OGH 1Ob171/23p

OGH1Ob171/23p20.12.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I* A*, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in Peuerbach, gegen die beklagte Partei T* P*, vertreten durch die (richtig:) AIGNER FISCHER STRANZINGER Rechtsanwälte KG in Hohenzell, wegen Feststellung und Einwilligung in die Einverleibung einer Dienstbarkeit, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 21. Juni 2023, GZ 22 R 61/23m‑21, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 13. Jänner 2023, GZ 50 C 849/22h‑16, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00171.23P.1220.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft bestehend unter anderem aus dem bis 2014 bebauten Grundstück 2086/3. Der Beklagte ist Eigentümer der daran anschließenden Liegenschaft bestehend unter anderem aus dem Grundstück 2085, einer unverbauten Wiese. Die Grundstücke gehörten ursprünglich zum selben Grundbuchskörper.

[2] Gemäß dem im Verlassenschaftsverfahren nach der Mutter der Klägerin abgeschlossenen Erbteilungsübereinkommen vom 2. 7. 1990 erhielt die Klägerin das Grundstück 2086/3 mit dem darauf befindlichen Wohnhaus sowie ein weiteres Grundstück. Der Vater des Beklagten übernahm im Zuge dieses Erbteilungsübereinkommens die restliche Liegenschaft, insbesondere das Grundstück 2085. Im Erbteilungsübereinkommen räumte die Klägerin als Eigentümerin ihrer Liegenschaft dem Vater des Beklagten als Eigentümer der Nachbarliegenschaft das Recht auf Zugang und Zufahrt zu seiner Liegenschaft ein. Im Zuge des Erbteilungsübereinkommens war ein Wasserbezugsrecht der Klägerin für die von ihr übernommene Liegenschaft kein Thema.

[3] Die Klägerin hatte ihr Grundstück und das darauf befindliche Haus vermietet. Der Mieter wandte sich vor seinem Auszug im Jahr 2003 an den Vater des Beklagten mit dem Bemerken, dass es „viele Probleme mit dem Wasser gebe“. Er behauptete, dass eine Bleileitung aus dem Haus „herausführe“ und „die Leitungen vom Grundstück 2085 kämen“. Im Jahr 2011, als der Vater des Beklagten diesem das Grundstück schenkte, war dem Vater aufgrund der Kontaktaufnahme des Mieters der Klägerin bekannt, dass eine Wasserleitung über sein Grundstück führen soll.

[4] 2014 ließ die Klägerin das Haus auf ihrem Grundstück abreißen. Im Zuge der Abbrucharbeiten äußerte sie bei einem Gespräch gegenüber dem Beklagten, dass sie auf der Liegenschaft wieder eine „kleine Hütte“ errichten möchte und „dass sie wieder ein Wasser haben möchte“. Im Zuge dieses Gesprächs meinte der Beklagte, dass es „in Ordnung sei, wenn die Klägerin Wasser beziehe, falls sie ihr Grundstück tatsächlich wieder bebaue und falls das Wasser tatsächlich, was der Beklagte und dessen Rechtsvorgänger nicht wissen würden, über das Grundstück des Beklagten bezogen werde“. Über ein Wasser‑(bezugs‑)recht der Klägerin wurde damals nicht gesprochen. Ihr wurde nicht zugesichert, dass sie ein Wasserbezugsrecht für ihre Liegenschaft „inne habe“.

[5] Im Jahr 2015 schüttete der Beklagte auf seinem Grundstück den Bereich einer Betoneinfassung, in dessen Nahebereich er bereits ein Jahr zuvor auch fließendes Wasser bemerkt hatte, mit Erde zu. Nach dem Zuschütten dieser Betoneinfassung legte er den Blechdeckel wieder auf die Einfassung. Zu- oder Ableitungen zu dieser Einfassung nahm der Beklagte zu diesem Zeitpunkt nicht wahr.

[6] Die Klägerin bewohnte nie das Haus auf ihrer Liegenschaft. Sie nahm im Zuge des Erbteilungsübereinkommens an, dass ihr Haus mit Wasser aus einer Quelle versorgt werde, die am (nunmehrigen) Grundstück 2085 des Beklagten liege. 1990 war sie vor Ort auf ihrer Liegenschaft und jener des Beklagten; eine Quelleinfassung auf dessenGrundstück hat sie aber „nicht besichtigt“. Ihr ist nicht bekannt, wo eine Wasserleitung über das Grundstück des Beklagten verläuft.

