OGH 6Ob158/22m

OGH6Ob158/22m23.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions‑ und Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. T*, vertreten durch Brauneis Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. J* Gesellschaft m.b.H., FN *, 2. V* AG, *, Deutschland, beide vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 16.246,27 EUR sA und Feststellung, über die Revisionen der klagenden und der beklagten Parteien und den Rekurs der klagenden Partei gegen das Teil‑ und Zwischenurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2020, GZ 1 R 156/19x‑41, mit dem das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 25. Juli 2019, GZ 27 Cg 4/19k‑33, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00158.22M.1023.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

I. Das mit Beschluss vom 22. Juli 2020, 6 Ob 149/20k, unterbrochene Verfahren wird fortgesetzt.

II. Die mit dem Rechtsmittel der klagenden Partei vorgelegten Urkunden und das dazu erstattete Vorbringen werden zurückgewiesen.

III. Der mit dem Zwischenurteil verknüpfte Aufhebungsbeschluss gilt als nicht beigesetzt.

IV. Rekurs und Revision der klagenden Partei werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.292,50 EUR (darin 215,42 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekurs‑ und Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

V. Der Revision der erstbeklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Der Revision der zweitbeklagten Partei wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil in seinem Punkt 3. dahin abgeändert, dass das Feststellungsbegehren, es möge ausgesprochen werden, dass die zweitbeklagte Partei der klagenden Partei für alle weiteren Schäden, die daraus resultieren, dass die zweitbeklagte Partei beim Kraftfahrzeug Golf Rabbit 2012 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer * eine Software für den im Pkw eingebauten Motor mit der Bezeichnung EA 189 entwickelte bzw herstellte und/oder eine solche Software in den Motor des Pkw einbaute bzw einbauen ließ, welche darauf abzielte, dass die Abgaswerte des betreffenden Motortyps am Rollprüfstand dergestalt manipuliert wurden, dass eine EG‑Betriebserlaubnis für den Motor und/oder den Pkw erlangt werden konnte, während die Abgaswerte im Echtbetrieb (auf der Straße) die zulässigen Grenzwerte um ein Vielfaches überschritten und diese Vorrichtung bzw Manipulation somit eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellte, wobei die daraus resultierenden Schäden entweder bereits eingetreten, aber noch nicht bezifferbar sind und/oder in Zukunft noch eintreten werden, haftet, abgewiesen wird.

Im Übrigen wird der Revision der zweitbeklagten Partei nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

 

EntscheidungsgründeundBegründung:

[1] Zu I.: Mit Beschluss vom 22. 7. 2020, 6 Ob 149/20k, wurde das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über den vom Obersten Gerichtshof am 17. 3. 2020 zu 10 Ob 44/19x gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen. Der EuGH hat darüber mit Urteil vom 14. 7. 2022 entschieden. Das Verfahren über die in dritter Instanz erhobenen Rechtsmittel ist daher fortzusetzen.

[2] Zu II.: Die im Rahmen der Rechtsmittel des Klägers erfolgte Urkundenvorlage verstößt gegen das Neuerungsverbot.

Zu III. - V.:

[3] Gegenstand des Verfahrens ist ein vom „Abgasskandal“ betroffenes Fahrzeug, in dem ein Dieselmotor des Typs EA 189 verbaut ist.

[4] Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 17. 12. 2012 von der Erstbeklagten (Händlerin) einen am 11. 1. 2013 übergebenen Pkw.

[5] Die Zweitbeklagte ist die Herstellerin des Fahrzeugs. Sie vermarktet schon seit mehreren Jahren sowohl das Unternehmen als auch die vom Konzern hergestellten Fahrzeuge als umweltfreundlich. Ein Prospekt der Zweitbeklagten vom Dezember 2011 zum Pkw VW Golf Rabbit 2012 TDI enthielt die folgende Passage:

„Der TDI-Dieselmotor mit Common‑Rail‑Technologie ist ein hocheffizienter und umweltbewusster Verbrennungsmotor. So überzeugt er mit Golf BlueMotion-Technolgy trotz dynamischer Leistung mit einem außergewöhnlich niedrigen CO2-Ausstoß“.

[6] In einem weiteren Prospekt vom Juni 2012 warb die Zweitbeklagte mit folgender Passage:

„Wer Autos baut, trägt Verantwortung. Für seine Kunden und für die Umwelt. So ist Nachhaltigkeit bei V* ein Unternehmensziel – und dabei mehr als nur eine edle Absicht. Wir wollen weniger reden und mehr tun. Jeden Tag. Und nennen das 'Think Blue'. Das Besondere bei 'Think Blue' ist: Sie können mitmachen. Denn wir möchten mit ihnen zusammen einen Beitrag leisten. Lassen Sie uns verantwortungsvoller unterwegs sein. Und umweltbewusster handeln. Im Auto, außerhalb des Autos, überall. Mit unseren BlueMotionTechnologies setzen wir heute schon Maßstäbe auf der Straße. Fahrzeuge zu bauen, die ohne Abstriche bei Komfort und Alltagstauglichkeit weniger CO2 ausstoßen, ist für uns jedoch nur der Anfang. Vom verbrauchs- und schadstoffarmen Diesel- und Benzinmotor über zahlreiche kraftstoffsparende Technologien bis hin zu den besonders effizienten BlueMotion-Modellen […] Freuen Sie sich auf ein Auto, das mit Leistung genauso begeistert wie mit Umweltbewusstsein und Wirtschaftlichkeit. […] Der TDI- Dieselmotor mit Common-Rail-Technologie ist ein hocheffizienter Verbrennungsmotor. Er vereint absolute Sparsamkeit mit einer beeindruckenden Druckzugskraft und Laufruhe.“

