/17v mwN). Darauf hat aber ohnedies bereits das Rekursgericht hingewiesen. Dass es sich zur Ermittlung des Gebrauchsvorteils an diesem Wert orientierte und davon die Hälfte heranzog, ist im Einzelfall schon deswegen nicht zu beanstanden, weil sich die darauf beruhende Bemessung des Wohnvorteils ohnehin nur auf einen vergleichsweise geringen Zeitraum bezog (dazu gleich unten 3.4.).

[12] 3.4. Soweit die Antragstellerin dem Rekursgericht vorhält, es habe nicht berücksichtigt, ob ihr als weichendem Teil mit dem Verlassen der vormaligen Ehewohnung Kosten entstünden, und sich dazu auf Entscheidungen des Fachsenats beruft, lässt sie ihre konkrete Situation außer Acht. Zum Einen verfügt sie über erhebliche Ersparnisse; zum Anderen haben die Vorinstanzen für die Räumung ohnedies eine deutlich längere Leistungsfrist vorgesehen als für die Ausgleichszahlung. Diese dient in der Regel nämlich gerade dazu, dem aus der Ehewohnung weichenden Teil die Beschaffung einer dauerhaften Unterkunft zu ermöglichen (vgl 1 Ob 97/23f). Auch sonst vermag die Antragsgegnerin mit ihrem von den tatsächlichen Verhältnissen losgelösten Verweis auf in der Rechtsprechung vertretene Grundsätze kein Überschreiten des dem Rekursgericht bei der Beurteilung dieser Frage eingeräumten Ermessens aufzuzeigen. Es mag zwar zutreffen, dass der Antragsteller am 24. 7. 2017 aus- und in eine Mietwohnung gezogen ist. Indem das Rekursgericht einen Gebrauchsvorteil aus der alleinigen Nutzung der ehelichen Wohnung durch die Antragsgegnerin erst ab 1. 6. 2022 ansetzte und auf die Ausgleichszahlung anrechnete, weil die Frau mit Zustellung des Aufhebungsbeschlusses zu 1 Ob 230/21m in Kenntnis davon war, dass sie diese räumen müsse, gelangte es angesichts des seit November 2019 anhängigen Verfahrens insgesamt zu keinem seinen Beurteilungsspielraum überschreitenden Ergebnis. Warum das Gericht zweiter Instanz mit der Wahl dieses Zeitpunkts gegen das Verbot einer Überraschungsentscheidung verstoßen haben soll, weil sie als juristische Laiin die Bedeutung dieser Entscheidung nicht erfassen habe können, ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil sie in diesem Verfahrensstadium anwaltlich vertreten war.

[13] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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