European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00076.24A.0528.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die Parteien haben die Kosten des Rekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Die als Verlassenschaft nach der 2021 verstorbenen deutschen Erblasserin bezeichnete Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von Schadenersatz aufgrund unrechtmäßiger Geldbehebungen zum Nachteil der Erblasserin.
[2] Das Erstgericht berichtigte die Parteienbezeichnung der Klägerin auf die Erben der Erblasserin, weil es nach dem gemäß Art 83 Abs 4 EuErbVO (Testamentserrichtung nach deutschem Recht im Jahr 2011) für ihre Rechtsnachfolge von Todes wegen maßgeblichen deutschen Erbrecht zu einem ipso jure Erwerb durch diese komme, es daher nie eine Verlassenschaft nach der Erblasserin als Rechtsperson gegeben habe und nach der Klagserzählung klar sei, dass dieGesamtrechtsnachfolger nach der Erblasserin Ansprüche geltend machen wollten.
[3] Das von der Beklagten angerufene Rekursgericht hob den Berichtigungsbeschluss auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es schloss sich im Wesentlichen der Rechtsansicht des Erstgerichts an. Allerdings sei bereits anlässlich der Berichtigung der Parteienbezeichnung das allfällige Fehlen der Prozessführungsbefugnis der Erben von Amts wegen zu berücksichtigen. Ob diese prozessführungsbefugt sind, könne noch nicht abschließend beurteilt werden, weil die Erblasserin einen Testamentsvollstrecker bestimmt habe und für den Fall der – noch zu prüfenden – aufrechten Testamentsvollstreckereigenschaft des Bestimmten nur diesem die Prozessführungsbefugnis im eigenen Namen kraft seines Amtes zukomme. Dann sei in sinngemäßer Anwendung der Rechtsprechung zur Berichtigung vom nicht prozessführungsbefugten Schuldner auf den Insolvenzverwalter eine Berichtigung der Parteibezeichnung auf den Testamentsvollstrecker möglich. Den Rekurs gegen seinen Aufhebungsbeschluss (§ 527 Abs 2 ZPO) ließ das Rekursgericht zu den „Fragen der Richtigstellung [der Parteienbezeichnung] auf die Person des Testamentsvollstreckers nach deutschem Recht“ sowie der Reichweite von im Rahmen der Berichtigung der Parteienbezeichnung vorzunehmenden Erhebungen zu Partei- und Prozessfähigkeit der „richtigen“ Partei zu.
[4] Dagegen richtet sich der (richtig) Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit dem Abänderungsantrag, die Berichtigung nicht vorzunehmen, auszusprechen, dass es der Klägerin an der Aktivlegitimation mangle und die Klage abzuweisen.
[5] Die Erben beantragen in ihrer (richtig) Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Der Nachlass wäre zwar im Streit um seine Parteifähigkeit weiterhin als parteifähig zu behandeln (RS0035423 [T17]) und daher zur Rechtsmittelbeantwortung legitimiert. Dies steht aber einer Rekursbeantwortung auch jener Person, auf die die Parteibezeichnung berichtigt wurde, nicht entgegen, weil im Zwischenstreit über die tatsächlich als klagende Partei gemeinte Person auch jenes Rechtssubjekt beteiligt ist, auf das die Parteibezeichnung berichtigt werden soll (vgl RS0107893 [T3]).
Rechtliche Beurteilung
[6] 1. Der Rekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2, § 527 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig, weil von der Beklagten nur solche Gründe geltend gemacht werden, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt (RS0102059). Die Entscheidung kann sich daher auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
[7] 2. Der Rekurs zieht nicht in Zweifel, dass (1.) sich die Beurteilung der Parteifähigkeit der Klägerin und der Prozessführungsbefugnis nach dem gemäß Art 83 Abs 4 EuErbVO (vgl dazu 2 Ob 119/22x) für die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach der Erblasserin maßgeblichen deutschen Erbrecht richtet, (2.) das BGB keinen ruhenden Nachlass mit Rechtspersönlichkeit kennt, sondern der Erwerb der Erben ipso jure erfolgt (10 Ob 42/20d Rz 38), (3.) im Fall aufrechter Testamentsvollstreckung dem Testamentsvollstrecker allein die Prozessführungsbefugnis für den hier unstrittig vorliegenden „Nachlassprozess“ zukommt (vgl 10 Ob 42/20d Rz 41 ff), (4.) eine daraus resultierende Einschränkung der Prozessführungsbefugnis der Erben auch im Zivilprozess zu beachten ist (10 Ob 42/20d RS0133802) und (5.) die daran anknüpfenden prozessualen Fragen nach dem auf das Verfahren in Österreich anzuwendenden österreichischen Zivilprozessrecht zu beantworten sind (10 Ob 42/20d Rz 68).