[7] Der Kläger wollte ein umweltfreundliches Fahrzeug kaufen. Er fuhr „immer schon“ Dieselfahrzeuge, wobei die Gründe dafür darin lagen, dass es in der Werbung der Zweitbeklagten hieß, dass Dieselfahrzeuge sparsamer seien und daher auch umweltfreundlicher mit niedrigerem CO2-Ausstoß. Aufgrund der Beeinträchtigung der Lunge des Klägers interessierte ihn jedoch nicht nur der CO2‑Ausstoß, sondern auch „das Ozon“ [die Ozon-Werte]. Ihm war bewusst, dass die Vorstufe dazu NOx ist. Er studierte vor dem Kauf die beiden zuvor genannten Prospekte und holte ein Angebot für einen VW Golf Rabbit 2012 TDI ein. Dieses enthielt, was den Motor anbelangte, unter anderem auch folgende Daten: Leistung: 66 kW/90 PS, Kraftstoffverbrauch: 4,5 l/100 km, Kohlendioxid-Emission (CO2): 118 g/km, Stickoxid-Emission (NOx): 0,158 g/km.

[8] Bei einem Verkaufsgespräch mit einem Mitarbeiter der Erstbeklagten fragte der Kläger nach, ob die im Angebot enthaltenen Motordaten stimmen würden. Weiters fragte er nach dem Verbrauch. Das Verständnis des Klägers war, weniger Verbrauch sei umweltfreundlicher. Er erkundigte sich, ob die im Angebot angegebenen Emissionswerte stimmen würden, was vom Mitarbeiter der Erstbeklagten bejaht wurde.

[9] Bei Kenntnis der Abschalteinrichtung hätte der Kläger den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Am 17. 12. 2011 erwarb er auch vier Winterreifen für 565,99 EUR. Das Fahrzeug finanzierte der Kläger teilweise durch einen Kredit über 5.000 EUR. Die Belastung aus dem Kreditvertrag inklusive Bearbeitungsgebühr betrug 5.392,28 EUR.

[10] Der Dieselmotor Typ EA 189 verfügt über eine Software, die zwei Modi vorsieht, nämlich einen für den Prüfstand und einen anderen für den Realbetrieb. Die Software kann aufgrund gewisser Parameter ermitteln, ob sich das Fahrzeug im Prüfstand befindet. Beim ersten Modus liegt eine höhere Abgasrückführrate vor. Es besteht eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandwerten und realem Fahrbetrieb. Es handelt sich dabei um eine unzulässige Abschalteinrichtung, die die Stickoxid-Werte (NOx) im Prüfstand optimiert (Umschaltlogik).

[11] Entscheidungsbefugte Mitarbeiter der Zweitbeklagten, die in verantwortlicher, leitender oder überwachender Funktion für sie tätig waren, waren für den Einbau der Manipulationssoftware in die betroffenen Fahrzeuge, daher auch das gegenständliche, verantwortlich. Sie bezweckten damit eine Täuschung der Käufer der betroffenen Pkw, um sie – zumindest zusätzlich – zum Kauf zu motivieren.

[12] Spätestens im September 2015 wurde der Vorwurf öffentlich bekannt, dass die Zweitbeklagte bei mehreren ihrer Fahrzeugmodelle die Abgasemissionen manipuliert habe. Es folgte eine umfangreiche Medienberichterstattung. Auf der Homepage von „V* Österreich“ fand sich am 24. 9. 2015 folgende Erklärung:

„Die aktuelle Thematik betrifft ausschließlich die ausgestoßenen Schadstoffe. ...

Klar ist: Wir übernehmen die volle Verantwortung und auch die Kosten für die notwendigen Maßnahmen. ... Ausschließlich bei Fahrzeugen des Motortyps EA 189 wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt...“.

[13] Nachdem der Kläger den Medienberichten den „Dieselskandal“ entnommen hatte, meldete er sich Ende 2015 beim Mitarbeiter der Erstbeklagten. Dieser teilte ihm mit, das Auto sei in Ordnung, es sei nur alles von den Medien aufgebauscht. Der Kläger meinte, er wolle trotzdem eine Lösung, er glaube nicht, dass alles nur aufgebauscht sei, woraufhin der Mitarbeiter der Erstbeklagten erwiderte, es gebe keine Lösung, die Erstbeklagte wisse nichts; wenn er im neuen Jahr Informationen habe, wie es weitergehe, werde er sich melden.

[14] Die Zweitbeklagte sieht für den gegenständlichen Dieselmotor ein Software-Update zur Beseitigung der „Umschaltlogik“ vor. Diese Maßnahme wurde vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) auch für das gegenständliche Fahrzeug genehmigt. Sie wäre für den Kläger kostenlos und würde maximal eine Stunde in Anspruch nehmen.

[15] Mit Schreiben vom 17. 1. 2017 teilte die Generalimporteurin dem Kläger mit, dass nun eine „technische Lösung“ für sein Fahrzeug zur Verfügung stehe. Dieses Schreiben enthielt auch folgenden Passus:

„Wir bedauern sehr, dass Ihr Vertrauen in die Marke V* derzeit auf die Probe gestellt wird und möchten uns zunächst in aller Form bei Ihnen entschuldigen. Es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass auch Ihr Fahrzeug von der Stickoxid-Problematik betroffen ist. Das Deutsche Kraftfahrt-Bundesamt hat als zuständige Typengenehmigungsbehörde bestätigt, dass die Umprogrammierung keine Auswirkungen auf Kraftstoffverbrauchswerte, CO2-Emissionen und Motorleistung hat und die Grenzwerte für die Schadstoffemissionen eingehalten werden. ...

