OGH 9ObA106/23p

OGH9ObA106/23p24.1.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende,die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauerund Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. M*, vertreten durch Dr. Peter Döller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei E* GmbH, *, vertreten durch Mag. Dieter Kieslinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 11.700 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. Oktober 2023, GZ 7 Ra 74/23p‑27, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00106.23P.0124.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger war bei der Beklagten von 1. 2. 2019 bis zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses vom 7. 9. 2020 zum 8. 9. 2020 beschäftigt. Am 20. 7. 2020 übergab die Beklagte dem Kläger ein von ihm ausgesuchtes und von ihr um 36.000 EUR neu angekauftes Dienstfahrzeug. Im Zuge dessen zahlte der Kläger vereinbarungsgemäß für ausschließlich von ihm gewünschte Sonderausstattungen 11.700 EUR an die Beklagte. Weil die Beklagte in den individuellen Adaptierungen des Fahrzeugs keinen Mehrwert für sie sah, vereinbarten die Parteien, dass der Kläger bei allfälliger Auflösung des Dienstverhältnisses aus seiner Zuzahlung keinen Rückforderungsanspruch gegen die Beklagte hat. Dem Kläger war bewusst, dass er den Zuschuss nicht mehr zurückbekommen wird, ging aber davon aus, dass er das Fahrzeug mehrere Jahre nutzen wird. Tatsächlich konnte der Kläger das Dienstfahrzeug wegen eines von ihm verursachten Unfalls und der notwendigen Reparatur nur bis 16. 8. 2020 verwenden.

[2] Zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses war es gekommen, weil die Beklagte den Verdacht hatte, der Kläger habe verschiedene Malversationen (Geldentnahmen, „unsaubere“ Rechnungen) zu verantworten und daher das Dienstverhältnis mit ihm beenden wollte. Die Beklagte bot dem Kläger die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses an, sollte dieser an der Aufklärung des Sachverhalts im Zusammenhang mit einem ihrer Kunden mitwirken. Der Kläger erklärte sich dazu bereit, wollte aber wegen der seiner Ansicht nach ungerechtfertigten Vorwürfe nicht mehr bei der Beklagten weiter arbeiten.

[3] Die Vorinstanzen wiesen das Begehren des Klägers auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Zuzahlung von 11.700 EUR ab.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[5] 1. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens „bzw“ Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Auch wenn das Berufungsgericht eingangs seiner rechtlichen Beurteilung festgehalten hat, dass der Kläger in seiner Berufung vielfach nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgegangen ist, weshalb die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt sei, hat es dennoch die Rechtsrüge behandelt. Insofern zeigt die außerordentliche Revision die Erheblichkeit des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf (vgl RS0116273). Soweit der Kläger behauptet, das Berufungsgericht habe bei seiner rechtlichen Beurteilung wesentliche Feststellungen unbeachtet gelassen, wird damit der Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO geltend gemacht.

[6] 2.1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt Sittenwidrigkeit insbesondere dann vor, wenn der Vertrag eine krasse einseitige Benachteiligung eines Vertragspartners enthält. Im Hinblick auf den Grundsatz der Privatautonomie wird die Rechtswidrigkeit wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nur dann bejaht, wenn die Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen ergibt oder wenn bei einer Interessenkollision ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen besteht (9 ObA 91/08k Pkt 1.; 9 ObA 93/16s; RS0045886). Dies ist jeweils anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (RS0042881 [T6]). Ob Sittenwidrigkeit vorliegt, ist daher nicht aufzugreifen, wenn das Berufungsgericht bei dieser Entscheidung – wie hier – die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens nicht überschritten hat (RS0042881 [T8]).

[7] 2.2. Richtig ist zwar das auf die Entscheidung 8 ObA 20/17z gestützte Argument des Klägers, die Beklagte könne auch nach Auflösung des Dienstverhältnisses das für ihn angekaufte Dienstfahrzeug weiter nutzen, allerdings steht fest, dass in den vom Kläger gewünschten Sonderausstattungen kein Mehrwert für die Beklagte liegt. Mag es auch zwar auch der Wunsch der Beklagten gewesen sein, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit nicht mit seinem PKW Mercedes 500 fährt, sondern (nur) mit einem „Mittelklasseauto“ und ihm daher ein Dienstfahrzeug zur Verfügung stellte, so war es aber jedenfalls ausschließlich der Wunsch des Klägers, dieses Fahrzeug mit zahlreichen Sonderausstattungen zu versehen.

