Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft; die Klägerin ist Alleineigentümerin der Nachbarliegenschaft, welche sie von der früheren Eigentümerin aufgrund des Schenkungsvertrages auf den Todesfall vom 2. 8. 1995 erworben hat. Die Geschenkgeberin starb am 27. 4. 1997. Der im Hinblick auf die Schenkung auf den Todesfall verbliebene Nachlass von 400 S wurde der Klägerin auf Abschlag ihrer Forderungen für Begräbniskosten an Zahlungs Statt überlassen.
Im Jahre 1988 hatten die Beklagten mit der EVN einen Vertrag über die Herstellung eines Erdgasanschlusses zur Energieversorgung ihrer Liegenschaft geschlossen. Auf Ersuchen der Beklagten stimmte die Rechtsvorgängerin der Klägerin damals zu, dass im nordöstlichen Bereich ihres Grundstücks über eine Länge von rund 7 m eine Gasleitung verlegt wurde, die in das Grundstück der Beklagten einmündet. Diese Gasleitung ist nach wie vor vorhanden und versorgt das Grundstück der Beklagten mit Erdgas.
Die Klägerin wusste vor September 2000 nichts von dieser Gasleitung. Ihre Rechtsvorgängerin hat ihr davon nichts mitgeteilt. Im Schenkungsvertrag war festgehalten worden, dass die verschenkte Liegenschaft unbelastet sei; die Schenkung erfolge mit allen Rechten und Pflichten, mit denen die Geschenkgeberin das Vertragsobjekt besitze und benütze bzw zu besitzen und benützen berechtigt sei. Die Geschenkgeberin leiste dafür Gewähr, dass keine grundbücherlich nicht sichergestellten Dienstbarkeiten und Reallasten auf der Vertragsliegenschaft bestünden, unabhängig davon, ob es sich um solche öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur handle. Im September 2000 ließ die Klägerin auf ihrem Grundstück Grabungsarbeiten zur Errichtung des Fundaments für eine Gartenhütte vornehmen. Als die Beklagten dies bemerkten, machten sie die Klägerin darauf aufmerksam, dass sich in unmittelbarer Nähe der Grabungsstelle die zu ihrem Grundstück führende Gasleitung befinde, und überreichten der Klägerin eine Handskizze über den ungefähren Verlauf dieser Gasleitung. Dadurch erfuhr die Klägerin erstmals von der Existenz der Gasleitung. Auf der Oberfläche ihres Grundstücks ist kein Hinweis auf den unterirdischen Leitungsverlauf ersichtlich.
Nach den Allgemeinen Bedingungen der EVN für die Lieferung von Gas an Tarifkunden, in Geltung seit 1. 1. 1989, ist die EVN berechtigt, für die örtliche Versorgung Grundstücke des Kunden unentgeltlich zu benützen. Nach Punkt VI.5. der Bedingungen hat der Kunde auf Verlangen der EVN die Zustimmung des Eigentümers zur Grundstücksbenutzung beizubringen, wenn das Grundstück, auf dem sich die Kundenanlage befindet, nicht im Kundeneigentum steht. Nach Punkt IX. beginnt der Hausanschluss an seiner Abzweigestelle im EVN-Verteilnetz und endet mit der Hauptabsperreinrichtung. Die EVN stellt Gas am Ende des Hausanschlusses, also nach der Hauptabsperreinrichtung, zur Verfügung. Die Hausanschlüsse gehören zur Betriebsanlage der EVN und werden von dieser hergestellt, geändert, instandgehalten, abgetrennt und beseitigt. Die Gasleitung zum Haus der Beklagten bildet einen Hausanschluss im Sinn der allgemeinen Bedingungen der EVN.
Mit dem Vorbringen, die Beklagten behaupteten ein Nutzungsrecht an der Gasleitung, begehrt die Klägerin die Feststellung, dass den Beklagten kein wie immer geartetes Nutzungsrecht an der näher beschriebenen Gasleitung zustehe. Sie habe keine Kenntnis von der Gasleitung gehabt; eine Dienstbarkeit sei im Grundbuch nicht eingetragen. Sie sei gemäß § 297 ABGB Eigentümerin der über ihr Grundstück laufenden Gasleitung.
Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin habe die Verlegung der Gasleitung ausdrücklich und kostenlos gestattet. Die Klägerin habe davon gewusst. Ein allfälliges Nutzungsrecht komme nicht den Beklagten, sondern der EVN zu. Die Klageführung sei schikanös, weil der Klägerin aus dem Bestehen der Gasleitung kein Schaden oder sonstiger Nachteil erwachse.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Klägerin sei aufgrund des Schenkungsvertrags Eigentümerin an der Liegenschaft, die sie frei von bücherlichen und nicht grundbücherlich sichergestellten Lasten erworben habe. Das Eigentum umfasse mangels anderer Vereinbarung oder gesetzlicher Einschränkung sowohl die Ober- als auch die Unterfläche. Die Gasleitung gehöre daher mangels besonderer Vereinbarung mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin (§ 297 ABGB). Eine vertragliche, nicht verbücherte Dienstbarkeit sei dem Rechtsnachfolger des Bestellers gegenüber nur wirksam, wenn dieser von der Dienstbarkeit Kenntnis gehabt habe oder die Dienstbarkeit offenkundig gewesen sei. Beides treffe hier nicht zu. Der Klägerin stehe ein rechtliches Interesse an der Feststellung zu, dass den Beklagten kein Nutzungsrecht an der Gasleitung zukomme. Sie könnte gegenüber den Beklagten kein Leistungsbegehren stellen, weil die Klägerin selbst Eigentümerin der Gasleitung sei und somit eine Entfernung selbst vorzunehmen habe. Müsste sie ein Benützungsrecht der Beklagten an der Gasleitung gegen sich gelten lassen, wäre ihre Verfügungsmöglichkeit in Bezug auf ihr Eigentum in dieser Hinsicht beschränkt. Der Schikaneeinwand sei gleichfalls nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Die Beklagten hätten vor dem Prozess, aber auch während des Verfahrens zunächst behauptet, dass ihnen die Verlegung der Gasleitung ausdrücklich und kostenlos gestattet worden sei und dass die Klägerin aufgrund dieser Vereinbarung verpflichtet sei, die Gasleitung zu dulden. Im Zuge des Verfahrens hätten sie jedoch ihr Vorbringen dahin abgeändert, dass das Nutzungsrecht nicht ihnen, sondern der EVN zustünde. Nach den Feststellungen gehörten Hausanschlüsse einer Gasleitung zur Betriebsanlage der EVN. Die hier strittige Gasleitung sei nach den Allgemeinen Bedingungen der EVN ein solcher Hausanschluss. Das bedeute, dass die Zustimmung der Rechtsvorgängerin der Klägerin zur Verlegung und Benützung dieser Gasleitung, welche sie formaliter den Beklagten gegenüber erteilt habe, tatsächlich gegenüber der EVN erteilt worden sei. Der Sachverhalt unterscheide sich daher von jenem, der der Entscheidung SZ 42/35 zugrunde gelegen sei. Dort sei nämlich der Beklagten das Recht eingeräumt worden, die vormals ärarischen Grundstücke zum Bau und Betrieb ihrer Anlage zu benützen, wogegen im vorliegenden Fall die Gasleitung von der EVN hergestellt worden sei und nur von dieser geändert, instandgehalten und abgetrennt sowie beseitigt werden dürfe. Den Beklagten stehe daher gegenüber der EVN nur eine schuldrechtlich wirksame Vereinbarung betreffend die Nutzungsrechte an der Gasleitung zu. Sie hätten daher kein Recht, das Grundstück der Klägerin zum Zweck baulicher Veränderungen udgl zu benutzen. Die Frage, ob die durch das Grundstück der Klägerin laufende Gasleitung beseitigt werden könne, sei daher ausschließlich zwischen dieser und der EVN zu klären. Wollte man annehmen, dass unabhängig davon, dass die Rechte ausschließlich der EVN zustehen, die Beklagten nicht berechtigt seien, Gas über diese Leitung zu beziehen, könne die Klägerin mit einer Klage auf Unterlassung des Gasbezugs all das erreichen, was sie mit der erhobenen Feststellungsklage erzielen wolle; es bedürfe darüber hinaus keiner weiteren Feststellung, um die rechtliche Beziehung zwischen den Streitteilen dieses Verfahrens klarzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Klägerin ist im Ergebnis nicht berechtigt.