Bitte setzen Sie sich mit einem V*-Betrieb Ihrer Wahl in Verbindung, damit ein Termin vereinbart werden kann. ... Die Maßnahme wird je nach Arbeitsumfang ca. eine Stunde in Anspruch nehmen und ist für Sie selbstverständlich kostenlos. ...“ .

[16] Die Informationen, was konkret das Software-Update bewirkt, konkrete Inhalte, Codes oder dergleichen, gibt die Zweitbeklagte nicht bekannt. Es steht nicht fest, ob die Zweitbeklagte dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) vor Genehmigung des Software-Update den Inhalt des Update offengelegt hat. Dem Kläger sind die konkrete Wirkung, Inhalte, Codes oder dergleichen des Software-Update nicht bekannt. In den Medien gibt es zahlreiche Berichte über Probleme beim Betrieb von Fahrzeugen nach dem Aufspielen des Software-Update.

[17] Der Kläger hat das Vertrauen in die Beklagten vollkommen verloren. Aufgrund der zitierten Medienberichte ist aus seiner Sicht erwiesen, dass das Software-Update wirkungslos ist und es kein „reines“ aus dem „schmutzigen“ Fahrzeug macht. Er verwendet das Fahrzeug nach wie vor. Bei der Nutzung des Fahrzeugs im alltäglichen Gebrauch liegen keine Beeinträchtigungen vor. Es verfügt nach wie vor über eine aufrechte Zulassung nach der Abgasnorm Euro 5 gemäß VO (EG) Nr 715/2007.

[18] Der Kläger begehrt von der Erstbeklagten die Aufhebung des Kaufvertrags wegen Irrtums und aus dem Titel der Gewährleistung. Hinsichtlich der Zweitbeklagten stützt er sich auf Schadenersatz wegen arglistiger Irreführung und Täuschung nach § 874 und § 1295 iVm § 1323 ABGB sowie auf eine Schutzgesetzverletzung. Er fordert von beiden Beklagten Zahlung von insgesamt 16.246,27 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs (samt vier Winterreifen), gegenüber der Zweitbeklagten darüber hinaus die Feststellung von deren Haftung für weitere Schäden. Die „Umschaltlogik“ sei eine verbotene Abschalteinrichtung und begründe einen nicht bloß geringfügigen Sachmangel iSd § 922 ABGB. Das angebotene Software-Update führe zu keiner Reduktion der Abgaswerte, habe nachteiligen Einfluss auf andere Fahrzeugkomponenten und sei ihm aufgrund des Vertrauensverlusts in die Herstellerin nicht zumutbar.

[19] Zwar berücksichtigte der Kläger in gewissem Umfang bei seinem Zahlungsbegehren (ein auf den Kilometerstand im Zeitpunkt der Einbringung der Klage bezogenes) Benutzungsentgelt, stand aber hinsichtlich der Zweitbeklagten gleichzeitig auf dem Standpunkt, ein solches müsse er sich im Hinblick auf das arglistige Verhalten der Herstellerin nicht anrechnen lassen.

[20] Die Beklagten wenden im Wesentlichen ein, es liege keine unzulässige Abschalteinrichtung vor, eine Wertminderung sei nicht eingetreten, ein Irrtum habe nicht bestanden und sei jedenfalls nicht von der Zweitbeklagten verursacht worden. Diese könne nicht nach § 874 ABGB haften, weil die Erstbeklagte nicht an der (ohnehin bestrittenen) List teilgenommen habe. Auch sei nur der Schaden zu ersetzen, der aufgrund der Aufhebung des Kaufvertrags eintrete. Derjenige Nachteil, der durch die Vertragsaufhebung oder -anpassung vom Vertragspartner ausgeglichen werde, könne nicht nochmals vom Dritten begehrt werden. Mit dem Software‑Update sei der Kläger klaglos gestellt; Nachteile seien damit nicht verbunden. Überdies wendeten die Beklagten Benützungsentgelt in Höhe von 10.209 EUR als Gegenforderung ein. 

[21] Das Erstgericht hob den zwischen den Klägern und der Erstbeklagten abgeschlossenen Kaufvertrag auf. Es erkannte die Klageforderung als mit 15.288 EUR und die Gegenforderung als mit 7.852 EUR als zu Recht bestehend. Dem Zahlungsbegehren gab es mit 7.436 EUR Zug um Zug gegen die Rückstellung des Fahrzeugs statt und sprach die begehrte Feststellung der Haftung der Zweibeklagten aus. Das Zahlungsmehrbegehren wies es ab.

[22] Die bei Übergabe des Fahrzeugs vorhandene Umschaltlogik sei eine unzulässige Abschalteinrichtung, das Fahrzeug daher mit einem nicht bloß geringfügigen Sachmangel behaftet, könne doch der Entzug der Zulassung nicht ausgeschlossen werden. Eine Verbesserung durch das Software-Update hielt es wegen dessen unbekannten Inhalts und weil es vom selben Unternehmen entwickelt worden sei, das den Kläger getäuscht habe, für unzumutbar. Es bejahte überdies die Voraussetzungen für die Irrtumsanfechtung gegenüber der Erstbeklagten (auf Basis der vom Berufungsgericht aber nicht übernommenen Feststellung, dass auch die Erstbeklagte den Vertrag bei Kenntnis der Abschalteinrichtung nicht abgeschlossen hätte). Bei der Zweitbeklagten zog es als Haftungsgrundlage eine Schutzgesetzverletzung wegen eines Verstoßes gegen die Verordnung (EG) Nr 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 6. 2007 (im weiteren nur mehr: Verordnung) heran und bejahte den zugesprochenen Schadenersatz auch nach § 874 iVm § 1295 Abs 2 ABGB aufgrund der Täuschung durch Repräsentanten der Zweitbeklagten. Die Täuschung des Klägers sei vor allem auch im Hinblick auf die Angaben im Werbeprospekt mitursächlich für dessen Kaufentschluss gewesen.

