OGH 6Ob181/23w

OGH6Ob181/23w20.12.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. I*, 2. Z*, beide *, vertreten durch Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, wider die beklagte Partei V* AG, *, Deutschland, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 36.274,40 EUR sA, über die Rekurse der klagenden und der beklagten Parteien sowie über die Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 7. Juni 2023, GZ 1 R 68/23k‑39, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 13. März 2023, GZ 2 Cg 50/20k‑34, in ein Zwischenurteil nach § 393a ZPO abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00181.23W.1220.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unionsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

I. Der mit dem Zwischenurteil verknüpfte Aufhebungsbeschluss gilt als nicht beigesetzt.

II. Die Revision und die Rekurse werden zurückgewiesen.

III. Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 2.903,03 EUR (darin 483,84 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung je zur Hälfte binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Kläger kauften im Februar 2013 ein Fahrzeug der Marke Audi. Die Beklagte ist nicht Fahrzeugherstellerin dieses PKW, unstrittig aber die Herstellerin des darin verbauten Dieselmotors des Typs EA189.

[2] Die Kläger begehren wegen einer im Fahrzeug verbauten unzulässigen Abschalteinrichtung Schadenersatz (auch) nach §§ 874, 1295 Abs 2 ABGB (vgl dazu 3 Ob 40/23p [Rz 34]; 6 Ob 114/23t [ErwGr 5.]; 6 Ob 149/23i [ErwGr 1.2.]).

[3] Das Erstgericht wies das Klagebegehren samt den Eventualbegehren ab.

[4] Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es ein Zwischenurteil nach § 393a ZPO fällte. Es sprach aus, die Klagsforderung sei nicht verjährt, und fasste darüber hinaus ausdrücklich einen Beschluss auf Aufhebung des Urteils „im Übrigen“ (samt Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht). Die ordentliche Revision gegen das Zwischenurteil und der Rekurs gegen den aufhebenden Beschluss seien zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurse beider Seiten sind absolut unzulässig; die Revision der Beklagten ist mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

Zu I. 

[6] Ändert das Berufungsgericht das angefochtene Leistungsurteil in ein Zwischenurteil (hier nach § 393a ZPO) ab, haben eine Aufhebung des Ersturteils und die Zurückweisung der Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zu unterbleiben, weil bereits durch die Fällung dieses Zwischenurteils klargestellt ist, dass das Klagebegehren der Höhe nach noch nicht spruchreif ist (RS0119825; RS0040876; RS0118745; zum Zwischenurteil über die Verjährung nach § 393a ZPO: 6 Ob 205/15p).

[7] Der mit dem angefochtenen Zwischenurteil verknüpfte Zurückweisungsbeschluss gilt als nicht beigesetzt, was durch einen deklarativen Beschluss klarzustellen ist (RS0119825 [T1]; 10 Ob 77/18y; 6 Ob 158/22m [Rz 29]).

Zu II.1. Absolute Unzulässigkeit der Rekurse:

[8] Infolge dessen kommt ein Rekurs gegen einen solchen Aufhebungsbeschluss auch dann nicht in Betracht, wenn ihn das Berufungsgericht für zulässig erklärte (6 Ob 158/22m [Rz 30]).

[9] Angemerkt sei, dass eine Umdeutung der Rekurse als (in Wahrheit) gegen das Zwischenurteil gerichtete Revision(en) ausscheidet. Das Berufungsgericht hat hier entsprechend der in § 393a ZPO geschaffenen Möglichkeit ein die Verjährung des Anspruchs verneinendes Zwischenurteil gefällt. Eine solche Entscheidung spricht verbindlich nur über den verneinten Verjährungseinwand ab, ohne dabei die – nur auf ihre Schlüssigkeit hin zu prüfenden – Anspruchsvoraussetzungen zu beurteilen. Gegenstand des Zwischenurteils ist (allein) der Einwand bzw die Frage der Verjährung des mit der Klage prozessual geltend gemachten Anspruchs. Es kann daher im Instanzenzug nur die Frage der Verjährung des (behaupteten) Klagsanspruchs überprüft werden (RS0127852 [T6]).