[7] Seit dem Abriss des Gebäudes auf der Liegenschaft der Klägerin im Jahr 2014 wird auch kein Wasser mehr entnommen. Auf der Liegenschaft der Klägerin gibt es keinen öffentlichen Wasseranschluss und auch keinen Brunnen. Die Klägerin war nach 2014 nicht auf der Liegenschaft des Beklagten. Wie sich der Bereich der Betoneinfassung am Grundstück 2085 in diesem Zeitraum darstellte, ist ihr daher nicht bekannt. Sie ist zu keinem Zeitpunkt zum Betonschacht am Grundstück 2085 gegangen und hat auch nicht Reparaturarbeiten im Zusammenhang mit der Wasserversorgung ihrer Liegenschaft beauftragt. Sie ging in der Vergangenheit davon aus, dass sie ein Wasserbezugsrecht auf dem Grundstück 2085 des Beklagten „inne habe“.

[8] 2015 wandte sich die Klägerin an einen Notar mit dem Wunsch, das Wasserbezugsrecht auf ihrer Liegenschaft für ihre Nachkommen sicherzustellen. Ohne den Beklagten einzubeziehen, ließ sie Vertragsentwürfe über ein Wasserbezugsrecht erstellen. Vom Beklagten wurde ihr aber auch in diesem Zusammenhang nicht zugesichert, dass sie ein Wasserbezugsrecht habe oder ihr ein solches eingeräumt werde.

[9] Im Schreiben vom 17. 3. 2019 an den von der Klägerin beauftragten Notar wies der Beklagte darauf hin, „dass die klägerische Liegenschaft bis 31.1.2003 bewohnt worden sei und seither kein Wasser von dieser Quelle mehr bezogen worden sei“. Weiters führte er aus, „dass die Quelleneinfassung (Wasserschloss) die derzeitige Position bzw. Größe beibehalten müsse“. „Da sich die Quelle direkt an der Grundstücksgrenze befindet, muss das Grundstück 2084/3 (Familie ...) auch in diesen Vertrag eingebunden werden“. Er verwies darauf, dass ihm der Entwurf des zu unterzeichnenden Dienstbarkeitsvertrags ohne jegliche Absprache vorgelegt worden sei und er stellte als Bedingung, dass die Klägerin bis 31. 1. 2033 ein Einfamilienhaus errichten müsse.

[10] Im Schreiben vom 2. 3. 2020 an den damaligen Rechtsvertreter der Klägerin gab der Beklagte bekannt, „dass im Zuge der Abbrucharbeiten 2015 die Klägerin zu seinem Vater gesagt habe, dass sie das Wasserrecht der Quelle auf deren Grundstück haben möchte, sein Vater darauf geantwortet habe, dass sie jederzeit das Wasser beziehen könne, wenn auf dem Grundstück ... ein Haus gebaut werde. Seit 2003 werde von dieser Quelle kein Wasser mehr bezogen, ein neues Wasserschloss, eine neue Wasserleitung sei notwendig. … Weder sein Vater noch er hätten das Testament der Mutter der Klägerin je in Frage gestellt, genauso wie das Wasserrecht ...“.

[11] Die Klägerin begehrt die Feststellung des Bestehens der Dienstbarkeit des Wasserbezugs‑ und Wasserleitungsrechts auf dem Grundstück 2085 und dass der jeweilige Eigentümer des Grundstücks 2086/3 berechtigt sei, die von der Wasserversorgungsanlage betroffenen Teile des Grundstücks 2085 des Beklagten zur Vornahme von Reparatur‑, Erhaltungs‑ und im Bedarfsfall Erneuerungsarbeiten zu betreten und zu befahren sowie alle mit der Erhaltung der Wasserversorgungsanlage erforderlichen Grabungen durchzuführen, vorübergehend auch Material zu lagern. Weiters begehrt sie vom Beklagten die Einwilligung in die grundbücherliche Einverleibung der Dienstbarkeit des Wasserbezugs‑ und Wasserleitungsrechts.