[23] Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien teilweise und jener des Klägers (zur Gänze) Folge. Es änderte das Urteil dahin ab, dass es ein Teil- und Zwischenurteil erließ. Mit dem Teilurteil bestätigte es die Aufhebung des Kaufvertrags und die Feststellung der Haftung (letzteres mit der Maßgabe der Anführung des vom Kläger im Verfahren modifizierten Wortlauts). Mit dem Zwischenurteil erkannte es die Klagsforderung mit 16.246,27 EUR Zug um Zug gegen die Rückstellung des Pkw samt vier Winterreifen dem Grunde nach als zu Recht bestehend. Darüber hinaus sprach es aus, dass „im Übrigen (also zur Höhe der Klagsforderung und zur Gegenforderung) […] die Entscheidung aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen“ werde.

[24] Begründend legte es nach Behandlung der Verfahrens- und Beweisrüge den eingangs dargestellten Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde und bejahte den Wandlungsanspruch im Verhältnis zur Erstbeklagten wegen Unzumutbarkeit der – zudem nicht binnen angemessener Frist angebotenen – Verbesserung und hinsichtlich der Zweitbeklagten Schadenersatz nach § 874 ABGB. Die Bestätigung des Feststellungsbegehrens stützte es darauf, dass die Schadenersatzansprüche des Klägers gegenüber der Zweitbeklagten davon abhingen, welche Gewährleistungsbehelfe der Kläger gegenüber der Erstbeklagten durchsetzen könne und ob es zum Entzug der Zulassung kommen könne. Zur Festsetzung des Benützungsentgelts erachtete es Festellungen (unter anderem zum Kilometerstand bei Schluss der Verhandlung) als fehlend.

[25] Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Umschaltlogik als Mangel fehle, den Rekurs, weil noch keine zur Ermittlung des Benützungsentgelts (insbesondere gegenüber der listigen Herstellerin) aufgefunden habe werden können.

[26] Gegen diese Entscheidung richten sich der Kläger mit Rekurs sowie Revision und die Beklagten mit Revision. Die Parteien streben mit ihren Rechtsmitteln vorrangig die gänzliche Stattgabe (Kläger) bzw Abweisung (Beklagten) an.

[27] Der Rekurs des Klägers ist jedenfalls unzulässig; seine Revision ist mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[28] Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nur hinsichtlich der Zweitbeklagten teilweise berechtigt.

[29] III. Hat das Berufungsgericht in Abänderung des angefochtenen Leistungsurteils in ein Zwischenurteil (§ 393 Abs 1 ZPO) ausgesprochen, dass die Klageforderung lediglich dem Grunde nach zu Recht besteht, hat eine Aufhebung des Ersturteils und die Zurückverweisung der Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zu unterbleiben, weil bereits durch die Fällung des Zwischenurteils klargestellt ist, dass das Klagebegehren der Höhe nach noch nicht spruchreif ist (RS0119825; RS0040876; RS0118745). Der mit dem angefochtenen Zwischenurteil verknüpfte Zurückverweisungsbeschluss gilt als nicht beigesetzt, was durch einen deklarativen Beschluss klarzustellen ist (RS0119825 [T1]; 10 Ob 77/18y).

IV.1. Zum Rekurs des Klägers:

[30] IV.1.1. Infolgedessen kommt ein Rekurs gegen einen solchen Aufhebungsbeschluss auch dann nicht in Betracht, wenn ihn das Berufungsgericht für zulässig erklärte. Der Ausspruch über die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs ist in einem solchem Fall dem ergangenen Zwischenurteil zuzuordnen, das dann – ausgenommen den Fall des Eingreifens eines absoluten Rechtsmittelausschlusses – mit Revision bekämpfbar ist (RS0119825).

[31] IV.1.2. Der Kläger hat hier ausdrücklich Rekurs gegen den „Aufhebungsbeschluss“ des Berufungsgerichts und Revision gegen das „Teil‑ und Zwischenurteil“ (gemeint erkennbar nur: „Zwischenurteil“) des Berufungsgerichts erhoben. Eine Umdeutung des Rekurses (in eine Revision gegen das Zwischenurteil) kommt daher nicht in Betracht.

[32] Vielmehr ist das Rechtsmittel als absolut unzulässig zurückzuweisen.

IV.2. Zur Revision des Klägers:

[33] IV.2.1. Da mit einem Zwischenurteil kein Aufhebungsbeschluss verknüpft ist, kann damit auch keine Rechtsansicht zur Anspruchshöhe überbunden werden (RS0118745 [T5]; RS0119825 [T5]). Auf die darauf Bezug nehmenden Revisionsausführungen ist demnach nicht einzugehen.

[34] IV.2.2. Der Kläger steht selbst auf dem Standpunkt, es fehlten für die „richtige Berechnungsmethode“ des Benützungsentgelts (nach der linearen Berechnungsmethode) Feststellungen. Wenn er meint, bei Betrug bzw absichtlicher sittenwidriger Schädigung (welche aber Schädigungsabsicht voraussetzt) sei überhaupt kein „Abzug eines Benützungsentgelts“ zu tätigen, „jedenfalls nicht gegenüber der zweitbeklagten Partei“, vermag er hinsichtlich der Entscheidung gegenüber der Erstbeklagten nicht ansatzweise darzulegen, inwieweit das Urteil des Berufungsgerichts unrichtig sein sollte oder warum anlässlich des Rechtsmittels eine erhebliche Rechtsfrage zu lösen wäre, zumal Täuschung oder Irreführung durch die Erstbeklagte nicht vorlag.