[8] 2.3. Auch soweit der Kläger die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung über die nicht rückforderbare Zuzahlung auf die Grundwertungen der mietrechtlichen Entscheidungen des Rechtssatzes RS0024045 stützt, verhilft ihm dies nicht zum Erfolg. Nach dieser Rechtsprechung verstößt ein Verzicht auf einen Aufwandersatzanspruch für sich nicht gegen die guten Sitten, wenn dem Mieter die Möglichkeit geboten wird, seine auf das Bestandobjekt gemachten Aufwendungen zeitlich und umfänglich entsprechend zu nützen (9 Ob 25/21y Rz 14). Selbst wenn man diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall übertragbar ansehen wollte (welche Frage hier offen bleiben kann), stand dem Kläger die Möglichkeit, das Dienstfahrzeug mehrere Jahre zu nützen, zum Abschluss der Vereinbarung grundsätzlich offen. Auch wenn es zunächst die Beklagte war, die das Dienstverhältnis kurze Zeit nach Übergabe des Dienstfahrzeugs an den Kläger beenden wollte, so wollte letztlich aber auch der Kläger nicht mehr bei der Beklagten weiter arbeiten und stimmte einer einvernehmlichen Auflösung zu. Ob die Beurteilung der Sittenwidrigkeit der angesprochenen Vereinbarung anders wäre, wenn die Beklagte das Dienstverhältnis mit dem Kläger gekündigt hätte, muss hier nicht erörtert werden.

[9] 3.1. Nach Rechtsprechung und Lehre sind unter bestimmten Voraussetzungen nach § 1435 ABGB auch Vorleistungen in einem Dauerschuldverhältnis rückforderbar, wenn dieses nach unerwartet kurzer Zeit oder sonst vorzeitig endet (Lurger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.09 § 1435 Rz 5; Koziol/Spitzer in KBB7 § 1435 Rz 1 je mwN; vgl 5 Ob 22/08h). Die Kondiktion wird jedoch dann nicht gewährt, wenn die vorzeitige Auflösung des Dauerschuldverhältnisses vom Anspruchswerber verursacht/verschuldet wurde (Lurger in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.09 § 1435 Rz 5; vgl Mader in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1435 ABGB Rz 6 je mwN).

[10] 3.2. Abgesehen davon, dass es sich bei der Zuzahlung des Klägers nicht um eine „Vorleistung“ auf das Dienstverhältnis handelt, hat er dadurch, dass letztlich auch er das Dienstverhältnis einvernehmlich auflösen wollte, die Beendigung des Dauerschuldverhältnisses jedenfalls „mitverursacht“.

[11] 4.1. Nach der Rechtsprechung kann (nur) der Wegfall einer von beiden Parteien gemeinsam dem Vertragsabschluss unterstellten Voraussetzung als Wegfall der Geschäftsgrundlage gewertet werden (RS0017487). Ein Vertragspartner kann sich auf eine Änderung der Sachlage, deren Fortdauer eine typische Voraussetzung des Geschäftes bildet, dann nicht berufen, wenn die Änderung keine unvorhersehbare ist, und wenn sich die Änderung auf Tatsachen in der eigenen persönlichen Sphäre bezieht (RS0017593 [T1]).

[12] 4.2. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, bei Abschluss der Vereinbarung sei es für die Parteien nicht unvorhersehbar gewesen, dass das Dienstverhältnis allenfalls bereits nach kurzer Zeit wieder aufgelöst werde und die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses sei zumindest teilweise der Sphäre des Klägers zuzurechnen, ist aufgrund der konkreten Umstände des Falls vertretbar. Mit dem Argument, der Kläger habe nicht damit rechnen müssen, dass „sein Dienstverhältnis beendet werde“, übersieht er zum einen, dass das Dienstverhältnis einvernehmlich aufgelöst wurde und zum anderen stützt er sich damit nicht auf eine enttäuschte gemeinsame Erwartung (vgl 2 Ob 67/14p Pkt 3. mwN).

[13] Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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