OGH 8ObA20/17z

OGH8ObA20/17z28.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber und Harald Kohlruss als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K***** S*****, vertreten durch Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt in Korneuburg, gegen die beklagte Partei a***** GmbH, *****, vertreten durch die Malainer Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 8.281,46 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 30. Jänner 2017, GZ 8 Ra 48/16m‑21, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:008OBA00020.17Z.0328.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.  Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens liegt – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor.

Das Gleiche gilt für die geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel. Darauf, dass er das Kündigungsschreiben nicht gelesen habe, hat sich der Kläger gar nicht berufen. Wie er den Inhalt dieses Schreibens– nach dem objektiven Erklärungswert – verstehen durfte und ob seinerseits eine konkludente Einwilligung vorliegt, sind Fragen der rechtlichen Beurteilung.

2.1  Die Auslegung einer Erklärung betrifft den Einzelfall (RIS‑Justiz RS0042555). Das von den Vorinstanzen erzielte Auslegungsergebnis, wonach im Kündigungsschreiben der Beklagten die Dienstfreistellung des Klägers sowie der Verbrauch des Resturlaubs angeordnet und darin zum Ausdruck gebracht wurde, dass eine Arbeitsleistung des Klägers jedenfalls nicht mehr erwünscht sei, ist nicht korrekturbedürftig. Damit kann sich die Beklagte nicht auf eine Vereinbarung über den Urlaubsverbrauch während der Kündigungsfrist stützen.

Das Vereinbarungsgebot gilt auch während der Kündigungsfrist (9 ObA 144/05z). Ebenso bedarf es im Fall einer Dienstfreistellung eines Angebots des Dienstgebers zum Abschluss einer Urlaubsvereinbarung und der Annahme durch den Arbeitnehmer. Auch bei einer Dienstfreistellung kann der Dienstnehmer nicht zum Urlaubsverbrauch gezwungen werden (9 ObA 144/05z; 8 ObA 80/05f).

2.2  Zu der in der außerordentlichen Revision thematisierten, aus der Treuepflicht des Dienstnehmers abgeleiteten Informationspflicht (Rückmeldungspflicht) zum Urlaubsverbrauch wird von der Beklagten ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

Das Berufungsgericht hat keineswegs die darauf abzielende Argumentation der Beklagten unbeachtet gelassen. Vielmehr ist es auf die Rechtsprechung eingegangen, wonach es mit der Treuepflicht nicht vereinbar wäre, im gekündigten Dienstverhältnis das Angebot des Dienstgebers zum Abschluss einer Urlaubsvereinbarung während der Dienstfreistellung abzulehnen, dann aber doch die bezahlte Freizeit zu einem erheblichen Teil für Zwecke zu verwenden, die die Gewährung von Urlaub erfordern (8 ObA 81/08g; 8 ObA 48/15i). Der dazu vorgenommenen Beurteilung, dass zur Nutzung der Dienstfreistellung durch den Kläger für Urlaubszwecke weder ein Vorbringen noch eine Feststellung vorliege, tritt die Beklagte in der außerordentlichen Revision nicht entgegen. Davon abgesehen fehlt es nach der Diktion im Kündigungsschreiben an einem Angebot der Beklagten zu einer Vereinbarung über den Urlaubsverbrauch.

Auf die in der außerordentlichen Revision in Anspruch genommene Rechtsprechung zu einer stillschweigenden Vereinbarung aufgrund einer angemaßten Weisung des Dienstgebers kann sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil weder von einer Zustimmung noch von einer Befolgung der Anordnung der Beklagten durch den Kläger auszugehen ist. Der von der Beklagten ins Treffen geführten Informationspflicht würde zudem nur dann eine Bedeutung zukommen, wenn die Beklagte entsprechend hätte reagieren können. In dieser Hinsicht beruft sie sich in der außerordentlichen Revision darauf, dass ihr in diesem Fall die Disposition über weitere Arbeitseinsätze des Klägers zugestanden wäre. Dem steht allerdings die – nicht korrekturbedürftige – Beurteilung des Berufungsgerichts entgegen, wonach die Beklagte mit dem Kündigungsschreiben zum Ausdruck gebracht habe, dass eine Arbeitsleistung des Klägers jedenfalls nicht mehr erwünscht sei.

Letztlich ist die Beklagte darauf hinzuweisen, dass sie im Kündigungsschreiben zur Vorgangsweise beim Dienstfahrzeug um eine Verständigung durch den Kläger ersucht hat, während sie zu der von ihr angeordneten Dienstfreistellung samt Urlaubsverbrauch keine Aufklärung verlangte. In dieser Situation ist die Annahme gerechtfertigt, dass die Beklagte weder mit einer Antwort des Klägers rechnen noch Grund zur Annahme seines Einverständnisses zum Urlaubsverbrauch haben durfte.