[35] IV.2.3. Auch betreffend die Zweitbeklagte liegt noch keine Entscheidungsreife vor:

[36] Der Oberste Gerichtshof hat bereits erläutert, dass es sich beim Anspruch nach § 874 ABGB seiner Natur nach um einen Schadenersatzanspruch handelt und über Einwendung eine schadenersatzrechtliche Vorteilsausgleichung vorzunehmen ist, in deren Rahmen alles zu berücksichtigen ist, was der Geschädigte aus dem (ungewollten) Vertrag zu seinem Vorteil hat, also auch seine tatsächliche Nutzung (bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz; 2 Ob 5/23h [ErwGr 2.2.]).

[37] IV.3. Der vom Berufungsgericht ausgesprochene Kostenvorbehalt steht einer Kostenentscheidung im – hier vorliegenden – vom Ausgang in der Hauptsache unabhängigen Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Revision nicht entgegen (RS0129365 [T3]; vgl RS0123222; zum absolut unzulässigen Rechtsmittel 2 Ob 129/16h; 5 Ob 85/21t). Die Beklagten haben die hier gegebene absolute Unzulässigkeit des Rekurses dargelegt und sind der Revision nicht nur inhaltlich entgegengetreten, sondern auch mit dem Hinweis auf das Fehlen einer erheblichen Rechtsfrage. Sie haben daher Anspruch auf Kostenersatz nach § 41 iVm § 50 ZPO. Zuzusprechen sind im Hinblick auf § 22 RATG aber nur die Kosten einer Rechtsmittelgegenschrift.

V. Zur Revision der Beklagten:

[38] V.1. Zum Anspruch auf Wandlung gegenüber der Erstbeklagten:

[39] V.1.1. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt in der im Fahrzeug verbauten Abschalteinrichtung in der Ausprägung der Umschaltlogik eine gemäß Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verbotene Abschalteinrichtung (siehe nur 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Rz 46 ff]; 3 Ob 140/22t [Rz 31 ff]).

[40] Deren Vorhandensein im Übergabezeitpunkt begründet einen – nicht geringfügigen – Sachmangel (10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Rz 51]; 2 Ob 5/23h [ErwGr 2.1.]; 2 Ob 241/22p [ErwGr 2.1]).

[41] Nach § 932 Abs 2 ABGB kann der Übernehmer wegen eines Mangels von den in § 932 Abs 1 ABGB genannten Gewährleistungsbehelfen (Verbesserung, Austausch der Sache, angemessene Minderung des Entgelts oder Aufhebung des Vertrags) zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen, es sei denn dass die Verbesserung oder der Austausch unmöglich oder für den Übergeber, verglichen mit der anderen Abhilfe, mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre oder wenn der Gewährleistungspflichtige die Verbesserung verweigert (8 Ob 126/15k vom 27. 4. 2016 [ErwGr 4.]).

[42] V.1.2. Beide Beklagten behaupten, mit dem angebotenen und „vom KBA genehmigten“ Software-Update sei die Behebung des Mangels angeboten worden. Darin, dass das Berufungsgericht die Zumutbarkeit der angebotenen Verbesserung verneint habe, soll eine krasse Fehlbeurteilung liegen.

[43] Dazu ist zunächst hervorzuheben, dass sich aus den Feststellungen nicht ergibt (wie auch nicht aus ihrem Vorbringen), dass die Erstbeklagte zu irgendeinem Zeitpunkt die Verbesserung angeboten hätte. Im Gegenteil blieb unbekämpft, dass der Kläger die Erstbeklagte bereits Ende des Jahres 2015 wegen der Medienberichte über den „Abgasskandal“ kontaktiert und um eine Lösung für sein Fahrzeug gebeten hatte, ihm aber damals von einem Mitarbeiter der Erstbeklagten mitgeteilt wurde, dass es „keine Lösung“ gebe. Damit wurde eine Verbesserung – aus Sicht des Klägers als Erklärungsempfänger – abgelehnt. Erst am 17. 1. 2017 wurde ihm das von der Zweitbeklagten entwickelte Software-Update, allerdings von einer Dritten, (der Generalimporteurin), in Aussicht gestellt, die aber nicht auf die Händler als die jeweiligen Vertragspartner anlässlich des Kaufs verwies, sondern auf „eine[n] V*-Betrieb Ihrer Wahl“. Es fehlt im vorliegenden Fall also schon an einem (überdies binnen angemessener Frist iSd § 932 Abs 3 ABGB gestellten) Anbot der Erstbeklagten.

[44] V.1.3. Unabhängig davon hätte es eines Anbots einer Maßnahme bedurft, die geeignet gewesen wäre, den Mangel zu beseitigen. Wandlung kann nämlich auch dann (und zwar ohne Vornahme eines [aussichtslosen] Verbesserungsversuchs) begehrt werden, wenn eine Maßnahme angeboten wird, die zur Herstellung eines einwandfreien Zustands nicht geeignet ist (10 Ob 2/23a vom 25. 4. 2023 [ErwGr II.3.5. f]).