[12] Die Wasserversorgung der landwirtschaftlichen Hofstelle auf ihrer Liegenschaft sei seit jeher durch eine Wasserabnahmestelle (Quelle) auf dem Grundstück 2085 des Beklagten erfolgt. Die Wasserabnahmestelle am Grundstück des Beklagten sei die einzige Möglichkeit zur Wasserversorgung ihres Grundstücks. Die Dienstbarkeit sei bei Teilung der Liegenschaft ohne Einverleibung kraft Offenkundigkeit entstanden. Ein „Gutglaubenserwerb“ des mit der Dienstbarkeit belasteten Grundstücks sei daher nicht möglich. Das Wasser werde von der Wasserabnahmestelle mittels unterirdisch verlegter Rohre auf ihr Grundstück zum Bereich des (ehemaligen) Gebäudes geleitet. Sie habe in der Vergangenheit mehrfach eine schriftliche Vereinbarung über die Dienstbarkeit des Wasserleitungs‑ und Wasserbezugsrechts reklamiert; das habe der Beklagte abgelehnt. Nach dem Inhalt des Erbteilungsübereinkommens sei allen Beteiligten klar gewesen, dass die Grundstücksteilung so erfolge, dass keinem der Eigentümer ein „Nachteil“ erwachse und die Nutzung der Grundfläche samt Wasserversorgung weiterhin gewährleistet sei. Seit dem Abriss des Hauses sei vorerst kein Wasser mehr von der Quelle bezogen worden. Der Beklagte und dessen Rechtsvorgänger seien jedoch stets damit einverstanden gewesen, dass sie weiterhin jederzeit Wasser von seinem Grundstück beziehe, insbesondere dann, wenn auf dem Grundstück wieder ein Haus gebaut werde. Dies habe der Beklagte auch ausdrücklich bestätigt. Beim Erwerb durch den Beklagten und dessen Rechtsvorgänger sei die Wasserentnahmestelle auf dem Grundstück 2085 in der Natur ersichtlich gewesen. Der Beklagte habe das Grundstück nicht lastenfrei, sondern mit der Belastung des Wasserbezugs‑ und Wasserleitungsrechts zu Gunsten ihres Grundstücks 2086/3 erworben. Nach dem Abriss ihres Gebäudes liege ein schlichter Nichtgebrauch des Wasserbezugs‑ und Wasserleitungsrechts vor. Eine Freiheitsersitzung liege nicht vor, weil sich der Beklagte und dessen Rechtsvorgänger der Ausübung ihrer Dienstbarkeit zu keinem Zeitpunkt widersetzt hätten.

[13] Der Beklagte wendete ein, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt ein Wasserbezugs- oder Wasserleitungsrecht gehabt habe. Im Zuge des Erbteilungsübereinkommens sei ein Wasserbezugs- oder Wasserleitungsrecht nicht vereinbart oder festgehalten worden. Anlässlich der Übernahme der Liegenschaft durch seinen Vater sei eine Offenkundigkeit nicht gegeben gewesen. Eine Servitut sei weder schlüssig noch ausdrücklich vereinbart worden. Im Zuge der Schenkung an den Beklagten im Jahr 2011 sei diesem die Lastenfreiheit mit Ausnahme einer anderen Dienstbarkeit zugesichert worden. Er habe lastenfrei erworben. Spätestens im Jahr 2015 habe er aufseinem Grundstück die Überreste einer Quelleinfassung mit Erde zugeschüttet, sodass ab diesem Zeitpunkt kein Wasser mehr zum Grundstück der Klägerin geflossen sei. Damit sei eine Freiheitsersitzung eingetreten. Er habe die von der Klägerin gewünschte Einräumung einer Dienstbarkeit stets abgelehnt. Der Anspruch der Klägerin sei verjährt, zumal sie nach Widersetzung der Ausübung der Servitut durch das Zuschütten der Quelleinfassung diesen über drei Jahre nicht geltend gemacht habe.

[14] Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es bejahte gemäß § 1488 ABGB die Verjährung des Rechts der Dienstbarkeit durch Nichtgebrauch. Der Beklagte habe im Jahr 2015 die auf seinem Grundstück befindliche Betoneinfassung – objektiv erkennbar – mit Erde zugeschüttet und damit eine manifeste Hinderungshandlung, die eine (allfällige) Dienstbarkeit des Wasserbezugs zumindest beeinträchtige, gesetzt. Die selten vor Ort anwesende Klägerin, auf deren Liegenschaft seit Abbruch des Hauses aber bereits auch in den Jahren zuvor ab Auszug der Mieter im Jahr 2003 kein Wasserbezug mehr erfolgt sei, hätte daher zumindest binnen drei Jahren ab diesem Zeitpunkt ihr Recht gerichtlich geltend machen müssen. Dies habe sie aber erst mit der am 28. 6. 2022 eingebrachten Klage gemacht. In diesem Zusammenhang stellte das Erstgericht auch fest, dass die Klägerin erst im vorliegenden Verfahren vom Zuschütten der Quellfassung erfahren habe. Diese Feststellung wurde vom Beklagten in der Berufungsbeantwortung bekämpft; stattdessen soll festgestellt werden, dass die Klägerin schon 2015 davon erfahren habe.