Die Klägerin macht in ihrer Revision geltend, ihre Rechtsvorgängerin habe nach dem Wortlaut ihrer schriftlichen Erklärung ausdrücklich bestätigt, dass sie den Beklagten (und nicht der EVN) die Verlegung der Gasleitung auf (unter) ihrem Grundstück gestatte. Da die Beklagten ein solches Recht behaupteten, sei das Interesse der Klägerin an der Feststellung des Nichtbestehens dieses Rechtes (§ 228 ZPO) jedenfalls zu bejahen. Damit ist aber für die Klägerin nichts zu gewinnen:
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat sich mit der Verlegung der Gasrohre auf ihrem Grund einverstanden erklärt. Ob sie das Recht zur Verlegung der Gasrohre den Beklagten oder - wie das Berufungsgericht meint - in Wahrheit der EVN eingeräumt hat, kann offenbleiben. Dieser Frage käme nur dann Bedeutung zu, wenn sich die Klägerin tatsächlich auf den Vertrauensschutz des Grundbuchs berufen könnte.
Nach dem Vertrauensgrundsatz oder "materiellen Publizitätsprinzip" schafft auch die mit der Rechtslage nicht übereinstimmende Eintragung Dritten gegenüber einen Vertrauenstatbestand (Klang in Klang² II 346 ff; Spielbüchler in Rummel ABGB³ § 431 Rz 10; Hinteregger in Schwimann, ABGB², Vor § 431 bis § 446 Rz 11; Koziol/Welser 12 I 326). Die positive Seite des Publizitätsgrundsatzes, wie er in den §§ 62 ff GBG seinen Niederschlag findet, stützt das Vertrauen Gutgläubiger darauf, dass Eintragungen im Grundbuch (ursprünglich) richtig sind; was eingetragen ist, gilt demnach (Koziol/Welser aaO). Die negative Seite des Publizitätsgrundsatzes, welche sich aus § 1500 ABGB und § 71 GBG ergibt, schützt hingegen das Vertrauen Gutgläubiger auf die Vollständigkeit des Buchstands; was nicht eingetragen ist, gilt also (dem gutgläubigen Erwerber gegenüber) nicht (Koziol/Welser aaO 327).
Nach überwiegender Lehre gilt dieser Grundsatz mangels Unterscheidung im Gesetz sowohl für den entgeltlichen als auch für den unentgeltlichen Erwerb (Klang in Klang aaO 348 mwH auf älteres Schrifttum; Mader in Schwimann ABGB² § 1500 Rz 3; M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 1500 Rz 1). Der Oberste Gerichtshof hat diese Auffassung jedoch - ausdrücklich für die positive Seite des Publizitätsgrundsatzes (GlU 7004; GlUNF 3908; SZ 62/219 = JBl 1990, 314 = NZ 1990, 237 [Hofmeister]) - abgelehnt. In der Frage nach dem Gutglaubensschutz zugunsten eines Geschenk- oder Vermächtnisnehmers sei nach dem Zweck der entsprechenden Regelungen des § 63 Abs 2 und § 71 GBG zu fragen. Der Verlust des Klagerechts auf Löschung einer materiell unrichtigen oder unrichtig gewordenen Grundbuchseintragung bedeute Rechtsbeschränkung oder Rechtsverlust des durch die strittige Eintragung belasteten Buchberechtigten. Einen solchen Eingriff in eine gesicherte Rechtsposition nehme das Gesetz nur aus besonders schützenswert erachteten Interessen Dritter in Kauf. Schützenswert sei dabei nie die Einrichtung des Grundbuches als solche, sondern immer nur die Stellung eines Rechtserwerbers oder Rechtsnehmers, die sich auf Richtigkeit und Vollständigkeit des öffentlichen Buches verlassen können sollen. Als Zweck eines solchen Vertrauensschutzes könne nur die Sicherung des rechtsgeschäftlichen Verkehrs erkannt werden. In einem weiteren Verständnis wären darunter auch unentgeltliche Verfügungen zu begreifen. In teleologischer Gesetzesauslegung sei aber zu prüfen, ob der Gesetzgeber auch den Erwerber aus einem Rechtsgeschäft ohne Leistungsaustausch für so schutzwürdig ansehen könne, dass er allein um künftiger Dispositionen des Erwerbers willen zu Lasten eines materiell Berechtigten eine Rechtsstellung erwerben solle, für die sich sonst kein Zurechnungsgrund finden lasse. Sei der Gegenstand des Rechtsgeschäfts kein grundbücherliches Recht, sondern eine bewegliche Sache, bleibe nach § 367 ABGB der Geschenk- und Vermächtnisnehmer vom Gutglaubenserwerb ausgeschlossen. Die geringe Schutzwürdigkeit des Erwerbers ohne Austauschleistung bringe der Gesetzgeber auch in der Regelung nach § 373 ABGB sowie im Anfechtungsrecht klar und eindeutig zum Ausdruck. Diese klare gesetzgeberische Wertung zwinge, in teleologischer Reduktion Geschenk- und Vermächtnisnehmer vom Gutglaubenserwerb im Vertrauen auf den Grundbuchstand auszunehmen. Diese Auffassung entspreche nicht nur den Lehrmeinungen von Pratobevera, Unger und Demelius, sie vermöge auch nahtlos an die bisherige Rechtsprechung (GlU 7004 und GlUNF 3908) anzuknüpfen.