[45] Das war im vorliegenden Fall aber – ausgehend vom Zugeständnis der Beklagten in erster Instanz, das auch noch in dritter Instanz verwertet werden kann (RS0040083) – nicht der Fall. Der Kläger brachte zur in Rede stehenden Maßnahme im Verfahren erster Instanz vor, dass auch nach Durchführung des Software‑Update das Fahrzeug über eine Abschalteinrichtung verfügt hätte, die „die Abgasreinigung bei einer Temperatur unter plus 15 Grad und über plus 33 Grad ('Thermofenster') sowie in Höhen von mehr als 1000 Metern abschaltet“, und dass die Durchschnittstemperatur am Standort des Klägers durch sieben Monate im Jahr unter plus 15 Grad Celsius liegt und damit die Abgasreinigung für rund sieben Monate des Jahres abgeschaltet bleibt, sodass es sich dabei ebenfalls um eine unzulässige Abschalteinrichtung handle. Die Beklagten gingen – trotz mehrerer Möglichkeiten dazu – nicht darauf ein und bestritten dies nicht; sie behielten sich vielmehr ein Vorbringen dazu lediglich vor, ohne jemals näher dazu Stellung zu nehmen. Ihre Replik, das (von ihnen als „technische Maßnahme“ umschriebene) Update sei von den zuständigen Behörden freigegeben, das Fahrzeug arbeite danach nur noch in einem (Betriebs-)Modus bezog sich allein auf die Beseitigung der Umschaltlogik (zwischen Betrieb im Rollenprüfstand und Realbetrieb).

[46] V.1.4. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat insoweit schon klargestellt, dass – ungeachtet des Vorliegens der in Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG normierten Voraussetzungen – eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist, nicht unter die Verbotsausnahme des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG fällt (EuGH C-145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen [Rn 73, 81]; C‑128/20 , GSMB Invest [Rn 65, 70]; C-134/20 , IR gegen Volkswagen [Rn 77, 82]; C-873/19 , Deutsche Umwelthilfe [Rn 90 f]; 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Rz 61] ZVR 2023/83, 236 [Kathrein]; 6 Ob 155/22w [ErwGr 2.8. f]).

[47] Die Frage, ob aufgrund der Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung latent die Gefahr einer Betriebsuntersagung des Fahrzeugs droht, ist an der objektiven Rechtslage zu messen (10 Ob 16/23k [Rz 41]; 6 Ob 155/22w [Rz 53]).

[48] Das im Verfahren aufrechterhaltene Anbot der Aufspielung des Software-Update steht daher dem Wandlungsbegehren nicht entgegen, weil die Abschalteinrichtung auch über die Ansteuerung in Form des „Thermofensters“ unzulässig bliebe.

[49] Die Aufhebung des Kaufvertrags gegenüber der Erstbeklagten wurde rechtsrichtig ausgesprochen und das Zwischenurteil zu Recht gefällt.

[50] V.2. Zum Anspruch auf Schadenersatz nach § 874 ABGB gegenüber der Zweitbeklagten:

[51] V.2.1. Unzweifelhaft lag Täuschung (der potentiellen Käufer) durch die Zweitbeklagte vor.

[52] Die Zweitbeklagte verneint für den vorliegenden Fall die Kausalität des durch die Täuschung hervorgerufenen Irrtums anlässlich des Vertragsschlusses und meint, es sei dem Berufungsgericht insoweit eine Mangelhaftigkeit vorzuwerfen. Dies trifft aber nicht zu.

[53] Das Berufungsgericht hat zu dem dem Erstgericht hinsichtlich der Feststellung, der Kläger hätte das Fahrzeug bei Kenntnis der Abschalteinrichtung nicht erworben, vorgeworfenen Begründungsmangel auf dessen Aussage verwiesen und festgehalten, es gehe als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung gemäß § 498 ZPO weiterhin davon aus, dass der Kläger den Kaufvertrag bei Kenntnis der Abschalteinrichtung nicht abgeschlossen hätte. Es trifft also nicht zu, dass eine Befassung mit dieser Feststellung in Bezug auf den Kläger (nach dem Vorbringen der Beklagten ohnehin einschränkend: „soweit ersichtlich“) unterblieben wäre.

[54] Es steht damit (mangelfrei) fest, das der Kläger das Fahrzeug in Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung (also der Täuschung darüber) nicht erworben hätte.

[55] V.2.2. Ausgehend davon ist die Beurteilung des Berufungsgerichts fehlerfrei:

[56] Wie im zu 2 Ob 5/23h entschiedenen Fall bezog sich der arglistig herbeigeführte Irrtum darauf, dass der Motor die emissionsrechtlichen Vorgaben aufgrund seiner Qualität und nicht aufgrund einer unzulässigen Abschalteinrichtung erfüllt (vgl schon 8 Ob 91/22y [Rz 26] und 10 Ob 44/19x [ErwGr 5.1.]; 2 Ob 5/23h [ErwGr 3.5.4.]). Auch im vorliegenden Fall wollte der Kläger ein umweltfreundliches Kraftfahrzeug mit niedrigen Abgaswerten. Selbst nach Aufspielen des angebotenen Software-Update läge mit dem dann wirksamen Thermofenster (weiterhin) eine unzulässige Abschalteinrichtung vor.

[57] Nach § 874 ABGB muss derjenige, welcher einen Vertrag durch List oder ungerechte Furcht bewirkt hat, für die nachteiligen Folgen Genugtuung leisten.

[58] Die Zweitbeklagte meint, es könne der Kläger als Käufer eines Fahrzeugs keine Rückabwicklung der zwischen ihm und seinem Vertragspartnern wechselseitig aus-getauschten Leistungen (ihr gegenüber als einem „Nicht-Vertragspartner“) im Wege des Schadenersatzrechts verlangen. Da die Erstbeklagte die Abschalteinrichtung nicht habe erkennen können, scheide eine Anfechtung des Kaufvertrags aufgrund „der lex specialis (§ 875 ABGB)“ aus, und es soll deswegen (auch der Zweitbeklagten gegenüber) keine schadenersatzrechtliche Rückabwicklung geben. Die vom Berufungsgericht befürwortete „Naturalrestitution“ soll vielmehr nach Auffassung der Zweitbeklagten „folgerichtig“ nur dann möglich sein, wenn die Erstbeklagte als Vertragspartnerin an der Handlung des Dritten (der Zweitbeklagten) teilgenommen hätte oder von derselben offenbar wissen musste.