[15] Darüber hinaus seien weder der Rechtsvorgänger des Beklagten noch der Beklagte selbst zum Zeitpunkt des jeweiligen Eigentumserwerbs in den Jahren 1990 bzw 2011 in Kenntnis des Bestehens einer Dienstbarkeit des Wasser(‑bezugs) sowie eines Wasserleitungsrechts und zu diesen Zeitpunkten auch „infolge der Gegebenheiten vor Ort eine Offenkundigkeit nicht gegeben“ gewesen, sodass von einem (Fort‑)Bestehen einer allfälligen Dienstbarkeit nicht ausgegangen werden könne. Diese Ausführungen beruhten auf weiteren Feststellungen des Erstgerichts, die die Klägerin in der Berufung bekämpfte.

[16] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es unterließ die Behandlung der Beweisrüge der Klägerin zu den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, aus denen dieses ableitete, dass keine offenkundige Dienstbarkeit vorgelegen sei, und die für einen gutgläubigen lastenfreien Erwerb der Liegenschaft durch den Beklagten sprechen sollen, weil selbst eine angenommene „offenkundige Dienstbarkeit“ nach § 1488 ABGB erloschen wäre. Ebenso wenig erledigte es eine Beweisrüge der Berufungsbeantwortung zur Feststellung, dass die Klägerin erst im Verfahren vom Zuschütten der Quelle erfahren habe.

[17] Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, dass keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der (richtig:) Klägerin „die – versuchte – Ausübung der Dienstbarkeit des Wasserbezugs aus der auf dem Grundstück des Beklagten gelegenen Quelle (etwa durch die nach ihren Behauptungen von der Quelle zu ihrem Grundstück verlaufenden Rohrleitungen) objektiv nicht möglich gewesen wäre“. Für sie wäre bei gewöhnlicher Sorgfalt erkennbar gewesen, dass ein Wasserbezug „nur durch ein vom Beklagten ‚errichtetes Hindernis‘, wie ein Zuschütten der Quelle, unterbunden worden“ sei. Die Möglichkeit der Wahrnehmung sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein Servitutsberechtigter die Örtlichkeit niemals aufgesucht habe, und ein rein subjektives Unvermögen der Kenntnisnahme des der Servitutsausübung entgegenstehenden Hindernisses wäre vom Servitutsberechtigten zu behaupten. Damit sei die Dienstbarkeit nach § 1488 ABGB erloschen.

[18] Eine unbedingte und unbefristete Dienstbarkeit sei nach den Feststellungen weder (ausdrücklich) vereinbart noch anerkannt worden, sondern allenfalls ein aufgrund des nachbarschaftlichen Verhältnisses geduldeter Wasserbezug im Falle der Errichtung eines Hauses. Einer konkludenten Vereinbarung stehe schon entgegen, dass die Klägerin selbst nicht davon ausgegangen sei, dass ihr vom Beklagten oder seinem Vater ein Wasserbezugsrecht zugestanden worden sei.

[19] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte die Revision gemäß § 508 Abs 3 ZPO nachträglich für zulässig, weil für die Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB notwendig sei, dass der Verpflichtete ein Hindernis errichte, das die Ausübung des Rechts für den Berechtigten wahrnehmbar unmöglich mache; dies könnte bei Zuschütten einer Quelleinfassung mit Erde und anschließender Abdeckung der Einfassung mit einem Blechdeckel verneint werden, wenn der Berechtigte gar nicht wisse, wo die Quelleinfassung auf dem dienenden Grundstück sei.