[10] Beide Parteien sprechen aber in ihren Rekursen Fragen der Verjährung nicht an (und auch nicht eine Unschlüssigkeit der Klage). Die Rekurse sind demnach als absolut unzulässig zurückzuweisen.

[11] II.2. Fehlende Zulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage:

[12] II.2.1. Das Berufungsgericht hielt den der Klage zugrundeliegenden Anspruch aus folgenden Gründen nicht für verjährt: Der Verjährungseinwand der Beklagten habe sich in erster Instanz lediglich auf das Bekanntwerden bzw die Entfernung der Umschaltlogik bezogen, welche vorgeblich durch das Software‑Update beseitigt worden sei. Demgegenüber hätten sich die Kläger darauf berufen, es sei erst Anfang des Jahres 2019 medial publik geworden, dass durch das Software‑Update keine Mängelbehebung (richtig wohl: Schadensbehebung) erfolgt und eine temperaturabhängige Abschalteinrichtung im Fahrzeug belassen worden sei, weshalb der Entzug der Zulassung drohe. Diese Umstände habe die Beklagte nicht substanziert bestritten, sodass die von den Klägern behauptete Kenntnis vom drohenden Entzug der EG‑Typengenehmigung frühestens ab Anfang 2019 der Entscheidung als unstrittig zugrundezulegen sei.

[13] Die Beklagte vertritt demgegenüber in der Revision die Ansicht, es komme allein auf die Information über die Betroffenheit des Fahrzeugs „von der Abgasthematik“ im Jahr 2015 an.

[14] II.2.2. Zu den Fällen der vorgeblichen Schadensbehebung durch das Software‑Update hat der Oberste Gerichtshof erst jüngst dargelegt, dass dann, wenn der Geschädigte annehmen darf, dass der aufgetretene Schaden (durch das von der Beklagten entwickelte Software-Update) behoben ist, für ihn nicht der geringste Anlass zur Verfolgung von – für ihn rein hypothetischen – weiteren Ersatzansprüchen besteht, und zwar auch nicht in Form einer Feststellungsklage. Die Sachlage ist dann nicht anders, als wenn der Betroffene von einem – an sich vorhandenen – Schaden bisher überhaupt noch nicht Kenntnis erlangt hat. Es wäre nicht sinnvoll, dem Geschädigten zur Wahrung seiner Interessen die Klagserhebung aufzuerlegen, obwohl weitere Schadensfolgen nicht vorhersehbar sind und daher die Überzeugung gerechtfertigt erscheint, dass die Geltendmachung weiterer Ansprüche nicht in Betracht komme. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Geschädigte mit gutem Grund annehmen darf, dass der aufgetretene Schaden – wie die Beklagte unter Verweis auf ihr Software-Update auch bis zuletzt noch im Verfahren meint – zur Gänze behoben ist (9 Ob 33/23b [ErwGr 7.]; ebenso 10 Ob 31/23s [ErwGr 4.1.3.]).

[15] Der erkennende Senat teilt die Auffassung, dass die dreijährige Verjährungsfrist in solchen Fällen zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Kläger davon Kenntnis erlangte, dass trotz des Software-Updates nach wie vor vom Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung auszugehen ist (9 Ob 33/23b [ErwGr 8]). Soweit aus dem zu 6 Ob 160/21d entschiedenen Fall von der Beklagten Gegenteiliges abgeleitet wird, wird dem nicht beigetreten.

[16] II.2.3. Die Revision der Beklagten ist, da die in ihr aufgeworfene Rechtsfrage zur Verjährung mittlerweile geklärt ist, nicht (mehr) zulässig.

Zu III.

[17] Der vom Berufungsgericht zum Zwischenurteil ausgesprochene Vorbehalt der Kostenentscheidung steht einer Kostenentscheidung im Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Rechtsmittel in dritter Instanz nicht entgegen (RS0129365 [T3]; RS0123222).

[18] Die Kläger haben Anspruch auf Kostenersatz nach § 41 iVm § 50 ZPO für die Revisionsbeantwortung.

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