[59] Auf eine Irreführung durch den Vertragspartner oder dessen Beteiligung daran kommt es für die Haftung des Dritten nach § 874 ABGB aber nicht an (vgl RS0016298). Wenn ein vom Vertragspartner listig Irregeführter (schon) im Verhältnis zu diesem auch ohne Anfechtung des Vertrags Schadenersatz fordern kann (so bereits 1 Ob 538/77 SZ 50/35; RS0014779), hängt die Schadenersatzpflicht des listig irreführenden Dritten umso weniger von der Anfechtung des Vertrags ab (vgl auch Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 874 Rz 5), was sich gerade auch aus dem Zusammenspiel mit § 875 ABGB ergibt (vgl Bollenberger/Bydlinski in KBB7 § 874 ABGB Rz 1: „Die Ersatzpflicht besteht 'in jedem Fall', dh unabhängig davon, ob der Vertrag anfechtbar ist [vgl § 875]“).

[60] Der von den Beklagten zitierte Rechtssatz RS0022730 befasst sich mit der Produkthaftung und zeigt keinen Berührungspunkt zur hier relevanten Thematik. Inwiefern die Zweitbeklagte ihre Rechtsauffassung, es stehe nach § 874 ABGB kein Schadenersatz zu durch die Stellungnahme von Kogler (Falsche Abgaswerte – Rechtsfolgen, Sachverständige 2017, 71 [75]) gestützt sieht, erschließt sich nicht. Im Gegenteil knüpft Kogler an den „unerwünschten Vertrag“ beim Kauf des „falschen“ Autos im Fall der Arglist nach § 874 ABGB den Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises durch den Hersteller Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs und führt ganz klar aus, der Umstand, dass der Kauf- oder Leasingvertrag wegen List nicht angefochten werden könne, bedeute nicht, dass der Getäuschte nicht vom listigen Hersteller Schadenersatz verlangen könne (aaO 74).

[61] V.2.3. Darauf, dass derselbe Nachteil nicht mehrmals („nochmals“) durch die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte ausgeglichen werden soll, nimmt das Zahlungsbegehren (im Wege der Solidarhaftung) ohnehin Rücksicht.

[62] Zur behaupteten Verletzung der Schadenminderungspflicht des Klägers durch Nicht-Aufspielen des Software-Update genügt es schon, auf die Untauglichkeit der angebotenen Maßnahme, eine Klaglosstellung zu bewirken, zu verweisen (vgl ErwGr IV.1.3. f).

[63] V.3. Zur Haftung der Zweitbeklagten wegen einer Schutzgesetzverletzung:

[64] Zu ihrer Rechtsansicht, die VO 715/2007/EG bezwecke nicht den Schutz individueller Vermögensinteressen und vermögensrechtlicher Dispositionen im Vertrauen darauf, dass das Kraftfahrzeug die vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte erfülle, es werde der Kauf zu einem bestimmten Preis vom Schutzzweck der Norm nicht erfasst, kann die Zweitbeklagte auf die Rechtsprechung des EuGH und des Obersten Gerichtshofs verwiesen werden.

[65] In der Entscheidung zu C-100/21 , Mercedes-Benz Group, sprach der EuGH zur Haftung des Herstellers eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs gegenüber dem Käufer aus, dass die einschlägigen unionsrechtlichen Rechtsgrundlagen (Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG und Art 18, 26 sowie 46 Rahmen-RL 2007/46/EG ) auch die Einzelinteressen des Käufers eines solchen Kraftfahrzeugs schützen. Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG bezweckt auch den Schutz des Vertrauens eines Käufers auf die Richtigkeit der vom Hersteller ausgestellten Übereinstimmungsbescheinigung. Ein Schaden, der darin besteht, dass die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs eingeschränkt ist und sich das Vermögen des Erwerbers eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs infolge unrichtiger Übereinstimmungsbescheinigung nicht entsprechend den objektiv berechtigten Verkehrserwartungen oder einem von diesen Verkehrserwartungen abweichenden Willen des Erwerbers zusammensetzt, steht im Rechtswidrigkeitszusammenhang (RS0031143 [T39]; RS0008775 [T21]). Allerdings umfasst der Schutzzweck der Art 18 Abs 1, Art 26 Abs 1, Art 46 RL 2007/46 in Verbindung mit Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG nicht auch solche als nachteilig empfundenen Eigenschaften einer unzulässigen Abschalteinrichtung, die die Gültigkeit der EG-Typengenehmigung oder der Übereinstimmungsbescheinigung nicht in Frage stellen und keine Unsicherheit hinsichtlich der Möglichkeit der Fahrzeugnutzung mit sich bringen (RS0008775 [T23]).

[66] V.4. Dass die Zweitbeklagte als Herstellerin aufgrund ihrer Schutzgesetzverletzung und wegen ihrer arglistigen Täuschung auf Verlangen des Geschädigten (dem Grunde nach) zur Leistung von Geldersatz in Form der Zug‑um‑Zug‑Abwicklung gegenüber dem Hersteller eines mit unzulässiger Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs – jedenfalls in dem Fall, dass eine (geeignete) Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung durch Reparatur des Fahrzeugs nicht angeboten wird – verpflichtet wird, entspricht schon bisheriger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (10 Ob 17/23g [Rz 30]; 6 Ob 150/22k [Rz 45]; zum Fall der Arglist 2 Ob 5/23h).