[20] Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision ist zulässig, weil die Voraussetzungen für eine Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB auf der Basis des unstrittig feststehenden Sachverhalts nicht vorliegen. Sie ist auch im Sinn des hilfsweise erhobenen Aufhebungsantrags berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[21] 1. Da auf der Grundlage des unbekämpft feststehenden Sachverhalts eine Freiheitsersitzung des Beklagten nicht begründet werden kann (siehe Punkt 2.4.), ist zunächst auf das Entstehen der behaupteten Dienstbarkeit einzugehen:

1.1. Keine Vereinbarung eines Wasserbezugs- und Wasserleitungsrechts:

[22] 1.1.1. Nach den Feststellungen haben der Beklagte und dessen Rechtsvorgänger der Klägerin nicht zugesichert, dass sie tatsächlich ein Wasser‑(bezugs‑)recht oder Wasserleitungsrecht „inne habe“ oder sie ihr ein solches einräumen. Der Beklagte hat keinen der von der Klägerin in Auftrag gegebenen Dienstbarkeitsvertragsentwürfe unterzeichnet. Ab dem Erwerb seines Eigentums im Jahr 2011 ist ihm ein nachfolgendes Verhalten seines Vaters nicht zuzurechnen.

[23] 1.1.2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass keine unbedingte und unbefristete Dienstbarkeit der Wasserleitung und des Wasserbezugs zwischen den Parteien vereinbart wurde, ist aufgrund der getroffenen Feststellungen zutreffend. Der Beklagte stellte der Klägerin nur unkonkret den Wasserbezug von einer Quelle auf seinem Grundstück in Aussicht, sollte die Klägerin wieder ein Haus errichten. Eine konkrete und verbindliche Zusage ist daraus jedoch nicht abzuleiten, vermied er es doch insbesondere, einen von der Klägerin in Auftrag gegebenen Dienstbarkeitsvertragsentwurf zu unterfertigen. Einer konkludenten Dienstbarkeitsvereinbarung steht entgegen, dass die Klägerin aus dem Verhalten des Beklagten und dessen Vaters als Rechtsvorgänger nicht ableiten konnte, dass diese ihr ein Wasserbezugs‑ und Wasserleitungsrecht einräumen wollten (vgl RS0014160 [T24]).

[24] 1.2. Ob es durch Teilung und Übereignung der zuvor im Eigentum der Mutter der Klägerin stehenden Liegenschaft an die Klägerin einerseits und den Rechtsvorgänger des Beklagten (seinen Vater) andererseits aufgrund des im Verlassenschaftsverfahren nach der Mutter der Klägerin abgeschlossenen Erbteilungsübereinkommens zum Entstehen der Wasserbezugs‑ und Wasserleitungsservitut kam, kann noch nicht abschließend beurteilt werden:

[25] 1.2.1. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist anerkannt, dass bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von denen eine offenkundig der anderen dient und weiterhin dienen soll, auch ohne spezifische Vereinbarung und Verbücherung unmittelbar durch den Übertragungsakt eine (außerbücherliche) Dienstbarkeit entsteht (RS0011618; RS0131628). Offenkundigkeit ist anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Eigentumsübertragung eine Inanspruchnahme der einen Liegenschaft zum Nutzen der anderen durch offenkundige Vorgänge, ersichtliche Anlagen oder Einrichtungen erkennbar ist (RS0011547 [T14]; RS0011633) oder der Erwerber davon positiv Kenntnis hat (RS0011618 [T10]). Es wird angenommen, dass der mittels des Übertragungsakts tatsächlich geschaffene Zustand der Natur einer Dienstbarkeit entspricht und die Dienstbarkeit somit unmittelbar durch den Übertragungsakt entsteht, weil im Zweifel anzunehmen ist, dass ein bestehender Zustand aufrecht bleibt und demnach die Eigentümerbefugnis als Grunddienstbarkeit fortbestehen soll (RS0011618 [T13]). Dabei handelt es sich um eine Auslegungsregel (2 Ob 156/20k mwN). Denn die Vertragsparteien können ausdrücklich oder schlüssig etwas anderes vereinbaren und so das Entstehen einer Grunddienstbarkeit vertraglich ausschließen (RS0011618 [T18]; RS0011643 [T4]). Dies ist aber nicht die Regel (vgl RS0011618 [T2]).

[26] 1.2.2. Als ausreichend wurde angesehen, wenn die Inanspruchnahme für die Benützung der herrschenden Liegenschaft nach Maßgabe einer seit vielen Jahren regelmäßig ausgeübten Nutzung weiter nützlich und bequem war (2 Ob 156/20k mwN). Das Bestehen von durch Vorgänge oder ersichtliche Anlagen bzw Einrichtungen offenkundigen Verhältnissen ist überdies nur für die Beurteilung des Kennenmüssens des Erwerbers von Bedeutung (RS0011643 [T5]). Hatte der Erwerber dagegen ohnehin positive Kenntnis von der faktischen bestehenden Dienstbarkeit, sind diese Umstände nicht maßgeblich, weil der Erwerber eines solchen Hinweises nicht bedurfte (RS0011618 [T10]).