Karollus ("Grundbücherlicher Vertrauensschutz bei unentgeltlichem Erwerb? JAP 1990/91, 228 hat diese Auffassung gebilligt und sich noch ergänzend mit der Frage auseinandergesetzt, ob allenfalls das Vertrauen eines Erwerbers auf den Grundbuchstand gerade aufgrund der besonderen Publizitätswirkungen des Grundbuchs einen erhöhten Schutz genießen solle. Der Oberste Gerichtshof verneine das bloß stillschweigend, indem er allgemein ein besonderes Schutzbedürfnis des Rechtsverkehrs im Hinblick auf unentgeltlichen Erwerb verneine und diese Wertung offensichtlich uneingeschränkt auch auf das grundbücherliche Vertrauensprinzip übertrage. Der Oberste Gerichtshof wolle offenbar ein ganz allgemeines Strukturprinzip postulieren, das den gesamten Bereich des Gutglaubenserwerbs - und deshalb auch jenen im Vertrauen auf das Grundbuch - beschränken solle (aaO 230). Karollus und Koziol/Welser (aaO 326) teilen die Auffassung des Obersten Gerichtshofs.
Der erkennende Senat hält die Ausführungen der Entscheidung SZ 62/219 für überzeugend und schließt sich ihnen an. Das Gleiche muss aber - wenn nicht sogar in höherem Maße - für die negative Seite des Publizitätsgrundsatzes gelten. In der dargestellten Entscheidung wurde bereits auf § 71 GBG verwiesen, der neben § 1500 ABGB Grundlage des negativen Publizitätsprinzips ist. Zutreffend führt Karollus (aaO 230) aus, dass aufgrund der völligen Gleichartigkeit der entscheidenden Wertungen die Parallele völlig zwingend ist.
Die gegen die Entscheidung SZ 62/219 ins Treffen geführten Argumente Hofmeisters (NZ 1990, 240) vermögen nicht zu überzeugen. Die gewiss manchmal schwierige Abgrenzung zwischen entgeltlichem und unentgeltlichem Erwerb rechtfertigt es allein nicht, ganz allgemein entgegen den deutlichen Wertungen des Gesetzgebers beim Vertrauensschutz den Unterschied zwischen entgeltlichem und unentgeltlichem Erwerb außer Acht zu lassen. Auch die Interessen eines allfälligen exekutiven Erwerbers können für die Beurteilung der hier maßgeblichen Frage nicht ausschlaggebend sein.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die Liegenschaft durch eine Schenkung auf den Todesfall erworben. Dafür, dass sie bei Kenntnis von den verlegten Gasrohren die Annahme der Schenkung verweigert hätte, fehlen im Übrigen alle Anhaltspunkte; derartiges hat sie auch nicht behauptet.
Im Hinblick auf den unentgeltlichen Erwerb der Klägerin kann sie sich nicht auf ihr Vertrauen auf den Buchstand berufen. Sie muss daher die Rechte gegen sich gelten lassen, die ihre Vorgängerin den Beklagten (oder der EVN) eingeräumt hat.
Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1, § 52 ZPO.
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