V.5. Zum Feststellungsbegehren:

[67] V.5.1. Vom Berufungsgericht verneinte Verfahrensmängel erster Instanz (hier: unterbliebene Beiziehung eines Sachverständigen) können in dritter Instanz nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden (RS0042963).

[68] V.5.2. Das Vorliegen des Feststellungsinteresses ist in jeder Lage des Verfahrens (auch) von Amts wegen zu prüfen (RS0039123). Es ist Voraussetzung für die Begründetheit des Feststellungsbegehrens (RS0039177).

[69] Wird die Feststellung der Haftung für künftige Schäden begehrt, so reicht die bloß abstrakte Möglichkeit eines Schadeneintritts nicht aus (RS0038949 [T1]). Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden voraus, dass zumindest bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ein Schaden bereits eingetreten ist und die Möglichkeit zukünftiger weiterer Schäden aus dem bereits eingetretenen Schadenereignis nicht ausgeschlossen werden kann (RS0021745; RS0040838 [T5]; 6 Ob 92/15b [ErwGr 4.]; 2 Ob 188/18p [ErwGr 2.1.]; 9 Ob 91/18z). Ist bis zum Schluss der Verhandlung noch kein Schaden eingetreten, so kommt es darauf an, dass sich das schädigende Ereignis, das einen konkreten Schaden hätte auslösen können, bereits ereignet hat und der Schaden auch ohne weiteres Zutun des Schädigers in der Zukunft eintreten kann (RS0039018 [T14]; 4 Ob 111/05k; 1 Ob 210/14k [ErwGr 2.1.]).

[70] V.5.3. Welche Schäden bereits eingetreten, aber noch nicht bezifferbar sein sollten, hat der Kläger nicht näher ausgeführt (die Mehrkosten durch die teilweise Kreditfinanzierung und die Kosten für die Winterreifen sind bereits im Zahlungsbegehren enthalten).

[71] Zu künftig eintretenden Schäden hat er sich darauf berufen, dass die Schadenersatzansprüche gegenüber der Zweitbeklagten davon abhingen, welche Gewährleistungsbehelfe der Kläger gegenüber der Erstbeklagten durchsetzen könne. Die Erstbeklagte hätte die vom Kläger primär gewünschte Wandlung nicht vorgenommen und beide Beklagten hätten das Vorliegen eines Mangels überhaupt bestritten. Es sei für den Kläger daher noch nicht absehbar, ob er den Pkw behalten und – um die Zulassung zu behalten – das Software‑Update vornehmen lassen müsse.

[72] Die Zweitbeklagte hält dem zu Recht entgegen, dass der vorhandene Mangel der Abschalteinrichtung in Form der Umschaltlogik beim Fahrzeug ohnehin bereits durch (die mit Teilurteil ausgesprochene Aufhebung des Kaufvertrags aus dem Titel der Gewährleistung im Verhältnis zum Erstbeklagten und) die gegenüber beiden Beklagten dem Grunde nach schon ausgesprochene Zahlungspflicht Zug um Zug gegen Rückstellung des Fahrzeugs samt Winterreifen abgegolten wird. Die Maßnahme der Aufspielung des Software‑Update, worauf sich der Kläger selbst (als eventuell zur Abwendung des Verlusts der Zulassung notwendig) bezieht, bietet die Zweitbeklagte unbestritten nach wie vor kostenfrei (im Übrigen bei kostenfreier Ersatzmobilität) an.

[73] Allenfalls zukünftige (aus einem nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz gefassten Entschluss des Klägers, das Software‑Update doch noch aufspielen zu lassen,

resultierende) Schäden, wie er sie dargelegt hat (höherer Verschleiß etc) sind nicht vom gestellten Feststellungsbegehren umfasst, zumal sich dieses auf die durch die bereits „eingebaute“ Software in Form der Umschaltlogik künftig entstehenden Schäden bezog („Haftung für Schäden beruhend darauf, dass die Zweitbeklagte eine Software in den Motor des Pkw „einbaute bzw einbauen ließ“, die „darauf abzielte, dass die Abgaswerte des betreffenden Motortyps am Rollprüfstand dergestalt manipuliert wurden, dass eine EG- Betriebserlaubnis für den Motor und/oder den Pkw erlangt werden konnte, während die Abgaswerte im Echtbetrieb [auf der Straße] die zulässigen Grenzwerte um ein Vielfaches überschritten und diese Vorrichtung bzw Manipulation somit eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellte“).

[74] Dazu kommt, dass bei den als künftig möglich vom Kläger umschriebenen Schäden (die alle aus dem Aufspielen des Software‑Update resultieren sollen) nicht an ein bereits eingetretenes Schadenereignis für die Haftung der Beklagten angeknüpft wird, sondern an eine erst zukünftig vorzunehmende Handlung, nämlich die Durchführung des Software‑Update. Dazu bedarf es der Mitwirkung des Klägers, und es liegt darin ein „weiteres Zutun des Schädigers“ im Sinne der zuvor zitierten Rechtsprechung, welches noch in der Zukunft liegt und daher noch nicht zur Grundlage eines Feststellungsanspruchs gemacht werden kann.

[75] V.5.4. Das Teilurteil ist damit hinsichtlich des Feststellungsbegehrens in eine Abweisung abzuändern.

[76] V.6. Da das Berufungsgericht die Kostenentscheidung gemäß § 52 ZPO vorbehalten hat, ist auch vom Obersten Gerichtshof keine Kostenentscheidung zu treffen (§ 52 Abs 3 ZPO).

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