[27] 1.2.3. Das Berufungsgericht hat zur Frage der Offenkundigkeit der Dienstbarkeit die Beweisrüge der Klägerin, mit der sie zahlreiche Feststellungen des Erstgerichts bekämpfte, aus – unzutreffenden (siehe Punkt 2.4.) – rechtlichen Überlegungen nicht erledigt. Dadurch liegt mangels gesicherter Tatsachengrundlage ein Feststellungsmangel vor, der im Rahmen der rechtlichen Beurteilung in dritter Instanz wahrzunehmen ist (3 Ob 153/16w; 1 Ob 42/21i, jeweils mwN).

[28] 1.3. Sollte durch Teilung der Liegenschaft und Übertragung eines Liegenschaftsteils im Jahr 1990 an den Vater des Beklagten die Dienstbarkeit entstanden sein, ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte dieses Grundstück 2011 von seinem Vater geschenkt erhielt.

[29] Nach der Rechtsprechung ist allerdings nur der entgeltliche, nicht aber der unentgeltliche Erwerber im Vertrauen auf das Grundbuch geschützt (RS0117411; 4 Ob 189/02a = ecolex 2003/204 [zustimmend Wilhelm]). An dieser Rechtsprechung ist ungeachtet der Kritik in der Lehre (Spielbüchler in Rummel 3 § 431 ABGB Rz 10; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 63 GBG Rz 10; Holzner in Rummel/Lukas 4 § 431 ABGB Rz 27) festzuhalten, weil sich die teleologische Reduktion und damit die Einschränkung des Gutglaubensschutzes nach § 1500 ABGB auf den entgeltlichen Erwerb mit dem Schutzzweck rechtfertigen lässt. Das Gesetz nimmt den mit dem Gutglaubensschutz verbundenen Eingriff in die gesicherte Rechtsposition des (bisher) Berechtigten nur aus besonders schützenswert erachteten Interessen in Kauf. Ist Gegenstand des Rechtsgeschäftes kein grundbücherliches Recht, sondern eine bewegliche Sache, bleibt nach § 367 ABGB der unentgeltliche Erwerber vom Gutglaubenserwerb ausgeschlossen. Die geringere Schutzwürdigkeit des Erwerbers ohne Austauschleistung bringt der Gesetzgeber aber auch in § 373 ABGB sowie im Anfechtungsrecht (vgl § 29, § 38 Abs 2 Z 2 IO) zum Ausdruck (vgl 6 Ob 737/87, SZ 62/219; dazu Karollus, Grundbücherlicher Vertrauensschutz bei unentgeltlichem Erwerb?, JAP 1990/1991, 228 [229 f]). Diese eindeutige gesetzgeberische Wertung erfordert, in teleologischer Reduktion des § 1500 ABGB Geschenknehmer vom Gutglaubenserwerb im Vertrauen auf die Vollständigkeit des Grundbuchsstands auszunehmen.

[30] Der Beklagte könnte sich als Geschenknehmer daher nicht auf den Gutglaubensschutz des § 1500 ABGB berufen.

[31] 2. Auf der Grundlage der unstrittigen Feststellungen liegen die Voraussetzungen für eine Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB nicht vor:

[32] 2.1. Nach § 1488 ABGB verjährt das Recht der Dienstbarkeit durch den Nichtgebrauch, wenn sich der verpflichtete Teil der Ausübung der Servitut widersetzt und der Berechtigte durch drei aufeinanderfolgende Jahre sein Recht nicht geltend macht. Bei dieser sogenannten Freiheitsersitzung handelt es sich um einen Fall der Verjährung einer bestehenden Dienstbarkeit (RS0034333 [T1]; RS0037141 [T10]).

[33] 2.2. Während in der älteren Rechtsprechung (vgl RS0034271; RS0034394) die tatsächliche Servitutsausübung durch den Berechtigten als Voraussetzung für die Freiheitsersitzung gefordert wurde, kommt es für den Beginn der Verjährung nach § 1488 ABGB nach nunmehr herrschender Ansicht nur noch auf die (objektive) Möglichkeit der Rechtsausübung an. Es genügt, dass der Dienstbarkeitsberechtigte das Hindernis, das die Ausübung einer Dienstbarkeit unmöglich macht oder beeinträchtigt, bei gewöhnlicher Sorgfalt (im Sinne von gewöhnlicher Aufmerksamkeit) hätte wahrnehmen können (RS0034271 [T10, T11]; RS0034394 [T4, T5]; RS0037141 [T7]).