3.1  Zum Dienstfahrzeug wurde – für den Fall des Ausscheidens des Klägers – vereinbart, dass er entweder den (insgesamt) noch ausständigen Eigenanteil (sofort) an die Beklagte zahlt oder (wenn der Leasinggeber dies nicht ablehnt) in den Leasingvertrag einsteigt. Nach der zugrunde liegenden E‑Mail war der Eigenanteil vom Kläger während der Leasinglaufzeit zu tilgen. Im Kündigungsschreiben wurde unter anderem die unverzügliche Rückstellung der überlassenen Arbeitsmittel angeordnet. Der Kläger hat das Fahrzeug Ende Mai 2014 an die Beklagte zurückgestellt.

3.2  Zunächst ist festzuhalten, dass der Kläger den Leasingvertrag nicht übernommen hat. Ebenso wenig hat die Beklagte den Leasingvertrag im Verhältnis zum Leasinggeber aufgelöst. Diese beiden Varianten sind daher nicht Gegenstand der Beurteilung.

3.3  Der Beklagten ist insoweit zuzustimmen, als eine Vereinbarung, mit der sichergestellt werden soll, dass dem Dienstgeber aus dem über ausdrücklichen Wunsch des Dienstnehmers abgeschlossenen Leasingvertrag nach Auflösung des Dienstverhältnisses keine weiteren Kosten erwachsen, nicht von vornherein als sittenwidrig qualifiziert werden kann. So wurde in der Entscheidung 8 ObA 288/94 ausgesprochen, dass die Vereinbarung, wonach der Dienstnehmer nach Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis die weiterlaufenden Kosten für das auf seinen Wunsch angeschaffte Luxusfahrzeug aus eigenem zu tragen habe, nicht sittenwidrig sei. Für diese Beurteilung war maßgebend, dass der Dienstgeber das Fahrzeug nach dem Ausscheiden des Dienstnehmers nicht weiter verwenden wollte, weshalb er den Leasingvertrag aufgelöst und das Fahrzeug an den Leasinggeber zurückgestellt hat. Dazu wurde darauf verwiesen, dass nicht von vornherein davon ausgegangen werden könne, dass der Dienstgeber auch die Anschaffung eines als Dienstwagen üblichen Fahrzeugs (anstelle des Luxusfahrzeugs) bei Auflösung des Dienstverhältnisses hätte rückgängig machen müssen.

3.4  Für den Anlassfall ergibt sich daraus, dass– auf Basis einer Vereinbarung – die Überwälzung der Mehrkosten auf den Dienstnehmer auch für die Zeit nach Auflösung des Dienstverhältnisses zulässig sein kann, wenn ein Luxusfahrzeug (im Anlassfall ein Wunschfahrzeug statt eines Referenzfahrzeugs) auf Wunsch des Dienstnehmers im Rahmen eines Leasingvertrags angeschafft wird. Einem solchen Ergebnis liegt die Wertung zugrunde, dass der Dienstgeber nach Auflösung des Dienstverhältnisses – im Vergleichsfall durch den Dienstnehmer selbst – aus legitimen Gründen keinen Nutzen aus dem Fahrzeug mehr zieht. Dies kann allerdings dann nicht gelten, wenn der Dienstgeber das Fahrzeug nach Auflösung des Dienstverhältnisses selbst weiterverwendet. Dies ist hier der Fall. Nach den Feststellungen befindet sich das in Rede stehende Fahrzeug weiterhin in Verwendung der Beklagten.

Das konkret auf diese Situation abzielende Sittenwidrigkeitsurteil, wonach die Zahlung des Eigenanteils für die restliche Laufzeit des Leasingvertrags durch den Kläger sittenwidrig sei, zumal der Nutzen aus dem Fahrzeug nicht dem Kläger, sondern ausschließlich der Beklagten zukomme, erweist sich damit als nicht korrekturbedürftig.

Dass das Fahrzeug von Juni bis August 2014 „eingelagert“ war, wurde in erster Instanz nicht behauptet. Dies würde an der Verfügungsbefugnis der Beklagten auch nichts ändern.

Schließlich kann sich die Beklagte auch nicht auf eine Einschränkung ihres Kündigungsrechts berufen, weil sie – neben der tatsächlich erfolgten Kündigung des Dienstverhältnisses – die Möglichkeit gehabt hätte, das Fahrzeug an den Leasinggeber zurückzustellen.

4.  Insgesamt gelingt es der Beklagten nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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