[8] 3. Die Parteifähigkeit ist als Prozessvoraussetzung nach § 6 Abs 1 ZPO von Amts wegen zu prüfen (RS0110705) und ihr Mangel ist in jeder Lage des Rechtsstreits zu berücksichtigen (2 Ob 233/98y), führt aber nicht sofort zur Nichtigkeit des Verfahrens. Das Gericht hat vielmehr alles Erforderliche vorzukehren, damit der Mangel beseitigt werden kann. Nur dann, wenn eine Verbesserung von vornherein offenbar unmöglich ist, oder wenn diesbezügliche Versuche erfolglos geblieben sind, ist das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären (RS0110705 [T2]). Dies gilt gleichermaßen im Zusammenhang mit der Prozessfähigkeit (vgl RS0039711). Auch die Rechtsfolgen des Fehlens der Prozessführungsbefugnis sind an jenen der fehlenden Prozessfähigkeit zu orientieren (10 Ob 42/20d Rz 76 [im Zusammenhang mit einem Nachlassverwalter nach deutschem Recht]).
[9] 4. Schon nach dem Wortlaut des § 235 Abs 5 ZPO kommt eine Berichtigung der Parteibezeichnung (nur) in Frage, wenn das Klagebegehren nach dem Inhalt der Klage „in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise“ von einer oder gegen eine bestimmte Person erhoben wird, die aber in der Klage unrichtig bezeichnet wurde (RS0039378). So erachtete der Oberste Gerichtshof – im Anwendungsbereich österreichischen Erbrechts – die Berichtigung auf die Verlassenschaft für zulässig, wenn vor Einantwortung die Erben geklagt wurden (RS0039871 [T3]) oder diese im Zusammenhang mit einer Nachlassforderung als Kläger auftraten (RS0035109). Auch ist nach der Rechtsprechung eine Berichtigung der Parteienbezeichnung auf die Erben zulässig, wenn bereits vor Klagserhebung die Einantwortung erfolgt ist (RS0039627).
[10] Kein strenger Maßstab ist bei der Prüfung der Frage nach der Zulässigkeit der Berichtigung der Parteienbezeichnung dann anzulegen, wenn ein Rechtssubjekt mit der vom Kläger gewählten (unrichtigen) Bezeichnung gar nicht existiert (5 Ob 224/20g Rz 10 mwN).
[11] Die Frage, ob sich aus dem Inhalt der Klage in einer auch für die Parteien klaren und eindeutigen Weise ergibt, welches Rechtssubjekt vom Kläger belangt werden bzw wer als Kläger auftreten sollte, richtet sich nach den Umständen des jeweils zu beurteilenden Einzelfalls und bildet grundsätzlich keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RS0114709).
[12] Wenn das Rekursgericht zum Ergebnis gelangt ist, dass ausgehend von der Klagserzählung der (die) Gesamtrechtsnachfolger nach der Erblasserin die Klageforderung geltend machen wolle(n), dies aber nach der maßgeblichen deutschen Rechtslage nicht der gar nicht existente Nachlass, sondern die Erben sind, ist dies jedenfalls vertretbar. Dass in der Klage die Erben nicht genannt werden, schadet schon aufgrund des Umstands nicht, dass die Parteifähigkeit als Prozessvoraussetzung jederzeit amtswegig zu berücksichtigen ist und das Gericht daher alles Erforderliche zur Beseitigung des Mangels vorzukehren hat.