[34] 2.3. Es liegt grundsätzlich am Servitutsbelasteten, die Voraussetzung der Freiheitsersitzung zu behaupten und zu beweisen (8 Ob 124/19x mwN). Der Beklagte hat somit einen Sachverhalt zu behaupten und zu beweisen, aus dem der rechtliche Schluss zu ziehen ist, dass die Verjährungsfrist des § 1488 ABGB zum Zeitpunkt der Geltendmachung des behaupteten Anspruchs durch Klage bereits abgelaufen war (RS0034333 [T4]).

[35] 2.4. Nach den unbekämpften erstinstanzlichen Feststellungen wurde das Gebäude auf der Liegenschaft der Klägerin im Jahr 2014 abgerissen und seitdem wird dort auch kein Wasser mehr entnommen. Die Klägerin befand sich nach 2014 nicht auf der Liegenschaft des Beklagten. Sie ist zu keinem Zeitpunkt zum Betonschacht am Grundstück des Beklagten gegangen und hat im Bereich der Wasserversorgung ihrer Liegenschaft auch keine Reparaturarbeiten beauftragt. Ihr war nicht bekannt, wie die Wasserleitung zum ehemaligen Gebäude tatsächlich verlief. Es existierte vor Abbruch ihres Hauses nur eine Eintrittsstelle der Wasserleitung im Bereich des Mostkellers.

[36] Zwar ist die Möglichkeit der Wahrnehmung nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein Servitutsberechtigter die Örtlichkeit nicht aufgesucht hat. Somit hindert die freiwillige Abwesenheit des Berechtigten nach herrschender Auffassung nicht den Rechtsverlust nach § 1488 ABGB (8 Ob 124/19x mwN). Die Vorinstanzen und auch der Beklagte vermögen aber nicht darzulegen, aufgrund welcher Umstände die Klägerin nach dem Abbruch ihres Hauses erheben hätte können, dass ihr Wasserbezug durch das Zuschütten der Quelleinfassung durch den Beklagten im Jahr 2015 beeinträchtigt war. Allein aufgrund der beschriebenen Örtlichkeit der Quelleinfassung und ohne diesbezügliche Mitteilung des Beklagten hätte sie keine gesicherte Möglichkeit der Kenntnis vom Hindernis des Wasserbezugs haben können. Wodurch ihr das vom Beklagten „errichtete Hindernis“ – das Zuschütten der Reste der Betoneinfassung der Quelle – und damit die Unterbindung des Wasserbezugs bekannt sein hätten können, wenn sie keine Kenntnis von deren Lage hat, ist nicht ersichtlich. Dass objektive Anhaltspunkte dafür vorgelegen wären, vermag auch der Revisionsgegner nicht aufzuzeigen.

[37] 2.5. Das Erstgericht stellte fest, dass die Klägerin erst im gegenständlichen Prozess durch das Vorbringen des Beklagten Kenntnis davon erlangte, dass dieser Überreste/Relikte der Betoneinfassung auf seinem Grundstück im Jahr 2015 mit Erde zugeschüttet hatte. Diese Feststellung wurde vom Beklagten in der Berufungsbeantwortung bekämpft, ohne dass diese Beweisrüge vom Berufungsgericht erledigt worden wäre. Sollte diese Feststellung nicht Bestand haben und – wie behauptet – der Beklagte die Klägerin bereits im Jahr 2015 darüber informiert haben, dass er den Betonsockel der Quellfassung zugeschüttet habe, wäre dies der fristauslösende Moment für den Beginn der Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB.

[38] 3. Aus den dargelegten Gründen ist der Revision Folge zu geben, das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird zunächst die Beweisrüge in der Berufungsbeantwortung zu erledigen haben. Übernimmt es die bekämpfte Feststellung, wäre eine Freiheitsersitzung zu verneinen. Dann käme es darauf an, ob anlässlich der Teilung eine Dienstbarkeit entstanden ist. Insofern ist auch die Beweisrüge der Berufung zu erledigen.

[39] 4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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