[13] 5. Eine Richtigstellung wird nur dann ausgeschlossen, wenn eine Partei – trotz Erörterung der Unrichtigkeit der Bezeichnung – auf der von ihr gewählten Parteibezeichnung beharrt. Davon kann jedoch keine Rede sein, wenn die betroffene Partei nachdem ihre aktive Sachlegitimation vom Gegner in Zweifel gezogen wurde, den Antrag gestellt hat, die Berichtigung der Parteienbezeichnung zuzulassen, falls das angerufene Gericht in der Frage der Aktivlegitimation der Kläger zu einer anderen Ansicht gelangen sollte (RS0107428 [T5]).
[14] Die Ansicht des Rekursgerichts, das Prozessverhalten der klagenden Verlassenschaft – diese beharrte zwar zunächst ausgehend von der Anwendbarkeit österreichischen Rechts auf ihrer Parteifähigkeit, wies aber nach Erörterung auch auf die Möglichkeit einer amtswegigen Berichtigung hin, sollte das Gericht sich ihrer Rechtsansicht nicht anschließen – stelle kein einer Berichtigung entgegenstehendes Beharren auf einer unrichtigen Parteibezeichnung dar, ist jedenfalls vertretbar. Die Auslegung von Prozesserklärungen bildet – abgesehen von hier nicht vorliegender grober Fehlbeurteilung – keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RS0042828 [T15, T16]).
[15] Die von der Beklagten ins Treffen geführte Entscheidung 2 Ob 171/08y ist nicht vergleichbar, weil dort – anders als im vorliegenden Fall – auch noch in dritter Instanz ungeachtet der Einwendungen des Antragsgegners und den Ausführungen des Rekursgerichts auf der ‚Aktivlegitimation‘ beharrt wurde.
[16] 6. Dass – wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (7 Ob 95/06f) – Fragen der Parteifähigkeit oder der gesetzlichen Vertretung wegen ihrer Nichtigkeit begründenden Auswirkungen auch bereits anlässlich der Beschlussfassung über die Berichtigung der Parteibezeichnung zu prüfen sind, zieht der Rekurs ebenso wenig in Zweifel wie die Rechtsansicht des Rekursgerichts, eine Berichtigung der Parteibezeichnung auf den Testamentsvollstrecker sei in sinngemäßer Anwendung der Rechtsprechung zum Insolvenzverwalter (vgl dazu 10 Ob 42/20d Rz 89) möglich. Insoweit wird daher schon mangels inhaltlicher Ausführungen zur Zulassungsfrage keine Rechtsfrage der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO releviert (vglLovrekinFasching/Konecny 3IV/1 § 502 ZPO Rz 125).
[17] 7. Der Rekurs argumentiert im Wesentlichen lediglich damit, das Vorhandensein eines Testamentsvollstreckers sei allen klar gewesen. Dennoch habe die Klägerin nicht die Berichtigung der Parteibezeichnung auf diesen beantragt.
[18] Dass die Prozessführungsbefugnis nach deutschem Recht beim Testamentsvollstrecker liegen und daher nur eine Berichtigung der Parteibezeichnung auf ihn als prozessführungsbefugten Träger des Nachlassvermögens erfolgen könnte, wurde im erstinstanzlichen Verfahren aber nicht erörtert. Dieser erstmals vom Rekursgericht aufgegriffene neue rechtliche Aspekt ist aber nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mit den Parteien – auch im Zusammenhang mit der Parteibezeichnungsberichtigung – zu erörtern (vgl 5 Ob 165/03f) und es ist alles Erforderliche vorzukehren, um den Mangel zu beseitigen. Welche konkreten Maßnahmen dafür notwendig sind, kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.
[19] Die Entscheidung des Rekursgerichts weicht von den dargestellten Grundsätzen nicht ab, sodass der Rekurs insgesamt mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen war.
[20] 8. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts nach § 527 Abs 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (vgl RS0123222). Da die Erben in ihrer Rekursbeantwortung aber nicht auf die Unzulässigkeit hingewiesen haben, haben die Parteien die Kosten des Rekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.
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